OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.08.2021 - 26 U 62/19
Fundstelle
openJur 2021, 26459
  • Rkr:

Eine begründete Annahme im Sinne des § 84a Abs. 1 AMG ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn mehr für eine Verursachung der Rechtsgutverletzung durch das Arzneimittel spricht als dagegen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. Oktober 2019 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hanau teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die ihr bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und die ihr bekannten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des von der Beklagten in Deutschland bis zum 31. Juli 2018 vertriebenen Medikaments Valsartan AbZ von Bedeutung sein können, soweit diese Krebserkrankungen, Luftnot, Druck bzw. Engegefühl im Brustraum betreffen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Auskunft u. a. über die Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen des Medikaments Valsartan AbZ sowie Schmerzensgeld. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche materielle und immaterielle Schäden und zudem die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte ist pharmazeutischer Unternehmer des Medikaments Valsartan AbZ. Für die Produktion arbeitet die Beklagte mit mehreren Wirkstoffherstellern zusammen, welche alle den gleichen Wirkstoff Valsartan herstellen. Unter diesen Herstellern war auch das chinesische Unternehmen A Co. Limited.

Die Beklagte teilte in der Form eines Chargenrückrufs (AMK 18/28, Bl. 109 f. d. A.) am 10. Juli 2018 mit, dass bei der A Co. Limited eine produktionsbedingte Verunreinigung des Wirkstoffs Valsartan festgestellt worden sei. Bei der Verunreinigung handelte es sich um N-Nitrosodiethylamin (NDEA). Dieser Stoff sei von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft. Wegen der weiteren Einzelheiten des Rückruftextes wird auf den zu den Akten gereichten Ausdruck (Bl. 109 d. A.) verwiesen.

Der Chargenrückruf erfasste aus organisatorischen Gründen alle Packungsgrößen und Chargen, obwohl von der produktionsbedingten Verunreinigung nur solche Chargen betroffen waren, die unter Verwendung des von der A Co. Limited gelieferten Wirkstoffes hergestellt wurden.

Von dem in Rede stehenden Arzneimittel wurden in dem Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 28. Februar 2016 142.154 Packungen mit Valsartan hergestellt und von der Beklagten in Deutschland an Dritte abgegeben, für das kein Risiko einer Nitrosamin-Belastung besteht.

Im selben Zeitraum - also zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 28. Februar 2016 - wurden hingegen 62.897 Packungen des in Rede stehenden Arzneimittels von der Beklagten in Deutschland an Dritte abgegeben, die mit Valsartan hergestellt worden waren, das von dem Wirkstoffhersteller A Co., Ltd. in der Zeit ab 2012 produziert worden war.

Im Mai 2016 wurde bei der Klägerin ein Mammakarzinom links festgestellt.

Die Klägerin hat behauptet, im Zeitraum 2013 bis Mai 2018 das von der Beklagten hergestellte Medikament Valsartan AbZ 80 mg bezogen und eingenommen zu haben. Die von ihr eingenommenen Chargen hätten zu Chargen gehört, die zurückgerufen wurden, da eine Verunreinigung (oder der Verdacht darauf) mit Dimethy-N-Nitrosamin (NDMA) und NDEA bestanden habe.

Durch die Einnahme von durch die Beklagte in den Verkehr gebrachten und mit NDMA und NDEA verunreinigten Valsartan-Generika von 2013 bis Mai 2018 sei sie an Krebs erkrankt. Die Einnahme habe ein postmenopausales, össar metastasierendes Mammakarzinom verursacht, welches unter anderem zu einer Amputation der linken Brust der Klägerin geführt habe. Aufgrund der erfolgten Amputation erhalte die Klägerin einmal wöchentlich Lymphdrainagen und eine Physiotherapie.

Darüber hinaus seien ihre Finger oft angeschwollen, so dass sie nicht richtig greifen könne. Hinzu kämen Nebenwirkungen der Krebsmedikamente, wie beispielsweise ständige Müdigkeit, Krämpfe in den Beinen und Händen und Geschmacksbeeinträchtigungen. Vor ihrer Krebserkrankung habe sie als Beruf1 gearbeitet. Diese Tätigkeit sei ihr nun nicht mehr in vollem Umfang möglich.

Darüber hinaus habe die Klägerin Ausländer unterrichtet ("(...)"), da die Klägerin auch studierte Beruf2 mit dem Abschluss M. A. sei. Pro Modul habe sie bei der Volkshochschule € 1.800,00 erhalten. Regelmäßig seien im Jahr 12 Module abgerechnet worden, so dass sie hieraus Einnahmen in einer Größenordnung von € 21.600,00 gehabt habe. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen erziele sie maximal nur noch die Hälfte dieser Einnahmen.

Hinsichtlich ihres Haushalts hat die Klägerin behauptet, dass aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen eine Ausfallzeit von 20 Stunden pro Monat gegeben sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die der Beklagten bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich der [sic!] von der Beklagten in Deutschland bis zum 31. Juli 2018 vertriebenen Medikaments Valsartan AbZ sowie hiervon ausgehenden schädlichen Wirkungen, soweit diese Krebserkrankungen, Luftnot, Druck bzw. Engegefühl im Brustraum betreffen sowie über sämtliche Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vorwerfbarkeit schädlicher Wirkungen sowie für das Medikament Valsartan AbZ von Bedeutung sein können,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird - mindestens jedoch € 100.000,00 - nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr auf Grund der Einnahme des Medikaments Valsartan AbZ bisher entstanden sind und noch entstehen werden, sofern diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritter übergegangen sind bzw. übergehen werden, und

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 4.162,62 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Nach Vernehmung der Zeugin B hat das Landgericht Hanau die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es nicht mit der notwendigen Sicherheit davon überzeugt sei, dass eine Verbindung zwischen der (unterstellten) Arzneianwendung und dem (behaupteten) Schaden vorliege. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin keine Indiztatsachen vortragen können, welche die Annahme begründeten, dass ein bestimmtes Medikament den Schaden verursacht habe. Die Klägerin habe nicht darlegen und beweisen können, dass sie eine verunreinigte Charge bezogen und eingenommen habe. Die Aussage der Zeugin B sei insoweit unergiebig gewesen. Zu Gunsten der Klägerin greife auch keine Umkehrung der Beweislast oder eine sekundäre Darlegungslast.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf das angegriffene Urteil vom 30. Oktober 2019 Bezug genommen (Bl. 132 ff. d. A.).

Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 31. Oktober 2019 (Bl. 140 d. A.) zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem hier am 25. November 2019 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 164 f. d. A.). Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Januar 2020 (Bl. 172 d. A.) hat die Klägerin die Berufung mit Anwaltsschriftsatz vom 26. Januar 2020, hier eingegangen am 30. Januar 2020, begründet (Bl. 182 ff. d. A.).

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanzlichen Rechtsschutzziele weiter.

Sie rügt, das Landgericht sei ihrem Antrag auf eine informatorische Anhörung bzw. eine Parteivernehmung zu Unrecht nicht nachgegangen. Zudem moniert sie, der Rechtsstreit sei durch einen Einzelrichter statt durch die Kammer entschieden worden.

Überdies habe das Landgericht Hanau in seiner Entscheidung die für den Fall geltenden Beweislastregeln und Darlegungsgrundsätze verkannt. Sie habe ausreichend Tatsachen vorgetragen, welche die Annahme begründeten, dass das Medikament der Beklagten bei ihr einen Schaden verursacht habe; daher bestehe ein Auskunftsanspruch. Das Landgericht Hanau habe insoweit den Beweismaßstab verkannt, da es nur eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen habe und gerade kein Vollbeweis zu erbringen sei.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe die Plausibilität des Anspruches ausreichend dargelegt, da unstreitig alle Packungsgrößen und alle Chargen der Valsartan Präparate zurückgerufen worden seien.

Sie ist zudem der Auffassung, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast treffe, nämlich "Auskunft über die verunreinigten Chargennummern und ggf. auch über deren Vertriebswege und Auslieferungen an die jeweilige Apotheke" zu erteilen. Dies ergebe sich aus den vom Bundesgerichtshof im Arzthaftungsrecht entwickelten Grundsätzen, welche auf Arzneimittelhaftungsprozesse zu übertragen seien.

Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass die Zeugin B erneut zu vernehmen sei, da diese aufgrund § 1a der Arzneimittelhandelsverordnung - AM-HandelsV - a. F. verpflichtet gewesen sei, ein ausreichendes System zur Rückverfolgung von Arzneimitteln bereitzustellen und daher ihre Zeugenaussage hinsichtlich der fehlenden Aufzeichnungen nicht schlüssig sei.

Die Kläger bietet als zusätzliches Beweismittel die Vernehmung von Frau C, eine Mitarbeiterin der Apothekerin B, an, um die Tatsache zu beweisen, dass die Klägerin das Arzneimittel Valsartan AbZ 80 mg/ 98 Stück auch vor 2017 von der Apotheke der Zeugin B bezogen habe.

Die Klägerin bietet zudem das Zeugnis des Hausarztes (und Sohnes) E als zusätzliches Beweismittel an, um zu beweisen, dass sie das Medikament Valsartan AbZ in der Zeit vom 3. März 2015 bis einschließlich Mai 2018 bezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung der Klägerin wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 30. Januar 2020 Bezug genommen (Bl. 182 ff. d. A.).

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hanau

1. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft zu erteilen über die der Beklagten bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich der [sic!] von der Beklagten in Deutschland bis zum 31. Juli 2018 vertriebenen Medikaments Valsartan AbZ sowie hiervon ausgehenden schädlichen Wirkungen, soweit diese Krebserkrankungen, Luftnot, Druck bzw. Engegefühl im Brustraum betreffen, sowie über sämtliche Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vorwerfbarkeit schädlicher Wirkungen sowie für das Medikament Valsartan AbZ von Bedeutung sein können,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch € 100.000,00. Der ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag ist mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu verzinsen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr auf Grund der Einnahme des Medikaments Valsartan AbZ bisher entstanden sind und noch entstehen werden, sofern diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritter übergegangen sind bzw. übergehen werden, und

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere € 4.162,62 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 17. März 2020 verwiesen (Bl. 210 ff. d. A.).

In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie zudem den Einwand der Erfüllung erhoben.

II.

Eine Entscheidung über den Berufungsantrag zu 1 durch Teilurteil ist im Streitfall möglich.

Werden im Wege objektiver Klagehäufung in zulässiger Weise sowohl (zur Vorbereitung eines Schadensersatzbegehrens) ein Auskunftsanspruch als auch der Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht, darf über den Auskunftsantrag vorab durch Teilurteil entschieden werden.

Zwar darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht. Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn nicht auszuschließen ist, dass es in demselben Rechtsstreit zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ist gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dazu reicht die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen aus, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Ein Teilurteil darf deshalb nur ergehen, wenn der weitere Verlauf des Prozesses die zu treffende Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 23.09.2015 - I ZR 78/14 -, GRUR 2015, 1201, 1204 f.; Teilurteil vom 03.11.2016 - I ZR 101/15 -, GRUR 2017, 520, 521, jeweils m. w. N.).

Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbstständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind. Das ist hier der Fall, weil der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch und das Schadensersatz- sowie das Feststellungsbegehren auf demselben Sachverhalt beruhen und sämtliche Ansprüche auf Gefährdungshaftung nach dem Arzneimittelgesetz (§§ 84 ff. AMG) gestützt sind (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011 - VI ZR 117/10 -, BGHZ 189, 79, 86 f.). Das steht indessen im Streitfall einer isolierten Entscheidung über den Auskunftsanspruch durch Teilurteil gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011 - VI ZR 117/10 -, BGHZ 189, 79, 86 f.).

Hier werden im Wege der objektiven Klagehäufung ein Auskunftsbegehren (§ 84a AMG) und ein Schadensersatzanspruch (§ 84 AMG) geltend gemacht. Beide Ansprüche sind materiell-rechtlich verzahnt. Wenn über das Auskunftsbegehren gem. § 84a AMG nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden dürfte, könnten die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele einer prozessualen Chancengleichheit und der beweisrechtlichen Besserstellung des Geschädigten für seinen auf § 84 AMG gestützten Schadensersatzanspruch nicht erreicht werden. Ebenso wie etwa bei der Stufenklage ist auch der im Wege objektiver Klagehäufung geltend gemachte Auskunftsanspruch gem. § 84a AMG lediglich ein Hilfsmittel, um den Leistungsanspruch durchzusetzen. Dieser Leistungsanspruch (hier: das Schadensersatzbegehren der Klägerin), nicht die Auskunft, ist das eigentliche Rechtsschutzziel, das mit der Klage verfolgt wird. Ein etwaiger Widerspruch zwischen den insoweit ergehenden Entscheidungen ist deshalb ebenso zu akzeptieren wie etwa ein Widerspruch hinsichtlich der auf den verschiedenen Stufen der Stufenklage zu treffenden Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011 - VI ZR 117/10 -, BGHZ 189, 79, 86 f.).

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III.

1. Die zulässige Berufung hat bezüglich der Auskunftsklage Erfolg.

Der Klägerin steht ein Auskunftsanspruch gegen die Beklagte gemäß § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG zu.

a. Der Senat ist nach dem Inhalt der gesamten Verhandlungen (§§ 525 Satz 1, 286 ZPO) und insbesondere der informatorischen Anhörung der Klägerin davon überzeugt, dass diese im Zeitraum 2013 bis Mai 2018 das ihr jeweils verschriebene Medikament eingenommen hat.

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung vor dem Senat ausgeführt, dass sie seit ca. Ende 2014 immer regelmäßig das Medikament Valsartan zur Behandlung ihres Bluthochdrucks eingenommen habe. Dabei habe sie morgens eine Tablette eingenommen. Im Falle eines höheren Blutdrucks habe sie jeweils abends eine zweite Tablette eingenommen. Dabei habe sie die Medikamente so eingenommen, wie sie sie von der Apotheke erhalten habe (s. S. 1 f. des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2021, Bl. 329 d. A.).

Die Angaben der Klägerin erscheinen dem Senat glaubhaft. Sie sind in sich stimmig und lebensnah. Der Detailgrad ihrer Angaben entspricht dem, was man nach dem Zeitablauf seit der Einnahme von einer wahrheitsgemäß aussagenden Auskunftsperson erwarten darf.

Im Übrigen geht sowohl aus dem Attest ihres Hausarztes (Bl. 71 f. d. A.) als auch aus der vorgelegten Verschreibungsliste (Bl. 110 d. A.) hervor, dass ihr ab dem 4. November 2013 Valsartan AbZ immer wieder verschrieben worden ist. Dass die Klägerin sich über mehrere Jahre hinweg das Medikament verschreiben lässt, dann aber jeweils nicht einnimmt, ist kaum vorstellbar (in diesem Sinne in einem insoweit vergleichbaren Fall auch OLG Brandenburg, Teilurteil vom 11.11.2009 - 13 U 73/07 -, MedR 2010, 789, 791), zumal es sich um ein wichtiges Medikament zur Einstellung des Blutdrucks gehandelt hat.

Soweit die Klägerin im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung vor dem Senat allerdings ausgeführt hat, sie habe das Präparat seit ca. Ende 2014 eingenommen, geht der Senat davon aus, dass der Klägerin bei ihrer Anhörung die zeitlichen Abläufe nicht mehr ganz genau vor Augen standen. Aus der zu den Akten gereichten Verschreibungsliste des behandelnden Arztes ergibt sich, dass dieser der Klägerin Valsartan AbZ erstmalig am 4. November 2013 verschrieben hat (Bl. 111 d. A.). Daher ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin das Präparat bereits Ende 2013 eingenommen hat, denn es fehlt jeder Anhalt dafür, dass die Klägerin das Präparat zunächst zwar ab dem 4. November 2013 mehrfach verschrieben bekommen, es jedoch gleichwohl zunächst nicht (sondern erst ab Ende 2014) angewendet haben könnte.

Soweit die Klägerin ausweislich der Verschreibungsliste sowohl am 28. Januar 2016 als auch am 31. Januar 2016 eine Medikamentenpackung mit jeweils 98 Stück verschrieben bekommen haben soll (Bl. 111 d. A.), hat die Klägerin erklärt, sie gehe davon aus, dass es sich um einen "Fehler im System" in dem Sinne handele, dass die frühere Verschreibung nicht gelöscht worden sei. Es bedarf keiner Entscheidung, ob diese Vermutung der Klägerin zutreffend ist. Entscheidend ist, dass diese Ungereimtheit der Verschreibungsliste jedenfalls keinen Anlass gibt, an der Glaubwürdigkeit der Klägerin oder der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen zu zweifeln.

Da der Senat aus den geschilderten Gründen davon überzeugt ist, dass die Klägerin das ihr verschriebene Präparat der Beklagten auch jeweils eingenommen hat, ist der von der Klägerin bereits in der ersten Instanz (und nun erneut) benannte Zeuge E - der Sohn und Hausarzt der Klägerin - nicht zu vernehmen.

Der in diesem Zusammenhang von der Beklagten erhobene Einwand, die Klägerin habe das Medikament nicht bestimmungsgemäß gebraucht, ist im Auskunftsverfahren unbeachtlich. Die Frage der bestimmungsgemäßen bzw. -widrigen Anwendung muss im Auskunftsverfahren nämlich grundsätzlich nicht geklärt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2506; OLG Brandenburg, Teilurteil vom 11.11.2009 - 13 U 73/07 -, MedR 2010, 789, 791; Spickhoff, in: ders. (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 84a AMG, Rdnr. 8).

b. Auf dieser tatsächlichen Grundlage besteht im Streitfall ein Auskunftsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG.

Nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft über die diesem bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie die ihm bekannt gewordenen Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sind, verlangen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat.

Wer nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG Auskunft begehrt, muss damit nach Halbsatz 1 zunächst in einem ersten Schritt Tatsachen darlegen und gegebenenfalls beweisen, die eine solche Annahme begründen können (s. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2503 m. w. N.). Diese Tatsachen müssen sodann in einem zweiten Schritt die Ursächlichkeit des Arzneimittels für den Schaden des Anwenders plausibel erscheinen lassen (s. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2504).

§ 84a AMG verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele. Zum einen bezweckt die Bestimmung die prozessuale Chancengleichheit, weil der Geschädigte in aller Regel den Weg des angewandten Arzneimittels von der ersten Forschung über die Erprobung bis zu dessen konkretem Herstellungsprozess nicht überschauen kann, während die pharmazeutischen Unternehmen - insbesondere zu Fragen etwaiger schädlicher Wirkungen und der Vertretbarkeit ihrer Arzneimittel - den jeweiligen Erkenntnisstand dokumentiert zur Verfügung haben (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2503; Ufer/Metzmacher, JR 2009, 95, 97; Willhöft/Dienemann, MedR 2010, 791, 792). Im Hinblick darauf hielt es der Gesetzgeber für angebracht, dem Geschädigten die zur Geltendmachung der ihm zustehenden Ansprüche notwendigen Tatsachen zugänglich zu machen, um ihn in die Lage zu versetzen, im Einzelnen zu prüfen, ob ihm ein Anspruch aus Gefährdungshaftung zusteht. Zum anderen soll der Auskunftsanspruch die beweisrechtliche Stellung des Geschädigten im Arzneimittelprozess stärken. Der Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, alle Fakten zu erlangen, die für die von ihm darzulegenden und zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen notwendig sind oder die er braucht, um die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG in Gang zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2503).

Dem Senat wird also von § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG eine Plausibilitätsprüfung aufgetragen, ob die vorgetragenen Tatsachen den Schluss auf eine Ursache/Wirkung-Beziehung zwischen dem vom auf Auskunft in Anspruch genommenen Unternehmer in Verkehr gebrachten Arzneimittel und dem individuellen Schaden des auskunftersuchenden Anwenders ergeben (s. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2503). Die Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung für die oder den Geschädigten sind dabei angemessen zu berücksichtigen (vgl. OLG Brandenburg, Teilurteil vom 11.11.2009 - 13 U 73/07 -, MedR 2010, 789, 790; BT-Drs. 14/7552, S. 20).

Unter welchen Voraussetzungen die vorgebrachten Tatsachen genügen, um die Annahme zu begründen, dass das fragliche Arzneimittel den Schaden verursacht hat, lässt der Wortlaut des § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG offen. In der Gesetzesbegründung wird immerhin eine Ober- und eine Untergrenze benannt: Danach soll ein bloßer unbestimmter Verdacht nicht ausreichen, andererseits dürfe aber auch nicht der volle Kausalitätsbeweis gefordert werden (s. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 14/7752, S. 20).

Mit Sinn und Zweck des § 84a AMG ist dabei eine Beweiserhebung zu Tatsachen, über die der Anspruchsteller erst durch Auskunftserteilung Klarheit erlangen soll, nicht vereinbar. Es wäre ein Widerspruch, einerseits für den Anspruchsteller die plausible Darlegung der ernsthaften Möglichkeit der Schadensverursachung für ein begründetes Auskunftsbegehren ausreichen zu lassen, andererseits bei entsprechendem Bestreiten durch den Anspruchsgegner die Anspruchsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs bereits im Auskunftsverfahren unter umfänglicher Erhebung von Beweisen zu prüfen, um bei entsprechendem Beweisergebnis die Auskunftsklage abzuweisen. Die Frage, über welche Tatsachen im Auskunftsverfahren Beweis zu erheben ist, kann jedoch nicht allgemein gültig und abstrakt beantwortet werden. Es muss im Auskunftsverfahren jedenfalls nicht Beweis erhoben werden über Tatsachen, die den Inhalt des Auskunftsanspruchs betreffen und auf deren Kenntnis der Auskunftbegehrende zur Prüfung möglicher Ansprüche angewiesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2504).

In Anlehnung an die Dogmatik zu § 287 ZPO ist eine begründete Annahme im Sinne des § 84a Abs. 1 AMG jedenfalls dann zu bejahen, wenn mehr für eine Verursachung der Rechtsgutsverletzung durch das Arzneimittel spricht als dagegen (überwiegende Wahrscheinlichkeit). Eine begründete Annahme liegt hingegen nicht mehr vor, wenn mehr gegen das Arzneimittel als Schadensursache spricht als dafür (im Ergebnis so etwa auch Franzki, in: Spickhoff (Hrsg.), beck-online.Großkommentar, Stand: 15.04.2021, § 84a AMG, Rdnr. 13; Brock/Stoll, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auf. 2016, § 84, Rdnr. 14).

Nach diesen Maßstäben besteht hier ein Auskunftsanspruch der Klägerin.

Zwar hat es die Klägerin im Streitfall nicht vermocht, den Vollbeweis zu führen, dass die von ihr eingenommenen Medikamente aus den Chargen stammten, die verunreinigt waren.

Ein solcher Vollbeweis ist jedoch nicht erforderlich. Gegen ein entsprechendes Erfordernis spricht zum einen, dass der Nachweis, aus welcher Charge ein verwendetes Medikament stammt, dem Durchschnittsverbraucher zumindest für die hier in Rede stehenden Zeiträume im Nachhinein kaum möglich ist (so auch OLG Brandenburg, Teilurteil vom 11.11.2009 - 13 U 73/07 -, MedR 2010, 789, 790, dort allerdings im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des § 84a AMG ratione temporis; das zum 9. Februar 2019 eingeführte und vom SecurPharm eV betriebene deutsche System zur Echtheitsprüfung von Arzneimitteln - s. dazu etwa Frohn/Schmidt, in: Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 3. Aufl. 2020, § 16, Rdnr. 227 - bestand in dem hier relevanten Zeitraum noch nicht). Würde man also - wie die Beklagte - verlangen, dass die Klägerin bereits im Rahmen der Auskunftsklage mit dem Beweismaß des § 286 Abs. 1 ZPO nachweist, dass sie Medikamente aus verunreinigten Chargen eingenommen hat, liefe § 84a AMG im Falle teilweise verunreinigter Chargen weitgehend leer. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten und dem Landgericht der Sache nach eingenommene Position, dieses Ergebnis sei nicht unbillig, weil die Klägerin es eben versäumt habe, bei jedem eingenommenen Medikament die auf der Packung nach den §§ 10 ff. AMG aufgedruckte Chargenbezeichnung zu notieren, ist nicht überzeugend. Dies macht wohl niemand; eine derartige Obliegenheit erscheint dem Senat auch nicht begründbar.

Im Übrigen spricht für die hier vertretene Auffassung noch der Gedanke, dass es nicht stimmig erscheint, dass die Beklagte damals einerseits "aus organisatorischen Gründen" alle Chargen und alle Packungsgrößen zurückgerufen hat, nunmehr aber von der Klägerin verlangt, dass diese die konkreten Chargennummern benennt.

Auch der Wortlaut des § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG ist für die hier vertretene Lösung offen, da darin lediglich von "Tatsachen" die Rede ist, "die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat". Gerade in den Fällen, in denen die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass die Patientin tatsächlich ein Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten hat, ist diese Annahme gut begründbar. Wenn beispielsweise von einem Medikament 100 Chargen produziert worden sind, von denen 95 kontaminiert sind, kann man bedenkenlos davon sprechen, dass Tatsachen (95 % Kontaminierungsquote) dafürsprechen, dass das Arzneimittel einen Schaden verursacht hat, wenn man einmal unterstellt, dass die Kontamination grundsätzlich geeignet ist, Gesundheitsschäden hervorzurufen und die Patientin tatsächlich entsprechend erkrankt ist.

Im Streitfall liegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin zumindest einmal ein Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten hat, bei ca. 97 %.

Bei der Berechnung dieser Quote ist zunächst von dem zwischen den Parteien unstreitigen Verhältnis zwischen kontaminierten und nicht kontaminierten Chargen auszugehen. Die so bestimmte Kontaminierungsquote liegt im hier relevanten Zeitraum bei 30,1 %.

Ausgehend von dieser Kontaminierungsquote lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der die Klägerin zumindest einmal das Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten hat.

Die Wahrscheinlichkeit für mindestens einen "Treffer" ist die Gegenwahrscheinlichkeit für gar keinen "Treffer". Es gilt also: x = 1 - (1 - p) n.

Dabei steht p für die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses und n für die Anzahl der Durchführungen. Auf der Grundlage der vorliegenden Zahlen (Kontaminierungsquote von 0,301; 10 Verschreibungen) lautet die Rechnung also:

x = 1 - (1 - 0,30110) = 0,972.

Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin zumindest einmal ein Medikament der Beklagten aus einer kontaminierten Charge erhalten hat, bei 97,2 % liegt. Selbst die Wahrscheinlichkeit für mindestens zwei "Treffer" - also dafür, dass die Klägerin zumindest zweimal das Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten hat - liegt noch bei ca. 85 %.

Zwar basiert diese Berechnung auf der (vereinfachenden) Annahme einer einheitlichen Betrachtung des Zeitraumes vom 1. Januar 2013 bis zum 28. Februar 2016 und verzichtet daher darauf, die Kontaminierungsquote getrennt für einzelne Zeitabschnitte in diesem Zeitraum (nach entsprechendem Vortrag der Parteien) zu bestimmen, aus der dann für die einzelnen Verschreibungszeitpunkte (Einzel-)Wahrscheinlichkeiten berechnet werden könnten. Es erscheint dem Senat jedoch ausgeschlossen, dass eine derartige kleinteiligere Vorgehensweise zu grundlegend anderen Ergebnissen gelangen würde.

Damit liegen im Streitfall "Tatsachen" im Sinne des § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG vor, welche die Annahme begründen, dass das Arzneimittel der Beklagten einen Gesundheitsschaden der Klägerin verursacht hat, nämlich die unstreitige Kontamination der Chargen des Wirkstoffherstellers A Co. Limited, die sogar im Rückruf erwähnte Einstufung von N-Nitrosodiethylamin (NDEA) als "wahrscheinlich krebserregend beim Menschen" durch die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO sowie die überaus hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin zumindest einmal ein Medikament der Beklagten aus einer kontaminierten Charge erhalten hat. Dass bei der Klägerin im Mai 2016 ein Mammakarzinom links festgestellt wurde, ist im zweiten Rechtszug zwischen den Parteien nicht mehr streitig (s. etwa S. 15 der Berufungserwiderung, Bl. 224 d. A., und die S. 4 f. des Anwaltsschriftsatzes der Beklagten vom 10. August 2021) und im Übrigen durch das ärztliche Attest des D vom 5. April 2019 (Bl. 71 d. A.) zur Überzeugung des Senats bewiesen.

Diesem Ergebnis steht auch nicht der von der Beklagten in Kopie vorgelegte Fachaufsatz mit dem Titel "N-Nitrosodimethylamin-kontaminiertes Valsartan und Krebsrisiko: Eine longitudinale Kohortenstudie mit deutschen Krankenkassendaten" von Willy Gomm u. a. (Deutsches Ärzteblatt 118 (2021), 357 ff., s. Bl. 297 ff. d. A.) entgegen. Die Autoren dieser Arbeit gelangen zu dem Ergebnis, es habe sich im Rahmen ihrer Studie keine Assoziation zwischen der Exposition mit NDMA-kontaminiertem Valsartan und dem Krebsrisiko insgesamt gezeigt. Allerdings habe sich eine statistisch signifikante Assoziation zwischen der Exposition mit NDMA-kontaminiertem Valsartan und Leberkrebs gefunden. Daraus ziehen sie den Schluss, dass die Einnahme von NDMA-kontaminiertem Valsartan mit einer geringen Erhöhung des Risikos für Leberkrebs assoziiert sei; eine Assoziation mit dem Krebsrisiko insgesamt sei jedoch nicht gefunden worden. Eine sorgfältige Beobachtung potenzieller Langzeiteffekte durch NDMA-kontaminiertes Valsartan erscheine sinnvoll.

Ob diese auf die Frage eines etwaigen statistischen Zusammenhangs ausgerichtete Studie jedoch den Schluss trägt, dass die Exposition der Klägerin mit NDMA-kontaminiertem Valsartan nicht kausal für ihre Brustkrebserkrankung gewesen sein kann oder eine solche Kausalität zumindest unwahrscheinlich ist, vermag der Senat ohne Heranziehung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht zu beurteilen. Die Einholung eines entsprechenden Gutachtens hat nach den oben erläuterten Maßstäben jedoch nicht bereits im Rahmen der Entscheidung über die Auskunftsklage zu erfolgen.

Entsprechendes gilt in Bezug auf die von der Beklagten vorgelegte Studie mit dem Titel "Use of N-nitrosodimethylamine (NDMA) contaminated valsartan products and risk of cancer: Danish nationwide cohort study" (BMJ 2018, 362 ff., Bl. 311 ff. d. A.).

Auch der von der Beklagten betonte Umstand, dass bei der Klägerin bereits im Jahr 2011 eine Brustkrebserkrankung aufgetreten war, spricht nicht gegen die Einschätzung des Senats, dass "Tatsachen" im Sinne des § 84 Abs. 1 Satz 1 AMG vorliegen, welche die Annahme begründen, dass das Arzneimittel der Beklagten einen Gesundheitsschaden der Klägerin verursacht hat. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass bei der Klägerin insoweit eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit für ein entsprechendes Karzinom bestünde, lässt sich daraus für die Frage der Kausalität einer Exposition der Klägerin mit NDMA-kontaminiertem Valsartan für ihre im Mai 2016 festgestellte Brustkrebserkrankung kein sicherer Schluss ziehen. Auch im vorliegenden Zusammenhang gilt der Satz, dass der (mutmaßliche) Schädiger den Geschädigten so nehmen muss, wie er ist (vgl. etwa Medicus, VersR 1981, 593, 602 f.). Der (mutmaßliche) Schädiger kann sich also nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte wegen einer entsprechenden Disposition besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.07.2012 - VI ZR 127/11 -, NJW 2012, 2964). Dass im Rahmen des § 84 Abs. 2 AMG dem gesundheitlichen Zustand der Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung des Medikaments Bedeutung zukommt, ist für die Entscheidung des Senats über die Auskunftsklage der Klägerin ohne Belang.

Darüber hinaus ist der Auskunftsanspruch der Klägerin auch nicht nach § 84a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Erforderlichkeit ausgeschlossen.

Die Erforderlichkeit der Auskunft im Sinne des § 84a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist grundsätzlich bereits dann gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte der Feststellung eines Schadensersatzanspruchs dienen können; sie fehlt, wenn die begehrte Auskunft nicht geeignet ist, die beweisrechtliche Stellung des Anspruchstellers in Bezug auf einen solchen Schadensersatzanspruch zu stärken. Die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erforderlichkeit trifft dabei den pharmazeutischen Unternehmer (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 63/14 -, NJOZ 2015, 1319, 1321).

Dass hier mit der begehrten Auskunft in Bezug auf die Feststellung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs aus § 84 AMG ein Mehrwert für die Klägerin nicht verbunden ist, ist offensichtlich nicht begründbar. Ob die Auskunft der Beklagten die beweisrechtliche Stellung der Klägerin in Bezug auf einen etwaigen Schadensersatzanspruch zu stärken vermag, kann im Streitfall erst dann beurteilt werden, wenn die Beklagte die Auskunft erteilt hat.

Soweit die Beklagte den Erfüllungseinwand erhoben hat, ist dieser offensichtlich unbegründet. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie der Klägerin Auskunft über alle der Beklagten bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und die ihr bekannten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des von der Beklagten vertriebenen Medikaments Valsartan AbZ von Bedeutung sein können, erteilt hat.

c. Bei der Tenorierung des Auskunftsanspruchs ist gemäß den §§ 525 Satz 1, 308 Abs. 1 ZPO dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Klägerin ihren Antrag gegenüber der Fassung des § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG enger gefasst hat ("soweit diese Krebserkrankungen, Luftnot, Druck bzw. Engegefühl im Brustraum betreffen"). Soweit der Tenor des Senats von dem entsprechenden Antrag der Klägerin teilweise abweicht, handelt es sich nicht um eine teilweise Abweisung des Klageantrags, sondern vielmehr um redaktionelle Klarstellungen zur besseren Verständlichkeit des Tenors.

d. Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 10. August 2021 gab keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Ein Teilurteil enthält wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung, nach dem (erst) in der Instanz beendenden Entscheidung einheitlich über sämtliche Kosten der Instanz entschieden wird (vgl. BGH, Beschluss vom 04.01.1963 - V ZB 19/62 -, NJW 1963, 583, 584; Elzer, JuS 2000, 699, 701), grundsätzlich keine Kostenentscheidung. Die Kostenentscheidung ist vielmehr grundsätzlich der abschließenden Endentscheidung - dem Schlussurteil - vorbehalten (vgl. etwa Feskorn, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 301, Rdnr. 21). Es erscheint nicht angemessen, im vorliegenden Fall von diesem Grundsatz abzuweichen.

3. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. § 713 ZPO findet im Streitfall deswegen Anwendung, weil der Wert der Beschwer € 20.000,00 zweifelsfrei nicht übersteigt (vgl. etwa die Wertfestsetzung in dem Fall BGH, Beschluss vom 11.03.2020 - VII ZR 187/19 -, juris). Vollstreckungsschutz im Sinne des § 712 ZPO ist der Beklagten nicht zu gewähren, weil diese nicht dargelegt hat, dass die Vollstreckung ihr einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringt.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache. Die maßgeblichen Rechtsfragen hingegen sind allesamt höchstrichterlich geklärt (s. insbesondere etwa BGH, Urteil vom 12.05.2015 - VI ZR 328/11 -, NJW 2015, 2502, 2504).

Die Zulassung der Revision ist im Streitfall auch nicht zur "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 - V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 - V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 - 15 U 127/13 -, juris). Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im Streitfall nicht statt.