LG Paderborn, Beschluss vom 09.06.2021 - 08 KLs 7/21
Fundstelle
openJur 2021, 26393
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens wird aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Paderborn legt dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 11.01.2021 zu Last, in einem Insolvenzverfahren Bestandteile des Vermögens eines anderen, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehört hätten, mit dessen Einwilligung und zu dessen Gunsten beiseite geschafft zu haben. Es handelt sich insoweit um den Vorwurf der Schuldnerbegünstigung nach § 283d Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Konkret wird dem Angeschuldigten durch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 11.01.2021 Folgendes zur Last gelegt:

"Der Angeschuldigte ist Insolvenzverwalter der im Handelsregister des Amtsgerichts Paderborn unter ... eingetragenen ... ... (Im Folgenden: Die Gesellschaft). Er wurde in dem beim Amtsgericht Paderborn unter dem Az. ... geführten Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 01.04.2017 als solcher bestellt. Zugleich wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... ...eröffnet.

In seiner Funktion als Insolvenzverwalter erteilte der Angeschuldigte dem Zeugen ..., dem Vorstand der Gesellschaft, auf dessen Bitte mit Schreiben vom 04.05.2017 die Freigabe für die Übertragung des Kundenstamms der Gesellschaft an die Unternehmen ..., ... und ... Der Kundenstamm wurde anschließend übertragen. Eine Gegenleistung hierfür zu Gunsten der Insolvenzmasse wurde durch den Angeschuldigten nicht gefordert und ist nicht erfolgt. Der übertragene Kundenstamm hatte einen Wert von mindestens 600.000,- €."

Ausweislich der Anklageschrift soll die, dem Tatvorwurf zu Grunde liegende Freigabe des Kundenstamms der Gesellschaft, durch das Schreiben des Angeschuldigten vom 04.05.2017 erfolgt sein.

In dem vom Angeschuldigten an den gesondert verfolgten ... adressierten Schreiben hießt es:

"Insolvenzverfahren: ... ...

Kundenbetreuung/Bestandsverträge

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr ...,

wir beziehen uns auf die Vorkorrespondenz und bestätigen Ihnen in diesem Schreiben zur Vorlage bei Dritten insbesondere Versicherungsgesellschaften, Bausparkassen und Finanzdienstleistern sowie Kooperationspartnern (z.B. Maklerpoolgesellschaften), dass wir unser Einverständnis erteilten, dass die Kunden und die dazugehörigen Versicherungsverträge der Schuldnerin von den nachfolgend genannten Versicherungsmaklern sowie deren Kooperationspartnern (z.B. Maklerpoolgesellschaften) weiter betreut werden dürfen. Der Insolvenzverwalter ist ausdrücklich damit einverstanden, dass die Versicherungsverträge/Bestände auf die nachfolgend genannten Unternehmen übergehen dürfen:

...

...

...

Wir weisen darauf hin, dass etwaige Stornoserveguthaben ausschließlich der Schuldnerin zustehen und unverändert auf das Insolvenzverwalter-Anderkonto ausgeglichen werden müssen. Gleiches gilt für alle übrigen Forderungen zugunsten der Schuldnerin aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung am 01.04.2017.

Wir hoffen, dass Ihnen dieses Schreiben zur Vorlage bei Dritten ausreicht und bitten anderenfalls um Kontaktaufnahme. [...]".

Die Staatsanwaltschaft misst diesem Schreiben folgende Bedeutung bei: Der Angeschuldigte sei als Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO allein zu Verfügungen über das Vermögen der Gesellschaft befugt. Durch das an den gesondert verfolgten ... adressierte, ausdrücklich jedoch zur Vorlage bei Dritten gedachte, Schreiben habe der Angeschuldigte als Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur Übertragung der entsprechenden Rechtsposition von der Gesellschaft auf andere erteilt. Dies stelle ein Beiseiteschaffen von Vermögensbestandteilen im Sinne des § 283d StGB dar.

Der Wert des Kundenstamms habe gemäß dem Gutachten der ... vom 27.10.2020 zum Stichtag 04.05.2017 mindestens 600.000,- € betragen, wobei der Umstand der Insolvenz der ... ...berücksichtigt worden sei.

Dass die Übertragung sowohl mit Einwilligung des Zeugen ... als auch zu dessen Gunsten erfolgt sei, ergebe sich aus der Aussage des Zeugen ..., welcher bekundet habe, der Zeuge ... habe ihm gegenüber angegeben, er habe das Verkaufsgespräch seines Lebens geführt und den Insolvenzverwalter dazu bewegt, den Versicherungsbestand nicht zu verkaufen, sondern ihm zur freien Verfügung zu stellen.

Soweit der Angeschuldigte vorgetragen habe, der Kundenstamm sei trotz entsprechender Bemühungen nicht zu verwerten gewesen, handele es sich um eine Schutzbehauptung. Der Angeschuldigte habe keine Nachweise für etwaige Verwertungsbemühungen vorlegen können. Die Zeugin ..., welche das Insolvenzverfahren als zuständige Sachbearbeiterin in der Kanzlei des Angeschuldigten betreut habe, habe bekundet, keine Kenntnis von einem Versuch zur wirtschaftlichen Verwertung des Kundenstamms zu haben. Der Zeuge ... habe zu Verwertungsbemühungen durch den Angeschuldigten ebenfalls keine Angaben machen können. Er habe bekundet, es sei mit dem Angeschuldigten vereinbart gewesen, dass dieser ihm entsprechende Anfragen weiterleite. Es sei jedoch keine entsprechende Anfrage bei ihm eingegangen. Auch hieraus ergeben sich keine Verwertungsbemühungen des Angeschuldigten.

II.

Das Hauptverfahren ist aus tatsächlichen Gründen gem. § 204 Abs. 1 StPO nicht zu eröffnen. Die vorgebrachten Beweismittel vermögen keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Angeschuldigten zu begründen.

Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Anderenfalls beschließt das Gericht gemäß § 204 Abs. 1 StPO, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Hinreichender Tatverdacht besteht, wenn die vorläufige Tatbewertung eine Wahrscheinlichkeit für eine spätere Verurteilung ergibt. Es handelt sich insoweit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der dem Tatgericht im Rahmen der ablehnenden Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens einen nicht unerheblichen Beurteilungs- sowie Prognosespielraum eröffnet (vgl. BeckOK StPO/Ritscher, Stand 01.01.2018, § 204 StPO, Rn. 3; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.03.2012, III-3 Ws 28-32/12). Die ermittelten Tatsachen müssen es nach praktischer Erfahrung wahrscheinlich machen, dass der Angeschuldigte in einer Hauptverhandlung mit den vorhandenen Beweismitteln verurteilt wird. Wenn das Tatgericht hingegen davon ausgeht, dass eine Verurteilung des Angeschuldigten nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht wahrscheinlich ist, hat es die Nichteröffnung des Hauptverfahrens zu beschließen.

Nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens erscheint der Angeschuldigte der ihm durch die Anklageschrift vorgeworfenen Tat nicht hinreichend verdächtig.

1.

Der Angeschuldigte bestreitet die Tat. Er führt hierzu durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 09.04.2021 insbesondere Folgendes aus:

Er habe schon keine nach § 283d StGB inkriminierte Tathandlung mit Einwilligung der Insolvenzschuldnerin begangen. Eine Einwilligung der Insolvenzschuldnerin liege mangels Einwilligung der insoweit allein berechtigten Hauptversammlung nicht vor. Der gesondert verfolgte ... sei als Vorstand der ... ...nicht einwilligungsbefugt gewesen. Der Angeschuldigte habe auch keine Handlung zugunsten der Insolvenzschuldnerin vorgenommen. Denn - ungeachtet welche Bedeutung man dem Schreiben vom 04.05.2017 beimessen möge - enthielte es in jedem Fall keine Verfügung zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin, der ... ...

Tatsächlich habe der Angeschuldigte mit seinem Schreiben vom 04.05.2017 allein die Intention verfolgt, die Stornoreserven in Höhe von (nach der Bestandsaufnahme) ca. 221.000 Euro zu Gunsten der Insolvenzmasse und damit der Gläubiger zu "retten". Aufgrund der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Insolvenzschuldnerin hätte diese bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Geschäftsbetrieb sukzessive zurückgefahren, mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann vollständig eingestellt. Die Kunden seien nicht mehr betreut und - mit den Möglichkeiten des Insolvenzverwalters auch nicht betreubar - gewesen. Sie hätten sich deshalb, um betreut zu werden, anderen Versicherungsmaklern zuwenden müssen und seien "frei am Markt" gewesen. Soweit ein anderer Versicherungsmakler die Betreuung übernehme, sei jedoch zu befürchten gewesen, dass dieser den Kunden, um ein Neugeschäft und damit Provisionen zu generieren, eine Kündigung der Altverträge und den Abschluss von Neuverträgen empfahl. Damit wären der Insolvenzmasse jedoch die Stornoreserven verloren gegangen. Diese Lage habe sich dadurch verschärft, dass zahlreiche negative Presseveröffentlichungen über die Insolvenzschuldnerin erfolgt seien, die eine doppelte Wirkung entfaltet hätten: Ohnehin unbetreute Kunden seien weiter verunsichert, während die den Markt beobachtende Konkurrenz, um die Probleme der Insolvenzschuldnerin wissend, aktiv an die verunsicherten und unbetreuten Kunden herantreten konnte. Diese Problematik sei i.R.d. Besprechung am 28.04.2017 zwischen dem Angeschuldigten und dem gesondert verfolgten ... angesprochen worden. ... habe die Option aufgezeigt, dass die Kunden, wenn sie sich im Einzelfall bei der Insolvenzschuldnerin melden sollten, auf die Möglichkeit einer Betreuung durch die Unternehmen ..., ... und ... hingewiesen werden könnten. Dann könne ein neuer Maklervertrag mit diesen Gesellschaften geschlossen werden, ohne dass insoweit auf die Kündigung bestehender Verträge hingearbeitet würde, sodass die Stornoreserven erhalten blieben. Der Angeschuldigte habe hierin eine gute Möglichkeit gesehen, die Stornoreserven zu sichern.

Der Angeschuldigte habe durch sein Schreiben keine Bestandteile des Vermögens beiseite geschafft. Die Einverständniserklärung vom 04.05.2017 stelle weder ein schuldrechtliches Verpflichtungs- noch ein Verfügungsgeschäft dar. Er habe weder den Kundenstamm übertragen oder einer Übertragung zugestimmt, noch den Kundenstamm zugunsten der Insolvenzschuldnerin freigegeben. Tatsächlich sei nur eine Einverständniserklärung für zukünftige Einzelfälle abgegeben worden, dies stelle aber kein tatbestandsmäßiges Beiseiteschaffen dar, da die einzelne Kundenbeziehung in diesen Fällen nicht durch die Einverständniserklärung vom 04.05.2017 dem Gläubigerzugriff entzogen worden sei, sondern durch die von dem Insolvenzverwalter nicht zu beeinflussende autonome Entscheidung des Kunden, mit einem anderen Versicherungsmakler einen Maklervertrag abzuschließen.

Im Übrigen sei nicht ermittelt, wie, wann und durch wen die Übertragung der Verträge konkret erfolgt sei. Insoweit bleibe auch unklar, ob und in welchem Umfang, Übertragungen der Verträge bereits bis zum 04.05.2017 übertragen worden sei.

Auch habe es sich bei dem Kundenstamm nicht um einen Bestandteil des Vermögens gehalten. Die Berechnungen im Gutachten der ... vom 27.10.2020 litten unter erheblichen Mängeln, sodass sie weder geeignet seien, einen Wert des Kundestamms zum 04.05.2017 von 600.000 Euro zu belegen, noch irgendeinen anderen Wert.

Vor allem fehle es aber an der Werthaltigkeit, da der Kundenstamm nicht verwertbar gewesen sei. So habe es angesichts der Größe des Kundenstamms überhaupt nur einen minimalen Kreis potentieller Käufer gegeben. Die Übernahme des Kundenstamms benötige zudem erhebliches Personal. Dem insoweit bestehenden unternehmerischen Risiko stünde die Problematik gegenüber wie viele Kunden und Versicherungsgesellschaften die bestehenden vertraglichen Beziehungen auflösen und den Kundenstamm abschmelzen lassen würden. Die "unbetreuten" Kunden seien "frei am Markt" und hätten jederzeit von der Konkurrenz und damit auch potentiellen Kaufinteressenten akquiriert werden können. Dieses Risiko sei angesichts der zahlreichen negativen Faktoren wie Insolvenz, negative Presse, Verunsicherung der Kunden und fehlende Kundenbetreuung besonders groß gewesen. Auch eine Bindung zum Kundenberater hätte angesichts der Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht übernommen werden können. Im Übrigen habe sich der Angeschuldigte durchaus um eine Verwertung des Kundenstamms bemüht, indem er die ... mit der Verwertung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin beauftragt habe.

Schließlich habe der Angeschuldigte nicht vorsätzlich gehandelt. Auch habe er der Insolvenzschuldnerin keinen Vorteil verschaffen, sondern allein die Gläubigerinteressen schützen wollen.

Wegen des weiteren Inhalts des Schriftsatzes wird auf Bl. 503 ff. d.A. verwiesen.

2.

Aus Sicht der Kammer besteht unter Berücksichtigung des Schreibens des Verteidigers und der gesamten Aktenlage kein hinreichender Tatverdacht bzgl. einer Strafbarkeit des Angeschuldigten wegen Schuldnerbegünstigung gem. § 283d StGB

a)

Es bestehen bereits an der Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 283d StGB in tatsächlicher Hinsicht erhebliche Zweifel.

Denn es ist zweifelhaft, ob der Angeschuldigte überhaupt Vermögensgegenstände beiseite geschafft hat. Ein Beiseiteschaffen liegt vor, wenn ein zum Vermögen des Schuldners gehörender Vermögensgegenstand dem alsbaldigen Gläubigerzugriff entzogen oder der Zugriff zumindest wesentlich erschwert wird. Dies kann entweder durch eine Änderung der rechtlichen Zuordnung eines Vermögensgegenstandes oder eine Zugriffserschwerung aufgrund tatsächlicher Umstände geschehen (BGH, Beschluss vom 12.05.2016, 1 StR 114/16 zitiert nach juris m.w.N.; BGH, Urteil vom 29.04.2010, 3 StR 314/09, zitiert nach juris Rdn. 26 m.w.N.).

Eine Vereitelung des Gläubigerzugriffs durch eine Änderung der rechtlichen Zuordnung ist etwa zu bejahen bei der Übereignung eines Gegenstandes, der Abtretung einer Forderung oder einer Verpfändung, wenn dies ohne adäquate Gegenleistung geschieht. Dasselbe gilt für die Überweisung eines Geldbetrages auf ein fremdes Konto mit der Folge, dass der überwiesene Geldbetrag nicht mehr zum Vermögen des Schuldners gehört. Ein Beiseiteschaffen in tatsächlicher Hinsicht ist gegeben, wenn der Schuldner einen Vermögensgegenstand an einen anderen Ort verbringt oder verbringen lässt und dadurch - ohne eine Änderung der rechtlichen Zuordnung - den Zugriff der Gläubiger auf diesen objektiv unmöglich macht oder zumindest wesentlich erschwert, etwa indem er ihn verbirgt oder in eine Lage bringt, die ein Zugreifen der Gläubiger zumindest deutlich schwieriger macht, als dies zuvor der Fall war (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010, 3 StR 314/09, zitiert nach juris Rdn. 27, 28 m.w.N.).

Ob das Schreiben des Angeschuldigten vom 04.05.2017 zur Freigabe des Kundenstamms (Bl. 190f. d.A.) ein Beiseiteschaffen darstellt, ist zweifelhaft. Durch das Schreiben selbst wird ein Übergang der Verträge nicht bewirkt. Auch aus der Anklageschrift wird ersichtlich, dass eine Übertragung des Kundenstamms erst nachträglich erfolgt sein soll. Ob und wie eine solche Übertragung in der Folge stattgefunden haben soll und welche Verträge wann übertragen worden sind, ist weder aus der Anklageschrift noch aus der Ermittlungsakte im Übrigen konkret ersichtlich. Hier ist der Verteidigung zuzustimmen, dass, wenn es darauf ankäme, näher ermittelt werden müsste, ob die Übertragung aufgrund eines Einzelfalls erfolgte oder im Ganzen, auf welcher Rechtsgrundlage und zu welchem Zeitpunkt - insofern ist es durchaus auch denkbar, dass Übertragungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt - gänzlich ohne irgendeine Einwirkung des Angeschuldigten - erfolgt sind.

Gegen ein Beiseiteschaffen spricht im Übrigen, dass die Kunden stets die Möglichkeit hatten, zu entscheiden, ob sie anstatt von der ... ...von der ..., ... oder der ... betreut werden wollten. Sie hätten ihren Finanzmaklervertrag mit der ... ... unproblematisch gem. § 627 BGB fristlos kündigen und Verträge mit einem anderen Finanzmakler oder den vorstehenden Unternehmen schließen können. Übergänge einzelner Kunden hätte der Insolvenzverwalter insoweit nicht verhindern können.

b)

Nimmt man aber an, dass durch das Schreiben der Kundenstamm faktisch beiseite geschafft worden ist, und sieht auch im Übrigen den objektiven Tatbestand des § 283d StGB als erfüllt an, so besteht jedenfalls kein hinreichender Tatverdacht dafür, dass der Angeschuldigte vorsätzlich handelte. Vielmehr hält es die Kammer ausgehend von der Aktenlage für ausgeschlossen, dass dem Angeschuldigten ein Vorsatz, Vermögensbestandteile beiseite zu schaffen, nachgewiesen werden kann.

aa)

Aus den Aussagen der im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte für einen Vorsatz des Angeschuldigten. Vielmehr scheinen die - belastenden - Zeugen ... und ..., selbst nicht von einem Vorsatz des Angeschuldigten auszugehen. Der Zeuge ... hat in seiner Vernehmung vom 03.02.2018 zwar das Verhalten des Angeschuldigten im Zusammenhang mit der Übertragung des Kundenstamms angeprangert, ein vorsätzliches Fehlverhalten des Angeschuldigten hat er jedoch nicht gesehen. Insoweit hat er angegeben, er vermöge nicht zu beurteilen, ob der Insolvenzverwalter vom Beschuldigten ... quasi belogen worden sei oder ob er die Thematik einfach nicht gesehen habe (vgl. Bl. 80 d.A.). Der Zeuge ... hat in Bezug auf den Angeschuldigten angegeben, dass dieser eigentlich den Kundenbestand hätte anbieten und verkaufen können. Der gesondert verfolgte ... habe ihm - dem Zeugen ... - jedoch in einem persönlichen Gespräch gesagt, er hätte "das Verkaufsgespräch seines Lebens geführt." Er solle ihn nicht fragen, wie er das geschafft habe, aber er habe den Insolvenzverwalter der ...dazu bewegt, den Versicherungsbestand nicht zu verkaufen, sondern Herrn ... zur freien Verfügung zu stellen. Auch diese Aussage deutet nicht auf ein vorsätzliches Fehlverhalten, sondern auf eine Beeinflussung des - vorsatzlosen - Angeschuldigten durch den gesondert verfolgten ... hin.

bb)

Unter Berücksichtigung der nicht widerlegbaren Einlassung des Angeschuldigten ist aus Sicht der Kammer nicht festzustellen, dass der Angeschuldigte Vorsatz im Sinne eines dolus eventualis hatte, dass es sich bei dem Kundenstamm um Vermögensbestandteile handelte. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeschuldigte davon ausging, dass der Kundenstamm wertlos war.

Wirtschaftlich wertlose Gegenstände fallen zwar in die Insolvenzmasse, stellen aber gleichwohl keine tauglichen Tatobjekte des Bankrotts dar, da ihre Beseitigung etc. die strafrechtlich geschützten Gläubigerinteressen nicht tangiert (Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, StGB, § 283 Rdn. 15 m.w.N. Rotsch/Wagner, Momsen/Grützner, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2020, § 28 Insolvenzstrafrecht, Rdn. 155). Bei Zweifeln über den Wert eines Gegenstandes gilt der Indubio-Grundsatz (Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, StGB, § 283 Rdn. 15 m.w.N).

Es kann hier dahingestellt bleiben, inwieweit das eingeholte Gutachten der ... den Wert des Kundenbestands objektiv sachgemäß ermittelt hat. Denn jedenfalls kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden bzw. ist aus Sicht der Kammer sogar sehr wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte subjektiv davon ausgegangen ist, dass der Kundenstamm unverkäuflich und infolgedessen wertlos war. Die praktischen Probleme, die von der Verteidigung aber auch vom Zeugen ... in Bezug auf eine Verwertung des Kundenstamms angegeben werden, sind durchaus nachvollziehbar. Der Angeschuldigte weist zu Recht auf die Möglichkeit und das Risiko der kostenlosen Abwerbung der "frei am Markt" verfügbaren, bereits über längere Zeit unbetreuten, Kunden durch andere Versicherungsmakler und die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit von Kunden und Versicherungen hin. Auch hätten die Kunden in die Übertragung ihrer Verträge einwilligen müssen. Plausibel ist zudem, dass es angesichts der Größe des Bestands ohnehin nur einen sehr beschränkten potentiellen Erwerberkreis gab. Schließlich hält es auch die Kammer aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung ihrer Mitglieder für gut nachvollziehbar, dass sich die Chancen einer Übertragbarkeit des Kundenstamms durch das Zusammenspiel von fehlender Betreuung und negativer Berichterstattung hinsichtlich der Insolvenzschuldnerin verschlechtert haben. Denn es ist durchaus zu befürchten, dass dies zu einer Unzufriedenheit und Verunsicherung der Kunden der Insolvenzschuldnerin führte, die einerseits deren Wechselwilligkeit erhöht und andererseits grundsätzliche Skepsis gegenüber der Übertragung auf einen - nicht selbst ausgesuchten Makler - auslöste.

Auch der Zeuge ... hat angeführt, dass angesichts der vorstehenden Probleme der Wert des Kundenstamms deutlich geringer gewesen sei, als wenn der Kundenstamm eines solventen Maklerunternehmens veräußert worden wäre und zwar so weit, dass der Wert hier seiner Einschätzung nach "gen null tendierte". Zur Begründung hat der Zeuge ... auf die Notwendigkeit der Einwilligung aller Kunden, die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit der Kunden und die Möglichkeit von deren Abwerbung, die Erschwernisse durch die negative Presseberichterstattung über die ... ..., Probleme angesichts der Größe des Bestandes und das mangelnde Käuferinteresse hingewiesen.

Ob die vorstehenden Argumente zutreffen, kann durchaus verschieden beurteilt werden. Darauf kommt es jedoch im Rahmen des subjektiven Tatbestandes überhaupt nicht. Jedenfalls kann aber aus Sicht der Kammer nicht widerlegt werden, dass der Angeschuldigte in seiner subjektiven Wahrnehmung den Kundenstamm der ... ...für unverkäuflich und infolgedessen wertlos hielt.

cc)

Zudem ist - entgegen der Einschätzung der Staatsanwaltschaft - nach Aktenlage durchaus davon auszugehen, dass der Angeschuldigte Verwertungsbemühungen unternommen hat, die jedoch ohne Erfolg geblieben sind, und dass er gerade deshalb von einer Wertlosigkeit des Kundenstamms ausging.

Der Angeschuldigte hat angegeben, die ..., eine auf Verwertungen spezialisierte Fachfirma, mit der Verwertung des Vermögens der Insolvenzschuldnerin, zu dem auch der Kundenstamm gehörte, beauftragt zu haben.

Die Beauftragung der Firma ...mit der Verwertung der Vermögenswerte der ... ...wird belegt durch die Vollmacht (Bl. 486 d.A.), die Einlassung des Angeschuldigten, die Aussage des Zeugen ... und die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen ... vom 04.05.2021 im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... ...(vgl. Bl. 546ff. d.A.)

In der Vollmacht des Angeschuldigten gegenüber der ...vom 23.02.2017, wurde unter anderem die Vollmacht zur Verwertung der beweglichen Vermögenswerte des Insolvenzschuldners erteilt, wozu auch der Kundenstamm zählt.

Der Zeuge ... hat ebenfalls ausgesagt, dass zu seinen Tätigkeiten bzw. den Tätigkeiten der ...auch die Aufnahme, Bewertung und Verwertung von Vermögensgegenständen gehöre. Er hat auch ausgesagt, dass er selber von einer Verwertung des Kundenstamms der ... ...profitiert hätte, da er einen Anteil des Erlöses erhalten hätte, dass er aber kein einziges Angebot von irgendjemand im Hinblick auf den Kundenstamm erhalten habe und es keine Interessenten gegeben habe.

Im Insolvenzverfahren der Firma ... ...hat am 04.05.2021 der Rechtsanwalt ... als Sonderinsolvenzverwalter eine gutachterliche Stellungnahme in Bezug auf Ansprüche aus der unentgeltlichen Übertragung des freigegebenen Kundenstamms gegenüber dem Angeschuldigten abgegeben. Der Gutachter ist dabei zu der Wertung gekommen, dass der Angeschuldigte Prüfungshandlungen zur Feststellung von etwaigen Verwertungsmöglichkeiten des Kundenstamms selbst als auch insbesondere durch Delegation an einen sachkundigen Dritten in einem ausreichenden, der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters genügenden Umfang durchgeführt hat, sodass eine schuldhafte Pflichtverletzung des eingesetzten Insolvenzverwalters nicht festgestellt werden könne.

Eine Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO komme in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter durch sein Handeln bzw. sein Unterlassen die Masse geschmälert bzw. nicht vermehrt habe. Der Sonderinsolvenzverwalter kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass eine Pflichtverletzung des Angeschuldigten nicht festzustellen sei. Der Angeschuldigte habe die Verwertungsmöglichkeit des bestehenden Kundenstamms geprüft und auch Bemühungen angestellt, diesen einer Verwertung zuzuführen. Er habe hierzu insbesondere die ... beauftragt. Eine Beauftragung von einem sachkundigen Dritten zur Bearbeitung der im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu erledigenden Tätigkeiten sei grundsätzlich statthaft. Bei der ...habe es sich auch um ein auf die Vermögensverwertung und Abwicklung in Insolvenzfällen spezialisiertes Unternehmen gehandelt, welches von einem erfahrenen und in der Vergangenheit wiederholt als gerichtlich bestellten Sachverständigen für die Bewertung von Unternehmen eingesetzten Geschäftsführer geleitet wurde. Der Geschäftsführer der ...habe auch mit mehreren möglichen Interessenten, beispielsweise mit einem großen Maklerbüro in ... Kontakt aufgenommen und nachgefragt, ob dort Interesse an dem Erwerb des Kundenstamms bestehe. Im Rahmen des diesbezüglich geführten Telefonats sei dem Geschäftsführer der ... von Seiten des kontaktierten Maklerbüros mitgeteilt worden, dass und warum von dort kein Interesse an dem Erwerb des fraglichen Kundenstammes bestehe und aus welchen Gründen voraussichtlich auch ein Dritter kein Interesse an dem Kauf haben würde. Der Geschäftsführer der ... sei zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Verwertung des durch die eingetretene Insolvenz "kontaminierten" Kundestamms letztlich nicht möglich gewesen sei. Auch der Insolvenzverwalter habe nach seinem nicht zu widerlegenden Vortrag einige Telefonate mit Versicherungsmaklern in der Sache geführt, die jedoch ebenfalls kein Kaufinteresse bekundeten. Im Ergebnis sei der eingesetzte Insolvenzverwalter schließlich davon ausgegangen, dass der Kundenstamm keiner entgeltlichen Verwertung zugeführt werden könnte.

Gründe, wieso die Kammer zu einer anderen Einschätzung als der Sachverständige ... kommen sollte, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Staatsanwaltschaft nicht angeführt. Wenn die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass die dargelegten Verwertungsbemühungen weder ordnungsgemäß noch ausreichend seien, so setzt sie sich einerseits nicht mit dem Gutachten des Sachverständigen ... auseinander, andererseits verkennt sie, dass dies zwar möglicherweise für ein fahrlässiges Fehlverhalten sprechen könnte, aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für Vorsatz gibt.

dd)

Die Einlassung des Angeschuldigten und des Zeugen ..., dass es schlichtweg keine ernsthaften Interessenten gab, ist nicht widerlegt. Dass der Angeschuldigte von einer Veräußerlichkeit des Kundenstamms ausging, kann letztlich nicht festgestellt werden. Vielmehr spricht viel dafür, dass er, wenn er eine Veräußerungsmöglichkeit gesehen hätte, diese auch ergriffen hätte.

Dafür, dass der Angeschuldigte den zu sichernden Wert der Verträge tatsächlich - wie von ihm angegeben - allein in den Stornoreserven sah und es dem Angeschuldigten genau darum ging diese Werte für die Insolvenzmasse zu sichern, spricht, dass der Verbleib der Stornoreserven bei der Insolvenzschuldnerin im Schreiben vom 04.05.2017 (Bl. 191 d.A.) ausdrücklich festgelegt wurde. Die Wertung des Angeschuldigten ist dabei auch durchaus plausibel und nachvollziehbar, da sich im Hinblick auf die Stornoreserven aus der Bestandsliste ein Wert von 221.000 Euro ergab (vgl. Bl. 394 und 507 d.A.), von dem bis März 2021 207.000 Euro realisiert worden sein sollen. Wenn die Staatsanwaltschaft darauf abstellt, dass dieser Wert den nach dem Gutachten 3-mal höheren Wert des Kundenstamms nicht kompensiere, dann ist dies zwar richtig, spricht jedoch weder dafür, dass die Einlassung des Angeschuldigten unrichtig ist noch dass dieser vorsätzlich handelte.

ee)

Des Weiteren ist aus Sicht der Kammer nicht zu erwarten, dass festgestellt werden kann, dass der Angeschuldigte Vorsatz hinsichtlich des Beiseiteschaffens von Vermögensbestandteilen hatte. Insoweit wird dem Angeschuldigten voraussichtlich nicht zu widerlegen sein, dass er zumindest subjektiv davon ausging, dass er durch sein Schreiben vom 04.05.2017 gerade keine Vermögensverschiebung bewirkt hat, sondern lediglich einer Übernahme der einzelnen Verträge zugestimmt hat, die er ohnehin nicht hätte verhindern könne. Es ist nicht auszuschließen, dass die bereits im Hinblick auf das objektive Tatbestandsmerkmal vorgebrachten Erwägungen, jedenfalls in subjektiver Hinsicht gegeben waren.

ff)

Schließlich dürfte es an der Erfüllung des subjektiven Tatbestandsmerkmals eines Beiseiteschaffens "zugunsten der Insolvenzschuldnerin" fehlen. Der beim Schuldner eintretende Begünstigungseffekt muss vom Täter im technischen Sinne beabsichtigt sein, dolus eventualis reicht nicht aus (vgl. Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, StGB, § 283d Rdn. 11 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte hier die Absicht hatte, zugunsten der Insolvenzschuldnerin Vermögensbestandteile beiseite zu schaffen, bestehen nicht. Dabei kommt es für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals unter Berücksichtigung der eigenen Rechtspersönlichkeit der juristischen Personen auf die ... ... selbst und nicht auf ... an. Der Insolvenzschuldnerin selbst wurde aber überhaupt nichts zugewandt, sodass eine Begünstigungsabsicht fernliegend ist. Aber auch Anhaltspunkte, dass der Angeschuldigte die Absicht verfolgte, zugunsten von ... zu handeln, sind nicht ersichtlich. Vielmehr ist plausibel, dass es ihm ausschließlich darum ging, die Stornoreserven für die Gläubiger zu erhalten.

Angemerkt sei jedoch, dass die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des Handelns zugunsten des Insolvenzschuldners in rechtlicher Hinsicht nur dann relevant würde, wenn eine Einwilligung nicht gegeben wäre. Ob ein etwaiges Beiseiteschaffen hier mit Einwilligung des Schuldners erfolgte ist ebenfalls sowohl tatsächlich als auch aus hilfsweise angeführter rechtlicher Sicht problematisch. Die Anklageschrift nimmt hier offenbar eine Einwilligung durch Herrn ... als Vorstand an. Wie genau sich dieser Sachverhalt gestaltet haben soll, ist dabei allerdings nicht hinreichend nachvollziehbar. Rechtlich bedarf es bei juristischen Personen der Einwilligung der Organe bzw. Personen, die nach dem Gesetz und der inneren Verfassung des Schuldners hierzu berufen sind (vgl. Reinhart in Graf/Jäger/Wittig, StGB, § 283d Rdn. 3). Ob hier die Einwilligung des Vorstands ausreicht oder es einer Zustimmung der Hauptversammlung bedarf, könnte juristisch unterschiedlich bewertet werden. Diese Frage soll jedoch vorliegend, da es darauf nicht ankommt, offen bleiben.

gg)

Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass gegen einen Vorsatz des Angeschuldigten allgemein auch spricht, dass hier weder ein Motiv noch irgendwelche Vorteile, die der Angeschuldigte aus der Tat hätte, ersichtlich sind. Auch spricht gerade das sehr offene und transparente Vorgehen des Angeschuldigten in seinem Schreiben vom 04.05.2017 dafür, dass er nicht vorsätzlich handelte. Das Schreiben war ausdrücklich zur Vorlage bei Dritten, insbesondere Versicherungsgesellschaften, Bausparkassen, Finanzdienstleistern und Kooperationspartnern bestimmt. Der breite Kreis potentieller Empfänger des Schreibens spricht aber dafür, dass sich der Angeschuldigte hier keines Fehlverhaltens bewusst war, sondern gutgläubig handelte.

3.

Soweit die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 04.06.2021 eine abweichende Eröffnung wegen Untreue gem. § 266 StGB fordert, besteht auch insoweit kein hinreichender Tatverdacht.

Zwar ist der Angeschuldigte als Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzschuldner und den Insolvenzgläubigern vermögensbetreuungspflichtig i.S. des § 266 StGB (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 68. Auflage 2021, § 266, Rdn. 48). Allerdings ist hier bereits fragwürdig, ob hinreichender Tatverdacht hinsichtlich einer Treupflichtverletzung des Angeschuldigten gegeben ist. Zwar kommen massekürzende Maßnahmen wie etwa die Verschleuderung von Massegegenständen durchaus als Pflichtverletzung in Betracht (vgl. dazu Schramm, NStZ 2000, 398 (399)). Hier spricht aber aus Sicht der Kammer - ausgehend von der Aktenlage jedoch - einiges dafür, schon keine Pflichtverletzung anzunehmen. Insoweit wird auf die bereits vorstehend dargestellte Argumentation des Sonderinsolvenzverwalters verwiesen, die hier ebenso angeführt werden kann.

Zumindest aber besteht kein hinreichender Tatverdacht bzgl. eines Vorsatzes des Angeschuldigten. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte, dass dieser eine Pflichtverletzung zumindest mit dolus eventualis begangen hatte. Vielmehr spricht aus Sicht der Kammer alles dafür, dass der Angeschuldigte selbst sich pflichtgemäß verhalten wollte. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, die hier entsprechend gelten.

4.

Unter gesamtschauender Würdigung und nach eingehender Prüfung ist es nach dem Dafürhalten der Kammer wahrscheinlicher, dass der Angeschuldigte in einer Hauptverhandlung mit den vorhandenen Beweismitteln freigesprochen wird, als dass er verurteilt wird, sodass das Hauptverfahren aus tatsächlichen Gründen gemäß § 204 Abs. 1 StPO nicht zu eröffnen war. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in Fällen, in denen die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Angeschuldigten mindestens genauso hoch ist wie für eine Nichtverurteilung, für eine Anwendung des Zweifelssatzes in dubio pro reo bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch kein Raum ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da unter Berücksichtigung der gesamten Aktenlage für die Kammer die Verurteilung hier weit weniger wahrscheinlich ist als ein Freispruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.