LG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.05.2019 - 2-14 O 182/15
Fundstelle
openJur 2021, 26619
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den beklagten Schornsteinfeger wegen eines Brandschadens seines Hauses in Weilrod/Mauloff in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft Weilrod/ Mauloff, ..., auf dem bis zum 26.01.2013 ein Einfamilienhaus stand (Vgl. Kopie des Grundbuchauszugs Bl. 90 f.d. A.). Es handelte sich um ein Fertighaus mit zwei Kaminschloten. An einem der Schlote hing die Ölheizung, an dem anderen ein offener Kamin. Der in Frankfurt wohnende Kläger nutzte das Objekt an den Wochenenden.

Der Beklagte reinigte die Schornsteine zuletzt Ende 2009/Anfang 2010. Er legte durch seinen Gesellen X2 in den Jahren 2011 und 2012 Zettel mit der Ankündigung des Kehrtermins in den überfüllten Briefkasten des Hauses ein. Die nächste Feuerstättenschau stand im Sommer 2013 an. Zwischenzeitlich befeuerte der Kläger den offenen Kamin etwa 20 bis 30 mal.

Auch am 26.01.2013 hielt sich der jemand in dem Haus auf und nutzte den offenen Kamin.

In derselben Nacht brannte das Haus trotz der Löschungsbemühungen der Feuerwehr bis auf den Keller ab. Der Brand schädigte auch die Fenster und verrußte die Fassade des Nachbarhauses.

Gegen den Kläger wurde wegen fahrlässiger Brandstiftung ermittelt (Az. 50 Cs- 3629 Js 210079/13 AG Frankfurt). Die Berufshaftpflichtversicherung des Beklagten lehnte die Schadensregulierung ab.

Der Kläger beauftragte den Schornsteinfeger ..., ein Gutachten zur Brandursache zu erstellen. Hinsichtlich dessen Ergebnis wird auf die Anlage K1 (Bl. 8 ff. d. A.) verwiesen.

Der Kläger behauptet, die Brandursache sei ein Glanzrußbrand ausgehend vom Kamin gewesen. Glanzruß dehne sich im Fall eines Brandes um den Faktor 4 aus. In einem Schlot von 16 cm Durchmesser komme es so zu einem explosionsartigen Brand.

Er ist der Ansicht der Beklagte war zu einer jährlich durchzuführenden Kehrung aufgrund des offenen Kamins verpflichtet, unabhängig davon, ob das Haus bewohnt war oder nicht.

Der Kläger habe darauf vertraut, dass der Beklagte dieser Pflicht nachkomme. Der Beklagte habe die Adresse des Klägers in Frankfurt gehabt.

Er behauptet, hätte der Beklagte nur einmal in der Zwischenzeit seine Kehrpflichten erfüllt, wäre die kritische Menge an Glanzruß nicht entstanden.

Der Schaden sei ohne Inneneinrichtung auf 230.000 € geschätzt worden, um die 200.000 € sei das Haus aus Sicht des Klägers wert gewesen (Bl. 173 d.A.). Die Feuerversicherung des Kläger habe hiervon lediglich 100.000 € gezahlt. Dies sei der Höchstbetrag, zu dem das Haus von alters her versichert gewesen sei. Hinsichtlich der 130.000 € Schaden ziehe sich der Kläger einen Mitverschuldensanteil von 50 % ab.

Der Kläger hat zunächst beantragt,

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000 € nebst 5 % Zinsen über Diskont seit dem 26.01.2013 zu zahlen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 65.000 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen aus 20.000 € seit der den Akten zu entnehmenden Rechtshängigkeit, sowie aus 65.000 € seit der Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Amtshaftungsanspruch könne nicht gegenüber dem Beklagten selbst geltend gemacht werden, da dieser Gebührnisbeamter sei (§ 839 BGB i.V.m. Art 34 GG).

Der Hauseigentümer habe den Beklagten im Jahr 2011 telefonisch darüber informiert, dass das Haus gegenwärtig nicht vermietet werde und dementsprechend auch nicht genutzt werde. Dies hätten auch die Nachbarn bestätigt. Auch im Jahr 2012 habe der Zeuge X2 niemanden vor Ort angetroffen, im Kehrbuch vermerkt, dass Objekt sei unbewohnt und schließlich hätten die Nachbarn bestätigt, dass dort weiterhin niemand wohne.

Er ist der Ansicht, es sei in aller erster Linie die Aufgabe des Eigentümers die Kehrpflichten des Schornsteinfegers zu veranlassen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachten sowie der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen ... vom 12.07.2017 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2018 (Bl. 262 ff.d.A.) Bezug genommen. Weiter hat das Gericht die Zeugen ... und ... vernommen. Hinsichtlich der Aussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2019 (Bl. 411 ff.d.A.) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Beklagte ist passivlegitimiert. Dass das Berufsrecht des Schornsteinfegers früher regelnde Schornsteinfegergesetz vom 10.8.1998 (SchfG) ist zum 1.1.2013 insgesamt durch das Schornsteinfeger-Handwerksgesetz (SchfHwG) vom 26.11.2008 (BGBl. S. 2242) abgelöst worden. Bei den Kehrarbeiten ist der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger Gewerbetreibender (§ 8 Abs. 2 SchfHwG), der insoweit keine öffentliche Gewalt ausübt. Zwischen ihm und dem Eigentümer des betreuten Grundstücks besteht ein Werkvertrag, aufgrund dessen er für Verschulden seiner Gehilfen nach § 278 haftet (BGHZ 62, 272, 273; BGH VersR 1954, 404). Bei der Feuerstättenschau einschließlich des sog. Ausbrennens (OLG Karlsruhe VersR 2007, 108), der Bauabnahme und im Rahmen des Immissionsschutzes sowie der rationellen Energieverwendung nimmt er dagegen als beliehener Unternehmer öffentliche Aufgaben wahr (Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil Haftpflichttatbestände 20. Kapitel. Haftung für Amtspflichtverletzungen Rn. 121). Da es vorliegend um die Kehrpflichten geht kommt eine Haftung des Staates nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG nicht in Betracht (Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil Haftpflichttatbestände 20. Kapitel. Haftung für Amtspflichtverletzungen Rn. 121).

Der Kläger kann gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen, da sein eigener Verursachungsanteil zum Wegfall der Haftung des Beklagten führt. Nach der im Rahmen des § 254 BGB vorzunehmenden Haftung ist das "Verschulden des Klägers gegen sich selbst" als so weit überwiegend gegenüber dem Verursachungsbeitrag des Beklagten anzusehen, dass dessen Haftung zurücktritt.

Im Einzelnen:

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass der Beklagte die ihm obliegenden Kehrpflichten verletzt hat und ihm daher eine Verletzung eines Schutzgesetztes i.S.d. § 823 II BGB anzulasten ist. Denn die Kehr- und Überprüfungsordnung (im Folgenden: KÜO) vom 16.06.2009 sieht vor, dass der Bezirksschornsteinfeger einmal im Jahr seiner Pflicht zum Kehren der Schornsteine offener Kamine nachkommt. Der Beklagte hat nicht darauf geachtet, dass der Kläger seinen Pflichten nachkommt und den Schornstein kehren lässt, § 13 SchfHwG.

Der Kläger hat dargelegt, dass jedes Jahr zu kehren sei.Er stützt sich insoweit auf die KÜO. Dass es sich bei dem offenen Kamin des Klägers um einen Heizgasweg im Sinne von § 1 Abs. 1 KÜO handelt, stellt der Beklagte nicht in Abrede, auch nicht, dass dieser auch bei Nichtbenutzung weiterhin der Kehr- und Überprüfungspflicht unterliegt. Nach § 1 Abs. 4 i.V.m. Anlage 1 KÜO (Bl. 40 f.) gilt dies auch bei unbenutzten, aber betriebsbereiten Anlagen.Der Beklagte bestreitet dies nicht und macht auch nur geltend, dass der Kamin des Klägers unbenutzt gewesen sei. Dass er nicht betriebsbereit gewesen sei, behauptet er nicht.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass er nicht gewusst habe, wo der Kläger wohne. Zum einen hat er diesem noch am 26.01.2010 (Anlage K7, Bl. 31 d.A.) die Rechnung zugeschickt, zum anderen hat er noch Kontakt mit Nachbarn gehabt, bei denen er sich hätte erkundigen können und schließlich hätte er das Haus dem Landratsamt melden können, oder eine Ersatzvornahme veranlassen können.

Grundsätzlich würde der Beklagte daher dem Grunde nach haften.

Demgegenüber trifft den Kläger jedoch die Pflicht den Schornstein regelmäßig kehren zu lassen, insbesondere wenn er zwar nicht oft, aber gelegentlich ein Feuer im offenen Kamin gemacht hat. Der Kläger ist als Eigentümer nach § 1 SchfHwG verpflichtet, die vorgeschriebenen Schornsteinfegerarbeiten zu veranlassen. Unterlässt er diese begeht er sogar Ordnungswidrigkeiten. Dem Kläger musste aufgrund der Rechnung vom 26.01.2010 und der sonstigen jährlichen Rechnungen seiner anderen Anwesen bewusst sein, dass ein jährlicher Besuch des Schornsteinfegers vorgeschrieben ist. Gleichzeitig war ihm bekannt, dass ein Schornsteinfeger zu den üblichen Geschäftszeiten niemanden in dem Haus antreffen würde. Die vom Gesellen des Beklagten hinterlassenen Zettel hat der Beklagte, obwohl er seiner Aussage nach regelmäßig in dem Haus war, nicht zum Anlass genommen einen Termin mit dem Beklagten zu vereinbaren. In Kenntnis dessen, dass der Schornstein nunmehr zwei Jahre nicht mehr gefegt wurde, hat der Kläger, was der Beklagte angesichts des von den Nachbarn versicherten Leerstandes, 20 bis 30 mal den offenen Kamin befeuert. Dieses Verhalten ist geradezu leichtsinnig und war letztlich ebenfalls kausal für den Brand. Denn ohne diese Feuer wäre in diesen zwei Jahren des eigentlichen Leerstandes überhaupt nicht so viel Glanzruß entstanden und ohne den Funkenflug des letzten offenen Feuers wäre es auch nicht zu einem Entzünden des Glanzrußes gekommen. Der Verursachungsbeitrag des Klägers überwiegt daher den des Beklagten, der immerhin mit einem jährlichen Zettel an die notwendigen Arbeiten erinnert hat. Der Kläger kann dem Beklagten daher nicht vorhalten, dass er auf eine Ansprache unter der Frankfurter Adresse auf die Aufforderungen reagiert hätte, da der Kläger nicht einmal bestritten hat, dass diese Zettel in seinen Briefkasten eingelegt wurden und er nach eigenem Vortrag regelmäßig vor Ort in dem Haus war um allerlei Tätigkeiten zu verrichten. Die Zettel müssen ihm daher zugegangen sein. Wenn der Kläger aber auf diese nicht reagiert, ist nicht verständlich warum er das unter seiner Frankfurter Adresse hätte tun sollen. Wie der Kläger vortragen ließ habe er stets nach dem Rechten gesehen, den Rasen rund ums Haus gemäht und Hecken und Gewächse gepflegt und wenn nötig auch Handwerker kommen lassen. Daher ist davon auszugehen, dass er regelmäßig im Haus war und jedenfalls im Winter den Kamin genutzt hat. Es liegt daher auf der Hand, dass der Kläger sich um einen Schornsteinfegertermin hätte bemühen müssen. Dies gilt umso mehr, nachdem aus der Zeugenaussage des Herrn ...... zu entnehmen war, dass der Kläger im Januar 2013 verstärkt Renovierungsarbeiten durch mehrere Handwerker in Auftrag gegeben hatte und diese Handwerker regelmäßig den Kamin angeworfen hatten.

Der Beklagte war indes darüber informiert, dass das Haus derzeit unbewohnt war und wusste nichts davon, dass sich dort regelmäßig Handwerker zu Renovierungen aufhielten. Dem Kläger hingegen war bewusst, dass seit Jahren kein Schornsteinfeger den Kamin gereinigt hatte und sich nun dort regelmäßig Personen aufhielten, die den Kamin nutzten. Weiter geht das Gericht davon aus, dass der Kläger sich in der Eigenverantwortung gesehen hat, und sich nicht darauf verlassen hat, dass man ihm die Schornsteinfegerleistungen behördlich aufzwingen würde. Im Ergebnis ist dem Kläger als Hauseigentümer mit dem erheblichen Wissensvorsprung daher ein so gewichtiger Verursachungsbeitrag zuzuschreiben, dass die Haftung des Beklagten zurücktritt.

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte und eine Mithaftung des Beklagten annehmen würde, konnte der Kläger nicht beweisen, dass die Pflichtverletzung des Beklagten für den Schaden des Klägers kausal geworden ist. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist und vernünftige Zweifel ausgeräumt sind. Die in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO genannte Überzeugung erfordert dabei keine absolute Gewissheit und auch keine "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit". Es reicht ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass es sich um einen Kaminbrand handelte. Dass der Brand des Hauses auf das Nichtkehren zurückzuführen ist, konnte das Gutachten des Sachverständigen nicht mit letzter Sicherheit bestätigen. Zwar hat der Sachverständige X1 in seinem Gutachten festgestellt, dass ein objektiver Nachweis für einen Schornsteinbrand, aufgrund des sehr hohen Zerstörungsgrades des Wohngebäudes nicht zu führen sei. Die subjektiven Befunde, die aus der beigezogenen Strafakte hervorgehen, würden jedoch für eine Verursachung des Schadensfeuers an dem brandbetroffenen Wohngebäude durch einen zuvor entstandenen Schornsteinbrand sprechen. Denn unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugen ... und ... im Ermittlungsverfahren sei davon auszugehen, dass der Schornsteinbrand von dem zur Straße gelegenen Schornstein entstanden sei. Laut Aktenlage sei an diesem Schornstein ein offener Kamin ausgeschlossen, welcher am Tag vor dem Schadenfeuer noch befeuert worden sei. Die Kammer hat daher die Zeugen ... und ...... vernommen, die jedoch nicht mehr eindeutig bestätigen konnten, dass sie Flammen aus dem vorderen Kamin haben schlagen sehen. Während die Zeugin ... sich nicht einmal mehr auf Vorhalt an diese Aussage erinnern konnte, und lediglich angab, sie hätte damals wohl nicht gegenüber der Polizei gelogen, relativierte der Zeuge ...... seine damals durch einen Aktenvermerk festgehaltene Aussage. Er gab an, dass soweit dort von einem Kaminbrand die Rede sei, etwas in das Protokoll hineininterpretiert worden sein müsse. Er selbst hätte das gar nicht feststellen können. Auch er konnte sich nicht daran erinnern, wie der Brand angefangen habe.

Die erhobenen Beweise führen nicht zu der notwendigen Überzeugung des Gerichts von einem Glanzrußbrand im Kamin auszugehen. Schon der Sachverständige hat lediglich Anhaltspunkte aufgrund der subjektiven Wahrnehmungen für einen Glanzrußbrand gesehen. Nach den Zeugenvernehmungen hingegen haben sich die Zweifel, die aufgrund des Sachverständigengutachtens schon bestanden, noch vertieft.

Die Kausalität der Pflichtverletzung des Beklagten für den Schaden ist damit ebenfalls nicht bewiesen, sodass selbst bei Annahme eines ins Gewicht fallenden Verursachungsbeitrags des Beklagten, der Anspruch nicht gegeben ist.

Der Anspruch besteht daher daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 I S. 2 ZPO.

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