OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.07.2021 - 9 C 10489/21
Fundstelle
openJur 2021, 26583
  • Rkr:
Tenor

Der Flurbereinigungsplan des Flurbereinigungsverfahrens N. V, Teilgebiet 2 "S." wird unter entsprechender Änderung des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2021 dahingehend abgeändert, dass der Nachtrag II zu Ziffer 3.9.2 des Flurbereinigungsplans "Ord.Nr. 40.00 Ortsgemeinde N." um folgende Ziffer 5 ergänzt wird:

Die Unterhaltungslast beginnt für die Ortsgemeinde erst mit ordnungsgemäßer und mängelfreier Herstellung der gemeinschaftlichen Anlage, die in einer Übergabeverhandlung unter Beteiligung der Ortsgemeinde, der Flurbereinigungsbehörde sowie der Teilnehmergemeinschaft festgestellt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Verfahren ist gebührenpflichtig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass ihr im Nachtrag II zum Flurbereinigungsplan in der Flurbereinigung N. V, Teilgebiet 2 "S." ein 643 m² großes Böschungsflurstück (Flur 22 Nr. A) zu Eigentum und Unterhaltung zugeteilt wurde.

Die Flurbereinigung wurde im Jahr 2007 zu dem Zweck eingeleitet, arrondierte Rebflächenareale in der traditionellen Weinkulturlandschaft Mosel zu erhalten (vgl. Flurbereinigungsbeschluss vom 28. Dezember 2007, Bl. 2 ff. des Widerspruchsammelhefts).

Der am 8. August 2016 von der Oberen Flurbereinigungsbehörde genehmigte Wege- und Gewässerplan sieht neben den gemeinschaftlichen Anlagen auch umfangreiche Planierungen vor. Im Erläuterungsbericht heißt es unter Ziffer 3.2, die Neuanlage des Wegenetzes in Verbindung mit der Planierung führe zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Vorteilen und ermögliche eine nachhaltige Bewirtschaftung der Weinbergsflächen mit modernen Geräten und Maschinen. Die mittleren Schotterwege Nrn. 202, 203 und 204 seien im Bereich der Hangkante geplant und trennten das oberhalb liegende flachere von dem unterhalb liegenden steileren Gelände. Letzteres solle terrassiert und weiterhin hangparallel bewirtschaftet werden. Aus geologischen (Erhaltung der Hangstabilität) und aus landespflegerischen Gründen (Kompensation für wegfallende Trockenmauern) sei der Neubau von Mauerstrukturen erforderlich. Die entstehenden Terrassenböschungen würden mit Gabionen in Kombination mit Böschungen (Anlagen Nrn. 501, 502, 504, 506, 508, 509 und 511) bzw. als Lesesteinböschungen (Anlagen Nrn. 503, 507 und 510) hergestellt. Unter Ziffer 3.6 des Erläuterungsberichts heißt es, dass die durch die Bodenordnung verursachten Eingriffe, wie die durch die Planierung des Rebgeländes wegfallenden Trockenmauern, die Rekultivierung von Weinbergsbrachen sowie die Anlage von Wirtschaftswegen durch geeignete Maßnahmen kompensiert würden.

In dem hier interessierenden Bereich des ursprünglichen Abfindungsflurstücks Nr. B sind im Wege- und Gewässerplan als Anlagen Nrn. 503 und 507 "Lesesteinböschungen" vorgesehen, und zwar zunächst durch den Weg Nr. 102 getrennt und später - nach Verzicht auf dessen Ausbau - in der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan vom August 2018 als "durchgesteckte" Anlage dargestellt. Die Böschung hat eine Länge von 326 m und soll eine Breite und Höhe von jeweils 2 m aufweisen.

Das heutige separate Böschungsflurstück Nr. A war im ursprünglichen Flurbereinigungsplan vom 9. Mai 2017 noch Teil des Abfindungsflurstücks Nr. B mit der oberhalb der Böschung gelegenen Weinbergsfläche. Eine entsprechende Abfindungsgestaltung war für die Abfindungsflurstücke Nr. C (Gabionenmauer mit Böschung von 264 m Länge und 2 m Breite), Nr. D (Lesesteinböschung von 275 m Länge und 2 m Breite) sowie Nr. E (Gabionenmauer mit Böschung von 325 m Länge und 2 m Breite) vorgesehen.

Im ursprünglichen Flurbereinigungsplan war das Eigentum des Flurstücks Nr. B der Beigeladenen zu 2) zugeteilt, die Unterhaltung der Böschung hingegen der Klägerin auferlegt worden. Die Klägerin hatte hiergegen keinen Widerspruch eingelegt. Die Gestaltung des ursprünglichen Abfindungsflurstücks Nr. B war so vorgesehen, dass sich an die 2 m breite und 2 m hohe Lesesteinböschung eine Weinbergsfläche mit acht Rebzeilen und einem Höhenunterschied von jeweils ca. 0,50 m anschloss. Im Osten war jenseits des Abfindungsgrundstücks Nr. B und als Teil der darüber liegenden Wegeparzelle eine Gabionenmauer mit Böschung geplant (Abfindungsflurstück Nr. F, das der Klägerin zugeteilt wurde). Im Rahmen der Ausbaumaßnahmen wurde die Weinbergsfläche flacher hergestellt, weshalb sich die Lesesteinböschung auf 3,0 m erhöhte.

Bereits mit Beschluss vom 22. Juni 2016 hatte sich der Rat der Klägerin mit der Übernahme der von der Teilnehmergemeinschaft neu geschaffenen bzw. geänderten gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen in Eigentum und Unterhaltung grundsätzlich einverstanden erklärt.

Mit Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan vom 29. Oktober 2019 wurde auch die Unterhaltungslast für die Böschung auf dem Abfindungsflurstück Nr. B der Beigeladenen zu 2) auferlegt. Diese zusätzliche Belastung bezog die Beigeladene zu 2) in ihr bereits anhängiges Widerspruchsverfahren ein und wandte sich insbesondere gegen die Größe der Böschung von 2 m Breite und 326 m Länge und deren wertmindernde Auswirkungen auf die zugeteilte Weinbergsfläche.

Die Spruchstelle für Flurbereinigung gab dem Widerspruch der Beigeladenen zu 2) statt und beschloss am 25. Juni 2020 folgende Änderung des Flurbereinigungsplans:

"Die im Flurstück Gemarkung N. Flur 22 Nr. B befindliche Böschung wird entsprechend der Wege- und Gewässerplanung (Anlage-Nrn. 503 und 507) mit einer Breite von 2 m und einer Höhe von 2 m stabil hergestellt.

Die Böschungsfläche wird aus dem Flurstück Gemarkung N. Flur 22 Nr. B der Widerspruchsführerin herausgetrennt. Die Böschungsfläche bildet ein eigenes Flurstück [Nr. A]. Dieses Böschungsflurstück erhält die Ortsgemeinde N. in Eigentum und Unterhaltung."

Dieser Beschluss wurde durch den Nachtrag II zum Flurbereinigungsplan vom 14. Januar 2021 umgesetzt, einschließlich einer Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrrecht) zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Flurstücks Nr. A auf dem darunterliegenden Flurstück Nr. E.

Die Klägerin trug zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs im Wesentlichen vor: Diese Zuteilung sei für die Ortsgemeinde nicht hinnehmbar. Der Gemeinderat habe sich in seiner Sitzung vom 22. Juni 2016 hinsichtlich der Übernahme gemeinschaftlicher Anlagen ausdrücklich gegen die Übernahme von Mauern, Steinriegeln und Böschungen, die lediglich der Stabilität von Weinbergsparzellen dienten, ausgesprochen. Die Winzer hätten auch vorher auf ihren Grundstücken Mauern und Böschungen gehabt, weshalb eine erneute Zuteilung an die Oberlieger sachgerecht sei. Eine Übernahme von Böschungen im Einzelfall schade dem dörflichen Frieden und begründe einen Präzedenzfall. Außerdem habe die Gemeinde kein Personal und keine Maschinen zur Pflege und Unterhaltung der Böschung. Der Gemeinderat habe sich in seinem Beschluss vom 22. Juni 2016 für die Übernahme der Unterhaltungslast ausdrücklich Übergabeverhandlungen vorbehalten. Wenn Gemeinden alle Böschungen in einem Flurbereinigungsgebiet übernehmen müssten, mache die Flurbereinigung für sie keinen Sinn mehr.

Die Spruchstelle für Flurbereinigung wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2021 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Spruchstelle sei auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 2) zur Änderung des vorherigen Flurbereinigungsplans befugt gewesen. Denn dies sei zur Abhilfe des begründeten Widerspruchs der Beigeladenen zu 2) notwendig gewesen. Die Beigeladene zu 2) sei nicht wertgleich abgefunden gewesen. Diese habe in ihrem Altbesitz keine Mauern von der Mächtigkeit der jetzt zugeteilten Böschung gehabt. Zudem sei sie durch den planwidrigen Böschungsbau erheblich belastet worden; alle anderen Teilnehmer hätten nach der Besitzeinweisung 2017 ihre Abfindungsflächen mit neuen Reben bepflanzen können. Auch nach dem plangemäßen Ausbau der Böschung mit 2 m Höhe und 2 m Breite verbleibe auf der Abfindungsfläche ein störendes Quergefälle, das von Rebzeile zu Rebzeile terrassiert werden müsse. Bei der Lesesteinböschung handele es sich um eine gemeinschaftliche Anlage im gemeinschaftlichen Interesse aller Teilnehmer. Die Zuordnung nur zu einem einzelnen Teilnehmer sei nur bei dessen Zustimmung erlaubt. Eine solche Zustimmung habe die Beigeladene zu 2) nicht erteilt, hingegen die Klägerin mit Beschluss ihres Gemeinderats vom 22. Juni 2016. Solche Gemeinderatsbeschlüsse seien auch nicht untypisch. Üblicherweise werde die Teilnehmergemeinschaft nach der Durchführung der Flurbereinigung aufgelöst und die in der Flurbereinigung geschaffenen gemeinschaftlichen Anlagen bei einem örtlichen Träger verankert. Der von der Klägerin hiergegen erhobene Widerspruch sei nicht begründet. Rechtsgrundlage für die Zuteilung sei § 42 Abs. 2 FlurbG. Bei der Lesesteinböschung handele es sich um eine gemeinschaftliche Anlage. Sie diene dem landespflegerischen Ausgleich und der Kompensation für den Verlust von Trockenmauern. Der im Gemeinderatsbeschluss vom 22. Juni 2016 enthaltene Vorbehalt von Übergabeverhandlungen erlaube nicht die vollständige Ablehnung der Übernahme von gemeinschaftlichen Anlagen. Durch diese Verhandlungen solle lediglich gesichert werden, dass die Gemeinde eine ordnungsgemäß hergestellte Anlage erhalte. Es sei nicht angemessen, eine 2 m hohe, 2 m breite und 326 m lange Böschung dem Oberlieger zu übertragen, der lediglich tischhohe Trockenmauern ins Verfahren eingebracht habe. Sofern die gemeindliche Unterhaltungslast für eine solche Böschung in der Bevölkerung auf Unverständnis stoße, sei dies hinzunehmen und letztlich Konsequenz aus einem erfolgreich geführten Rechtsbehelfsverfahren. Präzedenzfälle für andere Flurbereinigungsverfahren seien nicht zu befürchten, da die Zuteilung an die jeweilige Gemeinde von deren Zustimmung im jeweiligen Verfahren abhängig sei.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vor: Die Zuteilung des Böschungsflurstücks Nr. A sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen nach § 42 Abs. 2 FlurbG lägen nicht vor. Bei dem Grundstück handele es sich schon nicht um eine gemeinschaftliche Anlage. Vielmehr erfülle die Böschung allein die Funktion, das darüber liegende Gelände abzustützen. Auch in der Vergangenheit seien Hangsicherungsmaßnahmen immer dem Oberlieger zugeteilt worden. Die Bezeichnung als Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahme sei fehlerhaft. Es handele sich um die Umwidmung einer rein privatnützigen Hangsicherungsmaßnahme in eine Anlage von gemeinschaftlichem Interesse. Die Last der Hangsicherung werde sozialisiert. Darüber hinaus fehle es auch an der erforderlichen Zustimmung der Ortsgemeinde. Der Gemeinderatsbeschluss vom 22. Juni 2016 habe sich allein auf den damaligen Flurbereinigungsplan bezogen; der Nachtrag II sei damals noch nicht bekannt gewesen. Der Flurbereinigungsbehörde sei es untersagt, durch nachträgliche Änderungen des Flurbereinigungsplans der Ortsgemeinde immer weitere "gemeinschaftliche Anlagen" aufzubürden.

Die Klägerin beantragt,

den Flurbereinigungsplan des Flurbereinigungsverfahrens N. V, Teilgebiet 2 "S." unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 11. Februar 2021 abzuändern und das Grundstück Gemarkung N., Flur 22, Flurstück Nr. A, anderweitig zuzuteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Auffassung liegen die Voraussetzungen für die angegriffene Grundstückszuteilung vor. Bei der Lesesteinböschung handele es sich um eine gemeinschaftliche Anlage im Sinne von § 39 FlurbG. Das Flurbereinigungsverfahren habe den planmäßigen Wiederaufbau der Rebflächen zum Ziel, der nach vorheriger Beseitigung der Weinbergsmauern, der Planierung des Geländes sowie der Herstellung neuer Wege erfolge. Diese Eingriffsmaßnahmen verlangten zwingend nach einem Ausgleich. Ausweislich des Wege- und Gewässerplans dienten gerade die hier umstrittenen Anlagen Nrn. 503 und 507 der Kompensation für weggefallene Trockenmauern. Auch liege die erforderliche Zustimmung der Klägerin vor. Grundlage für den Gemeinderatsbeschluss vom 22. Juni 2016 sei der Wege- und Gewässerplan gewesen, mit den oben erwähnten Anlagen Nrn. 503 und 507. Im Übrigen habe bereits der ursprüngliche Flurbereinigungsplan der Klägerin die Unterhaltung der Böschung auferlegt.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen der Klägerin an.

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag und führt ergänzend aus: Ihrem Widerspruch gegen die Zuteilung des ursprünglichen Flurstücks Nr. B mit der Böschung sei zu Recht stattgegeben worden. Eine derart hohe Böschung sei bei keiner anderen der neu angelegten Weinbergsflächen zu finden. Ihre Einlagefläche, die jenseits des Abfindungsflurstücks Nr. B gelegen habe, sei lediglich durch 1 m hohe Mauern abgestützt gewesen. Die ursprüngliche Abfindung sei daher nicht wertgleich gewesen. Die Zuteilung der Böschung an die Ortsgemeinde sei korrekt. Es handele sich um eine landespflegerische Ausgleichsmaßnahme. Die Übernahmeerklärung der Ortsgemeinde vom 22. Juni 2016 habe sich ausdrücklich auch auf landespflegerische Anlagen bezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat nur zu einem geringen (klarstellenden) Teil Erfolg.

1. Zunächst war die Spruchstelle für Flurbereinigung befugt, die ursprüngliche Zuteilung der Böschungsfläche auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 2) hin abzuändern.

Die gemäß § 141 Abs. 2 FlurbG für Entscheidungen über Widersprüche gegen den Flurbereinigungsplan zuständige Spruchstelle für Flurbereinigung ist nur in eingeschränktem Umfang befugt, den Flurbereinigungsplan abzuändern. Dies folgt daraus, dass in § 141 Abs. 1 Satz 3 FlurbG nur § 60 Abs. 1 Sätze 3 und 4 FlurbG für entsprechend anwendbar erklärt wird, nicht aber § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Januar 1971 - IV B 206.69, RdL 1971, 157). Während die Flurbereinigungsbehörde nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG befugt ist, bei Gelegenheit eines Widerspruchs jede ihr sinnvoll erscheinende Änderung des Flurbereinigungsplans vorzunehmen, ist die Spruchstelle nur zu solchen Änderungen berechtigt, die im Rahmen des bei ihr anhängigen Rechtsschutzverfahrens notwendig sind, um dem Widerspruch abzuhelfen (st. Rspr. des Senats; vgl. z.B. OVG RP, Urteil vom 6. Juni 2003 - 9 C 11684/02.OVG - RdL 2003, 265 und juris, Rn. 20; Urteil vom 29. Februar 2012 - 9 C 11230/11.OVG -, juris Rn. 21). Die Abänderungsbefugnis der Spruchstelle ist somit auf die ihr im Widerspruchsverfahren zustehende Rechtsschutzfunktion beschränkt. Zum Umfang dieser Rechtsschutzfunktion enthält § 141 FlurbG keine nähere Regelung. Nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gilt deshalb § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach die Widerspruchsbehörde Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit nachzuprüfen hat (vgl. z.B. OVG RP, Urteil vom 9. Oktober 2013 - 9 C 10308/13.OVG -, n.v., S. 6 d.U.; zum Vorstehenden insgesamt: OVG RP, Urteil vom 18. Juli 2018 - 9 C 11595/17.OVG -, S. 16 f. d.U).

Hiernach durfte die Spruchstelle für Flurbereinigung den Flurbereinigungsplan in der Fassung des Nachtrags I auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 2) hin abändern. Der Senat teilt die Auffassung des Beklagten, dass die Beigeladene zu 2) bei Zuteilung der Weinbergsfläche im Abfindungsflurstück Nr. B nebst der 2 m hohen, 2 m breiten und 326 m langen Böschung nicht wertgleich abgefunden war. Zwar waren auch in ihrem Altbesitz zur Abmilderung des Gefälles (Trocken-)Mauern vorhanden, jedoch nicht in einem Umfang und einer Mächtigkeit wie die hier streitige Böschungsfläche. Zudem weist die der Beigeladenen zu 2) zugeteilte Weinbergsfläche trotz der hohen Lesesteinböschung noch weiterhin ein störendes Quergefälle auf, das von Rebzeile zu Rebzeile ausgeglichen werden muss. Hinzu kommt - wie noch näher zu erläutern ist -, dass die Lesesteinböschung im Wege- und Gewässerplan sowie im Verzeichnis der Festsetzungen als gemeinschaftliche Anlage und als "Kompensationsmaßnahme für wegfallende Mauern" bezeichnet wird, was nahelegt, dass deren Unterhaltung grundsätzlich auch von der Gemeinschaft aller Teilnehmer oder einem öffentlichen Träger erfolgt.

2. Die Voraussetzungen für die Zuteilung der Böschungsfläche als separates Flurstück an die Klägerin liegen vor.

Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 FlurbG werden die gemeinschaftlichen Anlagen durch den Flurbereinigungsplan der Teilnehmergemeinschaft zu Eigentum zugeteilt und sind von ihr zu unterhalten, soweit nicht der Flurbereinigungsplan oder gesetzliche Vorschriften anderes bestimmen. Nach § 42 Abs. 2 Satz 2 FlurbG können sie der Gemeinde zugeteilt werden, wenn diese zustimmt.

a) Bei der im Wege- und Gewässerplan dargestellten Anlage Nrn. 503 und 507 "Lesesteinböschung" handelt es sich um eine gemeinschaftliche Anlage im Sinne von § 42 Abs. 2 FlurbG.

In § 39 Abs. 1 FlurbG werden gemeinschaftliche Anlagen als "Wege, Straßen, Gewässer und andere zur gemeinschaftlichen Benutzung oder einem gemeinschaftlichen Interesse dienende Anlagen" bezeichnet.

Neben Wegen sind auch die beim Wegebau entstehenden Böschungen (berg- und talseitig) ohne Weiteres als gemeinschaftliche Anlagen anzusehen. Für die öffentlichen Straßen ergibt sich dies aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 LStrG ("zu den öffentlichen Straßen gehören ... Böschungen, Stützmauern ..."; vgl. zu bergseitigen Weinbergsmauern: OVG RP, Urteil vom 14. März 1972, 3 C 29/71-, AS 12, 418 und RzF 2 zu § 42 Abs. 2 FlurbG). So sind der Klägerin am S. als gemeinschaftliche Anlagen zwei Wegeparzellen einschließlich Gabionenmauern und Böschungen zugeteilt worden (Flurstück-Nrn 41 und 46/1), was von ihr auch nicht beanstandet worden ist.

Bei dem hier streitgegenständlichen Böschungsflurstück Nr. A handelt es sich allerdings nicht um eine solche Wegeböschung. Vielmehr befindet sie sich zwischen den beiden Weinbergsflächen auf den Abfindungsflurstücken Nrn. E und B. Nach den Ausführungen der Flurbereinigungsbehörde im Widerspruchsverfahren der Beigeladenen zu 2) hat diese Böschung die Funktion, das Gefälle des Steilhangs (über 30 %) abzuflachen und dadurch eine sinnvolle Bewirtschaftung der Weinbergsflächen zu ermöglichen (vgl. Widerspruchseinzelheft, Bl. 25 ff. und 31 ff.). Damit dient diese Maßnahme dem Ziel des gesamten Flurbereinigungsverfahrens, in dieser Lage arrondierte Rebflächenareale herzustellen. Nach dem Erläuterungsbericht und dem Pflege- und Entwicklungsplan zum Wege- und Gewässerplan erfüllen beide Terrassierungsformen, nämlich Gabionenmauer nebst Böschung einerseits und Lesesteinböschung andererseits, sowohl die Hangsicherungsfunktion als auch die landespflegerische Kompensationsfunktion. Beide Terrassierungsformen weisen eine Breite von 2 m und eine Höhe von 2 m auf. Bei so hohen Böschungen mit einer erheblichen Länge erscheint es sachgerecht, den Nutzen dieser Anlage auf das gesamte Gebiet zu beziehen und nicht bloß auf ein konkretes Einzelgrundstück. Insofern unterscheidet sich die hier durchgeführte Hanggestaltung von tradierten Wirtschaftsformen, wonach - kleinere - Weinbergsmauern dem jeweiligen Oberlieger zugeordnet wurden. Mit den hier vorgesehenen Böschungen wird ebenso wie mit den neu errichteten Wegen das Rebflächenareal insgesamt arrondiert und damit ein gemeinschaftliches Interesse verfolgt. Es war daher sachgerecht, sie im Wege- und Gewässerplan als gemeinschaftliche Anlagen zu bezeichnen.

Die Böschungsparzelle Nr. A stellt sich zudem deshalb als gemeinschaftliche Anlage dar, weil sie über ihre Stützfunktion hinaus landespflegerische Zwecke verfolgt. Nach § 41 Abs. 1 FlurbG umfassen die im Wege- und Gewässerplan festgelegten gemeinschaftlichen Anlagen auch landschaftsgestaltende und landschaftspflegerische Anlagen (vgl. Wingerter, in: Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 41 Rn. 3 und 5). Nach dem Erläuterungsbericht zum Wege- und Gewässerplan sowie dem Verzeichnis der Festsetzungen werden sämtliche Terrassierungsanlagen im hier streitgegenständlichen Hangbereich als "Kompensationsmaßnahmen für wegfallende Mauern" festgesetzt. Die Notwendigkeit dieser Ausgleichsmaßnahme wird im Erläuterungsbericht näher beschrieben (vgl. Ziffer 3.6 und 3.8) und in dem dort in Bezug genommenen Beiheft 3 (Verträglichkeitsprüfung) im Einzelnen belegt (vgl. die dortige Eingriffsbilanzierung unter Ziffer 5.4). Die den Gabionenmauern mit Steinriegel sowie den Lesesteinböschungen zuerkannte naturschutzfachliche Funktion als Ersatzhabitat für wegfallende Trockenmauern ist ohne Weiteres nachvollziehbar und stellt keine willkürliche Umwidmung einer allein privatnützigen Hangsicherungsmaßnahme dar. Sofern andere Teilnehmer der Flurbereinigung sich mit der Zuteilung der Böschungsfläche zu Eigentum und Unterhaltung einverstanden erklärt haben, ändert dies nichts an deren Qualifizierung als gemeinschaftliche Anlage.

b) Die nach § 42 Abs. 2 Satz 2 FlurbG erforderliche Zustimmung der Klägerin liegt ebenfalls vor.

Mit der Zustimmungspflichtigkeit wird bezweckt, die Gemeinden vor zu großen Unterhaltslasten zu schützen (vgl. OVG RP, Urteil vom 14. März 1972, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 6. März 1986 - 5 C 36.82 -, BVerwGE 74, 84 und RzF 5 zu § 41 Abs. 3 FlurbG). Erforderlich ist gemäß § 2 AGFlurbG die vollständige Zustimmung, d.h. neben der Zustimmung zur Übernahme des Eigentums auch die Zustimmung zur Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlage (vgl. hierzu auch: OVG RP, Urteil vom 14. März 1972, a.a.O.). Die Zustimmung kann bereits vor der Zuteilungsentscheidung im Flurbereinigungsplan erfolgen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 1986, a.a.O., "zuvor ... einverstanden erklärt.").

Bei dem der Flurbereinigungsbehörde mit Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung vom 13. Juli 2016 zugegangenen Beschluss des Gemeinderats der Klägerin vom 22. Juni 2016 handelt es sich um eine solche vorherige Einverständniserklärung, die ausdrücklich auch die Übernahme landespflegerischer Anlagen zu Eigentum und Unterhaltung umfasst.

Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:

"Die Ortsgemeinde N. übernimmt die von der Teilnehmergemeinschaft der vereinfachten Flurbereinigung N. V (WG) Teilgebiet 2 S. neu geschaffenen bzw. geänderten gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen in Eigentum und Unterhaltung. Die Übernahme umfasst:

1. Die befestigten und unbefestigten Wirtschaftswege, einschließlich Nebenanlagen,

2. die wasserwirtschaftlichen Anlagen (Vorfluter, Drainagen, Rückhaltebecken, soweit sie nicht im Sinne der Gemeindeordnung von der Verbandsgemeinde zu unterhalten sind),

und

3. die landschaftspflegerischen Anlagen.

Der Eigentumsübergang soll durch den Flurbereinigungsplan erfolgen.

Die Übernahme in die Unterhaltung erfolgt jeweils nach beendetem Ausbau und bleibt einer besonderen Übergabeverhandlung vorbehalten."

Als empfangsbedürftige Willenserklärung ist dieser übermittelte Beschluss nach dem Maßstab des § 133 BGB so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger den Text nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. zu öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen: Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 54 Rn. 29; zu § 133 BGB: Ellenberger, in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 133 Rn. 9).

Nach dem protokollierten Text des Beschlusses erklärt sich die Klägerin in Satz 1 ohne Einschränkungen bereit, die "neu geschaffenen bzw. geänderten gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen in Eigentum und Unterhaltung" zu übernehmen. Die von dem Ortsbürgermeister der Klägerin im Widerspruchsverfahren geltend gemachte Einschränkung, der Gemeinderat sei sich einig gewesen, keine Mauern oder Böschungen übernehmen zu wollen, ist nicht Inhalt des der Flurbereinigungsbehörde mit Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung vom 13. Juli 2016 übermittelten Beschlusses geworden. Der Beschlusstext nimmt auch nicht Bezug auf eine konkrete Fassung des Flurbereinigungsplans. Vielmehr erklärt er im Vorhinein die Bereitschaft zur Übernahme aller gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen, die nach der Erläuterung in Satz 2 ausdrücklich auch landespflegerische Anlagen - wie hier - umfassen sollen. Soweit die Klägerin einwendet, diese Interpretation ihres Beschlusses mache sie zur "Bad Bank" der Winzerschaft und eine Flurbereinigung für Gemeinden in vergleichbarer Lage sinnlos, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Praxis pauschaler Übernahmeerklärungen durch die Flurbereinigungsgemeinden durchaus üblich ist. Durch eine hiervon abweichende Erklärung haben es die Gemeinden zudem in der Hand, sich von der Übernahme der Unterhaltungslast freizustellen, was allerdings die - wenig praktikable - Folge hätte, dass die Unterhaltung gemeinschaftlicher Anlagen bei der Teilnehmergemeinschaft verbliebe (vgl. hierzu: OVG RP, Urteil vom 14. März 1972 - 3 C 29/71 -, AS 12, 418 und RdZ 2 zu § 42 Abs. 2 FlurbG).

Auch der in Satz 4 des Beschlusstextes formulierte Vorbehalt ändert nichts an der notwendigen vollständigen Zustimmung zur Übernahme von Eigentum und Unterhaltung.

Auch insofern ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Der Senat teilt die Auffassung des Beklagten, dass mit dem Vorbehalt von Übergabeverhandlungen die grundsätzliche Zustimmung zur Übernahme von Eigentum und Unterhaltung bei gemeinschaftlichen Anlagen in Satz 1 nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden sollte. Vielmehr steht der Vorbehalt im Zusammenhang mit dem Beginn der Unterhaltsverpflichtungen. So bezeichnet die einleitende Formulierung in Satz 4 den Zeitpunkt, ab wann die Unterhaltslast übernommen wird, nämlich "jeweils nach beendetem Ausbau". Die sich anschließende Formulierung ist deshalb dahin zu verstehen, dass nur der tatsächliche Beginn der Unterhaltungslast von einer Übergabeverhandlung abhängig sein soll. Wie die Spruchstelle im Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2021 überzeugend dargelegt hat, soll diese Klausel der Klägerin ermöglichen, den Beginn der Unterhaltungslast von der ordnungsgemäßen Herstellung der gemeinschaftlichen Anlage abhängig zu machen. So heißt es auf S. 11 des Widerspruchsbescheids:

"Wenn eine Anlage mit Mängeln behaftet ist und diese in der Übergabeverhandlung festgestellt werden, bleibt die Unterhaltung bei der Teilnehmergemeinschaft bis die Anlage in Ordnung und damit übergabebereit ist."

Weil diese Klarstellung im Text des Flurbereinigungsplans (Nr. 3.9.2: "Ortsgemeinde N. erhält das Flurstück ... Nr. A ... zu Eigentum und Unterhalt") nicht hinreichend klar zum Ausdruck kommt, hat der Senat eine entsprechende Ergänzung des Flurbereinigungsplans verfügt, um auch insofern dem Erfordernis nach vollständiger Zustimmung der Klägerin Rechnung zu tragen; die Befugnis zur eigenständigen Abänderung des Flurbereinigungsplans durch den Senat ergibt sich aus § 144 Satz 1 FlurbG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 138 Abs. 1, 147 Abs. 1 FlurbG. Die lediglich klarstellende Abänderung des Flurbereinigungsplans erweist sich als bloß geringfügiges Unterliegen des Beklagten (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren deshalb nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil sie ihrerseits mangels Antragstellung kein Kostenrisiko eingegangen sind (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Die Höhe der Gebühren errechnet sich nach § 3 GKG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).