OLG München, Endurteil vom 18.08.2021 - 20 U 7180/20
Fundstelle
openJur 2021, 26151
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 05.11.2020, Az. 74 O 1827/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Landshut ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.525,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wird von der Darstellung des Sach- und Streitstands abgesehen.

II.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Landshut war zurückzuweisen, weil das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch die Vernehmung von neun Zeugen und die persönliche Anhörung der Klägerin hat den Beweis der von der Klägerin behaupteten Verkehrssicherungspflichtverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB nicht erbracht.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. BGH NJW 2006, 610; BGH NJW 2007, 1683; zitiert nach beck-online). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH NJW 2008, 3775, zitiert nach beck-online).

2. Eine nach diesen Maßstäben zu beurteilende schuldhafte Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte hat die Klägerin nicht nachgewiesen.

a) Aus der Einvernahme der Zeugen A. und D. S. (Ehemann und Sohn der Klägerin) sowie aus der Aussage der Zeugin M. J. ergibt sich zwar, dass sich zum Zeitpunkt des Sturzes an der Stufe zur Treppe, unmittelbar vor der Liege der Klägerin, eine Wasserlache bzw. Pfütze befand, die etwa so groß war wie zwei DIN A4 - Blätter.

b) Dass das Wasser - wie von der Klägerin behauptet - aus der Bewässerung der Palmen stammt (weshalb sie nicht damit habe rechnen müssen), konnte die Klägerin nicht nachweisen. Keiner der vernommenen Zeugen konnte eine Wahrnehmung wiedergeben, die auf diese Ursache hindeuten würde. Der Zeuge B. beschrieb zudem sehr anschaulich, wie die Palmen (und andere Pflanzen) eingepflanzt sind, wie die Pflanzkübel aufgebaut und im Boden verankert sind und wann die unterschiedlichen Pflanzen gewässert werden. Danach gibt es Palmen in Pflanztrögen, die auf dem Boden aufgesetzt sind, und solche, die in unter dem Boden befindlichen Trögen wachsen. Bei letzteren läge das obere Ende des Troges 10 bis 15 Zentimeter unterhalb des Hallenbodens, so dass etwaiges überschüssiges Gießwasser direkt zur Seite in den Keller abfließen würde.

Auf dem als Anlage K1 vorliegenden Foto kann man erkennen, dass die erste Palme vor der Liege (wo die Klägerin stürzte) in einem unterirdischen Pflanztrog steht, dahinter stehen Palmen in oberirdischen, geschlossenen Pflanzkübeln.

Des Weiteren gab der Zeuge B. an, dass alle Pflanzen nicht automatisch, sondern von Hand bewässert würden. Dies geschehe zweimal pro Woche jeweils nachts ab 23 Uhr, und zwar von Sonntag auf Montag und von Donnerstag auf Freitag. Die Gießarbeit sei beendet, bevor morgens die ersten Reinigungskräfte kämen. Nachdem sich der Unfall außerdem an einem Samstag um 19.30 Uhr ereignete, spricht nach Überzeugung des Senats letztlich nichts für die Behauptung der Klägerin, die Pfütze vor der Liege beruhe auf Wasser aus den Pflanztrögen.

c) Auch im Übrigen lässt sich eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten zur Überzeugung des Senats nicht feststellen.

Die Beweisaufnahme ergab zunächst (Zeugin M.), dass zwischen fünf und neun Uhr morgens eine Grundreinigung durchgeführt wird. Die anschließende Tagschicht sei für die punktuelle Reinigung zuständig, z.B. falls Wasser verschüttet wurde. Aus der Aussage der Zeugin Sch ergibt sich zudem, dass es einen Reinigungsturnus gab, der vorsah, dass eine der Reinigungskräfte alle halbe Stunde an jeder Stelle vorbeikommt. Dies wurde von der Geschäftsleitung stichprobenartig kontrolliert, außerdem überprüfen die anwesenden Schichtleiter, ob die Reinigung durchgeführt wird.

Auch aus den Aussagen der Zeugen N. und G. ergibt sich, dass auch der zum Hotel gehörende Bereich, in dem die Klägerin stürzte (sog. "Victory Lane"), regelmäßig kontrolliert wurde. Der Zeuge N. konnte zudem angeben, dass er den Bereich vor den Liegen alle 20 bis 30 Minuten kontrolliert habe. Zwar konnte er sich an den Unfalltag nicht mehr erinnern. Dass er an jenem Tag Dienst hatte und halbstündlich das Kontrollblatt abgezeichnet hat, ergibt sich aber aus der Anlage zu Blatt 18 der Berufungsakten.

d) Der Senat hält eine halbstündliche Kontrolle auf Gefahrenquellen für ausreichend.

Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass sich der Unfall in einem speziellen Ruhebereich ereignete, der zu einem Hotel gehört. Aber auch dort ist durch Wasser hervorgerufene Glätte eine übliche Begleiterscheinung in Schwimmbädern, mit der jeder Besucher des Bades rechnen muss (vgl. auch OLG Düsseldorf BeckRS 2012, 12566) und die es deshalb nicht erforderlich macht, häufiger als alle halbe Stunde den Ruhebereich auf etwaige nasse Stellen hin zu kontrollieren. Auch im Ruhebereich muss mit Wasser gerechnet werden, etwa durch tropfende Badebekleidung oder nasse Haare. Besondere, über eine halbstündliche Kontrolle hinausgehende Sicherungsmaßnahmen waren daher nicht erforderlich.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

3. Der Streitwert wurde gem. §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.

IV.

Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 1 S. 1 ZPO zuzulassen, denn es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

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