VG Minden, Beschluss vom 01.09.2021 - 1 L 566/21.A
Fundstelle
openJur 2021, 26267
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt C. , E. , wird abgelehnt.

Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 4543/21. A gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 11. August 2021 enthaltene Abschiebungsandrohung wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt C. , E. , ist abzulehnen, weil die rechtsanwaltlich vertretenen Antragsteller entgegen ihrer Ankündigung in der Antragsschrift keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 117 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 ZPO) vorgelegt haben.

2. Der Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 4543/21.A gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 11. August 2021 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,

ist zulässig, insbesondere innerhalb der einwöchigen Antragsfrist (§§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG) gestellt, und begründet.

§§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1, 71 Abs. 1 und 4, 36 Abs. 1 und 4 Satz 1 AsylG bestimmen, dass dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) auf einen Folgeantrag - wie hier - die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ablehnt, die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass dieser einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält. "Angegriffen" i.S.d. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ist im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Abschiebungsandrohung. Gegenstand dieses Verfahrens ist allein die Frage, ob die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 1 AsylG) erlassene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris Rn. 93 zur Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet.

Gemessen daran bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 11. August 2021 enthaltenen Abschiebungsandrohung: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheiden vom 18. Mai und 4. Oktober 2010 erstmals Asylanträge der Antragsteller ab. Am 11. Februar 2021 stellten die Antragsteller erneut Asylanträge. Anlässlich ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gaben die Antragsteller übereinstimmend an, dass sie nach Ablehnung ihrer Asylanträge im Jahre 2010 in den Libanon zurückgekehrt seien. Dies hat auch das Bundesamt nicht in Zweifel gezogen. Mit Bescheid vom 11. August 2021 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Antragsteller gestützt auf §§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1, 71 Abs. 1 AsylG als unzulässig ab. § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 AsylG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn im Falle eines Folgeantrags ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. § 71 Abs. 1 AsylG sieht vor, dass dann, wenn ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.

Es sprechen erhebliche Gründe dafür, dass die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig gemäß §§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1, 71 Abs. 1 AsylG in Fällen, in denen die Antragsteller - wie hier - zwischenzeitlich in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sind, nicht mit Unionsrecht, namentlich mit Art. 33 Abs. 2 lit. d) und Art. 2 lit. q) der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 60, sog. Verfahrensrichtlinie, im Folgenden: RL 2013/32/EU), in Einklang steht. Generalanwalt T. P. hat in seinen Schlussanträgen vom 18. März 2021 in der Rechtssache C-8/20 die Auffassung vertreten, dass Art. 33 Abs. 2 lit. d) in Verbindung mit Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU dahin auszulegen ist, dass ein Antrag auf internationalen Schutz nicht als Folgeantrag für unzulässig erklärt werden kann, wenn der Antragsteller vor Stellung des weiteren Asylantrags in sein Herkunftsland abgeschoben worden ist (Rn. 34 ff.). Der Gerichtshof der Europäischen Union ist in seinem Urteil in der Rechtssache C-8/20 auf die vom Generalanwalt aufgeworfene Frage nicht eingegangen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2021 - C-8/20 -, juris.

Zwar wurden die Antragsteller, soweit nach derzeitigem Sach- und Streitstand ersichtlich, nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben, sondern sind freiwillig dorthin zurückgekehrt. Es bedarf jedoch einer vertieften Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob die vom Generalanwalt angeführten Gründe auch für eine freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).