VG Berlin, Urteil vom 23.04.2021 - 17 K 302/20 A
Fundstelle
openJur 2021, 29466
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung eine Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Der 26 Jahre alte Kläger ist ein nigerianischer Staatsangehöriger aus der Stadt Damboa im nordöstlichen Bundesstaat Borno. Er gehört dem Volke der Haussa an und ist sunnitischen Glaubens. Der Kläger reiste zufolge seiner eigenen Angabe am 13. September 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 29. September 2014 einen Asylantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag des Klägers zunächst als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Italien an, bevor es mit einem Bescheid vom 18. Juli 2016 das Eintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland ausübte und ein Asylverfahren durchführte.

Das Bundesamt hörte den Kläger am 29. Mai 2018 zu seinen Fluchtgründen an. Der Kläger führte im Wesentlichen aus, im Juli 2014 haben ihn Angreifer der Boko Haram aus seinem Dorf vertrieben; anderswohin in Nigeria könne er nicht, da ihn vor allem die Leute im Süden des Landes verdächtigten zu Boko Haram zu gehören, da er aus Damboa im Norden stamme; andere vor ihm seien deshalb schon gesteinigt oder getötet worden, bevor die Polizei sie schützen konnte; auch sein Vater sei von Boko Haram verfolgt worden, da er sich geweigert habe, für sie zu kämpfen; sein Onkel habe ihren Bundesstaat verlassen müssen, weil er Schiit sei, er lebe jetzt in der Stadt Kontagora in Niger State inmitten anderer Schiiten; er, der Kläger, leide zudem unter gesundheitlichen Problemen, er könne nicht schlafen und habe Flashbacks.

Der Kläger legte ergänzend zu diesen Angaben eine "Fachärztliche Bescheinigung" des Dr. med. J..., Neurologie und Psychiatrie, vom 27. Juni 2018 vor, in der ihm eine Posttraumatische Belastungsstörung einschließlich einer schweren Depression mit Erschöpfungssyndrom und Suizidalität diagnostiziert wird.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf die Anerkennung als Asylberechtigter, auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Gewährung des subsidiären Schutzes durch einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juli 2020 ab und stellte zugleich fest, dass nationale Abschiebungsverbote bei ihm nicht vorlägen. Sie forderte den Kläger mit dem Bescheid zudem auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach der Bekanntgabe der Entscheidung beziehungsweise nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, und drohte ihm bei der Nichtbeachtung dieser Aufforderung die Abschiebung nach Nigeria an. Sie befristete schließlich das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag einer möglichen Abschiebung des Klägers aus dem Bundesgebiet.

Der Kläger führt zu der Begründung seiner am 20. Juli 2020 bei Gericht eingegangenen Asylklage im Wesentlichen aus, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria als ein aus dem Bundesstaat Borno stammender Volkszugehöriger der Haussa mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen müsse; für ihn als einem Sunniten sei es nicht möglich, bei seinem schiitischen Onkel im Süden des Landes zu leben; die humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen in Nigeria hätten sich auch aufgrund der im Norden des Landes herrschenden Gewalt in letzter Zeit massiv verschlechtert.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juli 2020 zu Ziffer 1), 3) bis 6) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,

ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise,

ihm subsidiären Schutz zu gewähren sowie das Vorliegen eines Abschiebungsverbote hinsichtlich Nigerias festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Streitsache ist dem Berichterstatter durch einen Beschluss der Kammer vom 21. April 2021 zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen worden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren geäußert. Bei der Entscheidung lagen dem Gericht die Akten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und des Berliner Landesamts für Einwanderung vor.

Gründe

Die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ihm subsidiären Schutz zu gewähren oder für ihn das Vorliegen eines Abschiebungsverbots hinsichtlich Nigerias festzustellen. Der Kläger hat auf den Erlass dieser begünstigenden Verwaltungsakte nach den maßgebenden Vorschriften des Asylgesetzes (AsylG) und des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) keinen Anspruch. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juli 2020, soweit die begehrten Begünstigungen abgelehnt worden sind, ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Genauso wenig sind die in dem Bescheid des Bundesamts enthaltene Abschiebungsandrohung und das dort verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß §113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, da auch diese Maßnahmen rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Einem Ausländer, der Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG ist, wird gemäß § 3 Abs. 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 - Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, wegen seiner politischen Überzeugung oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslands befindet. Eine solche Verfolgung kann gemäß § 3 c Nr. 1 AsylG nicht nur vom Staat ausgehen, sondern nach § 3 c Nr. 2 AsylG auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nach § 3 c Nr. 3 AsylG von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich der internationalen Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, einen Schutz vor deren Verfolgung zu bieten. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 e AsylG allerdings nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder aber Zugang zu Schutz vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Die Furcht eines Ausländers vor einer solch flüchtlingsrelevanten Verfolgung ist begründet, wenn sein Leben, seine Freiheit oder ein anderes geschütztes Rechtsgut in seinem Herkunftsland aufgrund der gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bedroht ist. Die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung muss seitens des Gerichts von Amts wegen aufgeklärt werden und zur vollen richterlichen Überzeugung feststehen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab bedingt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen müssen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage einer qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Hierbei sind neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Klägers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen die Furcht vor einer Verfolgung hervorgerufen werden kann.

Die Tatsache, dass ein Kläger in seinem Herkunftsland bereits verfolgt wurde oder von einer solchen Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von einer solchen Verfolgung bedroht werden würde. Diese Aussage misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen eine Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Liegen bei einem Ausländer frühere Verfolgungshandlungen oder frühere Bedrohungen mit Verfolgung als Anhaltspunkte für die Begründetheit seiner Furcht vor erneuter Verfolgung im Falle seiner Rückkehr in sein Heimatland vor, so kommt ihm diese Beweiserleichterung zugute. Diese widerlegliche Vermutung entlastet den Vorverfolgten von der Notwendigkeit, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Dabei ist es die Obliegenheit des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter der Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass seine Furcht vor Verfolgung bei verständiger Würdigung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen des Ausländers ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.

Dies zugrunde gelegt, hat das Gericht im Rahmen einer Gesamtschau des Vorbringens des Klägers bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie im gerichtlichen Verfahren nicht die Überzeugung gewinnen können, dass er vor seiner Ausreise aus Nigeria einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre und es nach seiner Rückkehr sein würde.

Die Schilderung der Fluchtgründe erscheint bereits wenig glaubhaft. Das Vorbringen des Klägers anlässlich seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. Mai 2018 ist vollkommen unanschaulich und verliert sich in Gemeinplätzen zu einem vorgeblichen Angriff der Gruppierung Boko Haram auf sein Dorf. Genauso lapidar wie die Umstände dieses Angriffs teilt der Kläger mit, dass es nirgendwo in Nigeria für ihn einen sicheren Ort geben könne, so dass er das Land verlassen musste. Der Verdacht drängt sich somit auf, dass es letztlich die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Heimatland gewesen sind, die den Kläger zu der Flucht nach Europa bewogen haben könnten. Er beschränkt sich folgerichtig im Klageverfahren im Wesentlichen darauf, die schlechten humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen in Nigeria als seine Fluchtgründe zu betonen.

Selbst wenn das Vorbringen des Klägers zu einem Angriff der Boko Haram auf sein Dorf (er gab andererseits an, aus Damboa zu stammen, einer Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern) den Tatsachen entsprechen sollte, könnte dies nicht dazu führen, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Denn er könnte in Nigeria einen internen Schutz im Sinne des § 3 e AsylG vor einem wiederholten Angriff dieser Gruppierung finden. Es existierte für ihn außerhalb seiner Heimatregion im nordöstlich gelegenen Bundesstaat Borno eine den Anforderungen des § 3 e Abs. 1 AsylG genügende inländische Fluchtalternative. Der Einfluss der Boko Haram und die damit verbundenen gewalttätigen Anschläge und Auseinandersetzungen sind nämlich auf den Norden des Landes begrenzt (vgl. Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 14. Juli 2015 - 11 A 2515.14 A -, juris Rn. 6 f). Jedem Nigerianer und mithin auch dem Kläger steht es indes gemäß Art. 41 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria von 1999 grundsätzlich frei, sich überall im Lande niederzulassen (vgl. Urteil des erkennenden Gerichts vom 8. September 2015 - VG 34 K 296.14 A -, Entscheidungsabdruck S. 9 f.). Dies wird hier durch das Beispiel des Onkels des Klägers bestätigt, der seinen eigenen Bundesstaat, ebenfalls Borno, verlassen hat, um sich im Bundesstaat Niger in der Stadt Kontagora anzusiedeln. Dass dieser Onkel, was Freizügigkeit betrifft, aufgrund seiner Zugehörigkeit zum schiitischen Zweig des islamischen Glaubens eine bevorzugte Stellung genießen könnte, ist nicht nur nicht vorgetragen worden, sondern erscheint abwegig. Wie die möglichen Verfolger des Klägers, welcher weder aufgrund einer hervorgehobenen Funktion noch überhaupt dem Namen nach bei diesen bekannt sein dürfte, ihn in einem anderen Teil des großen Landes, etwa in der urbanen Metropole Lagos, aufspüren könnten, ist nicht ohne weiteres vorstellbar. Hinzu kommt, dass es der Kläger anders als sein Vater nicht ausdrücklich gegenüber der Boko Haram abgelehnt hatte, für diese Gruppierung zu kämpfen. Eine solche Zufluchtnahme und Begründung einer neuen Existenz innerhalb Nigerias wäre dem Kläger auch zumutbar. Er ist ein noch junger Mann im erwerbsfähigen Alter, dem es bereits gelungen ist, die Strapazen einer Flucht nach Europa bewältigten. Es erscheint ferner nicht ausgeschlossen, dass sich der Kläger bei seiner Rückkehr nach Nigeria der Hilfe seines Onkels in Kontagora bedienen könnte, zu dem er nach wie vor Kontakt hält und dem es auf eine entsprechende Bitte bereits gelungen war, ihm eine fehlende Geburtsurkunde zu beschaffen. Mangels irgendwelcher Erkenntnisse erscheint es schließlich ausgeschlossen, dass für den Kläger angesichts seiner Herkunft aus dem Norden des Landes überall in Nigeria die Gefahr bestünde, als Mitglied der Boko Haram verdächtigt und drangsaliert zu werden.

Der Kläger hat ebenso wenig einen Anspruch auf die Gewährung des subsidiären Schutzes.

Ein Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, die Gefahr der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Solche Gefahren drohen dem Kläger in Nigeria nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Die ernsthaft nur in Betracht zu ziehenden Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen nicht vor. Dem Kläger drohte bei einer Rückkehr nach Nigeria keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Ein landesweiter innerstaatlicher Konflikt in diesem Sinne wird in Nigeria derzeit nicht ausgetragen. Die immer wieder aufkommenden gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen beziehungsweise die auch von dem Kläger geschilderten Angriffe und Auseinandersetzungen mit der Gruppierung Boko Haram sind überwiegend regional begrenzt, im letzteren Falle auf den Norden des Landes, und weisen damit nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts im Sinne der Vorschrift auf (vgl. Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 13. Mai 2016 - Au 7 K 16.30094 -, juris Rn. 68 und Urteil vom 8. Mai 2015 - Au 7 K 14.30546 -, juris Rn. 60). Das Ausmaß dieser Konflikte ist nach ihrer Intensität und ihrer Dauer nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen, die in Nigeria nicht festzustellen sind, vergleichbar (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand: September 2019) vom 16. Januar 2020, Ziffer II.3 Seite 16).

Hinzu käme, wie bereits ausgeführt, dass dem Kläger in Nigeria in anderen Landesteilen eine inländische Fluchtalternative und damit ein interner Schutz vor der Gefahr eines ernsthaften Schadens zur Verfügung stünde, der die Gewährung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 3 e Abs. 1 AsylG ausschlösse.

Der Kläger kann schließlich nicht die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots hinsichtlich Nigerias beanspruchen.

Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 60 Abs. 5 AufenthG. Nach der genannten Norm darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ergibt, dass seine Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist insbesondere dann mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung der ernsthaften Gefahr der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen wäre. Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und die beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht. Die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kann sich in erster Linie aus den individuellen Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber ausnahmsweise auch aus der allgemeinen sozio-ökonomischen oder humanitären Lage in seinem Herkunftsland folgen, wobei dies aber nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt, wenn sich die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung als zwingend erweisen.

Nach den dargelegten Maßstäben ist das Gericht entgegen des Vorbringens des Klägers nicht davon überzeugt, dass in Nigeria mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine derart außergewöhnliche humanitäre und sozio-ökonomische Lage besteht, aufgrund derer er der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und die zwingend gegen seine Abschiebung spräche, weil seine wirtschaftliche Existenz dort nicht gesichert werden könnte.

Das Gericht ist sich nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen zwar der schlechten wirtschaftlichen Situation in Nigeria bewusst. Ein Großteil der nigerianischen Bevölkerung lebt danach in Armut und am Rande des Existenzminimums. Das im Lande durchaus vorhandene Vermögen ist zwischen einer kleinen Elite und der Masse der Bevölkerung äußerst ungleich verteilt. Problematisch ist die seit Jahren bestehende hohe Arbeitslosigkeit. Der größte Teil der nigerianischen Bevölkerung muss sich vor diesem Hintergrund seinen Lebensunterhalt durch informellen Handel oder durch landwirtschaftliche Arbeit verdienen.

Der Kläger wäre in Nigeria dennoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen Behandlung aufgrund einer drohenden Notlage im existenziellen Sinne ausgesetzt. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Kläger um einen jungen, erwerbsfähigen Mann, der sich unter den ihm bekannten Bedingungen des Alltags in Nigeria behaupten können dürfte. Er hat vor seiner Ausreise für die Dauer von sechs Jahren eine Mittelschule besucht und anschließend seinem Vater bei der Viehhaltung geholfen. Der Kläger dürfte sich damit gewisse schulische und berufliche Kenntnisse angeeignet haben, die es ihm erlauben, sich in Nigeria zumindest das Existenzminimum zu verdienen und somit zurecht zu kommen. In Gestalt seines in Kontagora lebenden Onkels, der ihm bereits einmal in einer familiären Angelegenheit behilflich sein konnte, dürfte er in Nigeria neben seinen Eltern zudem auf familiäre Unterstützung und Hilfe treffen, um Fuß zu fassen, selbst wenn es ihm nicht möglich sein sollte, mit seinen Familienmitgliedern zusammen zu leben. Das Gericht hat schließlich keine konkreten Hinweise, dass sich aufgrund der Folgen der COVID-19-Pandemie die wirtschaftlichen Bedingungen in Nigeria in der Zwischenzeit derart verschlechtert haben könnten, dass der Kläger gleichwohl in seiner Existenz bedroht wäre.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt für den Kläger ebenfalls nicht vor.

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach dieser Vorschrift abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach Satz 3 der Vorschrift nur bei solchen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.

Soweit der Kläger in dieser Hinsicht unter der Vorlage einer fachärztlichen Bescheinigung dargetan hat, er leide an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer posttraumatischen Belastungsstörung einschließlich einer schweren Depression mit Erschöpfungssyndrom und Suizidalität, mag dahinstehen, ob sich daraus aufgrund der Schwere der Erkrankung und einer möglichen Verschlechterung das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses ergeben könnte. Denn es ist völlig ungewiss, ob der Kläger weiterhin unter dem diagnostizierten Krankheitsbild leidet, da die fachärztliche Bescheinigung bereits vom 27. Juni 2018 stammt und der Kläger entgegen seiner Obliegenheit aus § 60 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit § 60 a Abs. 2 c Satz 2 AufenthG den Fortgang seines Leidens und ein aktuelles Krankheitsbild nicht ansatzweise dargestellt hat. Die fachärztliche Bescheinigung vom 27. Juni 2018 ist auch deswegen wenig nachvollziehbar, weil die dem Kläger diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung danach auf belastenden Fluchterlebnissen in Libyen beruhen soll, welche der Kläger in dem vorliegenden Verfahren mit keinem Wort benannt hat.

Auch die gegenwärtige Lage in Nigeria im Hinblick auf die weltweite COVID-19-Pandemie führt in diesem Zusammenhang nicht zu der Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf den Kläger. Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass er als zumindest körperlich gesunder junger Mann für den Fall einer Infizierung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in eine lebensgefährliche Situation geraten würde. Ohnehin gilt § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG, wonach erhebliche konkrete Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung der obersten Landesbehörde nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG über die zeitweise Aussetzung von Abschiebungen zu berücksichtigen wären. Um eine solche Gefahr handelte es sich aber ohne weiteres bei der COVID-19-Pandemie, ohne dass im Lande Berlin ein allgemeiner Abschiebungsstopp hinsichtlich Nigerias ergangen wäre.

Die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG zu erlassende Abschiebungsandrohung entspricht den Anforderungen der § 38 Abs. 1 AsylG und § 59 Abs. 2 AufenthG.

Die nach § 75 Nr. 12 AufenthG von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für den Fall der Abschiebung des Klägers aus dem Bundesgebiet vorzunehmende Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ist gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG nicht zu beanstanden. Die in Ansehung einer unbestritten geübten Verwaltungspraxis auf 30 Monate ab dem Tage einer möglichen Abschiebung des Klägers aus dem Bundesgebiet festgesetzte Frist erscheint in Anbetracht der Umstände seines Falls keineswegs unverhältnismäßig. Bestimmte individuelle Belange des Klägers, die es ausnahmsweise rechtfertigten, eine kürzere Frist für das Verbot festzusetzen, sind von ihm weder vorgetragen worden noch sonst wie ersichtlich. Es ist mangels irgendwelchen Vorbringens etwa völlig ungewiss, ob der Kläger eine schutzwürdige Bindung zu dem am 29. August 2019 in Berlin geborenen Kind unterhält, dessen Vater er sein soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

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