LG Coburg, Beschluss vom 14.06.2021 - 21 T 39/21
Fundstelle
openJur 2021, 26222
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Coburg vom 23.04.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid. Zu diesem Zweck hat sie am 12.01.2021 die Gerichtsvollzieherin mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt (Modul G1), sich mit einer gütlichen Erledigung einverstanden erklärt (Module E2 und E4) sowie unter den Voraussetzungen des § 802I ZPO die Einholung von Auskünften Dritter beauftragt (Modul M).

Mit Schreiben vom 21.01.2021 hat die Gerichtsvollzieherin die Schuldnerin zum Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft auf den 16.02.2021 geladen. Das Schreiben konnte der Schuldnerin nicht zugestellt werden, weil sie unbekannt verzogen war.

Die Gerichtsvollzieherin stellte der Gläubigerin daraufhin mit Schreiben vom 11.02.2021 Kosten in Höhe von insgesamt 33,96 € in Rechnung, wobei dieser Betrag auch eine Gebühr in Höhe von 8,00 € für den Versuch einer gütlichen Erledigung gemäß Nr. 208 GvKostG KV und eine hierauf entfallende Auslagenpauschale von 20% gemäß Nr. 716 GvKostG KV umfasste.

Mit Schreiben vom 01.03.2021 hat die Gläubigerin über ihren Prozessbevollmächtigten gebeten, die Gebühr für die gütliche Erledigung nebst hierauf entfallender Auslagenpauschale nicht anzusetzen und eine berichtigte Kostenrechnung zu erstellen. Da das Schreiben der Gerichtsvollzieherin vom 21.01.2021 der Schuldnerin nicht zugegangen sei, liege schon begrifflich kein Versuch einer gütlichen Erledigung vor.

Die Gerichtsvollzieherin hat das Schreiben der Gläubigerin als Erinnerung ausgelegt, dieser nicht abgeholfen und dem Erinnerungsrichter vorgelegt.

Das Amtsgericht Coburg hat mit Beschluss vom 23.04.2021 auf die Erinnerung die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin vom 11.02.2021 (2 DR 286/21) aufgehoben und die Gerichtsvollzieherin angewiesen, eine berichtigte Kostenrechnung ohne Ansatz der Gebühren nach Nr. 208 GvKostG KV und der darauf zu zahlenden Auslagenpauschale nach Nr. 716 GvKostG KV zu erstellen.

Hiergegen hat der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Coburg mit Stellungnahme vom 28.04.2021 Beschwerde eingelegt und beantragt unter Abänderung des Beschlusses vom 23.04.2021 die Erinnerung der Gläubigerin zurückzuweisen.

Das Amtsgericht Coburg hat mit Beschluss vom 25.05.2021 der Beschwerde der Staatskasse nicht abgeholfen und dem Landgericht Coburg zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 04.06.2021 hat der Einzelrichter das Beschwerdeverfahren gemäß §§ 66 Abs. 3, 6 GKG, 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG der Kammer übertragen.

II.

Die von dem Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 3 GKG aufgrund der ausdrücklichen Zulassung der Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Ein Versuch der gütlichen Erledigung wurde im konkreten Fall nicht unternommen.

Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt:

Nach Nr. 207 GvKostG KV erhält der Gerichtsvollzieher für den Versuch einer gütlichen Einigung eine Gebühr von 16 €, die sich nach Nr. 208 GvKostG KV auf 8 € ermäßigt, wenn zugleich ein Auftrag zur Sachpfändung oder zur Abnahme der Vermögensauskunft erteilt wurde. Vorliegend wurden ein Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft und zugleich ein Antrag auf gütliche Erledigung gestellt.

Zwar können grundsätzlich die Gebühren des Abschnitts 6 des GvKostG KV erhoben werden, wenn der Schuldner unbekannt verzogen ist, so dass der Gerichtsvollzieher bei isolierter Beauftragung des Versuchs einer gütlichen Erledigung für den Fall, dass der Schuldner unbekannt verzogen ist, eine (Nichterledigungs-) Gebühr nach Ziff. 604, 207 GvKostG KV in Höhe von 15,00 € abrechnen kann. Das gilt jedoch nicht für den Versuch einer gütlichen Erledigung neben einer Maßnahme nach § 802a II 1 Nr. 2 oder Nr. 4 ZPO, denn Ziff. 604 KV GvKostG verweist ausdrücklich nicht auf Ziff. 208 KV GvKostG (OLG Hamm BeckRS 2019, 4906).

Ein Versuch der gütlichen Erledigung nach Nr. 208 GvKostG KV liegt nach Auffassung des Gerichts aber nicht vor, wenn der Schuldner objektiv für einen solchen Versuch nicht erreichbar ist. Um die Gebühr auszulösen, muss der Versuch tauglich sein, den Schuldner zu erreichen (so auch OLG Hamm a. a. O.; OLG Düsseldorf BeckRS 2019, 16604 Rn. 4; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 62). Demgegenüber vertreten die Oberlandesgerichte Celle (NJW-RR 2020,63), Schleswig (NJOZ 2019, 239) und Braunschweig (NJOZ 2019, 1544) die Auffassung, ein vergütungspflichtiger Mehraufwand des Gerichtsvollziehers sei grundsätzlich immer dann zu bejahen, wenn der Gerichtsvollzieher den Schuldner zur gütlichen Erledigung auffordere, gleichgültig in welcher Form dies geschehe. Es spiele also keine Rolle, ob dies in einem separaten Anschreiben erfolge oder dem Schuldner die gütliche Einigung innerhalb eines ohnehin erforderlichen Schreibens angeboten werde. Auf die tatsächliche Annahme des Schuldners oder dessen Mitwirkung komme es nicht an. Denn allein diese Bewertung werde dem im Kostenrecht geltenden Gebot der typisierenden Betrachtungsweise gerecht. Die Gebühr gem. Nr. 208 GvKostG KV falle mithin auch dann an, wenn das Schreiben dem Vollstreckungsschuldner nicht zugestellt werden könne.

Überzeugender ist die Argumentation der erstgenannten Meinung. Das OLG Koblenz führt insoweit aus (NJW-RR 2020, 62): "Das Erfordernis eines tauglichen Versuches ergibt sich schon aus dem Zweck von § 802 b ZPO, durch eine gütliche Erledigung die weitere Vollstreckung und damit intensivere Eingriffe in den Rechtskreis des Schuldners zu vermeiden. Dieses Ziel lässt sich nicht erreichen, wenn der Schuldner unbekannt verzogen ist. Insoweit sind reine Vorbereitungshandlungen nicht zu vergüten (vgl. Hierzu ergänzend auch LG Wuppertal, Beschl. V. 20.02.2019 - 16 T 237/18, BeckRS 2019, 14613), weil sie noch nicht geeignet sind, den Schuldner in die Lage zu versetzen, den Versuch des Gerichtsvollziehers um eine gütliche Erledigung zum Erfolg - der Annahme - zu führen. Der Versuch der gütlichen Erledigung muss also im Angebot einer solchen Erledigung bestehen, was den Zugang der Mitteilung erfordert.

Unbehelflich ist das Argument (...), der Gesetzgeber habe jeden Aufwand des Gerichtsvollziehers pauschaliert vergüten wollen. Zunächst ist im konkreten Einzelfall überhaupt kein Aufwand feststellbar. Sodann gibt die Textstelle (BT-Drs. 18/9698, 25) für die Auffassung (...) nichts her. Dort ist gerade nicht ausgeführt, dass der Gerichtsvollzieher "für jeden Aufwand" vergütet werden soll, sondern dass "Der Versuch einer gütlichen Erledigung [soll] daher stets eine Gebühr auslösen" soll. Gebührenpflichtig ist also der Versuch, nicht der Aufwand. Der Versuch setzt aber den Zugang zum Schuldner voraus oder wie es das OLG Düsseldorf unter Bezugnahme auf § 22 StGB ausdrückt, dass "unmittelbare Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung" (OLG Düsseldorf, Beschl. V. 18.07.2019 - 10 W 47/19, BeckRS 2019, 16604Rn. 4). Hätte der Gesetzgeber dagegen jeden Aufwand - etwa schon die Entgegennahme des Auftrags oder Überlegungen zur Gestaltung einer gütlichen Erledigung - vergüten wollen, hätte er nicht auf den Versuch, sondern wie bei anderen Vorschriften auf den Auftrag oder das Verfahren der gütlichen Erledigung abstellen können und müssen. Indem er hiervon abweichend auf den Versuch abstellt, hat er den Anwendungsbereich von Nr. 207, 208 GvKostG KV bewusst eingeschränkt."

Dieser überzeugenden Argumentation schließt sich die Kammer an und macht sie sich zu eigen. Dementsprechend hat das Amtsgericht die Gerichtsvollzieherin zutreffend angewiesen, eine berichtigte Kostenrechnung ohne Berücksichtigung der Gebühr nach Nr. 208 GvKostG KV in Verbindung mit der anteiligen Auslagenpauschale zu erstellen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem Gesetz, §§ 5 Abs. 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG.

Die weitere Beschwerde war zuzulassen, da es im Oberlandesgerichtsbezirk der grundsätzlichen Klärung bedarf, ob die erfolglose gütliche Erledigung in Fällen wie dem vorliegenden abgerechnet werden kann.