FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 04.05.2021 - 2 K 61/19
Fundstelle
openJur 2021, 26553
  • Rkr:

1. Sondervergütungen sind auch insoweit dem nach der Tonnage gem. § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn hinzuzurechnen, als sie nach der Betriebsveräußerung oder -aufgabe entstanden sind.

2. Sondervergütungen, die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstehen, zählen indes nicht zum fiktiven Gewerbeertrag im Sinne von § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG (in der Fassung des JStG 2019). Die Vorschrift führt lediglich zu einer Fiktion von Gewerbeertrag, aber nicht zur Fiktion eines Gewerbebetriebes.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Haftungsvergütung der Komplementärin in voller Höhe der Gewerbesteuerpflicht unterliegt.

Die Klägerin, eine GmbH, war die einzige Komplementärin der ... mbH & Co. KG (im Folgenden KG), einer Einschiffsgesellschaft, die zwischenzeitlich aufgelöst ist. Die Klägerin war ihre Liquidatorin und ist nach Ausscheiden der alleinigen Kommanditistin und Übernahme der Aktiva und Passiva deren Rechtsnachfolgerin (Handelsregisteranmeldung vom ... 2018). Seit 2017 befindet sie sich ebenfalls in Liquidation.

Gegenstand des Unternehmens der KG war der Erwerb und Betrieb von Seeschiffen sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte und Tätigkeiten sowie gegebenenfalls die Veräußerung von Seeschiffen. Die KG gab mit Vertrag vom ... 2007 den Bau eines Handelsschiffes in Auftrag und übernahm dieses am ... 2011. Das Schiff wurde am selben Tag in das deutsche Seeschiffsregister eingetragen und von der KG im internationalen Schiffshandelsverkehr eingesetzt. Die Klägerin erhielt nach § 5 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags als persönlich haftende Gesellschafterin für die Übernahme der Haftung eine Vergütung in Höhe von 2.500 € zuzüglich etwaiger gesetzlicher Umsatzsteuer pro Jahr. Sie war am Vermögen der KG und dem Gewinn und Verlust nicht beteiligt.

Die KG optierte mit Wirkung zum 1. Januar 2011 zur Gewinnermittlung nach der im Betrieb geführten Tonnage gem. § 5a des Einkommensteuergesetzes (EStG), sog. Tonnagesteuer. Mit Vertrag vom ... 2016 veräußerte sie das Schiff und übergab es am 21. April 2016 an den Erwerber. Weitere Geschäftstätigkeiten übte die KG nicht mehr aus.

In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2016 gab die KG einen Gewerbeertrag i.H.v. 88.296 € an, der sich aus einem nach § 5a Abs. 1 EStG pauschal ermittelten Gewinn in Höhe von 5.870 € sowie nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen i.H.v. 82.426 € zusammensetzte. Als Teil der Sondervergütungen war auch die Haftungsvergütung von 2.500 € erfasst, die sie für den Zeitraum nach Übergabe des Schiffes (Mai bis Dezember) zeitanteilig kürzte und die in diesem Verfahren allein streitig ist.

Mit Gewerbesteuermessbescheid vom 15. Mai 2018 berücksichtigte der Beklagte die Haftungsvergütung in vollem Umfang als hinzuzurechnende Sondervergütung. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 4. Juni 2018. Mit der Veräußerung des Schiffs habe der Gewerbebetrieb der KG geendet, sodass die auf den Zeitraum nach der Veräußerung entfallende Haftungsvergütung nicht mehr der Gewerbesteuer unterliege. § 7 Satz 3 Alt. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), nach der der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn als Gewerbeertrag gelte, schließe nur Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8, 9 GewStG aus.

Nachdem der Bescheid aus hier nicht interessierenden Gründen am 19. Dezember 2018 nochmals geändert worden war, wies der Beklagte den Einspruch am 15. Februar 2019 zurück. Die Fiktionsregelung des § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG habe nicht nur konstitutive Wirkung für den Gewerbeertrag, sondern auch für das Bestehen eines Gewerbebetriebs (so auch Bruns in DStR 2018, 441). Die Hinzurechnung von Sondervergütungen sei bei der Gewinnermittlung nach der Tonnage in § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG ausdrücklich angeordnet. Der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn werde wiederum in § 7 Satz 3 GewStG in vollem Umfang als Gewerbeertrag fingiert. Soweit die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach § 5a EStG erfüllt seien, sei die Rechtslage damit derjenigen bei Kapitalgesellschaften vergleichbar, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelte.

Am 18. März 2019 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich weiterhin gegen die vollumfängliche Berücksichtigung der Haftungsvergütung als Gewerbeertrag im Sinne von § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG wendet. Nach § 2 Abs. 1 GewStG unterliege der Gewerbesteuer ein inländischer Gewerbebetrieb nur so lange, wie er betrieben werde. Eine Ausnahmeregelung, wie sie sich für Kapitalgesellschaften in § 2 Abs. 2 GewStG finde, existiere für Personengesellschaften, die ihren Gewinn nach § 5a EStG ermitteln, nicht. § 7 Satz 3 GewStG könne schon aufgrund seiner systematischen Stellung nicht als eine solche Ausnahmeregelung betrachtet werden, sondern setze vielmehr das Bestehen eines Gewerbebetriebs voraus. § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG verweise nur auf die pauschalierte Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG. Auf die nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG diesem pauschalen Gewinn hinzuzurechnenden Sondervergütungen sei § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG nicht anwendbar. Bedeutung habe diese Vorschrift für derartige Sondervergütungen nur insoweit, als sie eine Kürzung nach § 9 Nr. 3 GewStG ausschließe. Diese Rechtsauffassung entspreche auch der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nach Maßgabe der Urteile vom 25. Oktober 2018 (IV R 35/16, IV R 40/16 und IV R 41/16).

Während des Klageverfahrens ist der angegriffene Gewerbesteuermessbescheid am 9. Mai 2019 und 1. April 2020 erneut aus hier nicht streitigen Gründen geändert worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2016 vom 1. April 2020 dergestalt zu ändern, dass die Haftungsvergütung nur in Höhe von 833 € als Gewerbeertrag berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Die Fiktionsregelung des § 7 Satz 3 GewStG finde auch auf nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hinzuzurechnende Sondervergütungen Anwendung. Weder dem Wortlaut noch dessen Sinn und Zweck sei eine Begrenzung der Fiktionswirkung auf den nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelten Gewinn zu entnehmen. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs beträfen nur die Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG und stünden damit einer Einbeziehung der Hinzurechnung von Sondervergütungen nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG in die Fiktionswirkung des § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG nicht entgegenstehen.

Die die KG betreffenden Steuerakten haben vorgelegen.

Gründe

Das Gericht entscheidet gem. § 90a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

I.

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Der angegriffene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 2 FGO). Zu Unrecht hat der Beklagte die Haftungsvergütung in voller Höhe als Gewerbeertrag der KG berücksichtigt.

1. Gewerbeertrag ist nach § 7 Satz 1 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. Nach § 7Satz 3 Alt. 1 GewStG gilt der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und 4a EStG als Gewerbeertrag nach Satz 1. Die Haftungsvergütung der Klägerin zählt, soweit sie auf die Zeit nach dem Verkauf und der Übergabe des einzigen Schiffs entfällt, nicht zum fiktiven Gewerbeertrag der KG nach § 7 Satz 3 GewStG.

a) Entsprechend § 36 Abs. 3 GewStG findet § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG in der durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I 2019, S. 2451, JStG 2019) geänderten Fassung Anwendung. Durch die Neuregelung wurde der Verweis auf den "nach § 5a EStG ermittelten Gewinn" in § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG a.F. um den Zusatz "einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und 4a EStG" ergänzt. Damit reagierte der Gesetzgeber (vgl. BT-Drs. 19/14909, S. 49) auf drei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 2018, nach denen - in Abkehr von einer früheren Entscheidung (BFH-Urteil vom 26. Juni 2014, IV R 10/11, Rz. 18 ff.) - die Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG BStBl II 2015, 300 nicht zum "nach § 5a EStG ermittelten Gewinn" i.S.v. § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG a.F. zähle (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2018, IV R 35/16, BFH/NV 2019, 334, Rz. 51 ff.; IV R 40/16, BFH/NV 2019, 291, Rz. 21 ff. und IV R 41/16, BFH/NV 2019, 268, Rz. 50 ff.). Ob die rückwirkende Einbeziehung der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 EStG in den fiktiven Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG n.F. verfassungsrechtlich zulässig ist, ist umstritten, bejahend bei summarischer Prüfung Finanzgericht (FG) Hamburg, Beschluss vom 8. Januar 2020, 6 V 270/19, Rz. 33 ff., EFG 2020, 589 und nachfolgend BFH-Beschluss vom 15. April 2020, IV B 9/20, BFH/NV 2020,919, Rz. 31 ff.; verneinend Drüen in: Blümich, § 7 GewStG Rz. 105b (Juli 2020); Dißars/Kahl-Hinsch, DStR 2020, 2519, 2523 ff.). Ob mit der Anwendung dieser Vorschrift im Streitjahr 2016 eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung einhergeht, kann aber dahinstehen, weil im Streitfall keine Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4 EStG vorzunehmen war. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

Die nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zählen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum "nach § 5a EStG ermittelten Gewinn" i.S.v. § 7 Satz 3 GewStG a.F. (BFH-Urteile vom 6. Juli 2005, VIII R 72/02, BFH/NV 2006, 363, Rz. 15; VIII R 74/02, BStBl II 2008, 180, Rz. 14 ff. und vom 4. Dezember 2014, IV R 27/11, BStBl II 2015, 278, Rz. 28). Von dieser Rechtsprechung wollte der BFH mit seinen Entscheidungen vom 25. Oktober 2018 (IV R 35/16, BFH/NV 2019, 334, Rz. 56; IV R 40/16, BFH/NV 2019, 291, Rz. 26 und IV R 41/16, BFH/NV 2019, 268, Rz. 55) nicht abweichen. Vor diesem Hintergrund ist schon zweifelhaft, ob in der ausdrücklichen Einbeziehung der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4a EStG in den "nach § 5a EStG ermittelten Gewinn" durch das JStG 2019 überhaupt eine nach dem Rückwirkungsverbot rechtfertigungsbedürftige konstitutive Neuregelung vorliegt (zur Maßgeblichkeit der fachgerichtlichen Auslegung für die Abgrenzung zwischen konstitutiven und deklaratorischen Regelungen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 17. Dezember 2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, Rz. 46 ff. m.w.N.). Selbst wenn eine konstitutive Änderung angenommen wird, weil zumindest eine denkbare Auslegung des Gesetzes durch die Neuregelung ausgeschlossen wird, erscheint das Vertrauen in eine Gesetzesauslegung, die von der ständigen und vom Bundesfinanzhof auch in seinen jüngsten Entscheidungen nicht aufgegebenen Rechtsprechung abweicht, nicht schutzbedürftig.

Letztendlich kann die Verfassungsgemäßheit der rückwirkenden Einbeziehung der Hinzurechnungen nach § 5 Abs. 4a EStG im Streitfall aber ebenfalls offenbleiben, weil die streitige nach Veräußerung des Schiffs und der damit verbundenen Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG entstandene Haftungsvergütung in keinem Fall nach § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG als Gewerbeertrag gilt.

b) Sondervergütungen, die nach der Einstellung der werbenden Tätigkeit der Gesellschaft entstehen, zählen nicht zum fiktiven Gewerbeertrag im Sinne von § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG.

aa) Die Hinzurechnung nach 5a Abs. 4a Satz 3 EStG erfasst auch Sondervergütungen, die erst nach Betriebsveräußerung oder -aufgabe entstehen. Die Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG endet nicht notwendigerweise mit der Veräußerung oder Aufgabe des auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gerichteten (Teil-)Betriebs.

Die Tonnagesteuer ist eine pauschale Gewinnermittlung, die in ihrem Anwendungsbereich die Gewinnermittlung nach den §§ 4, 5 EStG verdrängt und nicht nur überlagert (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2018, IV R 35/16, BFH/NV 2019, 334, Rz. 31 ff.; IV R 40/16, BFH/NV 2019, 291, Rz. 19 und IV R 41/16, BFH/NV 2019, 268, Rz. 29 ff.; jew. m.w.N.). Sie erfasst nach § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG auch Einkünfte aus § 16 EStG. Anders als bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG führt eine Veräußerung oder Aufgabe des auf den Betrieb von Handelsschiffen gerichteten (Teil-)Betriebs damit nicht zu einem zwingenden Wechsel der Gewinnermittlungsart hin zum Betriebsvermögensvergleich (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Vielmehr erfasst die Pauschalierung nach § 5a Abs. 1 Satz 2 EStG ausdrücklich sämtliche im jeweiligen Wirtschaftsjahr (§ 4a EStG) erzielten Gewinne und Verluste aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Der Steuerpflichtige ist an diese pauschale Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 3 Satz 7 EStG für zehn Wirtschaftsjahre gebunden. Einen Wechsel der Gewinnermittlungsart ordnet das Gesetz erst nach Ablauf dieser Bindungsfrist und auf ausdrücklichen Antrag des Steuerpflichtigen mit Wirkung auf den Beginn des auf den Antrag folgenden Wirtschaftsjahrs an (§ 5a Abs. 3 Satz 8 EStG).

Auch die Regelungen zur Abgeltung von Gewinnen oder Verlusten aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr vor Indienststellung des Handelsschiffs (§ 5a Abs. 3 Satz 2 ff. EStG) zeigen, dass die Tonnagesteuer sämtliche wirtschaftlichen Erträge aus dieser Tätigkeit erfassen will. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, warum für Gewinne oder Verluste, die nach der Veräußerung oder Aufgabe des (Teil-)Betriebs anfallen, aber wirtschaftlich noch durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr veranlasst sind (bspw. durch das Beenden von Hilfsgeschäften oder die Abwicklung einer nur auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gerichteten Gesellschaft), etwas anderes gelten sollte als für Gewinne oder Verluste vor Indienststellung des Handelsschiffs.

Zwar sieht § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 EStG die Hinzurechnung eines nach § 5a Abs. 4 Satz 1 EStG ermittelten Unterschiedsbetrags vor, wenn ein bisher dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dienendes Wirtschaftsgut das Betriebsvermögen verlässt oder unmittelbar für andere Zwecke verwendet wird. Damit wird aber lediglich die bislang aufgeschobene Versteuerung stiller Reserven angeordnet, die auf einen Zeitraum vor der Anwendung der Tonnagesteuer entfallen (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2018, IV R 35/16, BFH/NV 2019, 334, Rz. 53; IV R 40/16, BFH/NV 2019, 291, Rz. 24 und IV R 41/16, BFH/NV 2019, 268, Rz. 52). Aussagen zum zeitlichen Geltungszeitraum der Tonnagesteuer für die mit dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielten Gewinne und Verluste lassen sich daraus nicht ableiten.

Auch die Sonderregeln bei Mitunternehmerschaften differenzieren nicht danach, ob der Betrieb bereits veräußert oder aufgegeben wurde. Nach § 5a Abs. 4a Satz 1 und 2 EStG tritt bei Mitunternehmerschaften die Gesellschaft an die Stelle des Steuerpflichtigen und der nach § 5a Abs. 1 EStG pauschal ermittelte Gewinn ist den Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG bleiben davon aber unberührt. Sie sind nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG dem pauschal ermittelten Gewinn hinzuzurechnen. Sondervergütungen sind mithin nicht Teil des nach Tonnagesteuergrundsätzen ermittelten Gewinns, sondern für sie gelten die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4, 5 EStG. Dem Gesetz lassen sich keine Einschränkungen für die Hinzurechnung von Sondervergütungen entnehmen, die nach der Veräußerung oder Aufgabe des auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr gerichteten (Teil-)Betriebs entstehen (vgl. ebenso für Sondervergütungen, die vor Indienststellung des Handelsschiffs entstehen, BFH, Urteil vom 6. Februar 2014, IV R 19/10, BStBl II 2014, 522, Rz. 14 ff).

bb) Die Fiktionswirkung des § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG erstreckt sich aber nicht auf nach § 5a EStG ermittelte Gewinne oder Verluste einschließlich der Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, die erst nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstehen. Die Norm setzt voraus, dass ein Gewerbebetrieb (noch) besteht.

Nach seinem Wortlaut führt § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG zu einer Fiktion von Gewerbeertrag ("[...] gelten als Gewerbeertrag nach Satz 1"), nicht zu einer Fiktion eines Gewerbebetriebs (vgl. insoweit den abweichenden Wortlaut von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG: "Als Gewerbebetrieb gilt [...]"). Ebenso hat der Bundesfinanzhof für § 7 Satz 2 GewStG entschieden, dass dieser nach seinem Wortlaut ("Zum Gewerbeertrag gehört auch [...]") keine Aussage über den Beginn oder das Ende der sachlichen Steuerpflicht, also das Bestehen eines Gewerbebetriebs im Sinne von § 2 GewStG, trifft (BFH-Urteil vom 30. August 2012, IV R 54/10, BStBl II 2012, 927, Rz. 28). Auch die systematische Stellung von § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG spricht für eine Beschränkung der Fiktionswirkung auf die Höhe des Gewerbeertrags. Die Norm ist im zweiten Abschnitt über die Bemessung der Gewerbesteuer angesiedelt, während sich Regelungen zum Gewerbebetrieb als sachlichem Steuergegenstand der Gewerbesteuer (einschließlich der Fiktionsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) ausschließlich im ersten Abschnitt des Gewerbesteuergesetzes finden. Auch § 7 Satz 1 GewStG, auf den § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG in seiner Rechtsfolge verweist, differenziert zwischen dem Gewerbeertrag und dem Gewerbebetrieb, dem dieser Gewerbeertrag zuzuordnen ist. Das Bestehen eines Gewerbebetriebs wird von § 7 Satz 1 GewStG nach allgemeiner Auffassung vorausgesetzt. Nach Ende der werbenden Tätigkeit des Betriebs eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft entstehende Gewinne oder Verluste zählen nicht mehr zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG (vgl. nur BFH-Urteile vom 18. Mai 2017, IV R 30/15, BFH/NV 2017, 1191, Rz. 18; vom 20. September 2012, IV R 36/10, BFH/NV 2013, 138, Rz. 17). Es sind keine gesetzessystematischen Gründe erkennbar, warum § 7 Satz 3 GewStG demgegenüber Aussagekraft für die sachliche Steuerpflicht beigemessen werden könnte (ebenso für § 7 Satz 2 GewStG: BFH-Urteil vom 30. August 2012, IV R 54/10, BStBl II 2012, 927, Rz. 30 ff.).

§ 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG wird auch nicht funktionslos, wenn für seine Anwendung das Bestehen eines Gewerbebetriebs gefordert wird (so aber Bruns, DStR 2018, 441, 444). Zwar verweist auch § 7 Satz 1 GewStG auf den nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten Gewinn und mithin auch auf die Gewinnermittlungsvorschrift des § 5a EStG. Der so ermittelte Gewinn wird aber nach § 7 Satz 1 GewStG noch durch Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) modifiziert. Gewerbeertrag im Sinne von § 7 Satz 1 GewStG ist erst das Gesamtergebnis nach diesen Modifikationen. Ebendiese Hinzurechnungen und Kürzungen werden durch die Fiktion des Gewerbeertrags nach § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG ausgeschlossen (so auch die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs; vgl. Urteile vom 25. Oktober 2018, a.a.O.; vom 6. Juli 2005, VIII R 72/02, BStBl II 2010, 828, Rz. 12 ff.). Der pauschal ermittelte Gewinn aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr wird damit unmittelbar auch zur gewerbesteuerlich maßgeblichen Bezugsgröße. Der Zweck von § 7 Satz 3 GewStG ist mithin in einer Erweiterung der Vereinfachungs- und Pauschalierungswirkung des § 5a EStG über die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer hinaus auch für die Gewerbesteuer zu sehen.

Die Gesetzgebungsmaterialien enthalten keine Anzeichen dafür, dass mit § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG eine Regelung über das Bestehen eines Gewerbebetriebs getroffen werden sollte. Die Materialien zur Einführung von § 7 Satz 2 GewStG a.F, der dem heutigen § 7 Satz 3 GewStG entspricht, enthalten keine gesonderte Begründung. Auch wenn in der Anpassung der ersten Fassung ("Wird der Gewinn nach § 5a EStG ermittelt, ist der danach festgestellte Gewinn Gewerbeertrag nach Satz 1 GewStG"; BT-Drs. 13/10271, S. 6) hin zur heutigen Formulierung ("[...] gelten als Gewerbeertrag nach § 7 S. 1 GewStG"; BT-Drs. 13/10710, S. 5: "redaktionelle Änderung") einen deutlichen Ausdruck der Fiktionswirkung der Norm zu erkennen sein mag (so Bruns, DStR 2018, 441, 444), sagt dies noch nichts über die inhaltliche Reichweite der Fiktionswirkung aus.

Die Anpassung des Gesetzeswortlauts des § 7 Satz 3 GewStG durch das JStG 2019 erfolgte als Reaktion auf die mit den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 25. Oktober 2018 verbundene Rechtsprechungsänderung zur gewerbesteuerlichen Behandlung eines hinzugerechneten Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG und sollte die bisherige Verwaltungsauffassung in Bezug auf die Hinzurechnungen nach § 5a Abs. 4 und Abs. 4a EStG gesetzlich festschreiben (BT-Drs. 19/14909, S. 49). Der Bundesfinanzhof wollte mit den genannten Entscheidungen aber ausdrücklich nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung zu nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG hinzuzurechnenden Sondervergütungen abweichen (s.o.). Es entsprach auch nicht der bisherigen Verwaltungspraxis, Sondervergütungen, die nach Einstellung der werbenden Tätigkeit entstehen, nach § 7 Satz 3 GewStG der Gewerbesteuer zu unterwerfen (so auch Bruns, DStR 2018, 441, 441).

Für dieses Ergebnis sprechen zudem die gesetzgeberischen Erwägungen bei Einführung von § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG. Die Hinzurechnung der Sondervergütungen sollte Gestaltungen verhindern, "bei denen Geschäftspartner oder Arbeitnehmer von Personengesellschaften an diesen mit einem geringen Anteil beteiligt werden [...], um dadurch sämtliche Vergütungen und Arbeitslöhne zu einem Bestandteil des nach der Tonnage ermittelten Gewinns zu machen und der regulären Besteuerung zu entziehen" (BT-Drs. 13/10710, S. 4). Die Regelung sollte also den Anwendungsbereich der privilegierenden Pauschalbesteuerung aus Gründen der Missbrauchsvermeidung beschränken. Anhaltspunkte für eine gegenüber anderen Mitunternehmerschaften verschärfte Besteuerung von Sondervergütungen ergeben sich aus den Gesetzgebungsmaterialien hingegen nicht (vgl. auch BFH-Urteil vom 6. Februar 2014, IV R 19/10, BStBl II 2014, 522, Rz. 18).

Dieses Auslegungsergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu den von dem Beklagten angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs. So heißt es im Urteil vom 13. Dezember 2007 (IV R 92/05, BStBl II 2008, 583, Rz. 15) zwar, dass für § 7 Satz 2 GewStG a.F. (bzw. § 7 Satz 3 GewStG n.F.) wegen des fiktiven Charakters des unter Anwendung der Tonnagebesteuerung ermittelten Gewerbeertrags nicht die gleichen Voraussetzungen angelegt werden könnten wie für § 7 Satz 1 GewStG. Die Rechtslage sei "insoweit derjenigen bei Kapitalgesellschaften vergleichbar, deren Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbeertrag gilt, mit der Folge, dass auch Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, eines Teilbetriebs oder einer betrieblichen Beteiligung zum Gewerbeertrag gehören". Die von der Rechtsprechung mit dem Wesen der Gewerbesteuer begründete Ausnahme, nach der Veräußerungs- und Aufgabegewinne im Sinne der §§ 16, 34 EStG nicht zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG zählen, lasse sich auf den fiktiven Gewerbeertrag nach § 7 Satz 2 GewStG a.F. (bzw. § 7 Satz 3 GewStG n.F.) nicht übertragen, weil § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG Veräußerungs- und Aufgabegewinne ausdrücklich als Teil des nach der Tonnage ermittelten Gewinns erfasse (ebenda, Rz. 16 f.). Diese Ausführungen des Bundesfinanzhofs beschränken sich ausdrücklich nur auf die Behandlung von Gewinnen aus der Veräußerung oder Aufgabe eines (Teil-)Betriebs und nicht auf Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG. Sie sind auch nicht auf derartige Vergütungen übertragbar, weil die pauschalierte Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG Sondervergütungen im Gegensatz zu Veräußerungs- und Aufgabegewinnen (§ 5a Abs. 5 Satz 1 EStG) ausdrücklich nicht erfasst, sondern diese dem pauschalierten Gewinn hinzugerechnet werden müssen (§ 5a Abs. 4a Satz 3 EStG, s.o.).

Auch wenn der Bundesfinanzhof im Zuge seiner ständigen Rechtsprechung, nach der die Fiktion des § 7 Satz 3 GewStG die Anwendung der Vorschriften zu Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) ausschließt (s.o.), ausführt, "die Fiktion des § 7 Satz 2 GewStG a.F. umfass[e] auch die Fiktion des Merkmals des inländischen Gewerbeertrags" (BFH-Urteil vom 6. Juli 2005, VIII R 72/02, Rz. 14, BStBl II 2010, 828), folgt daraus nichts anderes. Den Ausführungen lässt sich weder ausdrücklich entnehmen, dass der Bundesfinanzhof § 7 Satz 3 GewStG eine Fiktionswirkung hinsichtlich des Bestehens eines Gewerbebetriebs zumisst, noch ist eine solche Schlussfolgerung angesichts der systematischen Unterschiede zwischen Gewerbebetrieb und Gewerbeertrag (s.o.) "folgerichtig" (so aber Bruns, DStR 2018, 441, 443).

c) Danach kommt für die streitige Haftungsvergütung zwar eine Hinzurechnung nach § 5a Abs. 4a Satz 3 EStG in voller Höhe in Betracht, wenn es sich bei der Haftungsvergütung - wovon die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - um eine Sondervergütung für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 Var. 1 EStG handelt. Soweit die Vergütung aber erst nach Veräußerung und Übergabe des Handelsschiffs und damit nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG entstanden ist - also für die von der Klägerin bezeichneten Monate Juni bis Dezember 2016 - scheidet eine Behandlung der Vergütung als fiktiver Gewerbeertrag nach § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG aus.

2. Die Haftungsvergütung zählt auch nicht nach § 7 Satz 1 GewStG zum Gewerbeertrag der KG, soweit sie auf die Zeit nach dem Verkauf und der Übergabe des einzigen Schiffs entfällt. Zum einen geht - soweit man den Anwendungsbereich von § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG im Streitfall für eröffnet hält - die Fiktionsregelung des § 7 Satz 3 Alt. 1 GewStG als speziellere Regelung § 7 Satz 1 GewStG vor. Zum anderen setzt auch § 7 Satz 1 GewStG das Bestehen eines Gewerbebetriebs voraus, sodass Gewinne oder Verluste, die erst nach der Veräußerung und Übergabe des einzigen Handelsschiffs am 21. April 2016 und damit nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der KG entstanden sind, nicht zu Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG führen können.

3. Der bisher berücksichtigte Gewinn der KG aus Gewerbebetrieb in Höhe von 91.785 € ist danach um 1.667 € zu mindern und der Gewerbesteuermessbetrag auf 2.448 € herabzusetzen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

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