Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 09.09.2021 - 8 B 39/21
Fundstelle
openJur 2021, 26712
  • Rkr:
Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin schriftlich Auskunft darüber zu erteilen, an welchen öffentlichen Schulen der Stadt  aktuell Corona-Infektionen gemeldet sind mit der Anzahl der betroffenen Klassen und der Anzahl der betroffenen Personen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der Antrag ist zulässig. Es liegt ein Rechtsschutzbedürfnis vor. Die Antragstellerin hat sich zuvor mit Schreiben vom 13.08.2021 mit dem Antrag, der auch Gegenstand des Antrages auf Erlasses der einstweiligen Anordnung ist, an die Antragsgegnerin gewandt. Dieser Antrag ist von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 16.08.2021 abgelehnt worden. Insofern kommt es auf die Anfrage vom 10.08.2021, die einen anderen Inhalt gehabt haben mag, nicht an.

Der zulässige Antrag ist begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Voraussetzung ist danach ein Anordnungsgrund, d.h. eine Eilbedürftigkeit, sowie ein Anordnungsanspruch, d.h. ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO.

Zielt der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO - wie hier - auf eine Vorwegnahme der Hauptsache ab, kann ihm nur dann entsprochen werden, wenn dem Antragsteller ohne sofortige Befriedung des Anspruchs schwerer und unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr führen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.11.2013, 6 VR 3.13, juris, RNr. 5).

Geht es - wie hier - um einen presserechtlichen Auskunftsanspruch, ist die besondere Bedeutung des Presserechts und die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Es genügt für den Eilrechtsschutz, wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 08.09.2014, 1 BvR 23/14, juris RNr. 23 ff.). Die Presse kann ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn auch im Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren hinsichtlich der Aktualität der Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise der hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt (BVerfG a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 07.10.2016, juris, RNr. 18).

Vorliegend liegen die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache vor, weil nach der in diesem Eilverfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Überprüfung mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anordnungsanspruch vorliegt. Gemäß § 4 Abs. 1 PresseG SH sind Behörden verpflichtet, den Vertreterinnen und Vertretern der Presse, die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Auskünfte können nach Abs. 2 Nr. 3 dieser Vorschrift zwar verweigert werden, soweit ein überwiegendes schutzwürdiges öffentliches oder privates Interesse verletzt würde. Die Voraussetzungen dieses Ausschlussgrundes liegen hier aber nicht vor. Die Antragsgegnerin kann sich nicht mit Erfolg auf ein entgegenstehendes schutzwürdiges öffentliches oder privates Interesse berufen.

Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, dass durch die Erteilung der begehrten Auskünfte der Schulbetrieb gestört werden würde, weil es zu zahlreichen Nachfragen von Eltern oder Anderen kommen könnte, ist der Vortrag der Antragsgegnerin substanzlos geblieben. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass ein normaler Dienstbetrieb an den Schulen nicht mehr gewährleistet sein könnte. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass viele Anrufe eingehen und Nachfragen gestellt werden, sind diese hinzunehmen. Auch im Zusammenhang mit anderen Schulen, bei denen die hier begehrten Auskünfte erteilt wurden, spricht die Antragsgegnerin nur von Problemen, die es aufgrund zahlreicher Nachfragen gegeben habe. In Hinblick auf die große Bedeutung der Pressefreiheit sind solche Probleme aber hinzunehmen. Eine Störung des Schulbetriebes ist nicht erkennbar.

Auch schutzwürdige private Interessen stehen nicht entgegen. Die Antragsgegnerin weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es zu einer "spezifizierten Bezeichnung von infizierten Personen" kommen könne und insoweit sensible Gesundheitsdaten offenbart werden würden. Auch dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin begehrt lediglich Auskunft über die jeweiligen Schulen mit der Anzahl der betroffenen Klassen und der Anzahl der Personen. Es ist völlig unklar, wie aus diesen Auskünften Rückschlüsse auf konkret betroffene Personen möglich sein sollen. Die Antragsgegnerin trägt dazu auch nichts Substanzielles vor. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Gesundheitsdaten von einzelnen betroffenen Personen bekanntwerden könnten.

Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Die Sache ist eilbedürftig. Es liegt ein hoherAktualitätsbezug vor. Ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens würde den presserechtlichen Auskunftsanspruch faktisch leerlaufen lassen. Es geht der Antragstellerin ausweislich des Antrags um eine aktuelle Auskunft, so dass es unerheblich ist, dass sich die Situation seit der Antragstellung Mitte August verändert hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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