OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.08.2021 - 6 S 18/21
Fundstelle
openJur 2021, 26453
  • Rkr:

1. Eine fachliche Ausbildung als Voraussetzung für die Betreuung Minderjähriger ist von § 45 SGB VIII grundsätzlich nicht vorgeschrieben.

2. Will die zuständige Behörde die Erteilung der Erlaubnis nach § 45 SGB VIII von weiteren materiellen Voraussetzungen - wie etwa einer bestimmten pädagogischen Ausbildung o. ä. - abhängig machen, muss sie sich hierfür mit Blick auf die berufsregelnde Tendenz solcher Erfordernisse auf entsprechende gesetzliche Bestimmungen berufen können.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. Juni 2021 wird geändert. Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, der Antragstellerin eine Erlaubnis nach § 45 SGB VIII zum Betrieb einer Einrichtung in Form einer Erziehungsstelle mit innewohnender Fachkraft bei Frau M... zu erteilen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Gründe

Die Antragstellerin ist eine freie Trägerin der Jugendhilfe. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht ihren Antrag abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr die im Tenor genannte Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII zu erteilen. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Beschwerde.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Antragstellerin hat mit ihrem insoweit allein maßgeblichen Vorbringen im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (dazu unter 1.) sowie eines Anordnungsgrundes (dazu unter 2.) hinreichend glaubhaft gemacht. Das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache steht der begehrten einstweiligen Anordnung ausnahmsweise nicht entgegen (dazu unter 3.).

1. Der Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung der Betriebserlaubnis ergibt sich aus § 45 SGB VIII. Gemäß Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift bedarf der Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten für den Betrieb der Einrichtung der Erlaubnis. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Letzteres ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt sind (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB VIII). Liegen die Voraussetzungen vor, so besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis ("ist zu erteilen"). Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung, deren Erlass nicht im Ermessen der Erlaubnisbehörde steht (VGH München, Beschluss vom 2. Juli 2017 - 12 CE 17.71 -, BayVBl. 2018, S. 96 ff., Rn. 30 bei juris m.w.N.).

Maßgebliches Entscheidungskriterium für die Erlaubniserteilung ist demnach die Gewährleistung des Kindeswohls. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der voller verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt, ohne dass der Verwaltungsbehörde ein kontrollfreier Beurteilungsspielraum eröffnet wäre. Gleiches gilt hinsichtlich der im § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB VIII im Einzelnen normierten (weiteren) Gewährleistungskriterien (VGH München, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.).

Dass der Betrieb der von der Antragstellerin beabsichtigten Einrichtung eine Gefährdung des Wohls der dort unterzubringenden Kinder oder Jugendlichen befürchten ließe, ist nicht ersichtlich.

Die Antragstellerin begehrt die streitige Erlaubnis ausweislich ihrer Kurzbeschreibung für eine sozialpädagogische Einzelbetreuung gemäß § 27 in Verbindung mit § 35, § 35a und § 41 SGB VIII durch Frau M.... Es sollen männliche und/oder weibliche Jugendliche und/oder junge Volljährige betreut werden, die aufgrund ihrer Entwicklung und ihrer Symptomatik (häufiges Weglaufen, mangelnde Regelakzeptanz, Delinquenz und Verweigerung oder seelische Behinderung) individualpädagogischer Betreuung bedürfen. Hierzu wird die zu betreuende Person im Haushalt der Frau K... untergebracht und in die Familiengemeinschaft möglichst integriert.

Umstände, die Zweifel an der Eignung der Frau K... für den Betrieb der Einrichtung begründen, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin trägt insoweit vor, Frau K... habe die fragliche Tätigkeit bereits über viele Jahre auf Grundlage für die jeweiligen Träger der Einrichtung erteilter Erlaubnisbescheide nach § 45 SGB VIII ausgeübt. Sie hat hierzu die Kopie einer vom Antragsgegner erteilten Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung gemäß § 45 SGB VIII vom 11. Februar 2016 vorgelegt. Daraus ist ersichtlich, dass für die "Projektstelle K..." eine Einzelbetreuung in deren Haushalt genehmigt wurde. Sie hat außerdem eine Beschreibung der Individualbetreuungen vorgelegt, die von Frau K... seit 2001 erbracht wurden. Danach hat sie in den Jahren 2001 bis 2003 eine weibliche Jugendliche betreut, die Opfer häuslicher Gewalt geworden war, Missbrauchserfahrung und eine frühkindliche Bindungsstörung hatte sowie den Schulbesuch verweigerte. In den Jahren 2003 bis 2011 habe sie zwei männliche Jugendliche im Alter von 15 und 17 Jahren und zwei weibliche Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren betreut. Alle diese Jugendlichen hätten die Schule verweigert, regelmäßig Drogen konsumiert und seien daraus resultierend in polizeiliche Anzeigen und Gerichtsverfahren involviert gewesen. Sie hätten aufgrund der Verwahrlosung in ihren Ursprungsfamilien an Bindungsstörungen gelitten. In der Zeit von Juli 2011 bis Juni 2018 habe sie ein Mädchen betreut, das im Zeitpunkt der Aufnahme sechs Monate alt und frühkindlich traumatisiert gewesen sei. Von Mai bis November 2012 habe sie einen männlichen Jugendlichen im Alter von 16 Jahren betreut, der regelverletzendes Verhalten gezeigt, Probleme mit der Justiz gehabt, Drogen konsumiert und den Schulbesuch verweigert habe. Von März 2013 bis März 2014 habe sie einen männlichen Jugendlichen im Alter von 17 Jahren betreut. Dieser habe an einer frühkindlichen Bindungsstörung gelitten und massive Verhaltensauffälligkeiten wie Drogenkonsum, Schulverweigerung, aggressives Verhalten, Impulsdurchbrüche, geringe Frustrationstoleranz, aber auch Verlustängste gezeigt. Weiter hat die Antragstellerin zwei Zeugnisse über Frau K... Betreuungstätigkeit vorgelegt, in denen ihr vom jeweiligen Einrichtungsträger eine Tätigkeit als Einzelbetreuerin im Zeitraum November 2002 bis Januar 2004 (Zeugnis der Antragstellerin) und vom 27. Juli 2011 bis zum 6. Juni 2018 (Arbeitszeugnis des Trägers I... vom 20. Juni 2018) bescheinigt wird. Angaben, die Zweifel an Frau K... Eignung für die beabsichtigte Betreuungstätigkeit annehmen lassen, enthalten die Zeugnisse nicht. Der Antragsgegner tritt dieser Darstellung nicht entgegen, sondern bestätigt sie mittelbar, indem er mit Schriftsatz vom 25. Januar 2021 auf wiederholt erteilte Betriebserlaubnisse für die "Erziehungsstelle K..." Bezug nimmt. Die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2020 im erstinstanzlichen Verfahren angeführten Vorkommnisse rechtfertigen keine andere Einschätzung. Dies gilt zum Einen, weil der Antragsgegner die Vorkommnisse offenbar selbst nicht für relevant hält, denn der Versagungsbescheid vom 24. Juni 2020 ist hierauf nicht gestützt. Zum Anderen dürften sich Eignungszweifel darauf nicht (mehr) stützen lassen, da sich die Angelegenheit nach Aktenlage erledigt haben dürfte.

Der Antragsgegner führte insoweit aus, bei der "Projektstelle K..." sei der Verdacht eines sexuellen Missbrauchs des dort betreuten Mädchens geäußert worden, der bei einer Übernachtung bei Bekannten von Frau K... stattgefunden haben soll. Frau K... habe ihrem damaligen Träger diesen Vorfall nicht gemeldet. Dem tritt die Antragstellerin mit dem Hinweis auf den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juni 2019 - 9 WF 264/18 - entgegen. Das Gericht setzt sich in dieser Entscheidung u.a. mit der Einschätzung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, dem Landkreis O..., der das Mädchen im Zusammenhang mit den genannten Vorwürfen in Obhut genommen hatte, auseinander, wonach Frau K... als Pflegemutter im Erziehungsverhalten der Entwicklung des Kindes negativ im Wege stehe und deshalb nicht mehr die geeignete Unterbringungsform des Kindes sei. Eine weitere Gefährdung in ihrem Haushalt sei zu befürchten, weil keine Kooperationsbereitschaft zum Wohle des Kindes bestehe. Das Oberlandesgericht hat die mit Beschwerde des Landkreises als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe angefochtene Übertragung der Vormundschaft für das Kind auf Frau K... unter Aufhebung der Amtsvormundschaft durch das Amtsgericht E... bestätigt und ausgeführt, an der Eignung von Frau K... für die Übernahme der Vormundschaft bestünden keine Bedenken. Die Inobhutnahme durch den Landkreis sei nicht tragfähig begründet und ersichtlich ohne ausreichende Folgenabwägung für das Wohl des Kindes erfolgt. Durchgreifende Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit der Frau K... oder der Pflegefamilie ließen sich nicht tragfähig feststellen. Aus den eingehenden Schilderungen des Oberlandesgerichts, auf die verwiesen wird, ergibt sich zusammenfassend, dass sich aus den vom Antragsgegner angeführten Vorkommnissen keine Zweifel an Frau K... Eignung als Betreuungsperson ergeben. Soweit das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss ausführt, das Oberlandesgericht habe lediglich Feststellungen zur Eignung Frau K... als Vormund getroffen, die sich nicht ohne weiteres auf die Eignung einer in einer Pflegestelle nach § 45 SGB VIII innewohnenden Fachkraft übertragen ließen, verkennt es den entscheidenden Aspekt. Es geht nicht um die Frage, ob das Oberlandesgericht positiv die Eignung für eine Betreuungstätigkeit nach § 45 SGB VIII festgestellt hat, sondern um die Frage, ob aus dem vom Antragsgegner angeführten Vorfall ein Eignungsmangel abzuleiten ist. Überdies erschließt sich nicht, auf welche konkreten Unterschiede der jeweiligen Eignungsanforderungen das Verwaltungsgericht abstellt.

Der Antragsgegner tritt dem Vortrag der Antragstellerin zu ihrer Eignung als Betreuungsperson im Sinne des § 45 SGB VIII in der Sache nicht entgegen. Er meint allerdings, es fehle an den fachlichen Voraussetzungen für den Betrieb der Einrichtung. Er bezieht sich hierbei auf das Rundschreiben des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport vom 5. März 2020. Dieses enthält "Hinweise zur Qualifikation des pädagogischen Personals in Einrichtungen gemäß § 45 ff. SGB VIII für teilstationäre und stationäre Angebote der Hilfen zur Erziehung, für Wohnheime und Internate unter Antragstellung zur Genehmigung von Quereinsteigern/-innen". Darin werden Anforderungen für die Erlaubniserteilung nach § 45 SGB VIII mit Blick auf die persönliche, gesundheitliche und fachliche Eignung der Betreuungspersonen aufgestellt. Er macht geltend, die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass Frau K... in fachlicher Hinsicht über die danach erforderliche (sozial-) pädagogische oder sonstige als gleichartig oder gleichwertig erachtete Fachausbildung verfüge.

Der Antragsgegner verkennt, dass eine fachliche Ausbildung als Voraussetzung für die Betreuung Minderjähriger von § 45 SGB VIII grundsätzlich nicht vorgeschrieben ist. Wesentlich ist, dass die eingesetzten Kräfte den Anforderungen der jeweiligen Einrichtung gewachsen sind. Sie müssen zur Betreuung in der Einrichtung persönlich geeignet und hinreichend qualifiziert sein (VGH München, a.a.O., Rn. 32 m.w.N.). Die in der Beschwerdeerwiderung geäußerte Auffassung des Antragsgegners, aus § 45 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII ergebe sich Gegenteiliges, ist rechtsirrig. § 45 Abs. 3 SGB VIII erlegt dem Träger einer Einrichtung Nachweisverpflichtungen auf, normiert aber keine materiellen Erteilungsvoraussetzungen. Diese sind, vorbehaltlich konkretisierender landesrechtlicher Regelungen nach § 49 SGB VIII, (abschließend) in § 45 Abs. 2 SGB VIII geregelt.

Will die zuständige Behörde die Erteilung der Erlaubnis nach § 45 SGB VIII von weiteren materiellen Voraussetzungen - wie etwa einer bestimmten pädagogischen Ausbildung o.ä. - abhängig machen, muss sie sich hierfür mit Blick auf die berufsregelnde Tendenz solcher Erfordernisse auf entsprechende gesetzliche Bestimmungen berufen können. Denn die Berufsfreiheit, auf die sich die Antragstellerin für die Ausübung der beabsichtigten Tätigkeit berufen kann, darf nach Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden (VGH München, a.a.O., Rn. 35).

Vor diesem Hintergrund sind die im erwähnten Rundschreiben vom 5. März 2020 aufgestellten Anforderungen nicht geeignet, eine Genehmigung nach § 45 SGB VIII zu versagen. Ihnen fehlt die erforderliche Rechtsnormqualität. Konkretisierungen und Ergänzungen des Anforderungsprofils des § 45 Abs. 2 SGB VIII sind zwar auch durch Landesrecht denkbar. § 49 SGB VIII begründet insoweit ausdrücklich einen entsprechenden Gestaltungsspielraum. Auch insoweit bedarf es jedoch einer gesetzlichen Grundlage in Form eines Parlamentsgesetzes oder einer Rechtsverordnung. Bloße Verwaltungsvorschriften wie das genannte Rundschreiben genügen nicht.

Weitergehende Anforderungen für den Betrieb einer Einrichtung nach § 45 SGB VIII ergeben sich auch nicht aus dem Ersten Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - AGKJHG - des Landes Brandenburg vom 26. Juni 1997 (GVBl. I, S. 87, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 25. Juni 2020, GVBl. I S. 3).

Die mangelnde (fachliche) Eignung der Frau K... als innewohnende Fachkraft der Betreuungseinrichtung lässt sich auch nicht erfolgreich mit den Erwägungen aus dem angefochtenen Versagungsbescheid vom 24. Juni 2020 begründen. Darin heißt es, bei der Einrichtung handele es sich um eine individualpädagogische Betreuungsstelle mit der Besonderheit, dass sich die Zielgruppe aus Kindern und Jugendlichen zusammensetze, bei denen andere, mildere Erziehungshilfen nicht mehr wirkungsvoll seien. Dies sei oftmals darin begründet, dass die Zielgruppe durch ihren persönlichen Hintergrund in besonderem Maße klassischen Risikofaktoren der Entwicklung ausgesetzt sei und daher oftmals auch Verhaltensweisen und Symptome aufzeige, welche als Traumafolgestörungen angesehen werden könnten. Diese Erwägung hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung bekräftigt, indem er darauf hinweist, es handele sich um eine Arbeit mit einer "Hochrisikoklientel", also mit besonders herausfordernden Kindern und Jugendlichen. Diese Erwägung vermag nicht zu überzeugen.

Der Antragsgegner zielt damit erkennbar darauf ab, die Erlaubniserteilung nach § 45 SGB VIII als Mittel zur Durchsetzung einer besseren Einrichtungsqualität durch Festlegung bestimmter fachlicher Qualifikationen einzusetzen. Für derartige Steuerungserwägungen ist im Verfahren zur Erlaubniserteilung nach § 45 SGB VIII allerdings kein Raum. § 45 SGB VIII gibt keine Handhabe, ein über Mindestanforderungen hinausreichendes Betreuungsniveau verbindlich vorzugeben (VGH München, a.a.O., Rn. 34 m.w.N.).

Überdies trägt die Erwägung des Antragsgegners auch aus anderen Gründen nicht. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, die Betreuung der überdurchschnittlich schwierigen Kinder bzw. Jugendlichen setze per se eine (sozial-) pädagogische bzw. gleichwertige fachliche Qualifikation voraus. Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation steht dem die von der Antragstellerin dargelegte beanstandungsfreie Betreuungstätigkeit der Frau K... in den vergangenen Jahren entgegen, die im Übrigen ebenfalls eine "Hochrisikoklientel" betraf.

Es kann bei der gegebenen Sachlage daher nicht angenommen werden, dass eine Gefährdung des Kindeswohls allein deshalb eintreten werde, weil die Antragstellerin nicht über die vom Antragsgegner für erforderlich gehaltene (sozial-) pädagogische oder gleichwertige Ausbildung verfügt. Sofern sich eine Gefährdung des Kindeswohls im laufenden Betrieb der Einrichtung ergibt, steht dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe das für solche Fälle vorgesehene gesetzliche Instrumentarium zur Verfügung.

Der Einwand des Antragsgegners, die Gefährdung des Kindeswohls bei Aufnahme der Tätigkeit vor Abschluss der Prüfung der Eignung des Personals der Antragstellerin wiege schwerer als deren berufliche und wirtschaftliche Interessen, trägt vor dem dargelegten Hintergrund nicht, zumal offen bleibt, welcher Sachverhalt zur Prüfung der Eignung der Frau K... für die von der Antragstellerin beabsichtigte Einrichtung noch erforderlich sein soll.

Dass die Erteilung der begehrten Erlaubnis aus anderen Gründen zu versagen wäre, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

2. Die Antragstellerin hat auch glaubhaft gemacht, dass die einstweilige Anordnung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. An das Vorliegen eines solchen Anordnungsgrundes für den Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1Satz 2 VwGO sind geringere Anforderungen zu stellen, wenn nach summarischer Prüfung ohne weiteren erheblichen Aufklärungsbedarf mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs ausgegangen werden kann, das mit einer Vorwegnahme der Hauptsache typischerweise verbundene Fehlentscheidungsrisiko also gering ist (VGH Kassel, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 8 TG 2413/02 -, NVwZ-RR 2003, S. 756, Rn. 19 bei juris). So ist es hier.

Die Antragstellerin wird mit Blick auf die übliche Verfahrensdauer im Hauptsacheverfahren keinen zeitnahen Rechtsschutz erreichen können. Sie wird damit langfristig und nachhaltig in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beeinträchtigt. Da die Versagung der Genehmigung nach Einschätzung des Senats beim gegenwärtigen Erkenntnisstand offensichtlich fehlerhaft ist, kann diese Beeinträchtigung mit den sachlichen Erfordernissen einer notwendigen Rechtsprüfung nicht gerechtfertigt werden. Durch die ungerechtfertigte Versagung der Erlaubnis wird die Antragstellerin zudem in ihrer Berufsausübungsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Diese berufliche Betätigungsmöglichkeit ist für die Dauer der Versagung der begehrten Erlaubnis unwiederbringlich verloren. Die Antragstellerin ist deshalb, wenn ihr Rechtsschutz nicht partiell entzogen werden soll, auf eine Regelung im Anordnungsverfahren angewiesen.

3. Die begehrte einstweilige Anordnung scheitert unter den gegebenen Umständen und mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes des Artikels 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch nicht daran, dass sie das mögliche Ergebnis der Entscheidung im Hauptverfahren für dessen Dauer - und damit partiell endgültig - vorwegnimmt, zumal die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass für das Bestehen des Anordnungsanspruchs ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit spricht und gegenläufige öffentliche Interessen der Verwaltung nicht überwiegen (zu diesen Maßstäben: OVG Münster, Beschluss vom 21. Juli 2015 - 12 B 606/15 -, 4 f. bei juris m.w.N.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 1 VwGO gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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