VG Würzburg, Beschluss vom 09.08.2021 - W 6 S 21.979
Fundstelle
openJur 2021, 26938
  • Rkr:
Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 und Nr. 2. des Bescheids vom 8. Juli 2021 wird wiederhergestellt.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller (geb. ...1988) wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehung des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S. 1.

Durch Mitteilung der Polizeiinspektion Würzburg-Stadt vom 4. November 2019 wurde der Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin bekannt, dass der Antragsteller am 21. August 2019 um 3:55 Uhr einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen wurde, wobei sich drogentypische Auffälligkeiten ergeben hätten. Ein deshalb durchgeführter Urinvortest sei für THC positiv ausgefallen. Die um 4:52 Uhr entnommene Blutprobe ergab ausweislich des rechtsmedizinischen Gutachtens der Universitätsklinik Bonn - Institut für Rechtsmedizin vom 16. September 2019 einen positiven Befund auf Cannabinoide (THC: 5,3 ng/ml; 11-OH-THC: 1,9 ng/ml; THC-COOH: 40,5 ng/ml). Wegen Verstoßes gegen § 24a StVG wurde gegenüber dem Antragsteller deshalb am 6. November 2019 ein Bußgeldbescheid (rechtskräftig seit 23.11.2019) erlassen.

Unter Bezugnahme auf obigen Vorfall verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zu FeV zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage, ob der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis und dessen Nachwirkungen führen wird.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2020 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers der Antragsgegnerin unter Vorlage eines ärztlichen Rezepts vom 7. Dezember 2020 mit, dass dem Antragsteller Cannabis verordnet werde. Die geforderte Begutachtungsfrage könne deshalb nicht im Sinne des Antragstellers beantwortet werden. Eine Gutachtenerstellung werde zu dieser Fragestellung nicht erfolgen. Die Antragsgegnerin erbat daraufhin vom Antragsteller die Übersendung eines ärztlichen Attestes des behandelnden Facharztes, um weitere Maßnahmen zu prüfen.

Der Antragsteller ließ daraufhin ein ärztliches Schreiben des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. (Ulm) vom 24. Januar 2021 mit den Diagnosen LWS-Syndrom, Inappetenz, Insomnie, Cannabisabusus sowie ein Privatrezept über 20 g Medizinal-Cannabis samt Dosierungsanweisung vom 24. Januar 2021 übersenden.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2021 teilte die Antragsgegnerin mit, es bestünden weiterhin Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers. Unter Abänderung der Anordnung vom 30. Dezember 2020 werde der Antragsteller gemäß § 46 Abs. 3, § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV i.V.m. Nr. 9 und Nr. 1 der Vorbemerkung der Anlage 4 zur FeV zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens bis 21. Mai 2021 aufgefordert. Das Gutachten sollte folgende Fragen klären:

"1.

Liegt bei Herrn ... eine Erkrankung vor, die nach Nr. 9 oder Nr. 1 der Vorbemerkung der Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellt?

2. Weist die Grunderkrankung eine verkehrsrelevante Ausprägung auf und ist Herr ... trotz der Erkrankung (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen b, L, M und S vollständig gerecht zu werden?

3. Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßige überwachte Medikamenten- bzw. Cannabiseinnahme [Hinweise auf - ggf. selbstinduzierte - Unter- oder Überdosierung]) vor?

4. Sind Beschränkungen (Eintragung von Schlüsselzahlen) und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeuges (je Fahrerlaubnisklassengruppe) weiterhin gerecht zu werden. Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z. B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum?

5. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisklassengruppe) Nachuntersuchung i. S. einer erneuten Nachbegutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?"

Der Antragsteller benannte die pima-mpu GmbH (Würzburg) als Begutachtungsstelle. Am 2. Juli 2020 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers nach entsprechender Fristverlängerung mit, das erstellte Gutachten werde aufgrund gravierender Mängel nicht vorgelegt; man habe sich bereits um eine ergänzende Stellungnahme der Begutachtungsstelle bemüht. Nachdem die Begutachtungsstelle weiterhin an ihrer Einschätzung festhielt, bat der Antragsteller die Antragsgegnerin erfolgreich um Einverständnis mit der Vorlage eines neu zu erstellenden Gutachtens. Der Antragsteller benannte daraufhin die DEKRA A. GmbH F. ... (im Folgenden: DEKRA) als Begutachtungsstelle.

Nach zuvor gewährter Fristverlängerung legte der Antragsteller am 6. November 2020 das ärztliche Gutachten der DEKRA vom 3. November 2020 (Untersuchungstag 23.9.2020) vor. Die ärztliche Gutachterin gelangt darin zum abschließenden Ergebnis, dass beim Antragsteller keine die Fahreignung in Frage stellende Erkrankung vorliege, die Grunderkrankungen keine verkehrsrelevanten Ausprägungen aufweisen würden. Der Antragsteller sei trotz der Erkrankungen in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen B, L, M und S vollständig gerecht zu werden. Es liege eine ausreichende Adhärenz (Compliance; z.B. Krankheitseinsicht, kein Beigebrauch anderer psychoaktiver Substanzen inklusive Alkohol, regelmäßig überwachte Medikamenten- bzw. Cannabiseinnahme, keine Hinweise auf - ggf. selbstinduzierte - Unter- oder Überdosierung) vor. Es läge unter Berücksichtigung der Vorgeschichte (Fahrt am 21.8.2019 unter Einfluss von THC) keine missbräuchliche Einnahme von Cannabis (Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV) vor. Jedoch habe unter Berücksichtigung der Vorgeschichte sowie der ärztlichen Stellungnahme und der erhaltenen Selbstauskünfte in der Vergangenheit ein Cannabisabusus im Sinne einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) vorgelegen. Generell sei der zusätzliche Einfluss von Alkohol bei der Verkehrsteilnahme auszuschließen, die Schlüsselzahl 05.08. sei stets vorzusehen. Weitere Beschränkungen und/oder Auflagen seien nicht erforderlich. Eine fachlich einzelfallbegründete Nachuntersuchung im Sinne einer erneuten Nachbegutachtung sei nicht erforderlich.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2020 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Nachbesserung des vorgelegten ärztlichen Gutachtens auf. Die Fahrerlaubnisbehörde wandte gegen die Begutachtung u.a. ein, es habe bei der Fahrt unter Einfluss von Cannabis noch keine Verschreibung vorgelegen. Der Antragsteller habe angegeben, seit Januar 2019 LWS-Beschwerden zu haben, die Untersuchung durch den Orthopäden sei jedoch erst am 24. Oktober 2019, also zwei Monate nach der Fahrt erfolgt. Nicht einmal zwei Monate nach dieser Diagnose sei von einem anderen Arzt das Cannabis verschrieben worden. Eine neue Bescheinigung vom Orthopäden, dass diese Behandlung keinen Erfolg gezeigt hat bzw. welche anderen Behandlungsansätze noch erfolgt seien, sei nicht beigebracht worden. Die Verschreibung von Cannabis habe vielmehr bereits nach sechs Mal Krankengymnastik stattgefunden. Es sei eindeutig ersichtlich, dass keine vorherige Ausreizung der normalen Behandlungsansätze vorliege. Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass eine ausreichende Adhärenz vorliege, in Bezug auf eine frühere Missbrauchsvorgeschichte könne diese Fragestellung normalerweise nicht durch einen Arzt im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens beantwortet werden, sondern nur bei einer medizinisch-psychologischen Begutachtung.

Die vom Antragsteller mit den Einwänden der Antragsgegnerin konfrontierte DEKRA antwortete mit ausführlichem Schreiben vom 20. April 2021 und hielt nach nochmaliger Überprüfung sowie unter Verweis auf den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Begutachtungsauftrag an ihrer Begutachtung fest. Auf das Schreiben der DEKRA wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 11. Juni 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, die Verschreibung seines Medizinal-Cannabis erfülle ersichtlich nicht die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 BtMG. Der Antragsteller könne sich deshalb nicht auf das sog. Arzneimittelprivileg berufen. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis Stellung zu nehmen. Er ließ daraufhin um Übersendung eines rechtsmittelfähigen Bescheids bitten.

2. Mit Bescheid vom 8. Juli 2021 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Nr. 1). Die Ablieferung des Führerscheins der Klassen B, L, M und S (Nr. ...*) bei der Antragsgegnerin wurde angeordnet (Nr. 2). Zu Nr. 1 und Nr. 2 wurde der Sofortvollzug angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Führerschein nicht innerhalb von 5 Tagen ab Zustellung des Bescheids abgeliefert wird, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs (Einzug des Führerscheins durch die zuständige Polizeibehörde) angedroht. (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und eine Gebühr in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt (Nr. 5).

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Entziehung der Fahrerlaubnis stütze sich auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV, § 11 Abs. 7 i.V.m. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV. Danach habe die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV sei bei regelmäßigem Konsum von Cannabis die Fahreignung ausgeschlossen. Dies sei beim Antragsteller der Fall. Nach nochmaliger umfangreicher Prüfung des Vorgangs sei festgestellt worden, dass sich der Antragsteller nicht auf das Arzneimittelprivileg berufen könne. Die Voraussetzung des § 13 Abs. 1 BtMG liege ersichtlich im vorliegenden Fall nicht vor, da die konservativen Behandlungsmethoden nicht annähernd ausgeschöpft seien und folglich die Verordnung von Medizinal-Cannabis nicht das letzte Mittel für eine Behandlung der Beschwerden gewesen sei. Aus dem Arztbrief des Herrn Dr. R. würden sich als der Verordnung des Medizinal-Cannabis zugrundeliegende Diagnosen ergeben: LWS-Syndrom (Rückenbeschwerden), Inappetenz (Appetitlosigkeit), Insomnie (Schlafstörung) und Cannabisabusus (Cannabismissbrauch). Aus dem ärztlichen Gutachten der DEKRA vom 3. November 2020 gehe hervor, dass laut dem Antragsteller die Rückenschmerzen seit Januar 2019 bestünden und die Appetitlosigkeit und Schlafstörungen bedingen würden. Aus einem Arztbrief der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 24. Oktober 2019, der bei der ärztlichen Begutachtung vorgelegt worden sei, sei die Diagnose rezidivierendes LWS-Syndrom zu entnehmen. Eine schwerwiegende Erkrankung sei nicht ablesbar. Als Therapie sei zunächst Krankengymnastik für die LWS verordnet worden, dauerhaft seien sportliche Tätigkeiten zur Stabilisierung der Muskulatur sinnvoll. Nachdem die Beschwerden seit Januar 2019 bestanden und zu Schlafstörungen und Appetitlosigkeit geführt hätten, sei vom Antragsteller erstmals nach zehn Monaten ein Orthopäde konsultiert worden. Nach einer Therapie von sechs Mal Krankengymnastik, die nur einen marginalen Effekt gehabt haben solle, sei dem Antragsteller bereits nach nicht einmal zwei Monaten Medizinal-Cannabis verordnet worden. Eine periphere analytische Medikation habe nach Aussagen des Antragstellers nicht stattgefunden, auch keine Selbstmedikation. Gegen Schlaflosigkeit und wohl auch gegen die Appetitlosigkeit sei keine Therapie erfolgt und seien keine Medikamente eingenommen worden. Ohne ausführliche Behandlung bzw. Testung anderer Medikamente bzw. anderer Möglichkeiten zur Beschwerdelinderung sei Cannabis verschrieben worden. Die Entscheidung für eine Cannabis-Medikation sei durch den Antragsteller bereits im August 2019, also noch vor der Konsultation eines Orthopäden (Oktober 2019) erfolgt. Sechsmal Krankengymnastik könne nicht ausreichen, um eine mögliche Verbesserung der Rückenschmerzen beurteilen zu können. Betäubungsmittel dürften immer nur die Ultima Ratio darstellen. Kämen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Physio- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, sei diesen der Vorrang zu geben. Aufgrund des nicht eingehaltenen "Ultima Ratio-Prinzips" könne sich der Antragsteller nicht auf das sog. Arzneimittelprivileg berufen. Er sei als regelmäßiger Cannabis-Konsument nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV anzusehen und dadurch ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, sodass keine Fahreignung bestehe. Die Nr. 2 des Bescheids beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids werde im öffentlichen Interesse angeordnet. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins diene dem Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, insbesondere für Leben und Gesundheit und das Eigentum der anderen Verkehrsteilnehmer. Das erhebliche Interesse der Allgemeinheit, vor ungeeigneten Kraftfahrern geschützt zu werden, übersteige das private Interesse des Antragstellers, bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids weiter ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen zu dürfen. Die Androhung des Zwangsgeldes unter Nr. 4 des Bescheides stütze sich auf Art. 29, 30, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Die Androhung von Zwangsgeldern lasse im gegebenen Fall keinen zweckentsprechenden und insbesondere rechtzeitigen Erfolg erwarten. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 12. Juli 2021 zugestellt.

Am 15. Juli 2021 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Antragsgegnerin ab.

3. Am 22. Juli 2021 erhob der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 8. Juli 2021 (Az. W 6 K 21.978), über die noch nicht entschieden ist, und ließ zugleich im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,

die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 8. Juli 2021 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der parallel eingelegten Anfechtungsklage von 22. Juli 2021 wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, so die Antragsgegnerin den Entzug der Fahrerlaubnis auf den Umstand stütze, dass der Antragsteller aufgrund der regelmäßigen Einnahme von Cannabis ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, lasse sie völlig außer Acht, dass der Antragsteller Cannabis aufgrund bestehender Verordnungen eines Arztes erhalte. Das Gutachten der amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung habe sich bei der Erstellung wie vorgeschrieben an den Fragestellungen der Antragsgegnerin orientiert und die Eignung bescheinigt. Zwar habe in der Vergangenheit ein Cannabisabusus vorgelegen, doch sei der Antragsteller im Rahmen der Begutachtung unter Berücksichtigung der relevanten Kriterien insgesamt für tauglich befunden worden. Nunmehr schlicht das Ergebnis der Begutachtung zu negieren, verletze den Antragsteller in seinen Rechten. So die Antragsgegnerin mit dem Ergebnis der Begutachtung nicht einverstanden sei, hätten die Fragestellungen im Vorfeld angepasst oder es hätte im Nachgang durch Anordnung eines weiteren Gutachtens nachermittelt werden müssen.

Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Entziehungsbescheid verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung diene der Führerscheinstelle lediglich als Entscheidungshilfe und müsse von dieser immer nochmals auf Nachvollziehbarkeit geprüft werden. Die Führerscheinstelle sei in keiner Weise an das Ergebnis der Begutachtung gebunden. Aufgrund des vorgelegten Gutachtens der DEKRA vom 3. November 2020 hätten sich neue Tatsachen ergeben, sodass sich der Antragsteller allein schon wegen des nicht eingehaltenen Ultima Ratio-Prinzips nicht auf das Arzneimittelprivileg berufen könne. Er sei als regelmäßiger Cannabis-Konsument anzusehen und dadurch ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er begründet und war ihm stattzugeben.

1. Soweit der Antrag gegen die in Nr. 4 des Bescheids vom 8. Juli 2021 verfügte Androhung unmittelbaren Zwangs gerichtet ist, ist er unzulässig. Dieser kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ausspruch (Art. 21a VwZVG) hat sich durch die rechtzeitige Abgabe des Führerscheins seitens des Antragstellers am 15. Juli 2021 erledigt. Nach der Abgabe des Führerscheins kann das angedrohte Zwangsmittel nach Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG nicht mehr angewendet werden. Da die Antragsgegnerin auch nicht zu erkennen gegeben hat, dass sie das Zwangsmittel gleichwohl anzuwenden beabsichtigt, ergibt sich aus der Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids für den Antragsteller keine Beschwer mehr (st. Rspr., vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 23.7.2021 - 11 CS 21.515 - BeckRS 2021, 20882 Rn. 20 m.w.N.).

2. Im Übrigen ist der als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1 und 2 des Bescheids vom 8. Juli 2021 auszulegende Antrag (§ 88 VwGO) zulässig und begründet.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er statthaft. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheides) sowie gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2) entfällt vorliegend, weil die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

2.1. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den lediglich formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die sie für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Es liegt auf der Hand und braucht nicht weiter dargelegt zu werden, dass der sofortige Ausschluss eines nicht fahrgeeigneten Kraftfahrers von der Teilnahme am Straßenverkehr die Risiken für andere Verkehrsteilnehmer reduziert. Insoweit ist kein besonderes öffentliches Interesse, das über das die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Interesse hinausgeht, erforderlich (vgl. etwa BayVGH, B.v. 23.7.2021 - 11 CS 21.515 - BeckRS 2021, 20882 Rn. 19; B.v. 26.2.2021 - 11 CS 20.2979 - BeckRS 2021, 4157 Rn. 23).

2.2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass die Klage voraussichtlich Erfolg haben wird. Denn es bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids vom 8. Juli 2021.

Soweit im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des Antragstellers summarisch geprüft werden, bemisst sich der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt nach dem materiellen Recht. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der abschließenden Behördenentscheidung, die mangels Einlegung eines Widerspruchs vorliegend im Erlass des verfahrensgegenständlichen Bescheids zu sehen ist.

2.2.1 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV).

Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen und unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die vorherige Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Die Fahrerlaubnisbehörde hat damit die Möglichkeit, zur Aufklärung der Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers die Beibringung eines medizinischen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.

Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV führt die regelmäßige Einnahme von Cannabis zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wer den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Im Fall der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln, der die bestimmungsgemäße Einnahme von für einen bestimmten Krankheitsfall ärztlich verordnetem Medizinal-Cannabis unterfällt (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2021 - 11 ZB 20.1138, BeckRS 2021, 7392 Rn. 12; B.v. 29.4.2019 - 11 B 18.2482 - juris Rn. 23; OVG NW, B.v. 5.7.2019 - 16 B 1544/18 - Blutalkohol 56, 324 = juris Rn. 2), ist die Fahreignung u.a. dann nicht gegeben, wenn eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß besteht (Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV). Eine missbräuchliche Einnahme, d.h. ein regelmäßiger übermäßiger Gebrauch, der z.B. bei einer Einnahme des Medikaments in zu hoher Dosis oder entgegen der ärztlichen Verschreibung angenommen werden kann, beurteilt sich hingegen nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV und schließt danach die Fahreignung aus.

2.2.2 Das Gericht teilt unter Berücksichtigung der vorstehenden Prämissen nach summarischer Prüfung die Auffassung der Antragsgegnerin nicht, wonach im Falle des Antragstellers ohne weitergehende Aufklärungsmaßnahmen aufgrund der täglichen Einnahme von ärztlich verordnetem Medizinal-Cannabis und mangels erfolgreicher Berufung auf das sog. Arzneimittelprivileg von dessen feststehender Nichteignung als regelmäßiger Konsument von Cannabis im Sinne des § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV auszugehen war.

Der Antragsteller hat am 21. August 2019 ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr unter Einfluss von (unstreitig nicht ärztlich verschriebenem) THC geführt und die Antragsgegnerin sah insoweit zutreffend zunächst Fahreignungszweifel im Hinblick auf einen möglichen gelegentlichen (illegalen) Cannabiskonsum sowie eine fehlende Fähigkeit zum Trennen von Verkehrsteilname und Konsum (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Im deshalb eingeleiteten Überprüfungsverfahren legte der Antragsteller der Fahrerlaubnisbehörde eine Verschreibung von Medizinal-Cannabis sowie ein ärztliches Schreiben des behandelnden Arztes Dr. R. (jeweils) vom 24. Januar 2020 vor. Daraufhin hielt die Antragsgegnerin an der ursprünglichen Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 30. Dezember 2019 nicht mehr fest und forderte den Antragsteller stattdessen mit Schreiben vom 21. Februar 2020 zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens auf, das die Fahreignung des Antragstellers im Hinblick auf die Therapie mit medizinischem Cannabis abprüfen sollte.

Hiergegen ist nichts zu erinnern. In besonders gelagerten Fällen ist es nämlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die durch vorherigen illegalen Cannabiskonsum nach Nr. 9.2.1 oder 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entstandenen Fahreignungszweifel durch eine ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis ausgeräumt werden können oder die ggf. entfallene Fahreignung dadurch wiederhergestellt ist. Diese Frage ist von der Fahrerlaubnisbehörde auch regelmäßig im Entziehungsverfahren zu prüfen (vgl. OVG Saarl, B.v. 3.9.2018 - 1 B 221/18 - Blutalkohol 55, 448). Es entspricht ferner ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.1.2019 - 11 ZB 18.2066 - juris Rn. 24; B.v. 22.9.2015 - 11 CS 15.1447 - juris Rn. 20), dass im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren auch dem Betroffenen günstige Umstände zu berücksichtigen sind und daher die Wiedergewinnung der Fahreignung einer Entziehung der Fahrerlaubnis entgegensteht. Bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine mögliche Wiedergewinnung der Fahreignung sind demzufolge von der Fahrerlaubnisbehörde entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 - 11 B 18.2482 - BeckRS 2019, 8194 Rn. 34). Demnach richtete die Antragsgegnerin die Fahreignungsbegutachtung nach dem durch Vorlage eines Attestes glaubhaft gemachten Hinweis des Antragstellers auf die Verschreibung von Medizinal-Cannabis folgerichtig auf die Frage aus, ob dieser nunmehr möglicherweise vor dem Hintergrund einer Dauerbehandlung mit Cannabis als Arzneimittel ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.

Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis im Sinne von Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies grundsätzlich voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist und im Rahmen der Behandlung einer Erkrankung erfolgt (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 303). Dies bedingt, dass das Medizinal-Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird; hierbei ist stets eine einzelfallorientierte Betrachtung erforderlich (BayVGH, B.v. 9.2.2021 - 11 ZB 20.1894 - BeckRS 2021, 2790 Rn. 22 unter Verweis auf: Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien [StAB] zur Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, aktualisierte Fassung vom August 2018, abgedruckt in Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O., S. 440 ff. - nachfolgend: Handlungsempfehlung Cannabismedikation; vgl. auch OVG NW, B.v. 5.7.2019 - 16 B 1544/18 - juris Rn. 4 ff.; VGH BW, B.v. 31.1.2017 - 10 S 1503/16 - juris Rn. 8 f.).

Insoweit geht die Antragsgegnerin im Einklang mit der Rechtsprechung des BayVGH (B.v. 16.1.2020 - 11 CS 19.1535 - BeckRS 2020, 1237 Rn. 23; siehe jüngst auch VGH BW, B.v. 8.7.2021 - 13 S 1800/21 - BeckRS 2021, 18326 Rn. 19) sowie des erkennenden Gerichts (VG Würzburg U.v. 11.11.2020 - W 6 K 20.780 - BeckRS 2020, 35710 Rn. 23 f.; U.v. 11.11.2020 - W 6 K 20.500 - BeckRS 2020, 33740 Rn. 23; B.v. 19.10.2020 - W 6 S 20.1305 - BeckRS 2020, 28674 Rn. 52; B.v. 9.6.2021 - W 6 S 21.715 - nicht veröffentlicht) im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass die Berufung auf das sog. Arzneimittelprivileg - also die vorrangige Anwendung der Nr. 9.4 und Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV im Falle einer ärztlichen Verschreibung von Medizinal-Cannabis - zugunsten des Betroffenen nicht in Betracht kommt, wenn die Verschreibung und Abgabe von Medizinal-Cannabis mangels medizinischer Begründetheit der Betäubungsmittel-Behandlung unter Verstoß gegen die betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben des § 13 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erfolgt, mit der Konsequenz, dass sich im Fahrerlaubnisrecht die Fahreignungsrelevanz einer Einnahme von ärztlich verschriebenem Medizinal-Cannabis wie die sonstige Einnahme von Cannabis nach den Maßstäben der Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV bemisst, wobei im Falle des Antragstellers aufgrund der verordneten täglichen Einnahme wegen eines regelmäßigen Konsums von der Ungeeignetheit auszugehen wäre (vgl. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV).

Unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses der Antragsgegnerin zur Verfügung stehenden Informationen spricht aus Sicht des Gerichts allerdings Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin noch nicht mit der für eine Entziehung der Fahrerlaubnis erforderlichen Überzeugungsgewissheit von einer feststehenden Nichteignung ausgehen durfte. Denn § 11 Abs. 7 FeV, wonach die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens unterbleibt, wenn die Nichteignung zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht, setzt voraus, dass die Behörde aus den ihr bekannten Umständen die mangelnde Fahrungeeignetheit ohne Weiteres selbst feststellen kann (BVerwG, U.v. 11.4.2019 - 3 C 8.18 - BeckRS 2019, 19965 Rn. 38). Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses konnte die Antragsgegnerin jedoch nicht ohne eine weitergehende fachliche Aufklärung ihrer - auch durch das vorgelegte Fahreignungsgutachten der DEKRA nicht ausgeräumten Fahreignungszweifel - davon ausgehen, dass die Theraphie des Antragstellers mit Medizinal-Cannabis die Anforderungen des § 13 Abs. 1 BtMG nicht erfüllte.

Aus den Vorgaben des § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BtMG ergibt sich, dass Medizinal-Cannabis nur im Rahmen einer ordnungsgemäßen Behandlung ärztlich verschrieben, verabreicht oder überlassen werden darf und dies nur dann, wenn die Anwendung am oder im Körper begründet ist, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Hieraus ist zum einen abzuleiten, dass zwingende Voraussetzung einer medizinischen Indikation eine eigene Untersuchung des Patienten durch den verschreibenden oder die Behandlung veranlassenden Arzt darstellen muss. Auf diese Weise soll den Anforderungen an die Sicherheit und Kontrolle des legalen Betäubungsmittelverkehrs Genüge getan und die Eignung und Erforderlichkeit einer Behandlung mit Betäubungsmitteln sichergestellt werden (Bohnen/Schmidt in BeckOK, Stand 15.3.2021, § 13 BtMG Rn. 16). Zudem dürfen Betäubungsmittel immer nur die Ultima Ratio darstellen. Kommen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, ist diesen der Vorrang zu geben (Bohnen/Schmidt in BeckOK, Stand 15.3.2021, § 13 BtMG Rn. 25; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 13 Rn. 20 ff.). An diesen hohen Hürden wollte auch das Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 403) nichts ändern.

Ob der Verordnung seitens des behandelnden Arztes Dr. R. eine Grunderkrankung des Antragstellers zugrunde liegt, die nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG die Verschreibung von Medizinal-Cannabis rechtfertigt und ob vor Einleitung der Therapie vorrangige Behandlungsansätze erfolglos ausgeschöpft waren, wurde seitens der Antragsgegnerin nicht zum Gegenstand des ärztlichen Begutachtungsauftrags vom 21. Februar 2020 gemacht, obgleich sich bei den vorliegenden Umständen Zweifel aufdrängen konnten. Mit dem Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 403) wurde Cannabis in die Anlage III zum BtMG aufgenommen, wodurch überhaupt erst seine Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit hergestellt wurde. Dies diente ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs dem Ziel, Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen nach entsprechender Indikationsstellung und bei fehlenden Therapiealternativen mit Cannabis zu behandeln (BT-Drs. 18/8965, S. 13). Vor diesem Hintergrund mutet es fragwürdig an, dass der erst 33-jährige Antragsteller, der seit Januar 2019 über Schmerzen in der Lendenwirbelsäule klagte und deshalb im Oktober 2019 einen Orthopäden aufsuchte, nach nur sechs Einheiten Krankengymnastik und der Empfehlung seines Orthopäden in Würzburg, dauerhaft zur Stabilisierung der Muskulatur Sport zu treiben, schon im Dezember 2019 vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. (Ulm) eine Therapie seines Leidens mit medizinischem Cannabis erhielt. Ferner lassen die äußeren Umstände des Falles, etwa dass der Antragsteller bereits im Jahr 2011 aufgrund Besitzes von Cannabis polizeilich in Erscheinung trat und unstreitig im August 2019 unter Einfluss von nicht verschriebenem illegalem Cannabis ein Fahrzeug im Straßenverkehr führte (vgl. den rechtskräftigen Bußgeldbescheid vom 6.11.2019), eine besonders sorgfältige Prüfung der medizinischen Begründetheit der nunmehr nachträglich eingeleiteten Cannabis-Therapie angezeigt erscheinen. Denn Konsumenten, die eine Missbrauchsvorgeschichte und/oder eine drogenbezogene Delinquenz aufweisen und die eine Cannabisverschreibung aus medizinischen Gründen anstreben, um missbräuchlichen Konsum zu legalisieren, gilt es nicht mit Cannabis zu versorgen und insbesondere auch von der Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 442, vgl. dazu VG Würzburg, U.v. 11.11.2020 - W 6 K 20.780 - BeckRS 2020, 35710 Rn. 22). Insoweit ruft gerade die im ärztlichen Brief des Dr. R. enthaltene Diagnose "Cannabisabusus" Bedenken hervor, ob hier nicht möglicherweise ein vormals illegaler Konsum durch eine Verschreibung des medizinischen Cannabis auf eine legale Stütze gestellt werden soll.

Der Antragsgegnerin hätte sich aufgrund dieser aktenkundigen Hinweise hinreichender Anlass geboten, auch die Frage, ob beim Antragsteller Erkrankungen vorliegen, die eine Verschreibung von Cannabis rechtfertigen und ob der beabsichtigte Behandlungszweck auf andere Weise erreicht werden kann, zum Gegenstand der Begutachtungsanordnung vom 21. Februar 2020 zu machen (vgl. etwa auch die Begutachtungsfrage Nr. 1 im Verfahren VG Würzburg, U.v. 11.11.2020 - W 6 K 20.500 - BeckRS 2020, 33740 Rn. 4 sowie die Rechtsausführungen unter Rn. 25; siehe auch BayVGH, B.v. 16.1.2020 - 11 CS 19.1535 - BeckRS 2020, 1237 Rn. 23). Dem steht auch nicht die Handlungsempfehlung Cannabismedikation entgegen. Danach soll bei der Fahreignungsbegutachtung eines Cannabispatienten zunächst von der Annahme einer medizinisch indizierten Cannabistherapie ausgegangen werden, sofern sich keine weiteren Bedenken aus der Vorgeschichte ableiten lassen (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 443). Ferner findet sich dort der Hinweis, dass die Frage der Indikationsstellung einer Cannabisblüten-Therapie "nicht primärer Gegenstand eines ärztlichen Gutachtens zur Fahreignung" ist (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 444 Fn. 6). Aus diesen Formulierungen lässt sich erkennen, dass auch die Handlungsempfehlung Cannabismedikation davon ausgeht, dass bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte die medizinische Begründetheit der Therapie im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BtMG als Voraussetzung einer betäubungsmittelrechtlich legalen Verschreibung von medizinischem Cannabis von der Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen ihrer Festlegungskompetenz (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV) durchaus zum Gegenstand einer medizinischen oder medizinisch-psychologischen Fahreignungsbegutachtung gemacht werden kann.

Dem hier vorliegenden Fahreignungsgutachten der DEKRA vom 3. November 2020 (Versanddatum) ist indes ebenso wenig wie dem ergänzenden Schreiben der Begutachtungsstelle eine medizinisch-fachliche Einschätzung zu entnehmen, ob die von Dr. R. begonnene Therapie des Antragstellers mit Medizinal-Cannabis den Anforderungen des § 13 Abs. 1 BtMG entspricht. Wenngleich sich der Begutachtungsauftrag der Antragsgegnerin nicht explizit auf die Frage der medizinischen Indikation der Cannabis-Behandlung bezog, bat die Gutachterin der DEKRA den verordnenden Arzt Dr. R. am 23. September 2020 u.a. um eine ergänzende Stellungnahme zur "Grunderkrankung unter Einschluss bisheriger Behandlungsansätze und Gründe für die Wahl von Cannabinoiden, insbesondere Cannabisblüten als Medikation" (vgl. Gutachten der DEKRA vom 3.11.2020, S. 12). Ausweislich der im Gutachten referierten Antwort des Arztes nahm Dr. R. hierzu offenbar nicht dezidiert Stellung, sondern zählte nur die der Verschreibung zugrundeliegenden Diagnosen auf. Eine weitere Rückfrage bei Dr. R. erfolgte seitens der DEKRA vor Erstellung des Gutachtens nicht mehr und in der Befundwürdigung des Gutachtens wird die Frage der medizinischen Indikation der Cannabis-Therapie (bis auf das Nichtvorliegen der Kontraindikatoren Sucht, psychische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen) nicht weiter erörtert. Auch im Rahmen ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2021 enthielt sich die Gutachterin der DEKRA einer fachlichen Einschätzung zur medizinischen Indikation unter Verweis auf den von der Behörde vorgegebenen Untersuchungsumfang, der eine Überprüfung der Indikation und der Ausschöpfung alternativer Therapiemöglichkeiten nicht abgedeckt habe.

Ob es bei der von der Fahrerlaubnisbehörde festgelegten Fragestellung (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV) tatsächlich eine unzulässige Erweiterung des mit Anordnung vorgegebenen Begutachtungsrahmens bedeutet hätte, wenn die beauftragte DEKRA im Gutachten vom 3. November 2020 (Versanddatum) auch eine Einschätzung zur hier aufgrund der konkreten Umstände zweifelhaften medizinischen Begründetheit im Sinne des § 13 Abs. 1 BtMG der Therapie des Antragstellers getroffen hätte, muss hier nicht abschließend entschieden werden. Im vorliegenden Fall ist maßgebend, dass der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses keine medizinisch-fachliche Beurteilung vorlag, welche die tatsächliche medizinische Indikation der von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie zur Behandlung des Antragstellers eingeleiteten Cannabis-Therapie widerlegt hätte. Der Antragsteller kam im Entziehungsverfahren seiner Darlegungsobliegenheit nach und legte der Fahrerlaubnisbehörde eine von ihr zuvor angeforderte ärztliche Stellungnahme des Cannabis verschreibenden Facharztes Dr. R vom 24. Januar 2020 vor, welches u.a. die der Therapie zugrundeliegenden Diagnosen LWS-Syndrom, Inappetenz, Insomnie und Cannabisabusus aufführt. Inwieweit zur Behandlung dieser Erkrankungen des Antragstellers eine medizinische Cannabistherapie de lege artis angezeigt ist, obliegt zuvörderst der Verantwortung des behandelnden Arztes. Da es sich bei Medizinal-Cannabisblüten nicht um ein Arzneimittel handelt, das ein Zulassungsverfahren durchlaufen hat, stehen im Allgemeinen keine empirisch abgesicherten Informationen über geeignete Behandlungsindikationen zur Verfügung (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 442). Die Verantwortung für eine individuell abgestimmte, risikovermeidende Therapie und eine entsprechend umfangreiche Aufklärung des Patienten im Sinne eines "individuellen Heilversuchs" liegt dementsprechend beim behandelnden Arzt (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 442). Aufgabe des behandelnden Arztes ist es, unter Abwägung von Nutzen und Risiko über die medizinischen Indikationen (handlungsleitend ist hier nicht der Wunsch des Patienten) zu entscheiden und die Aufklärung und verkehrsmedizinische Beratung des Patienten sicherzustellen (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 441).

Da Cannabisbasierte Medikamente jedenfalls bei chronischen Schmerzen - wie sie auch im Zuge des LWS-Syndroms des Antragstellers auftreten - häufig Anwendung finden (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 441), ist die Behandlung des LWS-Syndroms samt Begleiterscheinungen (Insomnie, Inappetenz) mittels Cannabis prima facie nachvollziehbar und keineswegs fernliegend. Wie auch die Antragsgegnerin hat das Gericht hier zwar aus den bereits erwähnten Gründen Zweifel an der erfolglosen Ausschöpfung alternativer Heilmittel. Da der Antragsteller aber im Entziehungsverfahren ein Attest des Cannabis verschreibenden Arztes vorlegte, aus dem sich plausible Grunderkrankungen ergeben, steht es der Fahrerlaubnisbehörde und dem im Streitfall angerufenen Gericht nicht zu, die der ärztlichen Verschreibung zugrundeliegende Einschätzung der medizinischen Begründetheit der Cannabistherapie nach eigener Anschauung zu übergehen und der Einschätzung des behandelnden Arztes eine abweichende Beurteilung entgegenzusetzen, ohne dies auf eine entsprechende fachliche Einschätzung zu stützen. Denn nach § 11 Abs. 7 FeV kann die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens nur dann unterbleiben, wenn die Nichteignung zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Dies setzt voraus, dass die Behörde aus den ihr bekannten Umständen die mangelnde Fahrungeeignetheit ohne Weiteres selbst feststellen kann (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 - 3 C 8.18 - BeckRS 2019, 19965 Rn. 38). Schon aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten einer Cannabistherapie sowie des Fehlens feststehender empirisch abgesicherter Erkenntnisse zur Indikation (Handlungsempfehlung Cannabismedikation, a.a.O., S. 442) bedarf es aber regelmäßig besonderen medizinischen Sachverstands und damit einer medizinischen Begutachtung, um bei entsprechenden Zweifeln der medizinischen Begründetheit einer Cannabistherapie im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BtMG nachzugehen. Ohne besondere ärztliche Fachkenntnisse - die die Fahrerlaubnisbehörde regelmäßig selbst nicht besitzt - lässt sich die medizinische Indikation einer ärztlichen Behandlung mit Betäubungsmitteln - von ganz offensichtlichen Fällen abgesehen - regelmäßig nicht gesichert einschätzen und erst Recht nicht die Einschätzung des verschreibenden Arztes von der Einhaltung des § 13 Abs. 1 BtMG widerlegen, zumal sich dieser bei Verstößen sogar strafbar machen kann (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BtMG). Der dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zugrundeliegenden Auffassung der Antragsgegnerin von der Nichteinhaltung des sog. Ultima Ratio-Prinzips lag hier eine auf medizinischem "Alltagswissen" basierende, aber nicht fachlich fundierte Bewertung der Fahrerlaubnisbehörde zugrunde. Deutlich wird eine gewisse Anmaßung medizinischer Fachkompetenz insbesondere in der Feststellung der Antragsgegnerin, dass die konservativen Behandlungsmethoden im Fall des Antragstellers nicht annähernd ausgeschöpft seien, da der Antragsteller zuvor erst sechsmal bei der Krankengymnastik gewesen sei. Diese Beurteilung widerspricht nicht nur der der Verschreibung von Cannabis implizit zugrundeliegenden Einschätzung des den Antragsteller behandelnden Arztes Dr. R. zur medizinischen Begründetheit der Therapie. Auch die Gutachterin der DEKRA sah angesichts der am Untersuchungstag vorgelegten Unterlagen sowie der stimmigen Selbstauskünfte des Antragstellers insoweit keine Veranlassung zu offensichtlichen Zweifeln und weiteren Rückfragen beim verschreibenden Arzt (vgl. S. 7 der ergänzenden Stellungnahme vom 20.4.2021). Die Fahrerlaubnisbehörde hat folglich ihre fachliche Beurteilungskompetenz überschritten, indem sie der Behandlung des Antragstellers mit Cannabis die Wahrung der Anforderungen des § 13 Abs. 1 BtMG absprach, ohne zuvor den verschreibenden Arzt um eine weitere ergänzende Stellungnahme zu bitten und ggf. eine weitere ärztliche Nachbegutachtung verbliebener Zweifel zu veranlassen.

Das Gericht setzt sich durch diese Einschätzung nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 11. November 2020 (W 6 K 20.780 - BeckRS 2020, 35710), auf das sich die Antragsgegnerin in ihrem Bescheid bezieht. Soweit das Gericht dort dem Kläger eine erfolgreiche Berufung auf das Arzneimittelprivileg absprach, lag dem zugrunde, dass den Kläger in der Verpflichtungssituation auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die materielle Beweislast für das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen traf und er zunächst substantiiert darzulegen hatte, dass er als regelmäßiger Medizinal-Cannabiskonsum unter das Arzneimittelprivileg fällt. In der hier vorliegenden Sachverhaltsgestaltung der Entziehung einer Fahrerlaubnis liegt die materielle Beweislast für das Vorliegen der Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers hingegen bei der Behörde mit der Folge, dass die Nichterweislichkeit der Ungeeignetheit zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zu ihren Lasten geht (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 Rn. 24 m.w.N.).

Nachdem die Antragsgegnerin hier ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht einfach davon ausgehen durfte, dass die Verschreibung von Medizinal-Cannabis des Dr. R unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 BtMG erfolgt, konnte dem Antragsteller nach summarischer Prüfung nicht mit Bescheid vom 8. Juli 2021 gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 die Fahrerlaubnis wegen regelmäßigen Konsums von medizinischem Cannabis entzogen werden.

2.2.3 Die als gebundene Entscheidung verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis kann vorliegend auch nicht unter Austausch der den Rechtssatz des § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV (jeweils i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV) tragenden Begründung aufrechterhalten werden.

Der Antragsteller war nicht bereits infolge der unstreitigen Fahrt vom 21. August 2019 mit einem Kraftfahrzeug unter Einfluss von nicht verschriebenem Cannabis ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da zu diesem Zeitpunkt allenfalls von einem gelegentlichen (illegalen) Cannabiskonsum und nicht von einem regelmäßigen Konsum ausgegangen werden konnte. Bei dem in der Vergangenheit liegenden Führen eines Kraftfahrzeugs durch einen gelegentlichen Konsumenten von Cannabis unter Einfluss dieses Betäubungsmittels kommt es für die hinsichtlich einer Entziehung der Fahrerlaubnis maßgebliche Gefahrenprognose darauf an, ob hinreichend sicher ist, dass der Betroffene künftig das Trennungsgebot i.S.d. Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV beachten wird. Um das beurteilen zu können, bedarf es regelmäßig erst einer medizinisch-psychologischen Untersuchung, kann aber nicht ohne weiteres gemäß § 11 Abs. 7 FeV auf die feststehende Nichteignung des Betroffenen geschlossen werden (BVerwG, U.v. 11.4.2019 - 3 C 13.17, juris Rn. 31; OVG NW, B.v. 17.2.2020, 16 B 885/19, juris Rn. 14).

Es bestehen nach summarischer Prüfung auch keine zwingenden Anhaltspunkte, dass der Antragsteller im Zusammenhang mit der Einnahme des ihm verordneten Cannabis gemäß Nr. 9.6.2 oder Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen vom Kraftfahrzeugen wäre. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen der DEKRA in ihrem positiven Fahreignungsgutachten vom 3. November 2020 (Versanddatum) sowie in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2021. Daraus ergeben sich keine zwingenden Gesichtspunkte, wonach der Antragsteller aufgrund der Einnahme von Medizinal-Cannabis ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen wäre.

2.2.4 Demnach erweist sich die Entziehung der Fahrerlaubnis bei summarischer Prüfung als rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis schlägt auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins durch (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV), weshalb die Nr. 2 des Bescheides 8. Juli 2021 nach summarischer Prüfung ebenfalls rechtswidrig ist.

2.3 Da an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes regelmäßig kein öffentliches Interesse bestehen kann, ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids auch nach einer Abwägung der Interessen des Antragstellers mit den öffentlichen Interessen wiederherzustellen.

Zur Überzeugung des Gerichts überwiegt vorliegend nicht das im Hinblick auf den Rang der betroffenen Rechtsgüter gewichtige öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs, vor ungeeigneten Kraftfahrzeugführen geschützt zu werden. Denn eine Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen steht gerade nicht fest. Soweit die bereits benannten Umstände des Falles weiterhin begründeten Anlass bieten, an der medizinischen Indikation der Cannabis-Therapie des Antragstellers zu zweifeln, sind diese Bedenken ggf. von der Fahrerlaubnisbehörde in einem weiteren Verwaltungsverfahren aufzuklären, kann das Ergebnis entsprechender Nachermittlungen aufgrund des hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts des Bescheiderlasses die rechtliche Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Bescheids indes nicht mehr beeinflussen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da der Antragsteller mit dem Antrag hinsichtlich Nr. 4 des Bescheids vom 8. Juli 2021 (Zwangsandrohung) im Verhältnis zum erfolgreichen Rest nur geringfügig unterlegen ist.

4. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Streitwertrelevant war hier alleine die Fahrerlaubnisklasse B. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs war der insoweit anzusetzende Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR im Sofortverfahren zu halbieren, so dass letztlich 2.500,00 EUR festzusetzen waren.