AG Gießen, Beschluss vom 29.10.2019 - 241 F 413/19
Fundstelle
openJur 2021, 27114
  • Rkr:

Es ist zwar richtig, dass durch diesen Beschluss der Umgang des Kindesvaters mit "..." für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ausgeschlossen wurde. Es handelt sich hierbei jedoch lediglich um eine vorläufige Entscheidung, die durch die in Auftrag gegebene Begutachtung gerade überprüft werden soll.

Dies setzt denknotwendigerweise voraus, dass der Sachverständige auch eine Interaktionsbeobachtung zwischen "..." und dem Kindesvater vornimmt bzw. zumindest versucht, einen solchen Termin anzubieten.

Tenor

Der Antrag der Kindesmutter auf Ablehnung des Sachverständigen "..." vom 02.09.2019 wird zurückgewiesen.

Gründe

Für die Ablehnung von Sachverständigen sind nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO dieselben Gründe maßgebend, die für die Ablehnung eines Richters gelten. Nach § 6 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter im familiengerichtlichen Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit nur abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. In Betracht kommen dabei nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist, ob er sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung eines ruhig und vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. hierzu Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 42 Rn. 9).

Solche objektiven Gründe, die vom Standpunkt der Kindesmutter aus bei vernünftiger Betrachtung Anlass geben könnten, Zweifel an der Unvoreingenommenheit bzw. Unparteilichkeit des Sachverständigen zu hegen, liegen nicht vor. Weder der bisherige Verlauf der Begutachtung noch die Äußerungen des Sachverständigen geben Anlass, an seiner Unvoreingenommenheit zu zweifeln. Hierzu im Einzelnen:

Die zeitliche und inhaltliche Gestaltung der Begutachtung obliegt dem Sachverständigen und orientiert sich an dem Gutachtenauftrag. Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass der Sachverständige sich durch die Bestimmung eines begleiteten Umgangstermins des Kindesvaters mit ".." entgegen der Auffassung der Kindesmutter nicht über den Beschluss des Familiengerichts Gießen vom 14.03.2019, Az. 241 F 258/19 hinwegsetzt. Es ist zwar richtig, dass durch diesen Beschluss der Umgang des Kindesvaters mit "..." für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ausgeschlossen wurde. Es handelt sich hierbei jedoch lediglich um eine vorläufige Entscheidung, die durch die in Auftrag gegebene Begutachtung gerade überprüft werden soll. Der Sachverständige soll dem Auftrag vom 13.03.2019 zufolge die Frage beantworten, ob es zum Wohle von ".." erforderlich ist, den Umgang mit dem Kindesvater einzuschränken oder auszuschließen. Dies setzt denknotwendigerweise voraus, dass der Sachverständige auch eine Interaktionsbeobachtung zwischen "..." und dem Kindesvater vornimmt bzw. zumindest versucht, einen solchen Termin anzubieten. Der Kindesmutter ist insoweit zuzustimmen, dass weder ein Elternteil noch ein Kind mangels gesetzlicher Grundalge gezwungen werden kann, sich psychologisch untersuchen zu lassen oder zu einem von dem Sachverständigen anberaumten Interaktionstermin zu erscheinen. Soweit der Sachverständige in diesem Zusammenhang jedoch geäußert haben soll, es habe "negative Konsequenzen", wenn "..." nicht zur Interaktionsbeobachtung erscheine, so kann hieraus objektiv nicht per se auf die Unparteilichkeit des Sachverständigen geschlossen werden. Das Wort "Konsequenzen" beinhaltet insoweit bei objektiver Betrachtung lediglich die Formulierung dessen, dass der Sachverständige ohne eine Interaktionsbeobachtung auf die aus einer solchen resultierenden Erkenntnisse bei der Begutachtung nicht zurückgreifen kann und dies insoweit auch einen negativen Einfluss auf das Ergebnis der Begutachtung nehmen werde. Inwieweit der Sachverständige hieraus tatsächlich - wie von der Kindesmutter befürchtet - "negative Konsequenzen für die Kindesmutter ziehen möchte" und inwieweit dies möglicherweise von nicht mehr objektiven Erwägungen getragen wird ist zum jetzigen Zeitpunkt eine reine Spekulation, da das Gutachten bislang nicht vorliegt.

Auch hinsichtlich der weiteren von der Kindesmutter vorgetragenen Äußerungen des Sachverständigen lässt sich kein Anschein der Voreingenommenheit erschließen. Es wird insoweit vollumfänglich Bezug genommen werden auf die sachliche Stellungnahme der Verfahrensbeiständin vom 06.09.2019, die sich das Gericht zu Eigen macht.

Soweit die Kindesmutter weiter vorbringt, das Vorgehen des Sachverständigen habe Einfluss auf das Verhalten von "..." - beispielhaft insoweit der Vortrag, "..." habe nach einem Termin mit dem Sachverständigen und dessen Ankündigung, "..." "müsse seinen Vater treffen" über eine Dauer von 2 ½ Stunden geschlafen und habe nicht mehr zu einem verabredeten Kindergeburtstag gehen wollen - lässt auch dies nicht auf eine Voreingenommenheit des Sachverständigen schließen. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die gesamte Situation um das Gerichtsverfahren herum für "..." belastend ist und dies Einfluss auf sein Verhalten nimmt. Anhaltspunkte dafür, dies konkret mit der Person des Sachverständigen in Verbindung zu bringen, liegen nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht vor.

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