OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.07.2021 - 1 AR 11/21 A
Fundstelle
openJur 2021, 26833
  • Rkr:
Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung wird wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Pilsen - Süd (Okresní soud Plzen - jih) vom 02.10.2020 (Aktenzeichen 2 T 180/2016) zugrunde liegenden Taten für zulässig erklärt.

Gründe

Die Auslieferung des Verfolgten war auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft für zulässig zu erklären (§ 29 IRG).

Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken ist für die Entscheidung gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 IRG sachlich und gem. § 14 Abs. 1 IRG örtlich zuständig. Der Verfolgte wurde in H zum Zwecke der Auslieferung zuerst ermittelt.

Gegen den Verfolgten besteht der Europäische Haftbefehl des Bezirksgerichts Pilsen - Süd (Okresní soud Plzen - jih) vom 02.10.2020 (Aktenzeichen 2 T 180/2016). Die Auslieferung soll zum Zwecke der Strafverfolgung erfolgen. Dem Verfolgten liegt nach dem Europäischen Haftbefehl zur Last, am 22.09.2016 und am 17.10.2016 jeweils im Gebiet der tschechischen Republik einen PKW geführt zu haben, obgleich ihm die Fahrerlaubnis entzogen und sein Führerschein am 19.08.2016 von einer Polizeibehörde einbehalten worden war. Diese Handlungen sind nach § 337 Abs. 1 lit. a des tschechischen Strafgesetzbuchs als Vereitelung des Vollzugs einer behördlichen Entscheidung oder Anweisung strafbar. Die Taten sind jeweils im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedroht. Die Strafverfolgung ist nach Angaben der tschechischen Behörden nicht verjährt. Dem Verfolgten sind in der Strafsache mit Urteil des Bezirksgerichts Pilsen - Süd vom 01.06.2017 300 Stunden gemeinnützige Arbeit aufgegeben worden. Davon hat der Verfolgte innerhalb der dafür gesetzten Jahresfrist lediglich 85 Stunden abgeleistet. Nach tschechischem Strafrechts ist in einem derartigen Fall jede Stunde der nicht abgeleisteten gemeinnützigen Arbeit in einen Tag Freiheitsstrafe umzuwandeln. Dafür hat das Bezirksgericht für den 25.09.2018 eine Verhandlung angesetzt, zu der der Verfolgte trotz Ladung nicht erschienen ist. Für die weitere am 30.10.2018 angeordnete Verhandlung konnte der Verfolgte nicht mehr geladen werden, weil die tschechischen Behörden seinen Aufenthaltsort nicht mehr feststellen konnten. Am 12.02.2019 hat das Bezirksgericht einen nationalen Haftbefehl erlassen. Im Dezember 2019 scheiterte der Versuch des Bezirksgerichts, den Verfolgten an einer ihm bekannt gewordenen Adresse in Deutschland für eine neue Verhandlung zu laden.

Die rechtskräftige Verurteilung des Verfolgten zu einer Arbeitsauflage steht seiner Auslieferung nicht entgegensteht. Aus Art. 3 Nr. 2 RbEuHb ergibt sich, dass die rechtskräftige Verurteilung des Verfolgten in einem Mitgliedstaat nur dann der Auslieferung entgegensteht, wenn die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsmitgliedstaats nicht mehr vollstreckt werden kann. Keiner der genannten Fälle liegt hier vor, insbesondere ist die Arbeitsauflage nicht vollständig erfüllt worden.

Es handelt sich vorliegend nach Auffassung des Senats um eine Auslieferung zur Strafverfolgung. Zwar ist der Verfolgte in der vorliegenden Sache bereits rechtskräftig verurteilt worden; diese Verurteilung kommt aber als Grundlage für eine Auslieferung zur Strafvollstreckung nicht in Betracht, weil mit ihr keine freiheitsentziehende Sanktion ausgesprochen worden ist. Die ausgesprochene Arbeitsauflage soll in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden. Durch die Umwandlung der Arbeitsauflage in eine Freiheitsstrafe wird erst eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt, die Grundlage für eine Auslieferung zur Strafvollstreckung sein könnte. Damit dient die Auslieferung der Strafverfolgung.

Die Voraussetzungen für eine Auslieferung zur Strafverfolgung liegen vor. Der Europäische Haftbefehl enthält die gem. § 83a Abs. 1 IRG erforderlichen Angaben. Die Auslieferung ist gem. §§ 3 Abs. 1, 81 Nr. 1 IRG zulässig. Die im Europäischen Haftbefehl dargestellten Tat wären nach deutschem Recht als Fahren ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar. Die Taten sind nach tschechischem Recht mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bedroht.

Ob im Hinblick darauf, dass der Verfolgte in vorliegender Sache bereits verurteilt ist mit der Folge, dass der Schuldspruch rechtskräftig ist und die Höhe der auszusprechenden Freiheitsstrafe feststeht, auch bestimmte für eine Auslieferung geltenden Voraussetzungen vorliegen müssen, kann dahinstehen. Auch die Voraussetzungen für eine Auslieferung zur Strafvollstreckung würden nach einer rechtskräftigen Verhängung der Freiheitsstrafe vorliegen. Die Verurteilung des Verfolgten beruht nicht auf einem Abwesenheitsurteil. Die nach der Umwandlung der Arbeitsauflage auszusprechende Freiheitsstrafe beträgt ca. sieben Monate. Eine Bewährungsaussetzung kommt nicht in Betracht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 05.07.2021 entschieden, keine Bewilligungshindernisse geltend zu machen. Dieser Entscheidung tritt der Senat bei.

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