Thüringer OVG, Urteil vom 30.04.2021 - 3 SO 378/19
Fundstelle
openJur 2021, 26631
  • Rkr:

Ein die Revisionszulassungsbeschwerde zurückweisender Beschluss wird aufgrund des pflichtgemäß und zureichend dokumentierten gerichtsinternen Vorgangs der Herausgabe aus dem Gericht an die Post wirksam. Auf die (formlose) Bekanntgabe oder Zustellung eines die Beschwerde zurückweisenden oder verwerfenden Beschlusses kommt es insoweit nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1994 - 6 C 2/92 - BVerwGE 95, 64 - 72 = juris Rn. 16 ff.).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer ihres (Gerichts-)Verfahrens wegen Anschluss- und Benutzungszwanges für kommunale Einrichtungen vor dem Verwaltungsgericht Gera (Klageverfahren, Az.: 2 K 2308/08 Ge) und vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht (Berufungszulassungsverfahren, Az.: 1 ZKO 615/11 bzw. 4 ZKO 615/11 und Berufungsverfahren, Az.: 4 KO 823/14) in Anspruch.

Die Kläger hatten im Ausgangsverfahren im Wege der Anfechtungsklage beantragt, den (Ausgangs-)Bescheid des Zweckverbandes Wasser- und Abwasser-Verband Ilmenau vom 07.04.2006 und die Bescheide über Zwangsgeldfestsetzungen vom 09.08. und vom 23.11.2006 sowie vom 14.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.2018 aufzuheben. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 8. Juni 2011 - 2 K 2308/08 Ge - wurde der streitgegenständliche Bescheid teilweise, insoweit als unter Ziffer 6. des Widerspruchsbescheides eine 50,00 EUR übersteigende Gebühr festgesetzt wurde, aufgehoben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, soweit das Verfahren nicht aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Verfahrensbeteiligten zu den streitgegenständlichen Ziffern 2. und 6. Sätze 1 und 9 des (Ausgangs-)Bescheides eingestellt wurde.

Durch ihren Prozessbevollmächtigten stellten die Kläger am 25.08.2011 beim Verwaltungsgericht Gera einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Sache wurde am 22.09.2011 dem Thüringer Oberverwaltungsgericht vorgelegt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.10.2011 begründeten die Kläger ihren Antrag auf Zulassung der Berufung und trugen mit weiterem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.08.2013 ergänzend vor. Der Zweckverband Wasser- und Abwasser-Verband Ilmenau trat den bei Gericht am 21.06. und 23.09.2013 eingegangenen Schriftsätzen entgegen und trug mit Schriftsatz vom 07.01.2014 ergänzend vor.

Mit Schriftsatz vom 16.04.2012 haben die Kläger am selben Tag persönlich "Verzögerungsrüge wegen überlanger Verfahrensdauer" erhoben. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom selben Tag eine Abschrift des betreffenden Schriftsatzes mit der Verzögerungsrüge der Kläger ihrem Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben an die Kläger vom selben Tag hat das Gericht den Eingang der Verzögerungsrüge bestätigt.

Aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung beim Thüringer Oberverwaltungsgericht wurde das Berufungszulassungsverfahren 1 ZKO 615/11 zum 01.01.2014 in den 4. Senat übernommen und unter dem Aktenzeichen 4 ZKO 615/11 fortgeführt. Mit den Verfahrensbeteiligten bis zum 19.01.2015 zugestellten Beschluss vom 22. Dezember 2014 - 4 ZKO 615/11 - ließ das Thüringer Oberverwaltungsgericht die Berufung zu.

Die Kläger begründeten die Berufung mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.02.2015 und ergänzten hierzu mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2015. Der Zweckverband Wasser- und Abwasser-Verband Ilmenau erwiderte mit Schriftsatz vom 04.05.2015. Die Verfahrensbeteiligten nahmen im Weiteren ergänzend bzw. replizierend Stellung, der Zweckverband Wasser- und Abwasser-Verband Ilmenau mit Schriftsätzen vom 26.05. und 04.11.2015 bzw. vom 09.02.2016 sowie vom 14.11.2017, die Kläger mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.05. und 01.09.2015 bzw. vom 27.01.2016 sowie vom 10.11. und 24.11.2017. Am 30.11.2017 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt. Mit den Verfahrensbeteiligten bis zum 08.05.2018 zugestelltem Urteil vom 30. November 2017 - 4 KO 823/14 - wies der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera zurück.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.11.2018 - BVerwG 10 B 11.18 - zurückgewiesen. Auch die gegen die betreffende, von der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts am 15.11.2018 zum Postausgang gegebene, den Klägern durch formlose Übersendung an ihren Prozessbevollmächtigten am 19.11.2018 bekanntgegebene, Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts am 03.12.2018 angebrachte Anhörungsrüge der Kläger wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.01.2019 - BVerwG 10 B20.18 - zurückgewiesen. Die weitere am 31.01.2019 angebrachte Gegenvorstellung der Kläger wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.02.2019 - BVerwG 10 B 20.18 - verworfen.

Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten haben die Kläger am Freitag, dem 17.05.2019, beim Thüringer Oberverwaltungsgericht Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß §§ 198 ff. GVG erhoben. Hierzu haben sie, nicht zuletzt auf die richterlichen Hinweise zur Unwirksamkeit der am 16.04.2012 im Ausgangsverfahren erhobenen Verzögerungsrüge bzw. zur Unzulässigkeit der Entschädigungsklage hin, welche der Senat den Klägern mit gerichtlichem Schreiben an ihren Prozessbevollmächtigten vom 26.10.2020 und - unter Einräumung eines Schriftsatznachlasses bis zum 28.04.2021 für eine Stellungnahme zur Zulässigkeit ihrer (Entschädigungs-)Klage - in der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2021 zur Kenntnis gebracht hatte, mit persönlichen E-Mails vom 22. und 26.04.2021 sowie mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom 23. und 27.04.2021 ergänzend vorgetragen.

Mit ihrer Entschädigungsklage machen sie unter Berufung auf § 198 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GVG für Nachteile, die nicht Vermögensnachteile sind, eine (Pauschal-)Entschädigung in Höhe von jährlich 1.200,-- EUR für jedes Jahr der Verzögerung des (Berufungszulassungs- und Berufungs-)Verfahrens vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht, mithin - für eine Verzögerung von 59,5 Monate bzw. 4,9 Jahre - je Kläger in Höhe von 5.880,00 EUR, insgesamt in Höhe von 11.760,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.04.2012 geltend. Sie begehren darüber hinaus die Feststellung, dass die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht unangemessen war.

Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, das (Berufungszulassungs- und Berufungs-)Verfahren vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht, welches vom 27.09.2011 bis Ende April 2018 angedauert habe, sei von unangemessener Dauer gewesen, da das Gericht insgesamt über einen Zeitraum von insgesamt 59,5 Monate untätig geblieben sei. Die Rechtskraft des Berufungsurteils sei - erst - mit der (formlosen) Zustellung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.11.2018 über die Ablehnung ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, mithin am 19.11.2018, eingetreten. Die Erhebung der Entschädigungsklage beim Thüringer Oberverwaltungsgericht am 17.05.2019 sei daher innerhalb der Klagefrist des § 198 GVG erfolgt. Mit Blick auf ihre Verzögerungsrüge vom 16.04.2021 habe der damals im Ausgangsverfahren zuständige Senat das betreffende Eigenschreiben der Kläger nicht ohne (ausdrücklichen) Hinweis auf die insoweit fehlende Postulationsfähigkeit der Kläger an deren Prozessbevollmächtigten unbeachtet lassen dürfen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, aufgrund der unangemessenen Dauer des Verfahrens vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht (Az.: 1 ZKO 615/11 bzw. 4 ZKO 615/11 und 4 KO 823/14) und eines ihnen infolgedessen jeweils entstandenen Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, an sie jeweils eine angemessene Entschädigung in Höhe von insgesamt 11.760,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.04.2012 zu zahlen

und

festzustellen, dass die Dauer des Verfahrens vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht (Az.: 1 ZKO 615/11 bzw. 4 ZKO 615/11 und 4 KO 823/14) unangemessen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt der Klage unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats und anderer Gerichte entgegen und vertritt die Ansicht, dass die Entschädigungsklage unzulässig jedenfalls aber unbegründet sei; das streitgegenständliche Ausgangsverfahren sei nicht von unangemessener Dauer gewesen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren (1 Band) und zum Ausgangsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gera - 2 K 2308/08 Ge - sowie vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht - 1 ZKO 615/11 - bzw. - 4 ZKO 615/11 - und - 4 KO 823/14 - (6 Bände) Bezug genommen.

Gründe

Die vorliegende Entschädigungsklage hat keinen Erfolg. Insoweit sind nach Maßgabe des Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302 ff., im Folgenden: ÜberlVfRSchG) die Regelungen der §§ 173 Satz 2 VwGO i .V. m. 198 bis 201 GVG maßgeblich.

1. Danach ist die als allgemeine Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) statthafte Entschädigungsklage bereits unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der Frist nach § 173 Satz 2 VwGO i .V. m. § 198 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GVG erhoben worden.

a) Soweit der Antrag der Kläger neben der Klage auf Entschädigung auf eine Feststellung der unangemessenen Dauer zielt, wäre eine betreffende Feststellungsklage unzulässig. Dies kann jedoch dahinstehen, denn im vorliegenden Fall legt der Senat dieses Begehren der Kläger so aus, dass mit dem so formulierten Antrag lediglich angeregt werden soll, dass er im Rahmen der Prüfung des Leistungsbegehrens inzident über eine Feststellung befindet.

b) Die Kläger haben ihre - zulässigerweise (vgl. etwa: Urteil des Senats vom 25. August 2020 - 3 SO 338/13 -) auf Ansprüche nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG, die lediglich den Zeitraum des (Berufungszulassungs- und Berufungs-)Verfahrens vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht betreffen, begrenzte - Entschädigungsklage mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten am Freitag, dem 17.05.2019 und damit nach Ablauf der gemäß Art. 23 Satz 1 1. Halbsatz ÜberlVfRSchG maßgeblichen Frist nach § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG beim Thüringer Oberverwaltungsgericht erhoben.

Gemäß § 173 Satz 2 VwGO i .V. m. § 198 Abs. 5 Sätze 1 und 2 GVG kann eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG (Entschädigungsklage) frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Sie muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das (Ausgangs-)Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des (Ausgangs-)Verfahrens erhoben werden.

Im vorliegenden Fall haben die Kläger ihre Entschädigungsklage erst nach Ablauf der Klagefrist nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG erhoben. Das (Ausgangs-)Verfahren war mit Eintritt der Rechtskraft des den Verfahrensbeteiligten bis zum 08.05.2018 zugestellten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 30. November 2017 - 4 KO 823/14 - beendet. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte die Revision an das Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Die Kläger haben form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde eingelegt, so dass der Eintritt der Rechtskraft des Urteils gehemmt war (§ 133 Abs. 4 VwGO). Die Beschwerde wurde indessen mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2018 - BVerwG 10 B 11.18 - zurückgewiesen. Der betreffende Beschluss wurde den Klägern durch formlose Übersendung an ihren Prozessbevollmächtigten am 19.11.2018 bekanntgegeben. Mit der Zurückweisung durch das Bundesverwaltungsgericht wird eine angegriffene Entscheidung des Ausgangsgerichts rechtskräftig (§ 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO). Die Einlegung einer Anhörungsrüge hemmt den Eintritt der Rechtskraft nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2010 - 9 KSt 1/10 und 9 KSt 2/10 - juris Rn. 4). Ein die Revisionszulassungsbeschwerde zurückweisender Beschluss wird indessen - entgegen der Auffassung der Kläger - aufgrund des - pflichtgemäß und zureichend dokumentierten - gerichtsinternen Vorgangs der Herausgabe aus dem Gericht an die Post wirksam. Auf die (formlose) Bekanntgabe oder Zustellung eines die Beschwerde zurückweisenden oder verwerfenden Beschlusses kommt es insoweit nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1994 - 6 C 2/92 - BVerwGE 95, 64 - 72 = juris Rn. 16 ff.). Soweit die Kläger dem die, auf die Regelungen zur Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 544 ZPO gestützten zivilprozessualen Maßgaben und die darauf bezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B.: BGH, Urteil vom 19. Oktober 2005 - VIII ZR 217/04 - BGHZ 164, 347 - 355 = juris Rn. 8 ff.) entgegenhalten, verkennen sie, dass insbesondere die Regelung des § 544 Abs. 6 Satz 3 ZPO, auf die sich der BGH - auch in Ansehung des § 544 Abs. 7 Satz 3 ZPO - für den Eintritt der formalen Rechtskraft einer Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO bezieht, keine Entsprechung in der VwGO bzw. in § 133 VwGO hat und für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht entsprechend herangezogen werden kann. Mithin endete die hier maßgebliche Frist gemäß § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG am Mittwoch, dem 15.05.2019, denn ausweislich des Abgangsvermerks der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Blatt 881 GA-Ausgangsvf.) ist der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.11.2018 über die Zurückweisung der Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision am Donnerstag, dem 15.11.2018 zum Postausgang gegeben worden und damit die Rechtskraft des Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts im vorliegenden (Ausgangs-)Verfahren eingetreten. Die erst am 17.05.2019 beim Thüringer Oberverwaltungsgericht erhobene Entschädigungsklage der Kläger ist mithin verfristet.

2. Die Entschädigungsklage wäre im Übrigen auch unbegründet.

Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat.

Die von den nichtpostulationsfähigen Klägern im Verlauf des zweitinstanzlichen Ausgangsverfahrens (Berufungszulassungsverfahren) am 16.04.2012 beim Thüringer Oberverwaltungsgericht angebrachte Verzögerungsrüge (vgl. Blatt 514 f. GA-Ausgangsvf.) ist nicht wirksam erhoben worden. Sie ist nicht durch einen Rechtsanwalt eingelegt worden und daher unbeachtlich.

Vor dem Oberverwaltungsgericht besteht Vertretungszwang, d. h. dass sich jeder Beteiligte in Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Rechtsanwalt oder eine andere nach näherer Maßgabe des § 67 Abs. 2 und Abs. 4 VwGO zur Vertretung befugte Person vertreten lassen muss. Der Vertretungszwang umfasst grundsätzlich alle Verfahren und die diese betreffenden Prozesshandlungen vor dem Oberverwaltungsgericht. Dies gilt auch in Bezug auf die Rüge der Dauer eines Verfahrens bei dem mit der Sache befassten (Oberverwaltungs-)Gericht nach den hier über § 173 Satz 2 VwGO anwendbaren §§ 198 ff. GVG. Normativ ist die Verzögerungsrüge als Obliegenheit eines Betroffenen ausgestaltet, wodurch diesem eine - im Ausgangsverfahren bestehende - prozessuale Last auferlegt ist, bei der eine Nichterfüllung zu einem Nachteil führt, welcher sich allerdings erst in einem späteren Entschädigungsverfahren, dann jedoch - da die Verzögerungsrüge in § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG als zwingende Entschädigungsvoraussetzung normiert ist - materiell-rechtlich auswirkt. Der Umstand, dass sie materielle Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs i. S. des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG ist, ändert nichts an der - gleichzeitigen - Qualifizierung der Verzögerungsrüge als Prozesshandlung. Dafür reicht es aus, dass sie - beschleunigend - auf den Prozessablauf des Ausgangsverfahrens abzielen soll (Warn- bzw. Präventivfunktion). Auch normativ ist insoweit keine Ausnahme vom Vertretungszwang vorgesehen, da die Gründe für die gesetzliche Anordnung des Vertretungszwanges (geordnete Rechtspflege, Wahrung des Interesses des Betroffenen etc.) seine Erstreckung auch auf die Verzögerungsrüge rechtfertigen (vgl. BT-Drs. 17 /3802 Seite 20).

Die Verzögerungsrüge muss daher durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt oder durch die zur Vertretung befugte und bevollmächtigte Person fristgerecht (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG) beim mit der Sache befassten Gericht erhoben werden. Im Falle einer - wie hier - unzureichenden Verzögerungsrüge besteht für das Ausgangsgericht - entgegen der Ansicht der Kläger - keine Hinweispflicht (etwa nach § 86 Abs. 3 VwGO) gegenüber dem Betroffenen, weil es sich bei der Verzögerungsrüge um keinen Gesichtspunkt handelt, den das Ausgangsgericht bei seiner Entscheidung über das Klagebegehren des Ausgangsverfahrens berücksichtigt. Ungeachtet dessen ist im vorliegenden Fall das betreffende Schreiben der Kläger aufgrund der Verfügung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 17.04.2012 (vgl. Blatt 514R GA-Ausgangsvf.) ohne Verzögerung auch ihrem Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis gebracht worden (vgl. gerichtliches Schreiben vom 17.04.2012, Blatt 520 GA-Ausgangsvf.). Das Ausgangsgericht darf grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt mit der Sach- und Rechtslage hinreichend vertraut ist (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 - 4 ZB 15.2506 - juris Rn. 20). Mithin war das Ausgangsgericht - entgegen der Auffassung der Kläger - auch von daher nicht verpflichtet, die durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger bzw. diesen selbst ausdrücklich auf die prozessuale Unwirksamkeit des Eigenschreibens der Kläger hinzuweisen oder sie in alle denkbaren materiell-rechtlichen Richtungen zu beraten und ihnen damit insbesondere das Risiko abzunehmen, dass in einem späteren Entschädigungsverfahren - als Folge einer unzureichenden Verzögerungsrüge im Ausgangsverfahren - eine materiell-rechtliche Voraussetzung eines Entschädigungsanspruches i. S. des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht vorliegt.

Eine - ggf. auch im Hinblick auf den Wechsel in der Senatszuständigkeit und den mehrfachen Wechsel der Berichterstatter zumindest naheliegende, wiederholende - Verzögerungsrüge ist im weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens form- und fristgerecht nicht erhoben worden.

3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen klägerischen Schriftsätze keinen Anlass dafür gegeben haben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 173 Satz 2 und § 167 VwGO, § 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 201 Abs. 2 Satz 3 GVG, §§ 173 Satz 2, 132 VwGO nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG auf 11.760,00 EUR festgesetzt.

Hinweis:Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).