OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16.02.2021 - 21 W 165/20
Fundstelle
openJur 2021, 26458
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) und 4) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Mai 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 3) und 4) tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner, die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) jeweils zur Hälfte. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Der Geschäftswert des Berufungsverfahrens wird auf 90.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die am XX.XX.2018 verstorbene Erblasserin war mit dem am XX.XX.2007 vorverstorbenen Vorname1 Nachname1 verheiratet. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Bei den Beteiligten zu 3) und 4) handelt es sich um die Nichte und den Neffen des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1) war als Haushaltshilfe bei der Erblasserin beschäftigt, ihr Ehemann, der Beteiligte zu 2), erledigte häufiger unter anderem Gartenarbeiten für die Erblasserin. Beide Beteiligte lebten in den letzten Jahren gemeinsam mit der Erblasserin in einem von dieser auf die vorgenannten Beteiligten im Jahr 2010 (Bl. 49 ff. d. A.) im Wege der Schenkung übertragenen Haus.

Im Jahr 1967 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann ein gemeinschaftliches, notarielles Testament. Hierin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben, wobei hinsichtlich des Inhalts im Einzelnen auf Bl. 11 f. d. A. verwiesen wird.

Vorstehendes Testament ergänzten die Eheleute am 12. April 1997 handschriftlich. Hierin heißt es unter anderem wörtlich:

Der letzte Alleinerbe Frau Vorname2 Nachname1 oder Herr Vorname1 Nachname1 soll zu Hause gepflegt werden. Entweder durch eine Pflegekraft, die aus dem verfügbaren Geld bezahlt wird, oder dass die Pflege von den als Erben von uns jetzt eingesetzten Personen

1) Vorname3 Nachname2, geb. Nachname1

2) Vorname4 Nachname1

übernommen wird.

Hinsichtlich des Textes der letztwilligen Verfügung im Übrigen wird auf Bl. 24 f. d. A. Bezug genommen.

Ferner hat das Nachlassgericht ein lediglich in Kopie vorliegendes, handschriftliches Schriftstück der Erblasserin vom 30. Dezember 2010 eröffnet. Darin heißt es, dass die Erblasserin die Beteiligten zu 1) und 2) als ihre Erben einsetze, wobei insoweit auf Bl. 26 d. A. verwiesen wird.

Nach dem Tod der Erblasserin haben zunächst die Beteiligten zu 1) und 2) einen gemeinschaftlichen Erbschein zu ihren Gunsten beantragt und sich dabei auf die letztwillige Verfügung vom 30. Dezember 2010 berufen (Bl. 5 ff. d. A.). Sodann haben die Beteiligten zu 3) und 4) einen gemeinschaftlichen Erbschein zu ihren Gunsten beantragt und sich ihrerseits auf die letztwillige Verfügung der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 12. April 1997 gestützt (Bl. 61 f. d. A.).

Das Nachlassgericht hat die Zeugin Nachname3 vernommen, wobei hinsichtlich des Inhalts deren Aussage auf Bl. 132 ff. d. A. verwiesen wird. Sodann hat das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) und 4) zurückgewiesen sowie den Erlass des von den Beteiligten zu 1) und 2) beantragten Erbscheins in Aussicht gestellt (Bl. 173 ff. d. A.). Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Erbfolge richte sich nach dem zuletzt von der Erblasserin errichteten Testament. Dieses sei wirksam. Von der Errichtung der letztwilligen Verfügung seitens der Erblasserin sei das Gericht aufgrund der vorliegenden Kopie sowie der glaubwürdigen Aussage der Zeugin Nachname3 überzeugt. Demgegenüber könne nicht festgestellt werden, dass die Erblasserin im späteren Verlauf das Originaltestament vernichtet habe, auch wenn dieses nicht nach dem Tod der Erblasserin habe aufgefunden werden können. Ferner stehe der Wirksamkeit nicht die gemeinschaftliche Verfügung der Eheleute aus dem Jahr 1997 entgegen. Eine Wechselbezüglichkeit der dort enthaltenen Schlusserbeneinsetzung habe nicht festgestellt werden können.

Gegen die ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 18. Mai 2020 (Bl. 180 d. A.) zugestellte Entscheidung haben die Beteiligten zu 3) und 4) mit am 15. Juni 2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz (Bl. 194 f. d. A.) Beschwerde eingelegt. Sie sind der Auffassung, der Entscheidung stehe bereits entgegen, dass die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 30. Dezember 2010 nur in Kopie vorgelegt werden konnte. Zu Unrecht sei das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass die Erblasserin das Testament nicht nachträglich vernichtet habe. Die Erblasserin sei sehr ordnungsliebend und gründlich gewesen. Zudem habe sie gegenüber der Zeugin Nachname3 ausdrücklich gesagt, sie werde das Testament gut aufheben. Entsprechend sei es ausgeschlossen, dass es nicht gefunden worden wäre, wenn es die Erblasserin nicht vernichtet hätte, zumal die Erblasserin gegenüber der Beteiligten zu 3) und ihrem Ehemann sinngemäß geäußert habe, sie wisse, wer ihre Familie sei und beide müssten sich keine Sorgen machen. Ferner stünde der Wirksamkeit des zeitlich letzten Testaments die Wechselbezüglichkeit der vorangegangenen Schlusserbeneinsetzung entgegen. Diese ergebe sich unter anderem daraus, dass es sich bei ihnen um Nichte und Neffen des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin handele. Hinzu komme, dass die Beteiligte zu 3) mit ihrem Ehemann im Jahr 1994 auf dem Nachbargrundstück der Erblasserin und ihres Mannes gebaut hätten und die Erblasserin und ihr Ehemann in diesem Zusammenhang geäußert hätten, es bliebe ja alles in der Familie. Das Verhältnis zu den Eheleuten sei sehr freundschaftlich gewesen und man habe zahlreiche Pflegeleistungen zugunsten beider erbracht.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 229 d. A.).

Ergänzend wird auf den Vortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sowie die eingereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

Der zulässigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Erbfolge auf das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 30. Dezember 2010 gestützt.

1. Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde der Beteiligten 3) und 4) ist zulässig und insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Nachlassgericht eingegangen, § 63 FamFG. Zudem sind die Beteiligten zu 3) und 4) als Antragsteller beschwerdebefugt (vgl. Keidel/Meyer - Holz, FamFG, 2020, § 59 Rn 78).

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Zu Recht und mit ebenso zutreffender wie überzeugender Begründung hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten 3) und 4) zurückgewiesen und die für die Erteilung des von den Beteiligten zu 1) und 2) erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Auch der Senat ist überzeugt davon, dass sich die Erbfolge nach dem Testament der Erblasserin vom 30. Dezember 2010 richtet, in dem die Erblasserin die Beteiligten zu 1) und 2) zu ihren Erben zu jeweils ½ eingesetzt hat, weswegen dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) und 2) zu entsprechen und der gegenläufige Antrag der Beteiligten zu 3) und 4) zurückzuweisen war.

a) Ebenso wie das Nachlassgericht ist der Senat der Überzeugung, dass das vorgenannte Testament von der Erblasserin errichtet wurde. Dies folgt aus der zu den Akten gereichten Kopie, der glaubwürdigen Aussage der Zeugin Nachname3, die bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung vom 30. Dezember 2010 zugegen war, sowie dem Umstand, dass das Testament dem anderweitig gegenüber der Zeugin bekundeten Willen der Erblasserin entsprach. Dementsprechend ziehen auch die Beteiligten zu 3) und 4) die Errichtung des Testaments durch die Erblasserin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht weiter in Zweifel.

b) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3) und 4) lässt sich aber nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass die letztwillige Verfügung im Nachhinein von der Erblasserin vernichtet und damit widerrufen wurde, wobei etwaige verbleibende Zweifel zulasten der Beteiligten zu 3) und 4) gehen, da sie sich auf den Widerruf des Testaments berufen (vgl. OLG München NJW-RR 2020, 390, zit. nach juris Rn. 16. f.; Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2255 Rn. 11). Zwar spricht der Umstand, dass das Testament nach dem Tod der Erblasserin nicht aufgefunden werden konnte, ebenso wie die außerordentliche Ordnungsliebe und Gewissenhaftigkeit der Erblasserin für eine Vernichtung der letztwilligen Verfügung. Auch vermag die von den Beteiligten zu 1) und 2) ins Feld geführte Erklärung, das Testament sei bei dem späteren Einbruch im Haus der Erblasserin zusammen mit der Kassette, in der die Erblasserin wichtige Dokumente aufbewahrt habe, abhandengekommen, nicht zu überzeugen, da sich die besagte Kassette dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beteiligten zu 3) und 4) zufolge noch im Nachlass der Erblasserin befand. Jedoch liegen zwischen der Errichtung und dem Versterben der Erblasserin acht Jahre. Dies ist ein Zeitraum, in dem es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Dokument - auch ein wichtiges - nicht mehr aufgefunden werden kann, zumal die zwar ordnungsliebende Erblasserin damals bereits über 80 Jahre alt war und mehrere Krankenhausaufenthalte hinter sich bringen musste. Darüber hinaus ist kein überzeugender Anhaltspunkt ersichtlich, dass die Erblasserin in der Zeit nach der Errichtung des Testaments ihre Erbfolge grundlegend anders regeln wollte. Hierzu hat auch die Zeugin Nachname3 keine entsprechenden Angaben gemacht. Zudem wäre es zumindest naheliegender gewesen, statt lediglich die Verfügung vom 30. Dezember 2010 zu vernichten, ein anderslautendes Testament zu verfassen und hierdurch einen Widerruf der Verfügung herbeizuführen. Dem steht die von den Beteiligten zu 3) und 4) behauptete Bemerkung der Erblasserin, sie müssten sich keine Sorgen machen, nicht entgegen, da es durchaus nicht ungewöhnlich ist, dass insbesondere ältere Menschen gegenüber ihnen (gegebenenfalls ehemals) nahestehenden Personen über ihre letztwilligen Verfügungen keine wahrheitsgemäße Auskunft erteilen.

Letztlich sieht der Senat keine Möglichkeit, den Sachverhalt insoweit mit der erforderlichen Gewissheit zu klären. Dies geht zulasten der Beteiligten zu 3) und 4), zumal - worauf bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat - es keine Vermutung dafür gibt, dass ein Erblasser eine nicht auffindbare Urkunde vernichtet hat (vgl. Palandt/Weidlich, BGB; 2021, § 2255 Rn. 11 mwNachw).

c) Ferner steht der Wirksamkeit der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) auch nicht die vorangegangene Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 3) und 4) in dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom 12. April 1997 entgegen. Zutreffend weisen die Beteiligten zu 3) und 4) zwar daraufhin, dass gemäß § 2270 BGB im Fall wechselseitiger Verfügungen der Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament der überlebende Ehegatte diese Verfügung nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr abändern kann, sofern der Längstlebende - wie die Erblasserin - das ihr Zugewendete angenommen hat. Ebenso wie das Amtsgericht ist der Senat aber überzeugt, dass die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 3) und 4) nicht wechselbezüglich in dem vorgenannten Sinne war.

Wechselbezüglich sind diejenigen Verfügungen, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte, bei denen also aus dem Zusammenhang des Motivs heraus eine innere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verfügungen derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll (vgl. BayObLG FGPrax 2005, 164, zit. nach juris Rn. 24; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 307, zit. nach juris Rn. 32; Palandt/Weidlich, BGB; 2021, § 2270 Rn. 1).

An den vorstehenden Grundsätzen gemessen ist nicht erkennbar, dass der Ehemann der Erblasserin deren Schlusserbeneinsetzung von den Beteiligten zu 3) und 4) mit einer eigenen Verfügung in dem vorgenannten Sinne verknüpft hätte.

Dass etwa die Schlusserbeneinsetzung von den Beteiligten zu 3) und 4) seitens des Ehemanns mit deren Schlusserbeneinsetzung seitens der Erblasserin stehen und fallen sollte, ist nicht im Entferntesten erkennbar und wird von den Beschwerdeführern auch nicht behauptet. Die Beteiligten zu 3) und 4) hatten ihrem, von der Zeugin Nachname3 im Kern bestätigten Vortrag zufolge zwar jedenfalls bis zu dem Tod des Ehemanns der Erblasserin ein durchaus herzliches Verhältnis zu den Eheleuten. Dass aber der Ehemann die Beteiligten zu 3) und 4) nicht als Schlusserben eingesetzt hätte, sofern es die Erblasserin nicht bei ihrer ursprünglichen Schlusserbeneinsetzung belassen hätte, ist nicht erkennbar. Im Gegenteil spricht das Verwandtschaftsverhältnis zu dem vorverstorbenen Ehemann eher dagegen, dass der Ehemann auch bei einer geänderten Schlusserbeneinsetzung der Erblasserin es bei der von ihm verfügten Schlusserbeneinsetzung belassen hätte.

Entsprechend kommt ernsthaft nur eine Wechselbezüglichkeit zu der Alleinerbeneinsetzung der Erblasserin durch deren Ehemann in Betracht. In diesem Zusammenhang weisen die Beteiligten zu 3) und 4) zwar zu Recht darauf hin, dass im Zweifelsfall die Rechtsprechung auf der Grundlage der gesetzlichen Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB eine Wechselbezüglichkeit mit Blick auf die dem Ehepartner eingeräumte Alleinerbenstellung annimmt, sofern es sich - wie vorliegend - bei den eingesetzten Schlusserben um Verwandte des erstverstorbenen Ehegatten handelt (vgl. KG OLGZ 1993, 398, zit. nach juris Rn. 9; Palandt/Weidlich, BGB, 2021, § 2270 Rn. 7).

Allerdings handelt es sich nur um eine Vermutungsregel, die aufgrund der besonderen Situation der hier gegebenen Testamentserrichtung den vorliegenden Fall nicht erfasst (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 9. Januar 2018 - 3 U 17/17, juris). Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Eheleute sich bereits im Jahr 1967 in einem eigenständigen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Die damalige Alleinerbeneinsetzung haben sie in keiner Weise von einer Schlusserbeneinsetzung abhängig gemacht. Vielmehr erfolgte die Alleinerbeneinsetzung des jeweils anderen Ehepartners völlig unabhängig davon, wer in der Erbfolge nach dem Längstlebenden zum Zuge käme.

Der Senat kann keinen Anhalt dafür erkennen, das die damalige gegenseitige Erbeinsetzung 30 Jahre später nachträglich von einer Schlusserbeneinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 3) und 4) abhängig gemacht worden ist. Der Wortlaut der Verfügung vom 12. April 1997 bietet dafür keinen Anhaltspunkt. Vielmehr haben die Eheleute vom Wortlaut her das damalige Testament nur "ergänzt" um die Schlusserbeneinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 3) und 4), ohne eine Qualifizierung der damaligen Alleinerbeinsetzung wenigstens anzudeuten oder die Erbeinsetzung auch nur erneut ausdrücklich zu benennen oder wenigstens eine räumliche Verknüpfung beider Testamente herbeizuführen (vgl. dazu OLG Schleswig, Urteil vom 9. Januar 2018 - 3 U 17/17, juris Rn. 82 f.).

Im Gegenteil spricht der Wortlaut gegen eine nachträgliche Verknüpfung der Alleinerbeinsetzung mit der nunmehr vorgenommenen Schlusserbeneinsetzung. Denn der Wortlaut legt die Sicherstellung der Pflege beider Eheleute zu Hause als Motivation der Benennung der beiden Schlusserben nahe. Zwar ist den Beteiligten zu 3) und 4) zuzugeben, dass ihre Schlusserbeneinsetzung nicht an die Bedingung der Pflege geknüpft war. Dies steht einer Motivation der häuslichen Pflege für die Berufung zum Schlusserben aber ebenso wenig entgegen wie der von den Beteiligten zu 3) und 4) behauptete Umstand, dass eine Pflegebedürftigkeit der damals bereits über 70zigjährigen Eheleute trotz des frühen Schlaganfalls des Ehemanns der Erblasserin noch nicht akut war. Letztlich bestätigt auch die Beteiligte zu 3) selbst im Rahmen ihrer mit Schriftsatz vom 30. April 2019 eingereichten Erklärung den bestehenden Zusammenhang zwischen der Pflege der Eheleute und der Schlusserbeneinsetzung (Bl. 128 d. A.). Ist aber die häusliche Pflege und Versorgung beider Eheleute wesentliches Motiv für die Schlusserbeneinsetzung, ist eine unmittelbare Verknüpfung der Schlusserbeneinsetzung gerade der Beteiligten zu 3) und 4) als Verwandte des Ehemanns mit der 30 Jahre zuvor eingeräumten Alleinerbenstellung der Erblasserin unplausibel.

Gegen eine (nachträglich) vereinbarte, einseitige Wechselbezüglichkeit spricht ebenfalls die familiäre Situation der Eheleute. So ist es bei kinderlosen Ehepartnern häufig der Fall, dass diese sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und es ihnen gerade hierauf ankommt. Diesem üblichen Verhalten entsprechend haben sich die Eheleute im Jahr 1967 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Hieran hat sich im Lauf der Jahre nichts grundlegend geändert. Zwar war der Beteiligte zu 4) im Jahr 1967 noch nicht geboren und die Beteiligte zu 3) noch sehr jung. Nähere Verwandte des Ehegatten der Erblasserin lebten aber bereits damals, so dass eine grundlegende Änderung der familiären Situation nicht zu verzeichnen ist.

Entsprechend wenig überzeugend ist die Behauptung der Beteiligten zu 3), der Ehemann der Erblasserin habe nicht gewollt, dass das Haus in die Hände von Nicht-Familienmitgliedern komme (vgl. Bl. 131 d. A.), zumal - wie der spätere Verlauf tatsächlich gezeigt hat - diese Entwicklung ohnehin nicht durch eine Schlusserbeneinsetzung seiner Verwandten hätte verhindert werden können, vielmehr die Erblasserin das Haus noch zu Lebzeiten auf die Beteiligten zu 3) und 4) übertragen hatte.

Letztlich lässt sich im Wege der Auslegung nach den §§ 133, 2084 BGB nicht feststellen, dass die zunächst ohne Rücksicht auf die spätere Verfügung getroffene gegenseitige Erbeinsetzung durch das spätere Testament in der Weise modifiziert wurde, dass sie nunmehr nur noch mit Rücksicht auf die Schlusserbeneinsetzung der Erblasserin im späteren Testament gelten sollte, der früheren gegenseitigen Erbeinsetzung also nachträglich eine zusätzliche, den überlebenden Ehepartner einschränkende Bedingung im Sinne von Wechselbezüglichkeit beigefügt worden ist (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 9. Januar 2018 - 3 U 17/17, juris). Dann aber verbleibt es bei ursprünglich unbedingten Einsetzung der Erblasserin als Alleinerbin ihres Mannes und damit auch bei fortbestehenden Möglichkeit der Erblasserin, nach dem Tod ihres Ehemannes eine (geänderte) Erbeinsetzung vorzunehmen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Da die Beteiligten zu 3) und 4) mit ihrem Rechtsmittel unterlegen sind, sind ihnen mangels entgegenstehender besonderer Umstände die Gerichtskosten aufzuerlegen. Ferner haben sie die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) zu tragen.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Folglich ist kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats gegeben.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 61, 40 GNotKG. Sie richtet sich gemäß § 61 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert der Interessen, denen das Rechtsmittel ausweislich des Antrags der Beschwerdeführer dient. Ziel des Antrags der Beteiligten zu 3) und 4) ist die Erteilung des von ihnen beantragten gemeinschaftlichen Erbschein sowie - insoweit nicht werterhöhend - die hiermit gleichgerichtete Zurückweisung des entgegenstehenden Antrags der Beteiligten zu 1) und 2). Damit ist für den Geschäftswert auch des Beschwerdeverfahrens die spezielle Regelung betreffend das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins in § 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG heranzuziehen, wonach maßgeblich der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls ist, von dem nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abgezogen werden. Den Wert des Nachlasses bemisst der Senat auf der Grundlage der Angaben der Beteiligten zu 1) und 2) (Bl. 7 d. A.) auf etwa 90.000 €. Daraus ergibt sich der im Tenor festgesetzte Beschwerdewert.

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