LG Mannheim, Urteil vom 18.05.2017 - 10 O 14/16
Fundstelle
openJur 2021, 28948
  • Rkr:

Ein Gebrauchtwagenkauf über ein VW-Dieselfahrzeug mit unzulässiger Abgassoftware ist aufgrund Rücktrittserklärung nach fruchtlosem Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist von sechs Monaten nach Erlass des Bescheids des Kraftfahrtbundesamts zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit des betroffenen Motortyps rückabzuwickeln.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.323,98 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2016 Zug-um-Zug gegen Übereignung des Pkw VW Golf mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WVW zu bezahlen.

1. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Antrag Ziffer 1 genannten PKWs in Verzug befindet.

1. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

1. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 13 % und die Beklagte 87 %.

1. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird bis zum 18.07.2016 auf auf 24.680,00 EUR und ab dem 19.07.2016 auf 21.776,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufs von einem VW Golf mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 2.0 l.

Am 11.06.2013 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über einen gebrauchten VW Golf 2.0 TDI mit einer Laufleistung von 10.200 km für einen Kaufpreis von 24.680,00 EUR (Anlage K6). Am 21.06.2013 erfolgte die Übergabe des Fahrzeugs. Nachdem im September 2015 erste Pressemitteilungen über den Einbau einer fehlerhaften Abgassoftware durch die VW AG u.a. in der Motorbaureihe, die auch im streitgegenständlichen PKW verbaut ist, erschienen waren, erließ das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) am 14.10.2015 einen Bescheid gemäß § 25 Abs. 2 EU-FzGen.VO für bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge der betroffenen Motorbaureihen der VW AG, die der Herstellerin als Nebenbestimmung zur erteilten Typengenehmigung die Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit dieser Motoren durch Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 im Wege einer Rückrufaktion in die Werkstätten auferlegte. Art. 5 VO (EG) 715/2007 enthält folgende Bestimmungen:"

(1) Der Hersteller rüstet das Fahrzeug so aus, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht.

(2) Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig.

Dies ist nicht der Fall, wenn: a)die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten; b)die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist; c)die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind..."

Gemäß Art. 3 Ziff. 6 i. V. m. Anhang I der Durchführungsverordnung (EG) 692/2008 zur VO (EG) 715/2007 und Ziff. 5.3.1.2 der UN/ECE Regelung Nr. 83 hat der Hersteller die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte im Prüfstand nachzuweisen und zu gewährleisten, dass die bei der Emissionsprüfung ermittelten Werte unter den in dieser Verordnung angegebenen Prüfbedingungen den geltenden Grenzwert nicht überschreiten. Die im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Motor EA 189 verwendete Software optimiert den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand durch Nutzung des Abgasrückführungssystems (AGR). Dabei erkennt die Software, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und schaltet zwischen zwei Betriebsmodi um. Auf dem Prüfstand schaltet sie in den NOx-optimierten Modus 1. In diesem Modus findet eine relativ hohe Abgasrückführung statt mit niedrigerem Stickoxidausstoß. Im normalen Fahrbetrieb wird in den Modus 0 umgeschaltet, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist.

Mit Schreiben vom 18.11.2015 (Anlage K8) forderte der Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte zur Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs oder Nachbesserung und Erklärung eines Verjährungsverzichts mit Fristsetzung zum 16.12.2015 auf. Mit Schreiben vom 19.11.2015 (Anlage K9) lehnte die Beklagte eine Nachlieferung ab und verwies hinsichtlich der technischen Lösung einer Nachbesserung auf die noch andauernde und erforderliche Abstimmung mit dem KBA. Darüber hinaus erklärte die Beklagte einen Verjährungsverzicht für Forderungen bis zum 31.12.2016, soweit diese zum Erklärungszeitpunkt noch nicht verjährt waren.

Mit Schreiben vom 18.01.2016 (Anlage K10) erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs bis zum 03.02.2016 auf, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die bislang gefahrenen Kilometer in Höhe von 1.410,49 EUR sowie zzgl. der Erstattung von Reparatur- und Wartungskosten. Mit Schreiben vom 26.01.2016 (Anlage K11) lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Fahrzeugs ab, kündigte eine Terminabsprache zur Umrüstung des Fahrzeugs an und erklärte einen umfassenden Verjährungsverzicht bis zum 31.12.2017.

Mit Schreiben vom 20.06.2016 (Anlage B 3) bescheinigte das KBA der Herstellerin VW AG, dass das von ihr entwickelte Software-Update u.a. für die Baureihe des streitgegenständlichen Motors geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs in Bezug auf Schadstoffemissionen und Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen herzustellen bei unverändertem Verbrauch und Leistung des Motors und erklärte die Freigabe für eine Rückrufaktion der betroffenen Fahrzeuge in die Werkstätten.

Mit Schriftsatz vom 09.07.2016 erklärte der Kläger im laufenden Rechtsstreit erneut den Rücktritt vom Vertrag unter Bezugnahme auf das Angebot im Schreiben vom 18.01.2016. Am 28.09.2016 teilte die Beklagte schriftsätzlich mit, dass die Software für das klägerische Fahrzeug nunmehr zur Verfügung stehe, so dass die Mängelbeseitigung erfolgen könne. Mit Schriftsatz vom 04.11.2016 erklärte der Kläger wiederum den Rücktritt vom Vertrag und bot die Rückgabe des betroffenen Fahrzeugs an.

Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 16.02.2017 wies das streitgegenständliche Fahrzeug eine Gesamtlaufleistung von 45.500 km auf.

Der Kläger ist der Ansicht, das Fahrzeug sei bereits deshalb mangelhaft, da es gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO keine gültige Betriebserlaubnis mehr besitze, weil die Typgenehmigung für den verbauten Motor EA 189 unwirksam bzw. nichtig sei (Zeugnis: E. Z., zu laden über das KBA); das Fahrzeug sei zudem außerhalb der EU, z.B. in der Schweiz, nicht mehr im Straßenverkehr zugelassen. Jedenfalls eigne sich das Fahrzeug nicht zur uneingeschränkten Verwendung, da ohne die Nachrüstung gemäß § 5 FZV i.V.m. §§ 26, 27 ProdSG eine Stilllegung drohe. Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 weiche das Fahrzeug sowohl von einer Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien, welche durch die Angabe der EU-Schadstoffklasse im Verkaufsprospekt konkludent getroffen worden sei, ab als auch von den aufgrund öffentlicher Äußerungen des Herstellers erwartbaren Eigenschaften. Der Schadstoffausstoß im Straßenverkehr liege 39-fach höher als die Grenzwerte der EURO 5-Norm (Beweis: Sachverständigengutachten), die Grenzwerte seien gemäß Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 auch im Normalbetrieb des Fahrzeugs einzuhalten. Jedenfalls hafte dem Fahrzeug ein begründeter Mangelverdacht an.

Der Kläger habe erfolglos Nachlieferung bzw. Nachbesserung verlangt, eine Fristsetzung sei entbehrlich gewesen, jedenfalls sei eine angemessene Frist zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abgelaufen gewesen. Die Nachbesserung sei unmöglich, weil das angebotene Software-Update neue Mängel verursache bzw. deren begründeten Verdacht, nämlich eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte für Stickstoffdioxid um das 2- bis 3-fache, einen Anstieg des Kraftstoffverbrauchs und des CO2-Ausstoßes um 10 % und aufgrund eines höheren Einspritzdrucks einen erhöhten Verschleiß von Bauteilen wie dem Dieselpartikelfilter (Beweis: Sachverständigengutachten). Eine Nachbesserung durch die Beklagte sei dem Kläger unzumutbar, weil sein Vertrauen in eine Nachbesserung durch die Beklagte aufgrund der arglistigen Täuschung der VW AG als Herstellerin über die Beschaffenheit des erworbenen Fahrzeugs nachhaltig gestört sei. Die arglistige Täuschung der Herstellerin sei der Beklagten auch zurechenbar, da sie als Vertragshändlerin weisungsgebunden und in das Vertriebssystem der Herstellerin eingebunden sei. Schließlich sei eine Nachbesserung auch deshalb unzumutbar, weil trotz Nachbesserung ein Minderwert verbleibe, da dem Fahrzeug der Makel der "Schummel-Software" anhafte. Soweit sich dies nicht bereits auf den Wiederverkaufswert auswirke, liege eine Preisstabilität betroffener Gebrauchtfahrzeuge nur daran, dass die Herstellerin marktverfälschende Rabatte gewähre (Zeugnis: M. M., Sachverständigengutachten). Jedenfalls sei aber bei Fälligkeit der Nachbesserung im November 2011 die gesetzte Frist von 1 Monat zur Nachbesserung ausreichend bemessen gewesen, hilfsweise sei dadurch eine angemessene Frist in Gang gesetzt worden, die zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abgelaufen gewesen sei.

Die der Beklagten zurechenbare Pflichtverletzung sei auch nicht unerheblich. Auf die Kosten der Nachbesserung komme es nicht an, da ein unbehebbarer Mangel vorliege, der die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs beeinträchtige. Zudem sei der finanzielle Aufwand zur Mängelbeseitigung auf einen Kostenfaktor von 3.000,00 bis 4.000,00 EUR pro Fahrzeug zu schätzen, dies ergebe sich aus den Rückstellungen der VW AG in Höhe von 6,5 Milliarden Euro für technologische Maßnahmen (Beweis: Sachverständigengutachten). Der bleibende merkantile Minderwert sei jedenfalls größer als 1 % des Bruttokaufpreises. Auch schließe das der Beklagten zurechenbare arglistige Verhalten der Herstellerin eine Unerheblichkeit der Pflichtverletzung aus. Auch eine Interessenabwägung ergebe, dass aufgrund des für den Kläger drohenden Wertverlustes seines Fahrzeugs und die erwartbaren Mängel aufgrund der Nachrüstung das Interesse an der Rückabwicklung die Nachteile für die Beklagte bei weitem übersteige, da diese in jedem Fall das Fahrzeug an die Herstellerin zurückgeben könne.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte hafte zudem nach den Grundsätzen der Prospekthaftung wegen fehlerhafter Angaben im Verkaufsprospekt und im Wege des Schadensersatzes, da sie sich das Verschulden der Herstellerin zurechnen lassen müsse.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte befinde sich aufgrund des Schreibens vom 18.01.2016 seit dem 04.02.2016 in Verzug mit der Rückabwicklung und in Annahmeverzug.

Bezüglich des anrechenbaren Nutzungsersatzes geht der Kläger von einer Gesamtlaufleistung eines Fahrzeugs dieses Typs von 350.000 km aus.

Der Kläger beantragt zuletzt,

(1) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.680,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2016 abzüglich eines angemessenen Nutzungswertersatzes für die bis zum Tag der Rückgabe des Fahrzeugs gefahrenen Kilometer zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung des PKW VW Golf mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WVW;

(2) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Antrag Ziffer 1 genannten PKWs in Verzug befinde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Fahrzeug sei mangelfrei. Es sei zugelassen, uneingeschränkt gebrauchstauglich und verkehrssicher (Beweis: Sachverständigengutachten). Die Parteien hätten keine konkrete Beschaffenheit des Fahrzeugs vereinbart, insbesondere auch nicht hinsichtlich der Emissionen des Fahrzeugs (Zeugnis: D.). Insoweit beinhalte der für das Fahrzeug herausgegebene Verkaufsprospekt auch keine Falschangaben, da dort hinsichtlich der Emissionen die vorgeschriebenen Prüfstandwerte zutreffend angegeben seien. Von der vom KBA beanstandeten Abschalteinrichtung sei die EU-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht betroffen, alle vorgeschriebenen Werte der EU 5-Norm würden von diesem Fahrzeug eingehalten (Beweis: Sachverständigengutachten). Eine Stilllegung des Fahrzeugs sei zu keinem Zeitpunkt geplant gewesen, da die Nachrüstung des Fahrzeugs vom KBA genehmigt worden sei. Im Übrigen handele es sich bei dem vom KBA beanstandeten Abgassystem nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007, da die Einrichtung keinerlei Einfluss auf das Emissionskontrollsystem habe, sondern die Steuerung der Abgasrückführung betreffe (sv. Zeugnis: D. N., Sachverständigengutachten). Die Emissionswerte des Fahrzeugs seien auch nicht nach dem BImSchG rechtlich zu beanstanden, da insoweit den EU-Fahrzeugnormen als leges speziales Vorrang zukomme und diese Normen beim vorliegenden Fahrzeug eingehalten seien. Der vom Kläger behauptete Ausstoß im Normalbetrieb wird bestritten, da die Höhe des Stickstoffdioxidausstoßes im Straßenverkehr nicht zuverlässig zu ermitteln sei.

Jedenfalls habe die Beklagte innerhalb einer angemessenen Frist die Nacherfüllung angeboten, eine mangelfreie Nacherfüllung sei darüber hinaus auch möglich, vom Kläger jedoch abgelehnt worden. Die Nachbesserung führe zur vollständigen Mangelfreiheit, gemäß der Bestätigung des KBA seien Verbrauch und Leistung danach gleichbleibend. Zwar würde die Lösung zu einer Erhöhung der Rußproduktion führen, hiervon sei aber kein höherer Verschleiß des Partikelfilters zu erwarten (Zeugnis: N., Sachverständigengutachten). Die vom Kläger gesetzte Frist von 1 Monat sei unangemessen kurz gewesen, da die Genehmigung des KBA zwingend abzuwarten gewesen sei. Der Kläger sei bei der Bestimmung der Frist unredlich verfahren. Er habe gewusst, dass die Beklagte innerhalb der zu kurz bemessenen Frist die Leistung nicht bewirken könne und habe sich lediglich von einem ihm lästig gewordenen Vertrag lösen wollen. Diese treuwidrig kurz gesetzte Frist setze auch keine angemessene Frist in Gang. Bei den späteren Rücktrittserklärungen fehle das erforderliche Nacherfüllungsverlangen mit Fristsetzung.

Eine angemessene Nachbesserungsfrist sei vor dem Angebot der Beklagten zum Aufspielen des Software-Updates im September 2016 noch nicht abgelaufen gewesen. Die gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen ergebe kein überwiegendes Interesse des Klägers an einem Rücktritt vor diesem Zeitpunkt. Der Kläger könne das voll funktionsfähige Fahrzeug uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzen, eine Gebrauchsbeeinträchtigung bestehe nicht. Der Kosten- und Zeitaufwand für das Software-Update stehe in einem geringfügigen Verhältnis zu den Kosten und dem Wert des Fahrzeugs. Das Interesse der Beklagten an einer Nachbesserung sei hingegen als wesentlich zu erachten. Die Nachbesserungslösung sei seitens der Herstellerin VW AG bereits im November 2015 vorgelegt worden, das Genehmigungsverfahren des KBA für jede einzelne Motorvariante sei wegen der Vielzahl der betroffenen Fahrzeuge jedoch so zeitaufwändig gewesen, dass die Freigabe erst im Juni 2017 erfolgt sei (Zeugnis: N.). Die Beklagte sei zwar vorher nicht in der Lage gewesen, eine Nachbesserung anzubieten, habe den Kläger jedoch mit Schreiben vom 19.11.2015 über den mit dem KBA abgesprochenen Maßnahmeplan informiert und angekündigt, ihn unmittelbar zu kontaktieren, sobald eine Nachrüstung möglich sei.

Eine Nacherfüllung sei auch nicht unzumutbar, da weder die Beklagte noch die Herstellerin arglistig getäuscht hätten. Die Beklagte selbst habe von der Abschalteinrichtung erst aus der Presse im September erfahren und vorher auch keinerlei Möglichkeit gehabt, den Fehler technisch festzustellen (Zeugnis: M. M.). Auch die Angaben der Herstellerin in öffentlicher Werbung und im Prospekt stellten keine Täuschung dar, da allgemein bekannt sei, dass die dort angegebenen Prüfstandwerte nicht den Betriebswerten im Normalbetrieb entsprächen. Schließlich sei das Wissen der Herstellerin der Beklagten nicht zurechenbar, da sie nicht Erfüllungsgehilfin der Herstellerin sei. Der Betrieb der Beklagten verfolge einen anderen Geschäftszweck und habe teilweise gegenläufige Interessen gegenüber denen der Herstellerin. Die Mitarbeiter der Beklagten und die Beklagte selbst seien rechtlich und personell unabhängig, die Herstellerin VW AG habe kein Weisungsrecht (Zeugnis: K.); dass eine Kooperation zur Beseitigung der Dieselthematik zwischen der Beklagten und der Herstellerin zwingend erforderlich sei, könne keine Rückwirkung auf die Unabhängigkeit der Beklagten vor dem Bekanntwerden der Problematik entfalten (Zeugnis: M., K., Sachverständigengutachten).

Schließlich sei eine etwaige Pflichtverletzung jedenfalls unerheblich. Dies ergebe sich zum einen wegen der Höhe der Kosten für den Mangelbeseitigungsaufwand, die unter 1 % des Kaufpreises lägen, und zum anderen, weil eine Gebrauchs- und Funktionsbeeinträchtigung des Fahrzeugs zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. Die Nachrüstung des streitgegenständlichen Motors erfolge durch ein reines Software-Update, dessen Installation 24 Minuten benötige. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 35,00 EUR netto (Zeugnis: Nb., P.). Soweit der Kläger die Rückstellungen der VW AG in Bezug nehme, beträfen diese 10 Millionen verkaufte Fahrzeuge in Europa und der Welt außer dem Markt in den USA und Kanada, somit lediglich 7,00 EUR pro Fahrzeug. Der Marktwert der betroffenen Fahrzeuge sei stabil (Zeugnis: Tr., Ru., Ni., Sachverständigengutachten), es gebe auch keine gezielte Rabattaktionen (Zeugnis: Se.); ein Minderwert durch das Update sei für das streitgegenständliche Fahrzeug bereits altersbedingt ausgeschlossen. Auch wenn man hinsichtlich der Beurteilung der Erheblichkeit auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abstelle, sei zu berücksichtigen, dass das KBA am 14.10.2015 den von der VW AG vorgeschlagenen Zeit- und Maßnahmenplan zur Entwicklung einer Mängelbeseitigungslösung für verbindlich erklärt habe. Bereits zu diesem Zeitpunkt und jedenfalls aufgrund der von der VW AG bis zum 25.11.2015 entwickelten Maßnahmen für das Software-Update habe festgestanden, dass die Umsetzung der Maßnahme an dem konkreten Fahrzeug in einer Vertragswerkstatt voraussichtlich weniger als 1 Stunde in Anspruch nehmen würde und Kosten von deutlich weniger als 100,00 EUR verursachen werde.

Das Angebot des Klägers auf Rücknahme des Fahrzeugs sei nicht verzugsbegründend, da weder Schlüssel noch Papiere angeboten worden seien. Schadensersatz schulde die Beklagte schon deshalb nicht, da sie kein Verschulden treffe. Auch aus analoger Anwendung der Rechtsprechung zur Prospekthaftung hafte die Beklagte nicht, da das Kaufrecht vorrangig sei und der Prospekt zudem keine Falschangaben enthalte.

Für den anzurechnenden Nutzungsersatz sei von einer Gesamtlaufleistung für Fahrzeuge dieser Klasse von 200.000 km auszugehen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter Anrechnung der von ihm gezogenen Nutzungen ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.323,98 EUR gemäß §§ 346 Abs. 1 BGB, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB zu. Der zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag ist aufgrund des mit Schriftsatz vom 09.07.2016 im vorliegenden Rechtsstreit erklärten Rücktritts des Klägers vom 11.06.2013 rückabzuwickeln.

1. Das Fehlen einer von den Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbarten Beschaffenheit i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist zwar nicht festzustellen, da mit dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten davon auszugehen ist, dass sowohl im Verkaufsprospekt für das streitgegenständliche Auto (den der Kläger nicht vorgelegt hat), als auch in öffentlichen Äußerungen der Herstellerin i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB keine Angaben zu Fahrzeugemissionen im Normalbetrieb enthalten sind und die angegebenen Prüfstandwerte zutreffen.

Der vom Kläger erworbene PKW ist jedoch zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft gewesen, da er nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und vom Käufer nach Art der Sache erwartet werden kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Beschaffenheit ist zum einen der tatsächliche Zustand der Sache selbst und sodann diejenigen tatsächlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Bezüge, die ihren Grund im tatsächlichen Zustand der Sache selbst haben und die auf eine gewisse Dauer anhaften (Palandt-Weidenkaff, 76. Auflage, § 434 Rdnr. 11). Beschaffenheit ist somit auch die öffentlich-rechtliche Vorschriftsmäßigkeit eines Kraftfahrzeugs nach europäischen und nationalen Gesetzen und Richtlinien. Zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs wies das streitgegenständliche Fahrzeug, in dem ein Motor der Herstellerin VW AG der Serie EA 189 2.0 l verbaut ist, eine technische Beschaffenheit in der Motorsteuerung auf, die einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 darstellt, indem eine Software installiert ist, die dafür sorgte, dass auf dem Prüfstand eine hohe Abgasrückführung mit niedrigerem Stickoxidausstoß im Modus 1 erfolgt und im normalen Fahrbetrieb in den Modus 0 umgeschaltet wird, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß wesentlich höher ist (vgl. Hierzu Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen vom April 2016, Anlage K 16). Dieser Verstoß wurde durch bestandskräftigen Bescheid des KBA vom 14.10.2015 gemäß § 25 Abs. 2 EU-FzGen.VO i. V. m. Art. 32 EURiLi 2007/46/EG rechtskräftig festgestellt und der Herstellerin VW AG verbindlich die Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit u.a. dieser Motorreihe durch Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtung auferlegt. Insoweit geht die Kammer von einer bezogen auf das öffentliche Straßenverkehrszulassungsrecht formellen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aus (auch wenn das Fahrzeug aufgrund einer nach wie vor wirksamen Typgenehmigung des KBA zugelassen ist, da hier weder der Anwendungsbereich von §§ 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 oder 20 Abs. 5 StVZO eröffnet ist), so dass die Frage der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit bzw. auch der konkreten Höhe des Stickstoffausstoßes im Normalbetrieb dahinstehen kann (vgl. OLG München, B. v. 23.03.2017 - 3 U 4316/16 - zitiert nach juris). Es besteht für die Kammer auch keine Veranlassung, im vorliegenden Fall selbst festzustellen, ob die streitgegenständliche Motorsteuerung gegen Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 verstößt, da allein aufgrund des bestandskräftigen Bescheids des KBA verbindlich festgestellt ist, dass das Fahrzeug den öffentlich-rechtlichen Vorschriften insoweit nicht entspricht. Dass diese dem streitgegenständlichen Fahrzeug rein formell anhaftenden rechtlichen Bezüge auch Auswirkungen auf die tatsächliche Gebrauchstauglichkeit haben, steht in Zeiten gesteigerten Umweltbewusstseins (vgl. hierzu die Ausführungen zum Mangelbegriff in BGHZ 132, 55 ff.) und drohender Fahrverbote für stickoxidlastige Dieselfahrzeuge in Großstädten, die gemäß § 47 Abs. 2 BImschG zum Erlass von emissionsschutzrechtlichen Aktionsplänen im Hinblick auf die Einhaltung von Grenzwerten u.a. für Stickstoffdioxid verpflichtet sind (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 22.05.2005 - 16 K 1120/05; OVG NRW, Beschl. v. 25.01.2011 - 8 A 2751/09 - zitiert nach Juris), außer Frage.

1. Der Kläger hat nach einem erfolglosen Nacherfüllungsverlangen und Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung am 09.07.2016 wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Das Nacherfüllungsverlangen war nicht entbehrlich, da keine objektive Unmöglichkeit der Nacherfüllung gemäß §§ 326 Abs. 5, 275 BGB vorlag. Die Frage einer objektiven Unmöglichkeit der Nacherfüllung ist grundsätzlich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu beurteilen. Durch den bestandskräftigen Bescheid des KBA vom 20.06.2016, mit dem die von der Herstellerin VW AG vorgeschlagene Nachrüstung durch Software-Update u.a. für den streitgegenständlichen Motor EA 189 2.0 l zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit freigegeben worden ist, steht fest, dass eine Mangelbeseitigung möglich ist, indem die öffentlich-rechtliche Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs wiederherzustellen ist. Nach dem Genehmigungsbescheid steht zudem formell fest, dass die Nachbesserung auch keine neuen Mängel produziert, da das KBA dieser Nachbesserungslösung bescheinigt, weder zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch noch zu einer Reduzierung der Motorleistung zu führen. Auch ein Fall der vorübergehenden objektiven, der endgültigen Unmöglichkeit gleichzusetzenden Unmöglichkeit, die das Erreichen des Vertragszwecks in Frage gestellt und ein Festhalten am Vertrag zum Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses unzumutbar gemacht hätte (vgl. BGHZ 83, 197), liegt hier jedenfalls im Hinblick auf die fehlende Funktionsbeeinträchtigung des Fahrzeugs und die von Seiten des KBA und der Herstellerin gemäß dem Maßnahmenplan zeitnah angestrebte Nachbesserungslösung nicht vor.

Schließlich war ein Nacherfüllungsverlangen auch nicht aufgrund einer Unzumutbarkeit der Nachbesserung gemäß § 440 BGB wegen eines der Beklagten zuzurechnenden arglistigen Verhaltens der Herstellerin entbehrlich. Hat der Verkäufer beim Abschluss eines Kaufvertrags eine Täuschungshandlung begangen, so ist in der Regel davon auszugehen, dass die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage beschädigt ist (BGH NJW 07, 835; 08, 1371; so bereits BGHZ 46, 242, 246 zu § 634 Abs. 2 BGB a.F.). Dies gilt insbesondere, aber nicht nur dann, wenn die Nacherfüllung durch den Verkäufer selbst oder unter dessen Anleitung im Wege der Mängelbeseitigung erfolgen soll (BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2006 – V ZR 249/05 –, Rn. 13, juris). Hier lässt sich bereits eine Täuschung des Klägers durch die Beklagte nicht feststellen, da die öffentlichen Angaben zu den Emissionswerten - soweit sich die Beklagte diese zurechnen lassen muss - bezogen auf die Prüfstandmessung zutreffend waren. Zu den Einzelheiten der Motorsteuerung hatte die Beklagte unstreitig keine eigenen Kenntnis. Soweit der Kläger der Ansicht ist, der Beklagten als Vertragshändlerin sei das Wissen der Herstellerin zurechenbar (dafür z.B. LG München, DAR 2016, 389 ff.; dagegen z. B. OLG Celle, MDR 2016, 1016), fehlt hierfür jedenfalls ausreichender Sachvortrag. Zwar kann die "mosaikartige" Zusammenrechnung des innerhalb einer arbeitsteiligen Organisation bei verschiedenen Personen vorhandenen Wissens nach der Rechtsprechung genügen, um den Vorwurf der Arglist zu begründen (BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, Rn. 16; Schilken in Staudinger, BGB (2014) § 166, Rn. 6). Soweit Gesellschaften z. B. in einem Konzern verbunden sind, genügt dies für sich genommen ohne Kenntnis der konkreten Ausgestaltung der Arbeitsteilung und der Ausübung von Leitungsmacht im Konzern nicht, eine Wissenszurechnung zu begründen (OLG Stuttgart, Urteil vom 25. April 2017 – 6 U 146/16 –, Rn. 42, juris; BGH v. 13.12.1989 – IVa ZR 177/88, Rn. 14; Schilken in Staudinger, BGB (2014) § 166, Rn. 32; Schubert in Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl., § 166 Rn. 61, juris). Hier ist bereits eine Konzernzugehörigkeit der Beklagten nicht gegeben und sind auch keine konkreten Tatsachen zur Ausgestaltung von Arbeitsteilung und Organisation vorgetragen, die eine Zurechnung rechtfertigen würden.

Am 09.07.2016 war eine angemessene Frist zur Nacherfüllung abgelaufen.

Die vom Kläger zunächst gesetzte Nacherfüllungsfrist bis zum 16.12.2015 ist unangemessen kurz gewesen. Bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Frist ist eine Interessenabwägung der Parteien vorzunehmen. Objektiv ist auf Seiten des Käufers sein Interesse zu berücksichtigen, sich Klarheit über sein Rücktrittsrecht zu verschaffen im Hinblick auf die für ihn nicht sicher zu beurteilende Grundlage der Nichtleistung des Schuldners. Die zeitnahe Regulierung von Gewährleistungsrechten ist im Kaufrecht der Regelfall, was sich in den Verjährungsfristen wiederspiegelt, sogar im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs kann diese Frist beim Gebrauchtwarenkauf auf 1 Jahr begrenzt werden. Für den Verkäufer soll die Frist die letzte Gelegenheit sein, seine eigentlich abgeschlossene Leistung noch zu vollenden. Dass insoweit der Verkäufer aufgrund von vom Hersteller zu vertretender Umstände möglicherweise nicht in der Lage ist, selbst im Rahmen der Gewährleistung eine Lösung des Problems in zeitnaher Frist zu bewirken, kann ihn gegenüber dem Käufer nicht von der Verpflichtung einer zeitnahen Regulierung der Gewährleistungsrechte befreien. Denn der Zweck der gesetzlichen Regelung, innerhalb eines kurz zu bemessenen Zeitraums Klarheit über die Gewährleistungssituation zu schaffen, würde unterlaufen, wenn die Länge der Frist abhängig vom Grund des Mangels unterschiedlich bemessen würde (LG Hagen, Urt. v. 18.10.2016 - 3 O 66/16 - zitiert nach Juris). Die Frist zur Nacherfüllung darf nicht so bemessen werden, dass damit der auf Austausch von Ware gegen Geld gerichtete Kaufvertrag in eine Art Dauerschuldverhältnis umgewandelt wird (OLG München a. a. O.).

Auf Seiten des Klägers ist hier konkret zu berücksichtigen, dass er in der Nutzbarkeit seines Fahrzeugs nicht beeinträchtigt war bzw. eine solche Beeinträchtigung nicht dargelegt hat. Auch bestand aufgrund des umfassenden Verjährungsverzichts der Beklagten mit Schreiben vom 26.01.2016 für den Kläger kein Zeitdruck bei der Entscheidung über die Ausübung seines Rücktrittsrechts wegen eines Mangels, der sich ohnehin erst nach Ablauf der Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB gezeigt hatte. Andererseits konnte der Kläger der Presse entnehmen, dass die zu entwickelnde Lösung auch bei Fachleuten durchaus auf Kritik stieß und durch Tests untermauerte Befürchtungen im Raume standen, dass die über einen langen Zeitraum vom KBA nicht freigegebene Software-Lösung möglicherweise zu anderen Mängeln an seinem Fahrzeug führen würde, namentlich zu einem höheren Kraftstoffverbrauch und höherem Verschleiß der betroffenen Motorteile. Diese aus der Presse zu entnehmenden Berichte begründeten in vertretbarer Weise einen objektiven Mängelverdacht bezüglich der angestrebten Software-Lösung durch die Herstellerin VW AG.

Auf Seiten der Beklagten ist bei Beurteilung der Angemessenheit der Nacherfüllungsfrist zu berücksichtigen, dass sie weder eine eigene Kenntnis von noch eigene technische Möglichkeiten zur Mängelursache und deren Behebung hatte und insoweit vollständig auf die Vorgaben der Herstellerin und des KBA angewiesen war. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte im Falle einer Mängelhaftung einen eigenen Gewährleistungsanspruch gegenüber der Herstellerin hat.

Unter Berücksichtigung dieser Interessen erscheint eine Nacherfüllungsfrist von 1/2 Jahr ab Bekanntwerden des Mangels aufgrund Erlass des Bescheids des KBA vom 14.10.2015 objektiv angemessen zur Mängelbeseitigung. Die Länge dieser Frist entspricht einerseits den zeitlichen Vorgaben des öffentlichen Straßenverkehrszulassungsrechts (gemäß Anhang II Anlage 1 Ziff. 6 der VO (EG) 692/2008 hat der Hersteller grundsätzlich binnen 60 Werktagen einen Mängelbeseitigungsplan einzureichen, wenn bei mehr als einem im Betrieb befindlichen Fahrzeug stark abweichende Emissionen festgestellt werden, und hat die Typgenehmigungsbehörde binnen 30 Werktagen über Billigung oder Ablehnung dieses Plans zu entscheiden) und andererseits der oben dargelegten Interessenlage der Parteien. Diese Frist war bei Abgabe der zweiten Rücktrittserklärung am 09.07.2016 abgelaufen.

Dass der Kläger zunächst eine zu kurze Frist bis zum 16.12.2015 gesetzt hatte, schadet nicht. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass beim Verbrauchsgüterkauf das Setzen einer Frist gemäß § 323 BGB bei richtlinienkonformer Auslegung ohnehin nicht erforderlich ist, sondern nur eine angemessene Frist bis zur Ausübung der Gewährleistungsrechte abgewartet werden muss (BGH, NJW 2010, 1448; NJW 2011, 3435). Auch ist hier kein Fall einer treuwidrig kurz gesetzten Frist gegeben mit der Folge, dass überhaupt keine Nacherfüllungsfrist in Gang gesetzt wurde, so dass der Kläger vor der Rücktrittserklärung vom 09.07.2016 erneut Nacherfüllung hätte verlangen müssen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger lediglich aus Vertragsreue vom Vertrag lösen wollte und in unredlicher Weise eine Frist für die Nacherfüllung gesetzt hat, obwohl er an dieser kein Interesse hatte. Aufgrund des - nach Fristsetzung zugegangenen - Schreibens der Beklagten vom 19.11.15 und der damaligen Presseberichterstattung musste dem Kläger zwar bewusst sein, dass angesichts der Genehmigungsbedürftigkeit durch das KBA eine Lösung für das Problem innerhalb der von ihm gesetzten Frist aller Erwartung nach nicht zu finden sein würde. Der Kläger ging vielmehr davon aus, dass die Beklagte eine ihn technisch zufriedenstellende Lösung überhaupt nicht würde finden können. Diese Annahme rechtfertigt es jedoch nicht, ihm ein arglistiges, nur von Vertragsreue motiviertes Verhalten vorzuwerfen.

Der wirksamen Ausübung des Rücktrittsrechts nach Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist steht auch nicht entgegen, dass das KBA bereits Ende Januar einen ersten Freigabebescheid für die Nachbesserungslösung des VW-Amarok erteilt hat und der Kläger nach Ansicht der Beklagten somit mit einer zeitnahen Genehmigung der Nachbesserung für sein Fahrzeug rechnen musste. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger konkrete Kenntnis hiervon hatte, der Bescheid des KBA vom 20.06.2016 zur Freigabe der Software-Lösung für die streitgegenständliche Motorreihe wurde erstmals in der Klageerwiderung, die deutlich nach der Rücktrittserklärung vom 09.07.2016 einging, in den Streitstand eingeführt, ein konkretes Angebot zur Nachbesserung erfolgte ohnehin erst mit Schriftsatz der Beklagten vom 28.09.2016, und somit deutlich nach Ablauf der angemessenen Frist.

1. Die Beklagte hat auch nicht darlegen können, dass die Pflichtverletzung unerheblich i.S.v. § 323 Abs. 5 BGB war, so dass ein Rücktritt ausgeschlossen ist.

Die Frage der Unerheblichkeit einer Pflichtverletzung, hier also der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs bei Gefahrübergang, beurteilt sich aus objektiver Sicht des Käufers zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (vgl. BGH, MDR 2011, 1159). Die Unerheblichkeit bemisst sich grundsätzlich nach den Kosten der Nachbesserung, welche in Verhältnis zum Bruttokaufpreis zu setzen sind bzw. einer Wertminderung, sollte eine Nachbesserung nicht möglich sein. Das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung ist nur bei hohen Kosten oder Ungewissheit über die Mängelursache im Rücktrittszeitpunkt entscheidend (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. A., Rdnr. 1040; BGH, MDR 2011, 906). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass für den Kläger im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht sicher festzustellen war, ob es eine Möglichkeit zur mängelfreien Nachbesserung seines Fahrzeugs geben würde oder nicht. Angesichts der Tatsache, dass sein Fahrzeug mit einer Nachbesserungsauflage des KBA belastet war, und dem hohen Stickstoffdioxidausstoß im Normalbetrieb angesichts der diesbezüglichen in vielen Großstädten bestehenden Umweltauflagen durfte er jedenfalls von einer Wertminderung seines Fahrzeugs von größer als 10 % des Bruttokaufpreises für den Fall eines Entschlusses zum Weiterverkauf ausgehen. Insoweit waren aus objektiver Käufersicht negative Auswirkungen auf andere Parameter des Fahrzeugs und seinen Marktpreis ernstlich zu befürchten (vgl. LG Hagen, a.a.O.; LG Oldenburg, Urt. v. 01.09.2016 - 16 O 97/16; LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016 - 2 O 83/16 - zitiert nach Juris). Dass die Kosten der Nachbesserung im Nachhinein möglicherweise deutlich unter 1 % des Bruttokaufpreises liegen, spielt insofern aus der maßgeblichen Sicht des Rücktrittszeitpunkts Anfang Juli 2016 keine Rolle.

1. Der Kläger muss sich Nutzungsvorteile für den Gebrauch des Fahrzeugs bis zur Rückgabe anrechnen lassen. Der Gebrauchsvorteil bemisst sich danach nach der Formel:

Gebrauchsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer voraussichtliche Restlaufleistung .

Gemäß § 287 ZPO schätzt die Kammer die Gesamtlaufleistung für ein Fahrzeug vergleichbarer Art auf 250.000 km (vgl. hierzu Reinking/Eggert, Rdnr. 3574). Danach ergibt sich bei einem Kaufpreis von 24.680,00 EUR und gefahrenen Kilometern von 35.300 km und einer voraussichtlichen Restlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von noch weiteren 200.000 km ein Betrag von 4.356,02 EUR an anzurechnenden Nutzungsvorteilen.

1. Auch der Feststellungantrag des Klägers ist begründet. Die Beklagte befindet sich in Annahmeverzug gemäß §§ 293, 295, 298 BGB. Zwar war das Leistungsangebot des Klägers im Schreiben vom 18.01.2016 verfrüht und zudem hinsichtlich des angebotenen Nutzungsersatzes nicht ausreichend, so dass die Beklagte hierdurch nicht in Annahmeverzug geriet. Jedoch hat der Kläger sein Leistungsangebot der Zug-um-Zug-Leistung im Rahmen des Rechtsstreits mehrfach wiederholt, wobei er mit Schriftsatz vom 04.11.2016 auf Seite 35 das streitgegenständliche Fahrzeug nebst allem Zubehör angeboten hat. Damit liegen die Voraussetzungen für die Feststellung des Annahmeverzugs jedenfalls zum entscheidenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor.

1. Weiterhin kann der Kläger Prozesszinsen aus dem zu erstattenden Kaufpreis gemäß §§ 291, 288 BGB ab Rechtshängigkeit der Rücktrittserklärung im Schriftsatz vom 09.07.2016 verlangen.

II.

Die darüber hinausgehende Klage war abzuweisen. Mangels eines wirksamen Rücktritts und Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs vor Zugang des Schriftsatzes vom 09.07.2016 lagen die Voraussetzung für einen Verzug der Beklagten vor diesem Zeitpunkt nicht vor, der einen weitergehenden Zinsausspruch gerechtfertigt hätte. Auch war ein geringerer als der vom Kläger angesetzte Nutzungswertersatz vom Kaufpreis in Abzug zu bringen aufgrund einer höheren Restlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Auf die Ausführungen unter Ziff. I Nr. 4 wird insoweit Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO. Insoweit war die Zuvielforderung des Klägers in Ansatz zu bringen und zu berücksichtigen, dass sein ursprünglicher und insoweit teilweise zurück genommener Klageantrag die unbeschränkte Rückzahlung des Kaufpreises ohne Anrechnung von Nutzungsvorteilen zum Gegenstand hatte.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.