OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2021 - 15 U 4/20
Fundstelle
openJur 2021, 26253
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.01.2020 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 3 02... (nachfolgend: Klagepatent, Anlage KAP II 1a, deutsche Übersetzung Anlage KAP II 1b).

Die dem Klagepatent zugrunde liegende, am 25.05.2016 offengelegte Anmeldung wurde am 20.09.2002 unter Inanspruchnahme einer US-amerikanischen Priorität vom 05.10.2001 (US 97...) eingereicht. Den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents machte das Europäische Patentamt am 01.11.2017 im Patentblatt bekannt.

Das Klagepatent steht in Kraft. Über den gegen das Klagepatent anhängigen Einspruch eines Dritten, dem die Beklagte zu 1) beigetreten ist, ist noch nicht entschieden. Die mündliche Verhandlung des Einspruchsverfahrens ist auf den 09.12.2021 terminiert. Mit Bescheid vom 03.01.2020 (Anlage KAP II 23/23a) teilte die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts u.a. mit, dass seiner vorläufigen Auffassung nach der eingetragene Anspruch 9 unzulässig erweitert sei. Der Anspruch dürfte sich jedoch als neu erweisen. Mit Schreiben vom 07.08.2020 reichte die hiesige Klägerin im Einspruchsverfahren einen neuen Hauptantrag betreffend Anspruch 9 und verschiedene Hilfsanträge ein. Dieser geänderte Hauptantrag entspricht im Wesentlichen der Fassung des eingeschränkten Anspruchs 9, den die Klägerin bereits erstinstanzlich zuletzt als Hauptantrag geltend gemacht hat. Mit Bescheid vom 03.02.2021 (Anlage KAP II 26/26a) teilte die Einspruchsabteilung zu dem dortigen neuen Hauptantrag mit, dass nach seiner vorläufigen Meinung keine unzulässige Erweiterung gegeben und der Anspruch neu sei.

Das Klagepatent betrifft eine endoskopische Vorrichtung zur Verursachung von Hämostase. Der in diesem Verfahren allein geltend gemachte Anspruch 9 des Klagepatents lautet in der von der Klägerin geltend gemachten eingeschränkten Fassung in deutscher Übersetzung wie folgt:

"Medizinische Vorrichtung (100) zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes zur Verwendung durch ein Endoskop, wobei die medizinische Vorrichtung aufweist: eine Klemme [Verfahrenssprache: "clip"] (101), wobei die Klemme (101) mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) hat; einen Steuerdraht (108), der mit der Klemme (101) koppelbar ist, wobei der Steuerdraht (108) reversibel betätigbar ist, um sowohl die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu öffnen als auch um die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu schließen, wobei der Steuerdraht (108) von der Klemme (101) abkoppelbar ist; eine axial steife Hülle (111), die den Steuerdraht (108) umhüllt, wobei die Hülle (111) imstande ist, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts (108) entgegenwirkt; eine Verrieglungshülse (113), wobei [Verfahrenssprache: "thereby"] der Steuerdraht (108) in proximaler Richtung gezogen werden kann, um die Klemme (101) durch die Verriegelungshülse (113) zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden; einen Halter (110), wobei der Halter mit der Verriegelungshülse (113) lösbar gekoppelt ist; einen Handgriff, der mit der axial steifen Hülle (111) gekoppelt ist; und ein Betätigungselement, das mit dem Steuerdraht (108) gekoppelt ist, wobei der Steuerdraht (106) durch das Betätigungselement in Eingriff nehmbar ist, um die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu öffnen, die mindestens zwei Klemmenschenkel (102, 103) zu schließen und den Steuerdraht (108) von der Klemme (101) abzukoppeln; dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung ferner aufweist: eine Halterlösungsanordnung (109), wobei die Halterlösungsanordnung (109) einen Eingriff mit dem Halter (110) herstellen kann, um den Halter (110) von der Verriegelungshülse (113) abzukoppeln."

Wegen des Wortlauts des hilfsweise geltend gemachten uneingeschränkten Anspruchs 9 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift erläutern die technische Lehre des Klagepatents anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Figur 1 zeigt eine anspruchsgemäße Klemme (101) mit zwei Schenkeln (102, 103), die im geöffneten Zustand mit dem Halter (110) verbunden ist.

In Figur 2 ist eine Klemme (101) mit Verriegelungshülse (113) im geschlossenen Zustand und noch bevor diese vom Rest der Vorrichtung gelöst wird dargestellt.

Die Beklagte zu 1), bei der es sich um die deutsche Vertriebsgesellschaft der A... handelt, bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Gewebeklemmen der Produktserie "E...Clip" (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen, Anlagen K II 7/1-3; K 9, K 11, K 12), die in vier Varianten namens "F...", "G...", "H..." und "I..." zur Verfügung stehen. Die Beklagte zu 2) ist die Repräsentantin der A... und als Verantwortliche auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsformen genannt.

Die angegriffenen Ausführungsformen, welche bezogen auf den geltend gemachten Anspruch des Klagepatents keine Unterschiede aufweisen, dienen zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes und können durch Endoskopie positioniert werden. Ihre konstruktive Ausgestaltung basiert auf der technischen Lösung des der Muttergesellschaft der Beklagten zu 1) im Jahr 2014 erteilten Patents EP 3 08... (Anlage B 14, nachfolgend: EP ´1...).

Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen u.a. über zwei Klemmenschenkel ("Clip Arms"), einen distalen Stift ("Distal Pin"/ "Scharnierstift"), einen proximalen Stift ("Proximal Pin"/"Proximaler Scharnierstift"), eine Hülse ("Capsule"), zwei J-Haken ("J-hooks"), einen Steuerdraht ("Control Wire") und eine Drahtumhüllung ("Coil Shaft").

Zur Veranschaulichung sind nachfolgend eine von der Klägerin farblich gestaltete und beschriftete als Anlage KAP II 11 zur Akte gereichte Explosionszeichnung und sodann von den Beklagten beschriftete zur Akte gereichte Zeichnungen eines Klemmenschenkels und der Hülse eingeblendet.

In der proximalen Basis der Klemmenschenkel sind demnach jeweils eine Führungskulisse ausgebildet und ovale Bohrungen vorhanden. In den Führungskulissen befindet sich der "Distal Pin", welcher feststehend am distalen Ende der Hülse ("Capsule"), die hierfür über zwei entsprechende Bohrungen verfügt, befestigt ist. Die ovalen Bohrungen nehmen den kürzer ausgebildeten "Proximal Pin" auf. Dieser verbindet die beiden Klemmenschenkel ("Clip Arms") und ist über zwei J-Haken ("J-hooks") mit dem Steuerdraht ("Control Wire") verbunden, der mit einem spiralförmig gewundenen, axial dehnbaren Draht ("Coil Shaft") umhüllt ist.

Ein Ziehen am Steuerdraht ("Control Wire") bewirkt, dass der "Proximal Pin" in Richtung proximal gezogen wird, was dazu führt, dass die Basis jedes Klemmenschenkels ("Clip Arm") in die Hülse ("Capsule") hineingezogen wird. Die Führungskulissen in der Basis der Klemmenschenkel ("Clip Arms") werden entlang des feststehenden "Distal Pin" geführt und die Kulissenform bewirkt das Schließen der Schenkel im Klemmbereich. Die Hülse ("Capsule") ist im Bereich der Aufnahme der Basis der Schenkel mit Schlitzen versehen. Mittels proximalem bzw. distalem Bewegen des Steuerdrahts ("Control Wire") ist ein mehrfaches Öffnen und Schließen der Klemmenschenkel ("Clip Arms") möglich.

Wird der Steuerdraht ("Control Wire") in proximaler Richtung mit einer bestimmten Kraft bewegt, lösen sich die J-Haken ("J-hooks") vom "Proximal Pin". Der Steuerdraht ("Control Wire") samt Umhüllung ("Coil Shaft") kann aus dem Köper entfernt werden. Die Klemme und die Hülse ("Capsule") verbleiben im Körper des Patienten.

Die Klägerin sieht in dem Angebot und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Benutzung des in eingeschränkter Fassung geltend gemachten Anspruchs 9 und nimmt die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.

Die Beklagten haben erstinstanzlich eine Benutzung in Abrede gestellt und die Ansicht vertreten, die angegriffenen Ausführungsformen wiesen weder eine Klemme noch eine Verriegelungshülse noch eine Halterlösungsanordnung und auch keine axial steife Hülle auf. Auskunft und Rechnungslegung in elektronischer Form könnte zudem nicht verlangt werden, wenn sich ihr Aufwand erhöhen würde. Der Rechtsstreit sei jedenfalls auszusetzen, da sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren wegen fehlender Neuheit und unzulässiger Erweiterung als nicht rechtsbeständig erweisen werde.

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 16.01.2020 (Bl. 214 ff. GA), in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 06.02.2020 (Bl. 285 f. GA) nach den zuletzt gestellten Anträgen verurteilt und von der Aussetzung des Rechtsstreits abgesehen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Außer der Vorgabe, dass die Klemme über mindestens zwei Klemmenschenkel verfügen müsse, könne der Fachmann weder dem Anspruch selbst noch der Klagepatentschrift im Übrigen weitere Angaben zur näheren Ausgestaltung der Klemme entnehmen. Insbesondere die Notwendigkeit der Ausgestaltung als bauliche Einheit sei nicht zu erkennen. Die beiden Klemmenschenkel müssten nicht stets in Abhängigkeit voneinander geöffnet und geschlossen werden können und/oder die beiden Klemmenschenkel müssten auch nicht (feder-)vorgespannt sein. Dem verwendeten Begriff Klemme bzw. Clip könne der Fachmann nur einen Hinweis darauf entnehmen, dass die Vorrichtung zum Klemmen geeignet sein müsse, indes nicht, wie bzw. auf welche Art die Klemmfunktion gewährleistet werden müsse, ob durch eine Vorspannung in eine der Bewegungsrichtungen oder auf eine andere Weise. Entsprechend lasse sich auch anhand der von den Parteien vorgelegten Auszüge aus Wörterbüchern nicht feststellen, dass der Fachmann einem Clip eine bestimmte Funktionsweise und/oder Ausgestaltung zuordne, er insbesondere den englischen Begriff Clip mit Federklemme übersetze. Die Anspruchssystematik und die technischfunktionale Betrachtungsweise führten zu keinem anderen Verständnis. Die Erfindung ziele auf eine Klemme, die - anders als die vorbekannten Klemmen im Stand der Technik - jedenfalls teilweise reversibel sei. Insoweit erkenne der Fachmann auch, dass die beiden Klemmenschenkel nicht nur geschlossen, sondern auch - jedenfalls bis zu einem gewissen Grad - wieder geöffnet werden können müssen und erst am Ende des Setzvorgangs gesichert werden sollen, wenn keine Korrektur mehr erforderlich sei und das Endoskop wieder entfernt werde. Auf welchem Wege die Schenkel wiederholt geöffnet und geschlossen werden sollen, lasse das Klagepatent offen. Auch aus der Beschreibung und den dargestellten bevorzugten Ausführungsbeispielen folge nichts anderes. Im Gegenteil, aus der Erwähnung einer Vorspannung mit Blick auf einige Ausführungsformen in den Figuren 14A-14C, 18A-18E gehe hervor, dass eine Vorspannung nur eine Option sei. Ausgehend hiervon wiesen die angegriffenen Ausführungsformen zwei Klemmenschenkel auf, wobei diese sich infolge der Verbindung über den "Distal Pin" und den "Proximal Pin" sogar als bauliche Einheit darstellten.

Unter einer axial steifen Hülle des Steuerdrahtes verstehe das Klagepatent eine Hülle, die dazu geeignet sei, den bei Betätigung des Steuerdrahtes auftretenden (Zug- und Druck-)Kräften entgegenzuwirken. Die Hülle müsse mithin derart steif sein, dass sie diesen Kräften standhalte. Zugleich erkenne der Fachmann, dass die Hülle nicht zu steif bzw. starr sein dürfe, da die gesamte Vorrichtung in den Körper des Patienten eingebracht werde und daher eine gewisse Flexibilität zur Anpassung an den Einsatzort erforderlich sei. Aus Absatz [0023] ff. ergebe sich bereits, dass es nicht erforderlich sei, dass sich die Hülle weder zusammendrücken noch auseinanderziehen lassen dürfe. Eine Verformung müsse nicht ausgeschlossen sein.

Die angegriffenen Ausführungsformen verfügten über eine anspruchsgemäße Verriegelungshülse. Wie bereits der Wortlaut verdeutliche, solle die Verriegelungshülse die Klemme bzw. Klemmenschenkeln nach deren endgültigem Schließen derart sichern (verriegeln), dass die übrige Vorrichtung wieder aus dem Körper des Patienten entfernt werden könne, ohne dass sich die Klemme ungewollt öffne. Darüber hinaus müsse die Hülse derart ausgestaltet sein, dass die Klemme - jedenfalls teilweise - durch sie hindurchgezogen werden könne. Weitere An- bzw. Vorgaben zur räumlichkörperlichen Ausgestaltung der Hülse könne der Fachmann weder dem Wortlaut des Anspruchs noch den übrigen Bestandteilen der Klagepatentschrift entnehmen. Der Vorgang des Hindurchziehens müsse im Zusammenhang mit dem Schließen der Klemmenschenkel stehen, wobei darunter nicht nur ein zeitlicher Zusammenhang zu verstehen sei. Das Klagepatent fordere vielmehr einen tatsächlichen Wirkzusammenhang. Andererseits verlange der Anspruch nicht, dass das Hindurchziehen durch die Hülse die einzige Ursache bzw. der einzige Mechanismus für das Schließen der Schenkel sein dürfe. Bei den angegriffenen Ausführungsformen stelle das als "Capsule" bezeichnete Bauteil eine Verriegelungshülse dar und nicht - wie die Beklagten meinten - nur der untere distale Abschnitt der Hülse mit dem Ringsteg. Denn die zur Klemme hin gerichteten Fortsätze (mit Schlitz) seien einstückig mit der Hülse verbunden und trügen im Zusammenspiel mit den Bauteilen der Klemme dazu bei, dass die Klemme letztlich verriegelt bleibe. Die Hülse leiste auch einen entscheidenden kausalen Beitrag zum Schließen der Klemme.

Eine Halterlösungsanordnung im Sinne des Klagepatents sei ein Bauteil bzw. eine Einrichtung, welche(s) dazu ausgebildet sei, im Zusammenspiel mit dem Halter dafür zu sorgen, dass die im Körper verbleibende Klemme nebst Verriegelungshülse von der übrigen Vorrichtung abgekoppelt werde, damit diese aus dem Körper des Patienten herausgezogen werden könne. Die räumlichkörperliche Ausgestaltung der Halterlösungsanordnung stehe im Belieben des Fachmanns. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei das als "Hypotube" bezeichnete Bauteil eine Halterlösungsanordnung.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts vom 16.01.2020 (Bl. 214 ff. GA), in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 06.02.2020 (Bl. 285 f. GA), Bezug genommen, § 540 ZPO.

Gegen dieses am 16.01.2020 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 28.01.2020, beim Oberlandesgericht am 29.01.2020 eingegangen, Berufung eingelegt. Die Beklagten begehren weiterhin Klageabweisung. Unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens begründen sie die Berufung im Wesentlichen wie folgt:

Das Landgericht habe die Aufgabe rechtsfehlerhaft aus Absatz [0016] abgeleitet. In diesem Absatz seien nur besondere Vorteile genannt. Ausgehend vom gattungsbildenden Stand der Technik, der US 3 95... (Anlage KAP II 2, nachfolgend: US ´5...), verbliebe als Aufgabe, die vorbekannte medizinische Vorrichtung weiterzubilden und diese Handhabung weiter zu vereinfachen.

Der Fachmann übersetze den in der Verfahrenssprache im Anspruch verwendeten Begriff "clip" mit Clip und verstehe hierunter eine Konstruktion aus mindestens zwei Klemmenschenkeln, die vorgeformt, aber deformierbar ausgeführt seien. Clip sei eine Klammer, die mit Hilfe einer Vorspannung in der Lage sei, eine Kraft auszuüben. Dies folge auch aus dem Stand der Technik, welcher zwischen "clip" und "clamp" bzw. zwischen "clip" und anderen Mitteln mit Klemmwirkung differenziere und nur Klammern mit Vorspannung offenbare. Die Klemmenschenkel würden jeweils durch einen Druck von außen zusammengedrückt. Am Prioritätstag habe es noch keine endoskopgeführten, abkoppelbaren Hämostaseclips gegeben, die ohne Vorspannung der Klemmenschenkel ausgekommen seien. Solche seien erst deutlich nach dem Prioritätstag des Klagepatents entwickelt worden wie die Erteilung des EP ´1... belege. Auch sämtliche technischen Ausführungsformen, die im Klagepatent beschrieben seien, zeigten ausschließlich Lösungen mit vorgespannten Klemmenschenkeln, unabhängig davon, ob sie - wie die in Figuren 1 und 8A und Absatz [0022] dargestellten bevorzugten Ausführungsformen - beansprucht seien oder - wie die Figuren 9-20C - nicht. Schließlich hänge die Ausgestaltung des Clips funktional mit dem Schließvorgang zusammen, an dem die Verriegelungshülse mitwirken müsse. All dies werde insbesondere durch das Privatgutachten von Herrn B... (Anlage B 13) belegt, welches anlässlich des Parallelverfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf, Az. 4c O 89/19 (nachfolgend: Parallelverfahren), erstellt worden ist. Soweit das Landgericht die Figuren 14A-14C und 18A-18C zum Beleg für eine optionale Vorspannung herangezogen habe, gehe dies fehl. Diese Figuren müssten nach der Entscheidung "Okklussionsvorrichtung" des Bundesgerichtshofs vielmehr unberücksichtigt bleiben, weil sie - insoweit unstreitig - nicht patentgemäße Ausführungsformen zeigen. Die Bezeichnung der Ausführungsformen gemäß den Figuren 9-20C in der Beschreibung ist - ebenfalls unstreitig - im Erteilungsverfahren von ursprünglich "medizinische Vorrichtungen der vorliegenden Erfindung" in "andere medizinische Vorrichtungen" (Anlagen B 8, B 9) geändert worden.

Das Erfordernis einer axial steifen Hülle verstehe der Fachmann dahingehend, dass die Hülle so ausgebildet sein müsse, dass ein Auseinanderziehen oder Stauchen ausgeschlossen sei. Ihren dahingehenden Vortrag habe das Landgericht nur unvollständig gewürdigt. Absatz [0025] besage, dass die Hülle in Bezug auf die Mittelachse steif ausgestaltet sei. Insoweit gebe es keine Offenbarung im Klagepatent dafür, dass die Hülle entlang der Mittelachse gestreckt oder gestaucht werden könne. Abgesehen davon habe das Landgericht übersehen, dass es sich bei der Anforderung einer axial steifen Hülle und der Anforderung nach einer Hülle, die Kräfte übertragen und diesen entgegenwirken können müsse, um zwei Merkmale handele, die kumulativ vorliegen müssten. Die erste Anforderung sei nicht redundant und die zweite nicht lediglich eine Zweckangabe.

Zwischen dem Vorgang des Hindurchziehens der Klammer durch die Verriegelungshülse und dem Schließen der Klemmenschenkel müsse anspruchsgemäß ein kausaler Zusammenhang bestehen. Die Verriegelungshülse müsse beim Schließen der Klemmenschenkel konkret funktional mitwirken. Es genüge nicht, wenn sie nur ein Teil sei, durch das die Klammer hindurchgeführt werde, während ganz andere Teile das Schließen verursachen. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut des Anspruchs ("wodurch") als auch aus dem gattungsbildenden Stand der Technik. Darüber hinaus seien in den Figuren 10A-10B und 17A-17B alternative Ausführungsvarianten dargestellt, deren Schließanordnungen jeweils ohne Mitwirkung der Verriegelungshülse funktionierten. Diese Varianten seien wegen der massiven Änderungen im Erteilungsverfahren indes - insoweit unstreitig - nicht vom Klagepatent umfasst. Der Ausschluss dieser technischen Lösungen belege, dass nicht jegliche Schließanordnung vom Anspruch erfasst sei. Insbesondere reiche es nicht aus, dass in der Gesamtkonstruktion ein Pin als "Hebelpunkt" enthalten sei. Technische Lösungen nach den Figuren 9-20 könnten keine Grundlage dafür bieten, den Anspruch gegen den Wortlaut auf das bloße Vorhandensein der Verriegelungshülse zu reduzieren. Das Schließen müsse zwingend so funktionieren, wie es in den Ausführungsbeispielen gezeigt sei. Der Unterschied zwischen den Figuren 10 und 17 einerseits und den Figuren 11, 13, 12 und 20 andererseits bestehe darin, dass bei den erstgenannten die Klemme zunächst geschlossen sei und bei Betätigung des Steuerdrahtes geöffnet werde, während bei den zweitgenannten die Klemme ursprünglich offen sei und beim Schließen durch Druck (der Verriegelungshülse) von außen zusammengedrückt werde. Es solle stets mittels desselben Prinzips geschlossen werden, nämlich durch Zusammendrücken. Deshalb sei auch die Vorspannung der Klemmenschenkel erforderlich.

Ausgehend hiervon sei eine Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs nicht zu erkennen. Die Klemmenschenkel der angegriffenen Ausführungsformen seien nicht verformbar. Sie wiesen auch keine Vorspannung auf. Diese sei auch nicht erforderlich, weil die Bewegung der Klemmenschenkel über die Kulissenführung erreicht werde. Die vorhandene Hülse leiste keinen Beitrag beim Öffnen oder Schließen der Schenkel. Das schlichte Vorhandensein eines Scharnierstifts ("Distal Pin") führe nicht zur Mitwirkung am Schließvorgang, sondern entspreche dem Vorsehen eines Umlenkpunkts wie in den - nicht anspruchsgemäßen - Figuren 17A-17B dargestellt. Abgesehen davon sei der Scharnierstift ("Distal Pin") in einem Bereich der Hülse verankert, der keine Verriegelungsfunktion aufweise und durch den die Klemmenschenkel der angegriffenen Ausführungsformen auch nicht hindurchgezogen würden. Die Hülle des Steuerdrahts sei dehnbar und damit nicht axial steif ausgebildet.

Darüber hinaus sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig. Der geltend gemachte Anspruch werde sowohl durch die Entgegenhaltung JP 62-... (Anlage B 18/18a, nachfolgend: G3) als auch durch die Entgegenhaltungen JP 9-... (nachfolgend: M1, Anlagenkonvolut B 2) und DE 19... (nachfolgend: E1, Anlage B 5) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.01.2020, Az. 4c O 94/18, abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens beim Europäischen Patentamt auszusetzen,

weiter hilfsweise: auszusprechen, dass die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung, die in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden darf, in Höhe von 800.000,00 EUR abwenden darf, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16.01.2020, Az. 4c O 94/18, zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil als zutreffend. Sie führt hierbei insbesondere aus:

Das Landgericht habe zur Bestimmung der Aufgabe richtigerweise auf Absatz [0016], der die Ziele der Erfindung benenne, Bezug genommen. Die dort genannte Aufgabe, welche erstinstanzlich im Übrigen unstreitig gewesen sei, löse das Klagepatent über die reversible Betätigung des Steuerdrahtes in Kombination mit der Halterlösungsanordnung wie sie im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 9 beansprucht sei.

Der Anspruch verlange als einzig räumlich körperliche Vorgabe für die Klemme, dass diese mindestens zwei Klemmenschenkel aufweist. Der Anspruchswortlaut sei eindeutig. Die Klemme mit ihren beiden Klemmenschenkeln habe die Funktion, Gewebe einzuklemmen, um auf diese Weise eine Hämostase zu bewirken. Die Klemme müsse dabei geschlossen bleiben, weil sie sonst abfallen und ihre Wirkung verlieren würde. Damit die Klemme mit ihren Klemmenschenkeln Gewebe einklemmen könne, müssten die Klemmenschenkel eine Klemmkraft aufbringen. Ob eine solche Klemmkraft auf die Klemmenschenkel aufgebracht werde, bevor die Klemmenschenkel Gewebe einklemmen oder nicht, lasse der Anspruch offen. Die Zeit vor dem Einklemmen des Gewebes sei funktional auch irrelevant. Es gehe einzig und allein darum, eine reversibel schließbare Klemme zur Hämostase bereitzustellen, die Druckkraft auf die Gefäßwände ausübe, um diese mechanisch abzudichten.

Die Fähigkeit der Vorrichtung, die Klemme wiederholt zu öffnen und zu schließen, bis das gewünschte Zusammendrücken des Gewebes erreicht sei, führe zu einer schnelleren Prozedur, die weniger zu setzende Klemmen erfordere und eine höhere Erfolgsrate habe. Für das Erreichen dieses Vorteils spiele es keine Rolle, ob die Klemme eine Vorspannung aufweise oder nicht.

Das Erfordernis der Vorspannung finde sich nirgends im Klagepatent, auch nicht in der Beschreibung, wobei wegen des unpräzisen Begriffs "Vorspannung" schon nicht klar sei, was die Beklagten mit diesem ausdrücken wollten. Eine Einschränkung ergebe sich insbesondere nicht aus Ausführungsbeispielen, gleichgültig ob sie eine Vorspannung zeigten oder nicht, denn Ausführungsbeispiele schränkten den Schutzumfang eines Anspruchs ex definitione nicht ein. Darüber hinaus sei die in Absatz [0022] erwähnte Verformbarkeit nicht mit einer Vorspannung gleichzusetzen. Dort gehe es vielmehr um sogenanntes Formgedächtnismaterial. Eine Einschränkung ergebe sich gleichfalls nicht aus dem Stand der Technik. Auch wenn der Oberbegriff des Anspruchs auf der US `5... basiert, so hieße dies nicht, dass der Oberbegriff des Klagepatents identisch mit der Ausgestaltung der US `5... zu sein habe. Nur vorsorglich bestreite sie, dass im Stand der Technik nur Klemmen bekannt gewesen seien, die eine Vorspannung aufweisen. Die Differenzierung zwischen Klemme und Klammer sei gekünstelt, was auch das EP `1... zeige. In diesem würden die Begriffe "clip" und "clamp" gleich gesetzt.

Der Vortrag der Beklagten zum Erteilungsverfahren sei bereits deshalb unbeachtlich, weil er verspätet sei. Abgesehen davon bilde die Erteilungsakte kein zulässiges Auslegungsmaterial.

Die angegriffenen Ausführungsformen wiesen eine erfindungsgemäße Klemme auf, wie auch der im Parallelverfahren bestellte gerichtliche Sachverständige Herr C... in seinem Gutachten (Anlage KAP II 27, S. 6) zutreffend festgestellt habe. Die Klemme weise sogar eine Vorspannung nach dem Verständnis der Beklagten und ihres Privatgutachters auf. Die Klemmenschenkel der Verletzungsform seien über den "Distal Pin" in den Führungskulissen zu jeder Zeit "von Innen" vorgespannt. Da es nach dem Verständnis der Beklagten ausreiche, dass die Vorspannung zu irgendeinem Zeitpunkt der Anwendung der Klemme bestehe, erfahre die Klemme durch das Gewebe zwischen den Klemmenschenkeln bei der Applikation eine Klemmspannung.

Eine Hülle sei dann im Sinne des Klagepatents axial steif, wenn sie imstande sei, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts entgegenwirkt. Soweit die Beklagten auf Absatz [0025] abstellten, spreche dieser (nur) davon, dass die Hülle steif mit Blick auf ihre Rotation sei. Ob die Hülse gedehnt oder gestaucht werden könne, gehe hieraus hingegen nicht hervor.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Begriff "wodurch" gebe lediglich eine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Hineinziehen der Klemme in die Verriegelungshülse und dem Schließen der Klemmenschenkel vor. Aber selbst wenn mit dem Landgericht davon ausgegangen würde, dass ein Wirkzusammenhang gefordert sei, müsste die Verriegelungshülse nur in irgendeiner Art und Weise am Schließvorgang der Klemmenschenkel mitwirken. Jeder kausale Beitrag genüge.

Der Anspruch gebe für die Mitwirkung lediglich vor, dass die beiden Klemmenschenkel geschlossen werden, wenn die Klemme mit dem Steuerdraht in proximaler Richtung durch die Verrieglungshülse gezogen wird. Die Verrieglungshülse müsse also räumlichkörperlich so ausgestaltet sein, dass dies im Zusammenwirken mit den anderen Bauteilen geschehe. Der Anspruch lasse dagegen offen, wie dies geschehe. Er formuliere insbesondere nicht, dass die Verriegelungshülse "unmittelbar" oder "konkret" am Schließvorgang mitzuwirken habe. Die Verriegelungshülse könne deshalb auch dadurch mitwirken, dass sie ein anderes Bauteil halte, das dann die Klemmenschenkel im Zusammenwirken mit der Verriegelungshülse schließe. Dem Klagepatent kommt es auf das "wie" des Schließvorgangs nicht an. Selbst wenn die Kompressionskraft der Verriegelungshülse in den Ausführungsbeispielen in Fig. 1-8 und 21 die Klemmenschenkel schließe, führe dies nicht zu einer Beschränkung des Klagepatents. Dass die Ausführungsbeispiele in den Figuren 10A-10B, 17A-17B nicht vom Anspruchswortlaut des Anspruchs 9 erfasst sind, habe nichts mit der Art und Weise des Schließens der dort gezeigten Klemmen zu tun, sondern damit, dass in diesen Ausführungsbeispielen eine abweichende Art des Verriegelns und/oder Setzen vorgesehen sei.

Funktional habe die Verrieglungshülse zudem primär die Klemmenschenkel zu verriegeln, wie es ihre Bezeichnung anschaulich sage. Damit einhergehend werde in Absatz [0017] der Beschreibung auch zwischen der Verriegelungsanordnung und der Schließanordnung differenziert, was (ebenfalls) nahelege, dass die Verriegelungshülse überhaupt nicht an dem Schließen der Klemme beteiligt sein müsse.

Die Verriegelungshülse der angegriffenen Ausführungsformen wirke jedenfalls am Schließvorgang der Klemmenschenkel mit. Das mache sie auch "konkret", weil der "Distal Pin" funktionaler Bestandteil der Verriegelungshülse sei. Jedenfalls aber mittelbar, weil sie den "Distal Pin" halte. Die Verriegelungshülse ist - insoweit unstreitig - für den Schließvorgang unentbehrlich. Die Klemmenschenkel würden durch ein Hindurchziehen in die Hülse geschlossen. Dass die Hülse der angegriffenen Ausführungsformen im distalen Bereich zwei Schlitze aufweist, sei hierfür ohne Belang. Für die Frage der Verletzung sei nicht relevant, ob oder ob nicht der "Distal Pin" in einem Bereich der Hülse verankert ist, der keine Verriegelungsfunktion aufweise. Die gesamte Hülse und nicht nur deren proximaler Bereich bilde die Verriegelungshülse.

Bei neuen Ausführungen der Beklagten zum Aufbau und zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen handele es sich um Tatsachenvortrag, der nach § 531 ZPO verspätet sei. Ihr, der Klägerin sei allerdings nicht ersichtlich, inwieweit die Ausführungen zu den angegriffenen Ausführungsformen und zur Frage der Verletzung des Anspruchs 9 von dem erstinstanzlichen Vortrag abweichen solle. Unabhängig davon bestreite sie, dass die Klemmenschenkel der angegriffenen Ausführungsformen nicht deformierbar seien. Unter Krafteinwirkung ließen sich die Klemmenschenkel verbiegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des geltend gemachten eingeschränkten Anspruchs 9 des Klagepatents Gebrauch. Der Klägerin stehen deshalb die vom Landgericht zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3, §§ 242, 259 BGB zu.

I.

Das Klagepatent betrifft eine blutstillende Klemmenvorrichtung. Derartige Vorrichtungen werden insbesondere im Rahmen endoskopischer Verfahren eingesetzt, um aktiv und/oder prophylaktisch eine Blutstillung im Körperinneren vorzunehmen. Übliches Anwendungsgebiet sind Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts.

Magen-Darm-Blutungen stellen eine erhebliche Gefahr für Patienten dar, wobei die Behandlung einer solchen Blutung äußerst zeitkritisch ist. Die Diagnose und Behandlung der Blutung kann entweder chirurgisch oder mittels Endoskopie erfolgen.

Chirurgische Eingriffe führen nach dem Klagepatent zwar zu einer sicheren Stillung der Blutung, sie verursachen jedoch höhere Kosten und höhere Morbiditäts- und Sterblichkeitsraten als die Endoskopie (Abs. [0003]). Daher ist aus Sicht des Klagepatents endoskopischen Behandlungen der Vorzug zu gewähren.

Im Stand der Technik sind zwei gängige endoskopische Behandlungsmöglichkeiten, die Thermotherapie und die Injektionstherapie, sowie einige seltener angewandte Therapien bekannt. Diese erachtet das Klagepatent aus verschiedenen Gründen als nachteilig: Die Thermobehandlung sei zwar zur Blutstillung recht erfolgreich, es müsse jedoch oft mehr als ein Versuch unternommen werden und es würden häufiger Nachblutungen auftreten. Darüber hinaus erfordert diese Therapie einen spezialisierten Energieerzeuger und die Ausrüstung könne teuer sein (Abs. [0006]). Bei der der Injektionstherapie seien oft zahlreiche Injektionen in und um die Blutungsstelle nötig, bis es zur Blutstillung komme und zudem stellten Rezidivblutungen ein Problem dar (Abs. [0007]).

Laut Klagepatent (Abs. [0009]) liegt die primäre Erfolgsrate der endoskopischen Behandlung bei etwa 90 %, wobei die Nachblutungsrate für endoskopisch behandelte aktive Blutungen 10 bis 30 % beträgt. In der Chirurgie beträgt der Kurz- und Langzeiterfolg für permanente Hämostase demgegenüber praktisch 100 %. Chirurgisch liegt die Erfolgsrate höher, da die Blutungsstelle mechanisch zusammengedrückt wird, was eine bessere Hämostase bewirkt. Mit Hilfe - so das Klagepatent wörtlich (in deutscher Übersetzung) - "solcher Vorrichtungen wie Klemmen, Clips, Klammern, Nahtmaterialien (d. h. Vorrichtungen, die ausreichende konstruktive Kräfte auf Blutgefäße ausüben können, um den Blutfluss zu begrenzen oder zu unterbrechen) wird das blutende Gefäß ligiert, oder das Gewebe um die Blutungsstelle zusammengedrückt, was alle umliegenden Gefäße unterbindet." (Abs. [0010]).

Bekannt ist entsprechend Absatz [0011] der Klagepatentbeschreibung bereits eine Vorrichtung, die die Vorteile der Chirurgie mit einer weniger invasiven endoskopischen Prozedur vereint, nämlich der D...Clip. Mit dieser Vorrichtung wird das blutende Gefäß zusammengedrückt, um die Blutung zu stillen. Problematisch an dieser Vorrichtung ist es dem Klagepatent zufolge jedoch, dass sie nach Beginn des Backenverschlusses nicht wieder geöffnet werden kann und der Arzt somit gezwungen ist, den Clip abzuschießen. Da die betroffenen Gefäße häufig schwer zu erkennen sind, müssten oft mehrere Clips gesetzt werden, um das Gefäß erfolgreich zusammenzudrücken und eine Blutstillung zu erreichen. Darüber hinaus sei der D...Clip eine teils wiederverwendbare Vorrichtung, wodurch die Leistung der Vorrichtung mit dem Gebrauch leide.

Im Anschluss daran erwähnt das Klagepatent drei Schriften, ohne an den in diesen vorgeschlagenen Vorrichtungen Kritik zu üben.

Zunächst befasst sich das Klagepatent mit der US ´5... (Anlage KAP II 2), auf welcher der Oberbegriff des Anspruchs 1 beruht. Diese Schrift offenbart einen Clip, der lösbar mit einer Zuführeinrichtung (Instrumentenkörper) verbunden ist. Der Clip ist dabei 8-förmig ausgestaltet und mit einem Haken an einem distalen Ende des Instrumentenkörpers befestigt, wobei der Clip geöffnet und geschlossen werden kann, indem er relativ zu einem Eingriffselement verschoben wird. Das Eingriffselement dient dazu, den Clip in einer verschlossenen Position zu halten, um einen erkrankten Bereich in einem Hohlraum im Körperinneren abzuklemmen, wobei der Clip zusammen mit dem Eingriffselement im Inneren des Körpers des Patienten verbleibt (Abs. [0012]).

Des Weiteren nimmt das Klagepatent Bezug auf die US 5 5... (Anlage KAP II 3, nachfolgend: US `7...), die ein Set zur Behandlung von Gefäßmissbildungen mit einer aus Titan hergestellten Klammer offenbart. Die Klammer ist im entlasteten Zustand gespreizt und kann durch einen Klemmring, der im angesetzten Zustand entlang der Klammer verlagerbar ist, in die Klemmstellung überführt werden. Die Klammer wird durch eine Sonde, die eine röhrenförmige Hülle und einen darin geführten Setzstab aufweist, in den Körper eingeführt (Abs. [0013]).

Das Klagepatent beschreibt schließlich die JP H05 2... (Anlage KAP II 4, nachfolgend: JP `0...). Diese offenbart eine Klemmenvorrichtung mit einem Einführrohr, einer in dem Einführrohr aufgenommenen Klemme, einem Klemmenbefestigungsring, der in einem nicht gespannten Zustand hinter der Klemme angebracht ist, eine Faser und eine Einrichtung, die den Klemmenbefestigungsring durch die Wirkung von durch die Faser zugeführter Laserenergie nach vorne verschiebt (Absatz [0014]).

Vor diesem Hintergrund formuliert es das Klagepatent in Absatz [0016] als Ziel der Erfindung dem Endoskopiker eine Technik und Vorrichtung an die Hand zu geben, die 1. eine Erfolgsrate entsprechend der chirurgischen Option hat, die 2. leichter als der D...Clip vorzubereiten und 3. leichter als der D...Clip zu setzen ist.

Zur Lösung der Aufgabe (des technischen Problems) schlägt Anspruch 9 des Klagepatents in der von der Klägerin eingeschränkt geltend gemachten Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Medizinische Vorrichtung zum Bewirken der Hämostase eines Blutgefäßes zur Verwendung durch ein Endoskop, die aufweist:

2. eine Klemme [Verfahrenssprache "clip"], die mindestens zwei Klemmenschenkel hat;

3. einen Steuerdraht, der

a) mit der Klemme koppelbar ist,

b) reversibel betätigbar ist, um sowohl die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen als auch um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen,

c) von der Klemme abkoppelbar ist;

4. eine axial steife Hülle, die

a) den Steuerdraht umhüllt;

b) imstande ist, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts entgegenwirkt;

5. eine Verriegelungshülse, wobei der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch [Verfahrenssprache: "thereby"] die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden;

6. einen Halter, der lösbar mit der Verriegelungshülse gekoppelt ist;

7. einen Handgriff; der mit der axial steifen Hülle gekoppelt ist;

8. ein Betätigungselement,

a) das mit dem Steuerdraht gekoppelt ist,

b) durch das der Steuerdraht in Eingriff nehmbar ist, um die mindestens zwei Klemmenschenkel zu öffnen und die mindestens zwei Klemmenschenkel zu schließen und den Steuerdraht von der Klemme abzukoppeln;

9. eine Halterlösungsanordnung, die einen Eingriff mit dem Halter herstellen kann, um den Halter von der Verriegelungshülse abzukoppeln.

Die endoskopische angewandte anspruchsgemäße medizinische Vorrichtung besteht demnach aus Teilen, die im Körper des Patienten verbleiben (Klemme und Verriegelungshülse) und Teilen, die benötigt werden, um die im Körper verbleibenden Teile an die richtige Stelle zu setzen und dort zu sichern und die übrigen Teile von diesen zu trennen (Steuerdraht, axial steife Hülle, Halter, Handgriff, Betätigungselement, Halterlösungsanordnung).

Die am distalen Ende befindliche Klemme weist nach Merkmal 2 mindestens zwei Klemmenschenkel auf, die zwecks Blutstillung im geschlossenen Zustand zwischen sich befindliches Gewebe zusammendrücken. Durch Kompression wird die Gefäßwand mechanisch abgedichtet und entsprechend Merkmal 1 eine Hämostase eines Blutgefäßes bewirkt.

Der Steuerdraht ist sowohl mit der Klemme koppelbar (Merkmal 3 a)) bzw. von dieser abkoppelbar (Merkmal 3c)) als auch mit einem Betätigungselement, mit welchem er in Eingriff genommen und betätigt werden kann (Merkmal 8 a), b)). Umhüllt wird der Steuerdraht durch eine axial steife Hülle (Merkmal 4a)), die ein Gehäuse für den Steuerdraht bildet und - jedenfalls teilweise - durch den Körper des Patienten geführt wird. Die axial steife Hülle, die ihrerseits mit einem - außerhalb des Körpers verbleibenden - Handgriff gekoppelt (Merkmal 7) ist, muss in der Lage sein, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahtes entgegenwirkt (Merkmal 4b)). Dies deshalb, weil der Steuerdraht bei Betätigung des Betätigungselements das Schließen und Öffnen der Klemmenschenkel bewirkt (Merkmal 3b) und 8b)) und hierbei auf den Steuerdraht eine Zug- und Druckkraft ausgeübt wird.

Da der Steuerdraht reversibel betätigbar ist (Merkmal 3b), lassen sich die Klemmenschenkel mehrfach bzw. beliebig oft öffnen und schließen, so dass eine optimale und erfolgreiche Positionierung der Klemme erfolgen kann und ein etwaig erforderliches Nachjustieren möglich bleibt. Das Schließen der Klemmenschenkel erfolgt dadurch, dass der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen wird, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen (Merkmal 5).

Nach dem Setzen der Klemme und dem Schließen der Klemmenschenkel wird die Klemme durch die Verriegelungshülse verriegelt, so dass beides (Klemme und Verriegelungshülse) sicher in der gesetzten Position fixiert ist und gesichert im Körper des Patienten verbleibt. Da die übrigen Teile der medizinischen Vorrichtung nicht im Körper des Patienten verbleiben bzw. von den dort verbleibenden Teilen getrennt werden sollen, bedarf es zum einen der Abkopplung der Verriegelungshülse von der restlichen medizinischen Vorrichtung und zum anderen der Abkopplung des Steuerdrahtes von der Klemme. Ersteres wird durch das Vorsehen eines mit der Verriegelungshülse lösbar gekoppelten Halters (Merkmal 6) bewirkt, der infolge des Eingriffs der Halterlösungsanordnung von der Verriegelungshülse abgekoppelt werden kann (Merkmal 9). Zweites geschieht mit Hilfe des Betätigungselements (Merkmal 8b), das den Steuerdraht in proximale Richtung zieht, wodurch die Kopplung gelöst wird. Wenn der Steuerdraht (auch) die Halterlösungsanordnung ausbildet, kann bei Aufbringung einer bestimmten Zugkraft in proximaler Richtung auf den Steuerdraht sowohl die Abkopplung von der Klemme als auch die Abkopplung von der Verriegelungshülse erfolgen.

II.

Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des geltend gemachten eingeschränkten Anspruchs 9 Gebrauch.

1)

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale bzw. Merkmalsgruppen 1, 3, 6, 7, 8 und 9 wortsinngemäß verwirklichen. Hinsichtlich der fünf erstgenannten Merkmale bzw. Merkmalsgruppen steht dies zwischen den Parteien von Beginn an außer Streit; in der Berufungsinstanz haben die Beklagten richtigerweise auch die Verwirklichung des Merkmals 9 nicht mehr in Abrede gestellt. Die Feststellungen des Landgerichts insoweit nicht zu beanstanden. Weitere Ausführungen seitens des Senats sind hierzu nicht veranlasst.

2)

Das Landgericht hat ebenso zutreffend eine wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 2 festgestellt. Die angegriffenen Ausführungsformen verfügen über eine Klemme im Sinne des Klagepatents, das hierunter ein Bauteil mit mindestens zwei Klemmenschenkeln versteht, welche kraftschlüssig miteinander gekoppelt sind und eine Klemmkraft auf zwischen den Klemmenschenkeln befindliches Gewebe aufbringen können. Auf welche Art und Weise das Aufbringen der Kraft geschieht, lässt der geltend gemachte Anspruch offen. Er gibt insbesondere weder zwingend vor, dass die Klemmenschenkel verformbar ausgeführt sein müssen und/oder dass die Klemme mit Hilfe einer Vorspannung in der Lage sein muss, die Kraft auf das Gewebe auszuüben und die Gefäßwand mechanisch zusammendrücken.

a)

Merkmal 2 fordert im Hinblick auf die konstruktive Ausgestaltung der Klemme seinem Wortlaut nach nur das Vorhandensein von mindestens zwei Klemmenschenkeln, nicht hingegen eine (Feder-)Vorspannung oder eine Verformbarkeit der Klemmenschenkel. Beides findet keinerlei Erwähnung.

Eine dahingehende zwingende Vorgabe wird der Fachmann - ein Mediziner oder ein Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik, Maschinenbau, Feinwerktechnik oder Ähnliches mit einem universitären Abschluss, mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung von medizinischen Instrumenten und mehrjähriger Erfahrung als Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie - auch dem Wortsinn des Anspruchs nicht entnehmen. Weder die verwendeten Begriffe noch eine systematische und/oder die funktionsorientierte Auslegung lassen eine Vorspannung und/oder Verformbarkeit als zwingendes Erfordernis der technischen Lehre des geltend gemachten Anspruchs erkennen.

aa)

Der in der gem. Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Verfahrenssprache im Klagepatent verwendete Begriff "clip" lässt sich sowohl als "chirurgische Klammer", "Klammer" oder "Klip" (Anlage B 12), aber auch als "Klemme" (Anlagen KAP II 14, KAP II 15, KAP II 16) ins Deutsche übersetzen. Welche Übersetzung im vorliegenden Fall die Passende bzw. Exakteste ist, bedarf keiner abschließenden Klärung. Auch dann nicht, wenn - wie die Beklagten vortragen - nach dem allgemeinen technischen Sprachverständnis der Begriff "Klammer" bzw. "clip" eine Klammer bezeichnet, die entweder in der geöffneten oder in der geschlossenen Position unter einer (Feder-)Vorspannung steht, und eine "Klemme" bzw. "clamp" demgegenüber ein Spannmittel betitelt, bei dem die Kraftübertragung mittels einer mechanischen Vorrichtung erfolgt.

Der Fachmann hat stets vor Augen, dass es bei der Auslegung eines patentgemäßen Begriffs nicht auf das allgemeine Sprachverständnis (auf dem jeweiligen technischen Gebiet) ankommt, sondern jedes Patent gleichsam sein eigenes Lexikon für das Verständnis der in ihm verwendeten Begrifflichkeiten enthält. Verwendete Begriffe können folglich auch in einer vom allgemeinen technischen Sprachgebrauch verschiedenen Art und Weise aufzufassen sein (BGH GRUR 2016, 361 - Fugenband; BGH GRUR 2015, 875 - Rotorelemente; BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Ein abweichendes Begriffsverständnis kommt insoweit nicht nur in Betracht, wenn die zur Auslegung heranzuziehende Beschreibung dies ausdrücklich und explizit ausführt, sondern auch dann, wenn sich ein solches Verständnis aus der gebotenen funktionsorientierten Auslegung ergibt. Maßgeblich für den Wortsinn eines Anspruchs ist der technische Sinn der verwendeten Begriffe, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Patent ergeben, zu bestimmen ist (BGH GRUR 2020, ; BGH GRUR 2020, 159 - Lenkergetriebe; BGH GRUR 2016, 169 - Luftkappensystem; BGH GRUR 1999, 909 - Spannschraube). Maßgeblich sind dabei der Sinngehalt eines Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der patentierten Erfindung beitragen (BGH GRUR 2020, 159 - Lenkergetriebe; BGH GRUR 2007, 778 - Ziehmaschinenzugeinheit I). Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen (BGH GRUR-RS 2020, 40735 - Kranarm; BGH GRUR 2012, 1122 - Palettenbehälter III).

Die anspruchsgemäße medizinische Vorrichtung dient nach Merkmal 1 dem Bewirken einer Hämostase zur Verwendung durch ein Endoskop. Der Klemme (oder auch der "clip" bzw. die "Klammer") nach Merkmal 2 kommt hierbei die technische Funktion zu, die (Gastrointestinal-)Blutung sicher - und dauerhaft - zu stillen, indem die mindestens zwei Klemmenschenkel der Klemme zwischen sich befindliches Gewebe mechanisch zusammendrücken bzw. einklemmen. Mittels Kompression, d. h. durch Aufbringen einer (Klemm- oder Druck)Kraft auf das Gewebe, soll die Klemme den Blutfluss unterbinden und die Gefäßwand mechanisch abdichten; es soll eine kraftschlüssige Verbindung hergestellt werden (vgl. insbes. Abs. [0017], [0022], [0028], [0029], [0056]). Das Aufbringen der erforderlichen Kraft und damit das Bewirken der Hämostase erfolgt anspruchsgemäß durch das Schließen der Klemmenschenkel (Merkmale 3b), 5, 8b)), die anschließend durch die Verriegelungshülse (Merkmal 5) dauerhaft gesichert werden.

Wie insbesondere Absatz [0010] der Klagepatentschrift entnommen werden kann, gewährleistet dieses mechanische Zusammendrücken das bessere Bewirken einer Hämostase und trägt dazu bei, dass mittels dieser (endoskopischen) Behandlung eine ähnlich hohe Erfolgsrate bei Kurz- und Langzeitbetrachtung wie bei einem chirurgischen Eingriff erzielt werden kann. Die Nachteile der im Stand der Technik bekannten endoskopischen Therapien, der Thermobehandlung und Injektionstherapie (Abs. [006] f.), werden folglich durch diese Art der Blutstillung vermieden. Insbesondere kommt es (bei fachgerechter Anwendung) nicht zu Rezidivblutungen. Da die Klemme mittels weniger invasiver Endoskopie gesetzt wird, bleiben zudem die Nachteile aus, die die bekannten chirurgischen Verfahren mit sich bringen (Abs. [0003], [0011]).

Die Merkmale 3b) und 8b) lehren den Fachmann überdies, dass die mindestens zwei Klemmenschenkel der Klemme mehrmals bzw. beliebig oft geöffnet und geschlossen werden können müssen, und zwar mittels des mit der Klemme koppelbaren Steuerdrahtes gem. Merkmal 3c). Diese Reversibilität (des Steuerdrahts) gewährleistet aufgabengemäß das leichtere Setzen der Klemme, da dem Endoskopiker mehrere Versuche möglich sind, die Klemme richtig zu positionieren. Anders als bei dem im Stand der Technik bekannten D...Clip ist der Verschluss der Klemmenschenkel nicht beim (einmaligen) Schließen irreversibel mit der Folge, dass es mehrerer Klemmen bedarf, um eine - möglicherweise schlecht zu lokalisierende Blutung - sicher und dauerhaft zu stillen. Vielmehr kann durch (mehrmaliges) Öffnen und Schließen der Klemmenschenkel die Position der Klemme erfolgreich bestimmt und ggfs. nachjustiert werden (Abs. [0011], [0016], [0018], [0022], [0056]). Der Setzvorgang ist demnach leichter, benötigt weniger Klemmen und weniger Zeit, und erweist sich als ein Vorteil der anspruchsgemäßen Lehre (Abs. [0018]). Erst wenn die gewünschte Gewebeerfassung erreicht und die Klemme richtig positioniert gesetzt ist, wird sie mittels der Verriegelungshülse verriegelt, so dass sie geschlossen gehalten und dauerhaft fixiert wird (Abs. [0028], [0029]).

Angesichts dessen erkennt der Fachmann, dass die Klemme mit ihren mindestens zwei Klemmenschenkeln aus funktionalen Gründen so ausgestaltet sein muss, dass ihre Klemmenschenkeln im Zeitpunkt ihrer Applikation die notwendige Druck- bzw. Kompressionskraft auf das zwischen ihnen befindliche Gewebe aufbringen, ihre Ausgestaltung nicht der reversiblen Betätigung des Steuerdrahts entgegenstehen darf und sie verriegelt werden können muss. Dass es zur Erreichung einer dieser technischen Funktionen der Klemme zwingend notwendig ist, die Klemme bzw. ihre Klemmenschenkel (vor ihrer Applikation) unter (Feder-)Vorspannung zu stellen oder verformbare Klemmenschenkel vorzusehen, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Auch die Beklagten behaupten derartiges nicht, insbesondere nicht mit dem von ihnen vorgelegten Privatgutachten (Anlage B13). Aus letzterem geht im Übrigen hervor, dass es für die Bewertung einer "Klammer" unerheblich sei, ob die Vorspannung zum Beginn der Applikation schon bestand oder ob diese Vorspannung während der Applikation erzeugt wird. Dies erscheint ohne weiteres mit Blick auf die dargestellten Funktionen der Klemme im Rahmen der anspruchsgemäßen Lehre nachvollziehbar.

Bedarf es aus technischen Gründen jedoch weder zwingend einer Vorspannung noch einer Verformbarkeit wird der Fachmann gewahr, dass der Anspruch abgesehen von den genannten räumlichkörperlichen Voraussetzungen keine weiteren zwingenden Voraussetzungen einer Klemme im Sinne des Merkmals 2 postuliert. Die Klemme (oder der "clip" oder die "Klammer") wird darüber hinausgehend lediglich funktional charakterisiert (so auch der gerichtlich bestellte Sachverständige des Parallelverfahren in seinem schriftlichen Gutachten Anlage KAP II 27).

bb)

In Übereinstimmung damit ist dem auch allgemeinen Teil der Beschreibung des Klagepatents kein Anhalt für eine zwingend erforderliche Vorspannung und/oder Verformbarkeit der Klemme zu entnehmen.

In Absatz [0017] der Patentbeschreibung heißt es: "Die medizinischen Vorrichtungen der Erfindung weisen auf: eine Kompressionsklemme, die dazu verwendet wird, Hämostase von Blutgefäßen zu bewirken, und einen Mechanismus zum Setzen der Klemme, der eine Anordnung zum Schließen der Klemme und zum Umkehren des Schließvorgangs aufweist, um die Klemme wieder zu öffnen, nachdem der Verschluss begonnen hat." Auch wenn diese Beschreibungsstelle im Lichte der eingeschränkten Anspruchsfassung verstanden werden muss, ist zu konstatieren, dass (auch) in ihr keine Rede von einer Vorspannung der Klemme ist, sondern (nur) die Funktionen und die Anforderungen an die Klemme, also das Bewirken der Hämostase sowie die Fähigkeit, mehrfach geöffnet und geschlossen werden zu können, beschrieben werden.

Ähnliches gilt für Absatz [0057] der Patentbeschreibung, in dem ausgeführt ist: "Dem Fachmann wird angesichts dieser Offenbarung klar sein, dass andere Varianten der Erfindung als die hier spezifisch als Beispiele vorgestellten möglich sind. Zu diesen Varianten gehören u. a. unterschiedliche Kombinationen aus Klemmen, Schließmechanismen, Verriegelungsmechanismen, nachgebenden Verbindungsgliedern und Klemmenschenkelgebilden." Eine Beschränkung des in eingeschränkter Fassung geltend gemachten Anspruchs 9 auf Klemmen mit einer Vorspannung kommt hier nicht zum Vorschein. Eine etwaige Vorspannung bleibt auch hier unerwähnt und es wird (nur) die - grundsätzlich stets bestehende Möglichkeit - hervorgehoben, dass auch von gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispielen abweichende Varianten erfindungsgemäß sein können.

cc)

Die Darstellung der bevorzugten Ausführungsbeispiele wird den Fachmann nicht zu einer anderen Sichtweise leiten.

Mit den Beklagten mag - auch wenn sich keine Beschreibungsstelle explizit mit einer Vorspannung der Klemme befasst - zunächst davon ausgegangen werden, dass in den Figuren 1 bis 8 Klemmen mit Klemmenschenkeln gezeigt sind, die gegen eine Vorspannung geschlossen werden. Die Vorspannung mag in dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1 bis 3 auch aufgrund der verformbaren Schenkel, sprich mittels Form und Material (Abs. [0022]), und in dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 8(A) durch einen Klemmenverriegelungsmechanismus (Abs. [0033]) erzeugt werden. Es handelt sich jedoch jeweils (nur) um die Beschreibung bzw. Illustration bevorzugter Ausführungsbeispiele, auf deren Sinngehalt die Erfindung in ihrer gesamten Breite allgemeinen Grundsätzen zufolge nicht beschränkt ist, da der Fachmann erkennt, dass es sich insoweit nicht um die einzig denkbare Konstruktionsvariante handelt (BGH GRUR 2012, 1242 - Steckverbindung; BGH GRUR 2008, 779 - Mehrgangnabe). Für diese Erkenntnis bedarf es nicht der ausdrücklichen Darstellung eines Ausführungsbeispiels ohne Vorspannung, denn auch Ausführungsformen, die nicht explizit in der Klagepatentschrift als beispielhaft beschrieben sind, können grundsätzlich unter die unter Schutz gestellte technische Lehre fallen (BGH GRUR 2009, 390 - Lagerregal). Maßgeblich für den Fachmann ist in diesem Zusammenhang, ob die technische Lehre - ausnahmsweise - ausschließlich dann verwirklicht werden kann, wenn die in den Ausführungsbeispielen gezeigte Ausbildung gegeben ist. Die etwaig gezeigte Vorspannung (in unterschiedlichen Varianten) müsste folglich für die Lehre des geltend gemachten Anspruchs 9 zwingend sein. Dies ist indes nicht festzustellen.

Einen Anhaltspunkt dafür, dass das Klagepatent das angestrebte Zusammendrücken des Gewebes und/oder das mehrfache Öffnen und Schließen der Klemmenschenkel gerade mittels einer über die konkreten Vorgaben des Patentanspruchs hinausgehenden spezifische Ausgestaltung der Klemme erzielen will, hält die Klagepatentschrift nicht bereit, auch nicht bei der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsformen. Ein dahingehender Anhalt erwächst vorliegend insbesondere nicht allein aus dem Umstand, dass alle beschriebenen Varianten nur eine Konstruktion zeigen (sollen), in der eine Vorspannung gegeben ist. Auf den ersten Blick mag dies den Fachmann zwar möglicherweise zu der Überlegung bringen, dass eine Vorspannung von Relevanz sein könnte. Bei genauer Betrachtung der Beschreibung sowie der technischen Funktion der Klemme und insbesondere unter Berücksichtigung des Anspruchswortlauts und des Wissens, dass grundsätzlich keine Notwendigkeit besteht, in einer Schrift jede denkbare und mögliche Ausführungsvariante aufzunehmen, tritt er diesem Gedanken indes nicht näher. Es ist nicht zu erkennen, dass nur bei Vorsehen der (vermeintlich) in den Ausführungsbeispielen gezeigten Vorspannung diejenigen technischen Erfolge erzielt werden, die erfindungsgemäß mit den im Anspruch bezeichneten Klemme bzw. Klemmenschenkel erreicht werden soll. Dies auch nicht deshalb, weil - so die Beklagten - allein die Benennung der Reversibilität in den Merkmalen 3b), 8b) nicht zu erkennen gibt, wie diese bzw. das mehrmalige Öffnen und Schließen der Klemme tatsächlich erreicht werden kann. Ein Patentanspruch muss keine vollständige Handlungsanweisung in dem Sinne sein, dass jede einzelne Voraussetzung und/oder jedes einzelne Bestandteil für eine funktionstüchtige Vorrichtung konkret benannt wird. Hinterlässt ein Merkmal eine "Lücke", wird der Fachmann sie mit Hilfe seines selbstverständlichen Fachwissens schließen (OLG Düsseldorf InstGE 13, 129 - Synchronmotor; OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 11431).

dd)

Des Weiteren wendet der Fachmann sich von dem zuvor beschriebenen Verständnis auch nicht bei Berücksichtigung des gewürdigten Standes der Technik ab.

Der in der Klagepatentschrift in den Absätzen [0011] bis [0014] angeführte Stand der Technik offenbart zwar, wie die Beklagten unwidersprochen vorgetragen haben, Klemmen, die über vorgespannte Klemmenschenkel verfügen und die bei einem nach proximal gerichteten Zug am Steuerdraht schließen. Dies gilt insbesondere für die US ´5... (Anlage KAP II 2). Gleichwohl schlussfolgert der Fachmann hieraus nicht, dass sich das Klagepatent ausschließlich auf eine Klemme festlegt, wie sie im Stand der Technik bekannt ist. Das Klagepatent greift insoweit vielmehr lediglich auf den generischen Begriff zurück.

Ein positiv formulierter Hinweis zur (identischen) Übernahme der konstruktiven Ausgestaltungen der im Stand der Technik offenbarten Klemmen findet sich in der Klagepatentschrift nicht. Die Ausgestaltung der jeweiligen Klemmen ist überdies nicht Gegenstand der Würdigung seitens des Klagepatents.

Die Klagepatentschrift belässt es weitestgehend bei einer Darstellung des Standes der Technik. Aus seiner Sicht möglicherweise bestehende Nachteile der US ´5... (Anlage KAP II 2), der US ´7... (Anlage KAP II 3) oder der JP ´0... (Anlage KAP II 4) werden nicht erwähnt. Infolgedessen übt das Klagepatent auch keinerlei Kritik an den darin offenbarten Klemmen. Diese werden ebenso wenig in "positiver" Weise erläutert, geschweige denn wird mitgeteilt, dass es für die technische Lehre des Klagepatents auf die Beibehaltung der bekannten (unter Vorspannung stehenden) Klemmenschenkel ankommt und es notwendig wäre, dass die Klemmenschenkel mittels Druck von außen geschlossen werden müssten. Die Beschreibung schweigt hierzu schlicht. Das Klagepatent übernimmt zudem auch nicht die konkreten Ausgestaltungen, wie sie in den drei oder in einer der drei genannten Schriften gezeigt sind. An keiner Stelle in der Klagepatentbeschreibung - und schon gar nicht im Anspruch - wird beispielsweise eine Klemme beschrieben, die, wie die in der US ´5... beschriebene Klemme, im Wesentlichen die Form einer "8" hat, oder die, wie in der US ´7... offenbart, einen Klemmring aufweist. Die konkrete Ausgestaltung dieser bekannten Klemmen ist demzufolge für die anspruchsgemäße Vorrichtung nicht von ausschlaggebender Relevanz.

Soweit sich das Klagepatent mit dem D... auseinandersetzt und diesen kritisiert, betrifft die Kritik den Umstand, dass dieser Clip nach Beginn des Verschlusses nicht wieder geöffnet werden kann und der Endoskopiker deshalb gezwungen ist, die Klemme "abzuschießen" (Abs. [0011]). Das Klagepatent sieht diese Vorrichtung mithin wegen der Irreversibilität als nachteilig an und vermeidet diesen Nachteil durch das Vorsehen eines reversibel betätigbaren Steuerdrahts im Sinne des Merkmals 3b), der mit der Klemme gem. den Merkmalen 3c) und 8b) koppelbar ist. Keine nähere Betrachtung erfährt hingegen die konstruktive Ausgestaltung der Klemmen bzw. Backen des D... und/oder ihre etwaigen Vorspannung, so dass der Fachmann auch mit Blick auf diesen Stand der Technik keine Festlegung hinsichtlich einer bestimmten Ausgestaltung annimmt. Er erkennt lediglich, dass die Wirkung des Clips, das Bewirken einer Hämostase mittels einer Klemme beibehalten werden soll.

Abgesehen davon lehrt - wie bereits ausgeführt - Absatz [0010] der Klagepatentschrift, dass die aus der Chirurgie bekannten Klemmen zum Bewirken der Hämostase höhere Erfolgsraten als die bisher bekannten endoskopischen Therapien aufweisen. Diesen Vorteil will sich die technische Lehre des Klagepatents zu Nutze machen, indem sie eine medizinische Vorrichtung mit einer Klemme mit mindestens zwei Klemmenschenkeln vorsieht. Zur Chirurgie führt der genannte Absatz sodann aus: "Mit Hilfe dieser Vorrichtungen wie Klemmen, Clips, Klammern, Nahtmaterialien [in der Verfahrenssprache: "clamps", "clips", "staples", "sutures"] (d.h. Vorrichtungen, die ausreichend konstruktive Kräfte auf Blutgefäße ausüben können, um den Blutfluss zu begrenzen oder zu unterbrechen) wird das blutende Gefäß ligiert, oder das Gewebe um die Blutungsstelle wird zusammengedrückt, was alle umliegenden Gefäße unterbindet." Damit wird dem Fachmann vor Augen geführt, weshalb das Klagepatent für die Vorrichtung eine Klemme vorsieht und welche Funktion dieser zukommt: Kompression des Gewebe. Weiteres - insbesondere das Wie der Druckausübung - ist demgegenüber nicht von entscheidender Bedeutung, wofür sowohl der Umstand spricht, dass hierzu nichts erwähnt wird, eine Befassung mit einer etwaigen Vorspannung fehlt und außerdem die Begriffe "Klemme", "Clip" und "Klammer" differenzierungslos nebeneinander gestellt werden. Letzteres gilt im Übrigen auch für die Darstellung des Standes der Technik. Während bei der US ´7... in der Verfahrenssprache von "clamp" gesprochen wird, heißt es bei den anderen gewürdigten Druckschriften "clip", ohne dass hierfür eine Begründung gegeben würde oder in der Patentschrift hieraus irgendwelche Schlüsse ziehen würde. Für eine "Auswahlentscheidung" bieten sich auch in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte.

ee)

Soweit die Beklagten monieren, die Aufgabe lasse sich nicht aus Absatz [0016] ableiten, sondern bestehe ausgehend vom gattungsbildenden Stand der Technik, der US ´5..., nur darin, die vorbekannte medizinische Vorrichtung weiterzubilden und diese Handhabung weiter zu vereinfachen, verfängt dies nicht.

Die dem Klagepatent objektiv zugrundeliegende Aufgabe bestimmt sich vor dem Hintergrund des in der Klagepatentschrift dargelegten Standes der Technik danach, was die Erfindung nach dem Klagepatent gegenüber diesem Stand der Technik tatsächlich leistet (BGH, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung; BGH GRUR 2012, 1123 - Palettenbehälter III; BGH GRUR 2016, 921 - Pemetrexed; BGH GRUR 2018, 390 - Wärmeenergieverwaltung). Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs unter Heranziehung der Beschreibung zu entwickeln. Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen. Auf den gattungsbildenden Stand der Technik und was das Klagepatent im Vergleich hierzu leistet, kommt es in diesem Zusammenhang hingegen nicht an (BGH GRUR 1989, 103 - Verschlussvorrichtung für Gießpfannen).

Ebenso nicht von entscheidender Bedeutung sind in der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung. Nicht die subjektive Vorstellung des Anmelders, sondern die objektivierte Sicht des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt ist entscheidend (BGH, GRUR 2017, 152 - Zungenbett). Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass subjektive Aufgabenformulierungen von vornherein unbeachtlich wären. Sie können vielmehr einen Hinweis liefern bzw. ein Hilfsmittel zur Bestimmung des objektiven technischen Problems sein (BGH GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung).

Hiervon ausgehend besteht das der Erfindung nach dem Klagepatent zugrunde Grunde liegende technische Problem darin, eine medizinische Vorrichtung zum Bewirken einer Hämostase bereitzustellen, die per Endoskopie angewendet werden kann, die eine Erfolgsrate entsprechend der chirurgischen Option hat und die leichter - sprich schneller und mit weniger Klemmen - als der D... zu setzen ist.

Hierauf weisen sowohl Absatz [0016] als auch Absatz [0018] hin. Ersterer erläutert ausdrücklich die Ziele der Erfindung. Zweiter benennt die (Haupt)Vorteil der Erfindung und führt aus, dass die Fähigkeit der Vorrichtung, die Klemme wiederholt zu öffnen und zu schließen, bis das gewünschte Zusammendrücken des Gewebes erreicht ist, zu einer schnelleren Prozedur, die weniger zu setzende Klemmen und eine höhere Erfolgsrate führt. Dies leistet das Klagepatent in Anspruch 9 auch tatsächlich gegenüber dem genannten Stand der Technik mit dem Vorsehen der Reversibilität in Kombination mit der Halterlösungsanordnung.

Abgesehen davon würde die Argumentation der Beklagten mit Blick auf das Merkmal 2 auch nicht greifen, wenn die von ihnen angenommene Aufgabe als diejenige des Klagepatents angenommen würde. Auch wenn ("nur") der gattungsbildende Stand der Technik weitergebildet würde, würde daraus keine andere technische Funktion der Klemmenschenkel erwachsen und ebenso wenig böten sich dann Anhaltspunkte dafür, dass die in der US ´5... offenbarte Klemme (identisch) übernommen werden soll.

ff)

Aus dem der Muttergesellschaft der Beklagten zu 1) erteilten Patent, dem EP ´1..., lässt sich in Bezug auf die behauptete Notwendigkeit einer Vorspannung nichts entnehmen. Es ist bereits nicht erkennbar oder vorgetragen, dass sich das EP `1... insoweit vom Klagepatent abgrenzt und deswegen - bzw. im vermeintlich erstmaligen Vorsehen eines endoskopgeführten Hämostaseclips ohne Vorspannung - als neu und/oder erfinderisch angesehen wurde. In dem EP `1... werden im Übrigen, worauf die Klägerin hingewiesen hat, die Begriffe "clip" und "clamp" gleichgesetzt.

b)

Bei Zugrundelegung des unter a) erläuterten Verständnisses machen die angegriffenen Ausführungsformen unstreitig von Merkmal 2 Gebrauch. Sie verfügen über eine Klemme mit zwei Klemmenschenkeln ("Clip Arms"), die über einen proximalen Stift ("Proximal Pin") miteinander verbunden sind, und die im geschlossenen Zustand das zwischen ihnen befindliche Gewebe zusammendrücken. Wird der Steuerdraht ("Control Wire") der angegriffenen Ausführungsformen in proximaler Richtung gezogen, schließen sich ihre Klemmenschenkel ("Clip Arms") und es wird eine kraftschlüssige Verbindung erzeugt. Die Klemmenschenkel ("Clip Arms") dichten die Gefäßwand durch Kompression des Gewebes mechanisch ab.

3)

Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen darüber hinaus Merkmal 4, wie das Landgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat. Das Erfordernis einer axial steifen Hülle versteht der Fachmann nicht dahingehend, dass die Hülle so ausgebildet sein muss, dass ein axiales Auseinanderziehen oder Stauchen der Hülle ausgeschlossen ist. Es genügt vielmehr, wenn die Hülle axial hinreichend steif ist, um durch den Körper des Patienten als Umhüllung des Steuerdrahts geführt zu werden und denen bei Betätigung des Steuerdrahtes auftretenden Kräften entgegenzuwirken.

a)

Merkmal 4 fordert eine axial steife Hülle, die gemäß Merkmal 4a) den Steuerdraht umhüllt und nach Merkmal 4b) imstande ist, eine erste Kraft zu übertragen, die einer zweiten Kraft des Steuerdrahts entgegenwirkt. Ohne Redundanz der genannten Merkmale gibt der Anspruch die wesentlichen Funktionen der axial steifen Hülle und damit zugleich den Grund für das Erfordernis einer axialen Steifigkeit zu erkennen. Die Hülle wirkt anspruchsgemäß als Gehäuse bzw. Umhüllung für den Steuerdraht und muss eine Kraft entgegengesetzt zur Kraft übertragen, die auf den Steuerdraht wirkt. Diese Kräfte werden, wie ein Blick auf die Merkmale 3b), 5 und 8b) zeigt, durch das Betätigen des Steuerdrahtes zum Öffnen und zum Schließen der mindestens zwei Klemmenschenkel, zum Ziehen der Klemme in die Verriegelungshülse sowie zum Abkoppeln des Steuerdrahtes von der Klemme verursacht. In jeder dieser Betätigungssituationen muss die Hülle axial so steif sein, dass sie den entgegengesetzt wirkenden Zug- oder Druckkräften des Steuerdrahtes widersteht, eine Kraft überträgt und sich nicht verformt. Denn nur so ist insbesondere das anspruchsgemäße Öffnen, Schließen und Verriegeln der Klemme möglich. Da die unter Schutz gestellte Vorrichtung nach Merkmal 1 eine medizinische Vorrichtung zur Verwendung durch ein Endoskop ist, erkennt der Fachmann des Weiteren, dass die Hülle gleichzeitig hinreichend flexibel bzw. biegsam sein muss, um durch ein Endoskop in den Körper eines Patient eingeführt werden zu können. Eine axiale Steifheit, die derartiges verhindert, ist deshalb nicht vom Anspruch umfasst.

Diese technischfunktionale Auslegung, die im Übrigen von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen des Parallelverfahrens (Anlage KAP II 27) und dem Privatgutachter der Beklagten (Anlage B 13) im Ergebnis geteilt wird, wird durch die Beschreibung des Klagepatents gestützt. So heißt es insbesondere in Absätzen [0023] bis [0026] der Patentschrift, dass die Hülle drei Funktionen erfüllen muss: (i) als Gehäuse für den Steuerdraht zur Erzeugung einer Gegenkraft gegen die Kraft des Steuerdrahts, (ii) als Mittel zur einfachen Drehung der Klemme und (iii) als Mittel zum Setzen der Klemme. Absatz [0026] erläutert dabei, dass sich Funktion (iii) auf das Lösen der Klemme von der medizinischen Vorrichtung bezieht und bringt ebenso wie Absatz [0023] zum Ausdruck, dass eine axiale Steifigkeit der Hülle von Nöten ist, um die eine dem Steuerdraht entgegenwirkende Kraft hervorzubringen.

Die Funktion (ii) hat zwar keinen Eingang in den geltend gemachten Anspruch gefunden, weshalb dem Absatz [0025], den die Beklagten in der Berufungsinstanz besonders hervorheben, nur eine begrenzte Aussagekraft beigemessen werden kann. Er gibt jedoch in allgemein gültiger Weise zu erkennen, dass die Hülle ausreichend flexibel sein muss, um durch ein Endoskop eingeführt werden zu können.

Soweit die Beklagten darüber hinaus aus Absatz [0025] ableiten wollen, die Hülle müsse in Bezug auf die Mittelachse steif sein und darüber hinaus anmerken, dass es im Klagepatent keine Offenbarung dafür gebe, dass die Hülle entlang der Mittelachse gestreckt oder gestaucht werden könne, verfängt beides nicht. Zum einen ist Absatz [0025] zusammen mit Absatz [0024] zu lesen, der sich mit der Rotation der Klemme befasst, so dass auch die Aussagen in Absatz [0025] zur (Dreh)Steifigkeit und zum sehr niedrigen Torsionswinkel um die Mittelachse mit Blick auf die - hier nicht beanspruchte - Drehung der Klemme zu verstehen sind. Zum anderen ist es nicht erforderlich, dass die Klagepatentschrift "positiv" eine Dehnbarkeit oder eine Stauchung beschreibt.

Schließlich besagen die Absätze [0025] und [0055] der Klagepatentschrift, dass die axial steife Hülle aus einem oder mehreren spiralförmig gewundenen Drähten hergestellt sein kann. Dass ein solcher spiralförmiger Draht bei ausreichenden Zugkräften gedehnt werden kann, ist dem Fachmann unstreitig klar. Auf diese grundsätzliche Dehnbarkeit kommt es indes nicht an. Von Bedeutung sind vielmehr nur die Kräfte, die bei fachgerechter Verwendung der anspruchsgemäßen Vorrichtung wirken.

b)

Ausgehend von diesem Verständnis ist der bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene spiralförmig gewundene Draht ("Coil Shaft"), der den Steuerdraht ("Control Wire") umhüllt, unstreitig eine axial steife Hülle im Sinne des Klagepatents vorhanden.

4)

Schließlich erfüllen die angegriffenen Ausführungsformen auch Merkmal 5.

a)

Merkmal 5 fordert eine Verriegelungshülse, wobei der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden. Das Merkmal spricht demnach sowohl den Vorgang des Verriegelns der Klemme als auch den Vorgang des Schließens der Klemme bzw. der Klemmenschenkel an. Für beide Vorgänge ist die Verriegelungshülse nach der technischen Lehre des geltend gemachten Anspruchs (mit)verantwortlich.

aa)

Unter einer Verriegelungshülse versteht der Fachmann eine Vorrichtung, die für das Verriegeln der gesetzten Klemme Sorge trägt. Dies scheint bereits im Anspruchswortlaut ("Verriegelung") auf.

Die Verriegelung ist, wie der Fachmann aufgrund der Systematik des Anspruchs und dem Zusammenspiel mit den weiteren Bestandteilen der Vorrichtung entnimmt, notwendig zum Bewirken einer dauerhaften Hämostase. Nachdem die Klemme richtig positioniert und die Klemmenschenkel geschlossen sind, muss die Klemme fixiert bzw. gesichert werden, so dass sie im Körper des Patienten verbleiben und dauerhaft das zwischen ihren Klemmenschenkeln befindliche Gewebe zusammendrücken kann. Sie darf sich nicht ungewollt öffnet, insbesondere wenn die restlichen Vorrichtungsteile, vor allem der Steuerdraht, abgekoppelt und aus dem Körper des Patienten entfernt werden. Nur so wird die vom Klagepatent angestrebte hohe Erfolgsrate erzielt und eine langfristige Blutstillung erreicht sowie Rezidivblutungen verhindert (Abs. [0009]).

Dieses Verständnis zur technischen Funktion der Verriegelungshülse wird gestützt von Absatz [0017] des Klagepatents, der als allgemeiner Beschreibungsteil die Funktion einer Verriegelungsvorrichtung ("lock arrangement") - auch mit Blick auf die durch den geltend gemachten Anspruch eingetretenen Einschränkungen - als zum Verriegeln der geschlossenen Klemme benennt ("locking the clip closed").

Bestätigung findet die Sichtweise zudem in der Darstellung des in den Figuren 1 bis 7 gezeigten und in Absatz [0021] ff. beschriebenen bevorzugten Ausführungsbeispiels der anspruchsgemäßen Vorrichtung. Die dort erläuterte Verriegelungshülse verfügt über Verriegelungsklinken ("lock pawls", 114, 115) zum Verriegeln, die in Eingriff mit Löchern ("holes", 104, 105) in den Klemmenschenkel stehen. Ist dieser Eingriff hergestellt, kann ein Öffnen und Schließen der Klemme nicht mehr erfolgen und die Verriegelungshülse nebst Klemme wird abgekoppelt. Beide verbleiben (sicher) an Ort und Stelle (Abs. [0022], [0028]).

Dem Anspruchswortlaut kann der Fachmann des Weiteren entnehmen, dass es sich um eine Hülse handeln muss, worunter - wie beispielhaft auch in Absatz [0029] beschrieben und in Figur 4 gezeigt - grundsätzlich ein rohrförmiger Gegenstand verstanden wird, wobei dieser anspruchsgemäß so dimensioniert sein muss, dass die Klemme durch ihn hindurch gezogen werden kann. Dies impliziert, dass im verriegelten Zustand zumindest ein Teil der Klemme von der Verriegelungshülse (teilweise) umschlossen ist (so auch Absatz [0029]).

Auf welche konkrete Art und Weise die Verriegelungshülse die Verriegelung vornimmt, lässt der Anspruch allerdings offen.

bb)

Die Verriegelungshülse muss ferner am Schließvorgang der mindestens zwei Klemmenschenkel mitwirken. Der Anspruch sieht nämlich nicht nur vor, dass - wie in den Merkmalen 3b) und 8b) gefordert - der Steuerdraht das Schließen der mindestens zwei Klemmenschenkel bewirkt. Merkmal 5 verdeutlicht vielmehr mit dem Satzteil "wobei der Steuerdraht in eine proximale Richtung gezogen werden kann, um die Klemme durch die Verriegelungshülse zu ziehen, wodurch die mindestens zwei Klemmenschenkel geschlossen werden.", dass die Verriegelungshülse einen Beitrag beim Schließen leisten muss. Ihr kommt mithin auch im Rahmen des Schließvorganges eine Funktion zu. Der Wortlaut des Anspruchs ("wodurch" bzw. "thereby") führt dem Fachmann insoweit vor Augen, dass es um einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Ziehen der Klemme durch die Verriegelungshülse und dem Schließen der Klemmenschenkel geht. Es genügt deshalb nicht, wovon auch das Landgericht zu Recht ausgegangen ist, eine (rein) zeitliche Koinzidenz zwischen dem Hereinziehen der Klemme in die Verriegelungshülse und dem Schließen der Schenkel.

Der kausale Zusammenhang tritt zudem in der Beschreibung des in den Figuren 1 bis 7 dargestellten anspruchsgemäßen Ausführungsbeispiels zu Tage, wenn es in der dazugehörigen Beschreibung in Absatz [0029] heißt: "Wenn die Klemmenschenkel durch die Aussparungen 117 gezogen werden, werden die Klemmenschenkel gegeneinander gedrückt, was das Gewebe (nicht gezeigt) zusammendrückt, das zwischen den Klemmenschenkeln liegt.".

Das Erfordernis eines kausalen Zusammenhangs steht schließlich in Einklang mit dem Stand der Technik. Die US `5... (Anlage KAP II 2) offenbart eine Ausgestaltung, bei welcher die Klemmenschenkel der Klemme mit der inneren Oberfläche eines Halters in Kontakt gebracht und dadurch zusammengedrückt werden.

cc)

Auch wenn die anspruchsgemäße Verriegelungshülse demzufolge derart gestaltet sein muss, dass sie einen kausalen Beitrag zum Schließen leistet, bedeutet dies nicht, dass nur sie allein für den Schließvorgang verantwortlich sein muss. Sie muss hieran lediglich erheblich mitwirken (BGH GRUR 2020, 159 - Lenkergetriebe).

Die Beklagten betonen folglich zu Recht, dass das schlichte Vorhandensein einer Verriegelungshülse nicht genügt, weil der Anspruch einen Wirkzusammenhang zwischen dem Ziehen der Klemmenschenkel durch die Verriegelungshülse und dem Schließen der Klemme fordert. Aus dieser Forderung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Verriegelungshülse "konkret" am Schließvorgang beteiligt sein bzw. selbst "funktional" mit der Klemme beim Schließen zusammenwirken muss. Auf welche konkrete Art und Weise die Verriegelungshülse die notwendige Mitwirkung beim Schließvorgang leistet, lässt der Anspruch vielmehr offen.

Im Anspruch selbst findet sich keine Konkretisierung zum erforderlichen Zusammenwirken der Verriegelungshülse und den Klemmenschenkeln. Wie ausgeführt enthält der Anspruch keine konkreten Vorgaben zur Gestaltung der Verriegelungshülse, auch nicht soweit der Schließvorgang betroffen ist. Der Anspruch schweigt insbesondere zur näheren konstruktiven Ausgestaltung der Hülse, der Anzahl etwaiger Bauteile und/oder dazu, welche Bauteile der Verriegelungshülse in welcher konkreten Weise mit welchem Teil der Klemme zwecks Schließen der Klemmschenkeln zusammenwirken sollen und/oder welche Teile oder Abschnitte der Verriegelungshülse für das Schließen und/oder das Verriegeln zuständig sein sollen. Ebenso wenig sind dem Anspruch Maß- und/oder Größen- oder Relationsangaben oder zu entnehmen, dass es zu einem unmittelbaren Kontakt zwischen Verriegelungshülse und Klemmenschenkeln kommen muss. Die Verriegelungshülse wird insoweit allein funktional beschrieben. Entscheidend für die anspruchsgemäße Lehre ist mithin lediglich, dass die erforderliche Mitwirkung gegeben ist.

Ein technischer Grund, der es erzwingen würde, diesen kausalen Beitrag zum Schließen der Klemme beim Ziehen durch die Verriegelungshülse in einer bestimmten Art und Weise, insbesondere durch einen "konkreten" oder unmittelbaren (Kraft aufbringenden) Kontakt der Innenfläche der Hülse mit den Klemmenschenkeln vorzunehmen, ist weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.

dd)

Die Notwendigkeit einer "konkret funktionalen" Mitwirkung der Verriegelungshülse (wie in den Ausführungsbeispielen gezeigt) vermag der Fachmann auch nicht der Beschreibung zu entnehmen.

Ihm erschließt sich zwar, dass in den Figuren 1 bis 7 ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel beschrieben ist, zu dem in dem bereits zitierten Absatz [0029] ausgeführt ist, dass die Klemmenschenkel gegeneinander gedrückt werden, wenn die Klemmenschenkel durch die Verriegelungshülse gezogen werden. Bei diesem Ausführungsbeispiel erfolgt das Schließen der Klemmenschenkel folglich mittels Kompressionskräften, die durch die Verriegelungshülse (unmittelbar) ausgeübt werden. Es handelt sich insoweit jedoch nur um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel, das den breiter formulierten Anspruch grundsätzlich nicht einschränkt. Anhaltspunkte dafür, dass in dem Ausführungsbeispiel mit dem Vorsehen der Kompressionskraft ausnahmsweise ein allgemeiner Erfindungsgedanke verkörpert ist, der zwingend für die gesamte technische Lehre des geltend gemachten Anspruchs ist, sind nicht ersichtlich. Auch nicht aufgrund eines Zusammenspiels mit Merkmal 2, da dieses, wie erläutert, nicht zwingend eine Vorspannung der Klemmenschenkel fordert.

Die US '5... (Anlage KAP II 2) offenbart zwar eine Vorrichtung, bei der die Klemmenschenkel (unmittelbar) durch den Halter zusammengedrückt werden. Es findet sich indes auch in diesem Zusammenhang kein Anhalt dafür, dass das Klagepatent sich auf eine (identische) Ausgestaltung wie im Stand der Technik festlegen und als zwingenden Bestandteil seiner technischen Lehre inkorporieren wollte. Mit dem Hinweis in Absatz [0012] der Beschreibung, dass die US ´5... (Anlage KAP II 2) die Basis für den Oberbegriff des Anspruchs 1 des Klagepatents bildet, hat das Klagepatent lediglich klargestellt, dass sämtliche Merkmale des Oberbegriffs in ihrer Zusammenschau auch bereits in der US ´5... (Anlage KAP II 2) offenbart sind. Dafür, dass es sich bei der dort offenbarten Ausgestaltung nicht um die einzig denkbare Ausgestaltung handeln soll, spricht im Übrigen auch, dass nicht einmal die bevorzugten Ausführungsbeispiele des Klagepatents dem Aufbau der offenbarten Vorrichtung entsprechen.

ee)

Ferner führen auch die Ausführungsformen, die in den Figuren 9A-B, 10A-B, 11, 12, 13, 17A-B und 20 der Klagepatentschrift dargestellt sind, nicht zu dem Verständnis, dass die anspruchsgemäße Verriegelungshülse "konkret funktional" beim Schließen der Klemme beteiligt sein muss.

Die in diesen Figuren dargestellten Ausführungsformen sind unstreitig nicht anspruchsgemäß; ihre Bezeichnung in der Beschreibung ist im Erteilungsverfahren in "andere medizinische Vorrichtungen" geändert worden.

Soweit die Klägerin bezüglich des Vortrages der Beklagten zum Erteilungsverfahren die Rüge der Verspätung gem. § 531 ZPO erhebt, bleibt diese erfolglos. Die Klägerin ist zwar den rechtlichen Schlussfolgerungen entgegen getreten, die die Beklagten - erstmalig im Berufungsverfahren - aus den Einschränkungen im Erteilungsverfahren für die Auslegung ableiten. Die vorgetragenen Tatsachen zum Erteilungsverfahren hat sie - mit Ausnahme ihrer Erklärung in der Eingabe vom 20.03.2017 - indes nicht in Abrede gestellt. Neuer unstreitiger Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz ist jedoch stets zu berücksichtigen (BGH GRUR 2015, 186 - Wir zahlen Höchstpreise; BGH r+s 2015, 212; BGH NJW 2005, 291).

Der Hinweis der Klägerin, dass die Erteilungsakten eines Patents kein zulässiges Auslegungsmaterial sind, und grundsätzlich nicht auf Vorgänge im Erteilungsverfahren zurückgegriffen werden darf, die im Patent keinen Niederschlag gefunden haben, ist zwar zutreffend (BGH GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung; BGH GRUR 2016, 257 - Glasfasern II; BGH GRUR 2016, 921- Pemetrexed; BGH GRUR-RR 2020, 137 - Bakterienkultivierung). Er trifft jedoch nicht zur Gänze die vorliegende Situation, die sich u.a. dadurch auszeichnet, dass die in den Figuren 9-20C beschriebenen Ausführungsformen unstreitig nicht unter den geltend gemachten Anspruch fallen und dies in der Klagepatentschrift nun auch sprachlich kenntlich gemacht ist.

Soweit die Beklagten - vorrangig allerdings im Zusammenhang mit Merkmal 2) - darauf hinweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs Beschreibungsstellen nur insoweit zur Auslegung eines Patentanspruchs heranzuziehen sind, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lasse. Und sodann ausführen, dass dies gerade dann nicht mehr der Fall sei, wenn - wie hier - die betreffenden Ausführungsformen ausdrücklich nicht mehr als erfindungsgegenständlich in der Beschreibung gekennzeichnet seien, und sodann daraus den Schluss - jedenfalls mit Blick auf das Merkmal 2) ziehen -, dass zur Auslegung nicht auf diese Ausführungsformen abgestellt werden dürfe, teilt der Senat diese Schlussfolgerung vorliegend nicht. Die in Bezug genommene Rechtsprechung (BGH GRUR 2011, 701 - Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2015, 972 - Kreuzgestänge) betrifft die Situation, dass ein Widerspruch zwischen Anspruch und Beschreibung besteht. Ein solcher ist indes vorliegend nicht gegeben. Die Ausführungsformen werden ausdrücklich als "andere medizinische Vorrichtungen" ("another medical device") betitelt und damit unstreitig als nicht anspruchsgemäß gekennzeichnet. Der Fachmann wird sich folglich beim Lesen der Klagepatentschrift die Frage stellen, weshalb das Klagepatent diese Ausführungsformen als nicht (mehr) anspruchsgemäß bezeichnet, und die darauf folgende Antwort darauf hin überprüfen, ob sie eine Aussagekraft für das Verständnis eines bestimmten Merkmals des Anspruchs zeitigen kann. Er wird die in der Patentschrift beschriebenen Ausführungsformen demnach prinzipiell berücksichtigen und eruieren, ob ihr Ausschluss einen tragfähigen Anhalt für ein bestimmtes Verständnis des Anspruchs bietet.

Richtet der Fachmann seinen Blick auf die Absätze [0035] ff. und die Figuren 9A-9B, 10A-10B erkennt er, dass in dieser "anderen medizinischen Vorrichtung" ein anderes Verfahren verwendet wird, um die Klemme in der geschlossenen Position zu verriegeln (Abs. [0035]). Die Verriegelung erfolgt mittels eines flexiblen Gestänges 1002 und einer Perle 1003, die durch ein Einwegloch 1004 in der Mitte der Klemmenschenkel 1001 gezogen ist (Abs. [0036]). Beim Betrachten der Figuren 17A-B und durch Absatz [0047] erfährt er dort einen anderen Mechanismus beim Setzen der Klemme und bemerkt ferner, dass eine Verriegelungshülse nicht erwähnt wird. Die "anderen medizinische Vorrichtungen" lassen folglich (jedenfalls auch) eine Verriegelungshülse vermissen, so dass sie bereits deswegen nicht unter den Anspruch fallen. Aus dem Fehlen einer solchen lässt sich jedoch nichts für die konstruktive Ausgestaltung der nach dem Anspruch notwendigen Verriegelungshülse folgern, und damit auch nichts für die Frage, ob diese - wenn sie vorhanden ist - "konkret", unmittelbar, "funktional selbst" und/oder mit "Kompressionskraft" beim Schließen der Klemmschenkel mitwirken muss.

In den Figuren 11, 12, 13 und 20 sind zwar "andere medizinische Vorrichtungen" zeichnerisch dargestellt, die eine Verriegelungshülse beinhalten. Im Hinblick auf den Beitrag der Verriegelungshülse beim Schließen der Klemmenschenkel weisen sie jedoch keine andere oder gar größere Aussagekraft auf als die erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiele. Sofern der Fachmann sie zurate zieht, kommt er folglich zum selben Ergebnis wie bei den bevorzugten Beispielen, die den Anspruch (nur) erläutern, nicht jedoch einschränken.

b)

Unter Berücksichtigung des vorgenannten Verständnisses verfügen die angegriffenen Ausführungsformen mit der Hülse ("Capsule) über eine Verriegelungshülse im Sinne des Klagepatents.

Ein Ziehen am Steuerdraht ("Control Wire") bewirkt, dass der proximale Stift ("Proximal Pin"), der die Basis der Klemmenschenkel ("Clip Arms") miteinander verbindet, in Richtung proximal gezogen wird. Dies führt dazu, dass die Basis jedes Klemmenschenkels ("Clip Arms") in die Hülse ("Capsule") hineingezogen wird. Zugleich werden Führungskulissen in der Basis der Klemmenschenkel ("Clip Arms") relativ zu dem feststehenden distalen Stift ("Distal Pin") geführt bzw. bewegt. Dies bewirkt das Schließen der Schenkel im Klemmbereich. Da der distale Stift ("Distal Pin") feststehend am distalen Ende der Hülse ("Capsule") befestigt ist, ist er Bestandteil ebendieser. Dass er mit dieser nicht einstückig ausgebildet ist, ist aus den vorgenannten Gründen unerheblich. Ebenso, dass die innere Wand der Hülse an dem Schließvorgang nicht beteiligt ist, sondern die Kulissenführung nebst distalem Stift ("Distal Pin") das Schließen bewirken. Des Weiteren ist ohne Relevanz, dass die Hülse ("Capsule) im Bereich der Aufnahme der Basis der Klemmenschenkel ("Clip Arms") mit Schlitzen versehen und es (auch) dort nicht zur Anlage der Klemmenschenkel ("Clip Arms") an die innere Oberfläche der Hülse ("Capsule") kommt. Der Anspruch erfordert weder eine solche Anlage, noch dass die Verriegelungshülse vollständig geschlossen sein muss. Schließlich führt es nicht aus dem Schutzbereich des geltend gemachten Anspruchs heraus, dass in dem Zeitpunkt, indem die Basis der Klemmenschenkel ("Distal Pin") in den rundumlaufenden, nicht geschlitzten Teil der Hülse ("Capsule"/Ringsteg) gezogen werden, die beiden Schenkel im Klemmbereich bereits vollständig geschlossen sind. Die anspruchsgemäße Verriegelungshülse muss weder in einzelne Abschnitte (Verriegeln oder Schließen) eingeteilt sein, noch muss jeder Abschnitt der Verriegelungshülse an dem Schließvorgang beteiligt sein. Da auch der geschlitzte Teil mit dem feststehenden distalen Stift ("Distal Pin") Teil der Verriegelungshülse ist, kommt es nicht darauf an, ob auch der der Verriegelung dienende rundumlaufende Abschnitt der Verriegelungshülse beim Schließvorgang (noch) mitwirkt.

Dass die Hülse ("Capsule") einen kausalen Beitrag zum Schließen Klemmenschenkel beim Ziehen derselben durch die Hülse ("Capsule") leisten, tritt ferner dadurch zutage, dass sie nicht weggelassen werden kann. Die Klemme bzw. die Klemmenschenkel ("Clip Arms") schließen sich nur, weil der distalen Stift ("Distal Pin") durch die Hülse ("Capsule") fixiert ist. Die Klemme schließt sich also aufgrund der Relativbewegung zwischen Hülse ("Capsule") und Klemme, welche mithin auch erforderlich zur späteren Verriegelung ist.

Die Verwirklichung des Merkmals 5 wäre im Übrigen nicht anders zu beurteilen, wenn der distale Stift ("Distal Pin") als eigenes, nicht zur Verriegelungshülse gehörendes Bauteil verstanden werden müsste. Der Anspruch gibt, wie ausgeführt, nicht vor, dass die Verriegelungshülse selbst in (unmittelbaren) Kontakt zu den Klemmenschenkeln zwecks Schließen kommen muss. Es reicht aus, wenn beim Hindurchziehen der Schenkel durch die Verriegelungshülse ein Bauteil, das mit der Verriegelungshülse verbunden ist, einen kausalen Beitrag zum Schließen leistet. Auch dann wäre die Verriegelungshülse nicht hinwegzudenken, sondern erforderlich, damit die Klemmenschenkel der angegriffenen Ausführungsformen schließen (können).

III.

Zu einer Aussetzung der Verhandlung gem. § 148 ZPO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch besteht keine Veranlassung.

1)

Für den Patentverletzungsprozess ist anerkannt, dass eine Aussetzung (in erster Instanz) nur dann gerechtfertigt ist, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von einem Widerruf oder einer Nichtigerklärung des Klagepatents ausgegangen werden kann (BGH GRUR 1987, 284 - Transportfahrzeug; BGH GRUR 2014, 1237 - Kurznachrichten). In zweiter Instanz ist die Frage der Aussetzung unter etwas weniger strengen Gesichtspunkten zu beurteilen, wenn - wie hier - bereits ein erstinstanzliches Urteil zugunsten des Patentinhabers vorliegt, aus dem dieser gegen Sicherheitsleistung vollstrecken kann. Aber auch in diesem Fall ist eine Aussetzung erst dann geboten, wenn die Vernichtung oder der Widerruf des Patents nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich ist (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2020, 69 - Decodieranordnung; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2007, 259 - Thermocycler; OLG Düsseldorf Mitt. 1997, 253 - Steinknacker).

Diese Wahrscheinlichkeit ist hinsichtlich der hier im Hauptantrag geltend gemachten einschränkten Fassung des Anspruchs 9 (BGH GRUR 2010, 904 - Maschinensatz; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2020, 69 - Decodieranordnung) und der von den Beklagten hervorgehobenen Entgegenhaltungen nicht zu erblicken.

Mit Bescheiden vom 03.02.2021 (Anlage KAP II 26/26a) und vom 03.01.2020 (Anlage KAP II 23/23a) hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts die vorläufige Auffassung kundgetan, dass die Entgegenhaltungen G3 (Anlage B 18/18a), M1 (Anlagenkonvolut B 2) und E1 (Anlage B 5) die technische Lehre des Anspruchs nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen. Obgleich diese Bescheide nur vorläufigen, nicht bindenden Charakter haben und die erst noch zu treffende Einspruchsentscheidung nicht vorweg nehmen, liegen mit ihnen gewichtige fachkundige Stellungnahmen desjenigen Spruchkörpers vor, der unmittelbar mit dem Rechtsbestand des Klagepatents befasst ist und in erster Instanz über den Einspruch zu entscheiden hat. Die Stellungnahmen sind begründet und lassen an der vorläufigen Sichtweise der Einspruchsabteilung in puncto Neuheit keine Zweifel. Beides begründet die Wahrscheinlichkeit, dass die geäußerte vorläufige Auffassung sich auch in der späteren Entscheidung wiederfinden wird.

2)

Der Senat sieht keine Veranlassung, sich über die vorläufige Auffassung der mit technischen Richtern besetzten und mit technischer Fachkunde ausgestatteten Einspruchsabteilung hinwegzusetzen. Die Beklagten zeigen keine (Rechts-)Fehler auf, die der in den Bescheiden geäußerten Auffassung den Boden entziehen würden. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung objektiv fehlerhaft und nicht vertretbar ist und infolge dessen letztlich eine Wahrscheinlichkeit für die Vernichtung des geltend gemachten Anspruchs bestehen würde.

a)

Die Einspruchsabteilung hat zur Entgegenhaltung G3 ausgeführt, dass diese aus ähnlichen Gründen wie das EP 0 7... (nachfolgend: E 3) weder einen Steuerdraht (Merkmal 3) noch einen Halter (Merkmal 6) explizit oder implizit offenbare. Auch wenn die direkten Ausführungen zur G 3 kurz sind, so begründet die Einspruchsabteilung ihre vorläufige Einschätzung mittels des Verweises auf ihre Ausführungen zur E3, die umfangreicher ausfallen. Dass die Erwägungen der Einspruchsabteilung unzutreffend sind, lässt der Vortrag der Beklagten nicht erkennen.

aa)

Figur 1 der Entgegenhaltung G3, die eine medizinische Vorrichtung zum Bewirken einer Hämostase eines Blutgefäßes zum Gegenstand hat, zeigt die Klammervorrichtung in einer Konfiguration, die für eine Einführung der Vorrichtung mittels eines Endoskops geeignet ist. Dabei wird über die Klammervorrichtung ein Einführungsschlauch (1) geschoben, was dazu führt, dass die Klammer in einen geschlossenen Zustand gebracht wird.

Figur 8 zeigt die Klammervorrichtung nachdem der Einführungsschlauch (1) weggezogen wurde und die Basis der Klammer mittels des Betriebsdrahtes (4) in den Klammerbefestigungsring (13) hineingezogen wurde.

Damit ist zwar ein Steuer- bzw. Betriebsdraht (4) mit einem Haken (6) offenbart und ebenso gezeigt, dass der Steuerdraht (4) mittels einer Verbindungsplatte (9) mit einer Greifklaue (17) an eine Basis der Klammer (5) koppelbar und nach einer Kopplung auch wieder abkoppelbar ist, was den Merkmalen 3a und 3b des eingeschränkten Anspruchs 9 entspricht. Da zudem im ersten Absatz auf Seite 3 der Beschreibung der G3 erklärt wird, dass der Steuerdraht (4) in das Innere des Betriebsschlauchs (3) eingeführt wird, um sich vorwärts und rückwärts zu bewegen, ist weiterhin eine reversible Betätigbarkeit des Steuerdrahts offenbart.

Dass diese Reversibilität - wie Merkmal 3b) des geltend gemachten Anspruchs es erfordert -, betätigt werden kann, um die mindestens zwei Klemmenschenkel (15) - mehrmals - zu öffnen und zu schließen, ist für den Senat indes nicht zu erkennen. Befindet sich die Klammer (5) unmittelbar vor dem distalen Ende des Klammerbefestigungsrings (13), z. B. nachdem der Einführungsschlauch (1) Richtung proximal gezogen wurde, so ist die Klammer (5) leicht geöffnet. Durch ein Ziehen am Steuerdraht (4) Richtung proximal kann die Klammer (5) voll geöffnet werden. Wird der Steuerdraht (4) noch weiter Richtung proximal gezogen, so wird die Klammer (5) dauerhaft geschlossen. Dass der Steuerdraht (4) danach Richtung distal bewegt werden kann, um die Klammer (5) wieder zu öffnen, ist nicht unmittelbar und eindeutig zu sehen.

bb)

Der Senat vermag des Weiteren nicht zu erkennen, dass die von der Einspruchsabteilung (vorläufig) konstatierte fehlende Offenbarung eines Halters im Sinne des Merkmals 6 des geltend gemachten Anspruchs auf einer augenscheinlich unzutreffenden Interpretation der G3 beruht.

In Figur 11 offenbart die G3, dass der Klammerbefestigungsring (13) im Inneren mit einem geleeartigen Fixiermittel (27) gefüllt ist. Dieses Fixiermittel ist dazu ausgebildet, zeitweise die Klammer (5), die Verbindungsplatte (9) und den Befestigungsring (13) zu integrieren, und besteht aus einem Material, unter dem der Befestigungsring (13) ungehindert in Richtung des Arms (15) der Klammer (5) gleiten kann (Seite 5, letzter Absatz).

Demnach ist offenbart, dass sich das Fixiermittel (27) im Inneren des Klammerbefestigungsrings (13) befindet (Seite 5, letzter Absatz, 2. Satz). Weiterhin wird die Funktion des Fixiermittels (27) beschrieben als ein Mittel, um Klammer (5), Verbindungsplatte (9) und Befestigungsring (13) zeitweilig zu integrieren und so ein einfaches Anbringen dieser Elemente am Haken (6) zu ermöglichen (Seite 6, erster Absatz). Eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung dahingehend, dass das Fixiermittel (27) - wie von Merkmal 6 des geltend gemachten Anspruchs gefordert - lösbar mit dem Klammerbefestigungsring (13) gekoppelt ist und in proximaler Richtung durch das offene Ende des Klammerbefestigungsrings (13) herausgezogen werden kann, ist dies hingegen nicht.

Soweit die Beklagten in diesem Zusammenhang auf die EP 1 60... (G4 im Einspruchsverfahren) verweisen, die in ihrer Einleitung ("Background Technique") die Lösung des in der G3 genannten Fixiermittels als unzureichend beschreibt und ausführt, dass "ein in einen Hohlraum eines Clipsicherungsrings 802 eingefülltes Fixiermittel 804 abgeschält wird und herausfällt" (Absatz [0003]), führt dies zu keinem anderen Verständnis. Bei der Bewertung der Neuheit eines Gegenstands kommt es auf das Verständnis des Fachmannes vom Offenbarungsgehalt der jeweiligen (einzelnen) Entgegenhaltung an. Eine Kombination von Entgegenhaltungen bzw. eine mosaikartige Betrachtung ist unzulässig.

b)

Im Bescheid vom 03.01.2020 (Anlage KAP II 23/23a) hat die Einspruchsabteilung ausgeführt, dass die M1 (Anlagenkonvolut B 2) keinen Steuerdraht (Merkmal 3), keine Hülle (Merkmal 4), keine Verriegelungshülse (Merkmal 5) und keinen Handgriff (Merkmal 7) offenbart. Diese vorläufigen Meinung hat die Einspruchsabteilung in ihrem aktualisierten Bescheid vom 03.02.2021 (Anlage KAP II 26/26a) bestätigt. Dass diese vorläufige Auffassung erkennbar fehlerhaft und unzutreffend ist und deshalb von der Einspruchsabteilung nicht aufrechtgehalten werden wird, sieht der Senat nicht.

In der nachfolgend zur Veranschaulichung eingeblendeten Figur 4 der M1 ist ein distales Ende einer Vorrichtung zum Einführen einer Zerebralaneurysma-Klammer in einen Behandlungskanal eines Neuroendoskops gezeigt. Die Vorrichtung umfasst eine Zerebralaneurysma-Klammer (1), deren proximales Ende mit einem Stift verbunden ist, an dessen proximalem Ende sich ein Knopf (2) befindet. Der Stift wird durch eine Feder (3), die sich in einer Hülse befindet, Richtung proximal gezogen, wodurch sich die Zerebralaneurysma-Klammer (1) schließt. Wirkt eine Kraft auf den Knopf (2) in distaler Richtung, öffnet sich die Klammer (Abs. [0004]). Erkennbar in Figur 4 ist des Weiteren eine Klammerzange (4), durch die eine Fernbedienung des Knopfs (2) möglich ist. Hierzu wird ein in Figur 4 dargestelltes, aber nicht näher beschriebenes längliches Betätigungselement durch einen Innenkanal die Klammerzange (4) geschoben. Wird mit dem Betätigungselement ein Druck auf den Knopf (2) ausgeübt, öffnet sich die Zerebralaneurysma-Klammer (1). Wird das Betätigungselement danach wieder Richtung proximal gezogen, schließt sich die Klammer (1) aufgrund der Federkraft der Feder (3).

Jedenfalls eine Offenbarung des Merkmals 5 vermag (auch) der Senat weder der Figur 4 noch der Beschreibung eindeutig und unmittelbar zu entnehmen. Soweit ersichtlich, ist die Zerebralaneurysma-Klammer (1) mit der Hülse durch einen festen Stift verbunden. Folglich kann die axiale Position der Klammer relativ zur Hülse nicht verändert werden und die Klemme kann nicht durch die Hülse gezogen werden.

c)

Die Einspruchsabteilung hat schließlich in ihrer vorläufigen Meinung vom 03.01.2020 (Anlage KAP II 23/23a) geäußert, dass die E1 (Anlage B5) jedenfalls keinen Steuerdraht (Merkmale 3, 4a, b, 5, 8) und keinen Eingriff einer Halterlösungsanordnung in einen Halter offenbart (Merkmal 6, 9). Den letztgenannten Punkt hat sie in ihrer vorläufigen Einschätzung im Bescheid vom 03.02.2021 bestätigt (Anlage KAP II 26/26a). Diese Bestätigung ist zwar, wie die Beklagten zutreffend hervorheben, äußerst knapp. Gleichwohl vermag der Senat letztlich nicht zu erkennen, dass die Einspruchsabteilung an ihrer vorläufigen Auffassung wegen einer objektiv unzutreffenden Interpretation der E1 nicht festhalten können wird.

Die E1 offenbart, wie die nachfolgend eingeblendeten Figuren 1 und 6 zeigen, eine Klammereinrichtung, die einen Clip mit zwei Klemmbacken (1, 4) umfasst, und eine Verschlusshülse (7), die den Clip umschließt und in axialer Richtung relativ zu diesem bewegt werden kann, um den Clip zu öffnen, zu schließen und, mittels keilförmiger Nocken (9), zu verschließen (Spalte 3, Zeilen 44-57). Die Vorrichtung weist zudem einen Steuerstab (11) und ein den Steuerstab (11) axial umgebendes Führungsrohr (13) auf. Das Führungsrohr weist an einem distalen Ende hakenförmige Ausformungen (14) auf, die in Ausnehmungen (15) der Verschlusshülse (7) eingreifen können, so dass das Führungsrohr (13) mit der Verschlusshülse (7) verbunden werden kann (Spalte 3, Zeilen 47-50). An einem proximalen Ende weist das Führungsrohr (13) im Inneren eine Schaltkulisse (23) auf, in der ein mit dem Steuerstab (11) verbundener Bolzen (24) geführt ist. Durch eine Rotation des Führungsrohrs (13) um die Längsachse des Steuerstabs (11) mit einer anschließenden axialen Bewegung, können die Haken (14) des Führungsrohrs (13) von der Verschlusshülle (7) gelöst werden (Spalte 4, Zeilen 14-19).

Die von der Einspruchsabteilung geäußerte vorläufige Auffassung, dass der in der E1 gezeigte Steuerstab nicht als Steuerdraht im Sinne der Merkmalsgruppe 3 des geltend gemachten Anspruchs verstanden werden kann, teilt der Senat. Das Führungsrohr (13) der E1 muss relativ zum offenbarten Steuerstab (11) rotiert werden, um den Clip von der Clipeinrichtung zu lösen. Diese Rotation dürfte erfordern, dass es sich beim Führungsrohr (13) und Steuerstab (11) um starre Körper handelt. In der E1 ist zwar ausgeführt, eine solche Rotation sei auch möglich, wenn der Steuerstab (11) ein flexibler, aber rotationsstabiler Spiralstab ist. Dies dürfte jedoch nicht mit einem Draht gleich zu setzen sein, der im Allgemeinen nicht rotationsstabil ist.

Der Senat kann fürderhin nicht erkennen, dass die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf die fehlende Offenbarung einer Halterlösungsanordnung falsch und unvertretbar ist. Auch soweit die Beklagten das Führungsrohr (13) als anspruchsgemäßen Halter und den Bolzen (24) als anspruchsgemäße Halterlösungsanordnung identifizieren, überzeugt dies letztlich nicht. Das Führungsrohr (13) als solches stellt nach Ansicht des Senats keinen erfindungsgemäßen Halter dar. Dieser könnte allenfalls durch die hakenförmigen Ausformungen (14) des Führungsrohrs offenbart sein. Es ist jedoch keine Anordnung unmittelbar und eindeutig gezeigt, die mit diesen Ausformungen (14) in Eingriff gelangt, um die Ausformungen bzw. den darin etwaig zu sehenden Halter von der Verriegelungshülse (7) abzukoppeln. Der Bolzen (24) kommt nicht mit den Ausformungen in Eingriff, sondern bewegt sich im Inneren des Führungsrohres, in der Schaltkulisse (23). Die Offenbarung eines Eingriffs erkennt der Senat hier allerdings nicht. Der Bolzen (24) wird durch eine Relativdrehung aus dem Bereich A der Schaltkulisse (23) gelöst, dann in Axialrichtung zum Bereich D bewegt, um so die Ausformungen (14 ,15) voneinander zu entkoppeln. Der Bolzen (24) wird demzufolge aus A gelöst und nicht mit der Ausnehmung in der Schaltkulisse (23) in Eingriff gebracht, um die Verriegelungshülse (7) abzukoppeln. Im Eingriff steht er eventuell mit dem Bereich B/C der Schaltkulisse. Dann wiederum ist jedoch keine Drehung möglich und die Ausformung (14) kann in dieser Stellung nicht außer Eingriff mit der Ausformung (15) gebracht werden, so dass keine Abkopplung erfolgt.

Überdies ist zu bedenken, dass, wenn der Sichtweise der Beklagten gefolgt und das Führungsrohr (13) als Halter angesehen wird, eine Offenbarung einer axial steifen Hülle gemäß Merkmal 4 fraglich ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.000.000,00 € festgesetzt.