LG Köln, Urteil vom 09.03.2011 - 7 O 280/07
Fundstelle
openJur 2021, 25720
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.380,20 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten zu 1) 24.954,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 30.04.2008 zu zahlen.

Auf die Widerklage wird ferner festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten zu 1) allen immateriellen Schaden zu ersetzen, der diesem aus dem Verkehrsunfall mit der Straßenbahn der Klägerin, Linie ...#, mit dem Wagen .../... vom 16.02.2006 gegen 20.10 Uhr in Köln an der Kreuzung N/B Straße noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 30 %, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 20 % und der Beklagte zu 1) zu weiteren 50 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin folgen dieser Verteilung.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen dieser selbst zu 70 % und die Klägerin zu 30 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt diese selbst.

Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Vertrages.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Schadensersatzansprüche aus einem Unfallereignis, an welchem der Beklagte zu 1) als Halter und Fahrer des Wagens X-XX ... und eine Straßenbahn der Klägerseite, die von dem Fahrer C gefahren worden war, beteiligt waren.

Am 16.02.2006, gegen 20.10 Uhr, kam es an der B Straße, stadtauswärts gerichtet, in Höhe der Haltestelle N zu einem Unfall, bei welchem der Waagen des Beklagten zu 1 auf der Linksabbiegerspur war.

Die Bahn der Klägerseite und das Fahrzeug des Beklagten zu 1) kollidierten, wobei der Unfallhergang zwischen den Parteien streitig ist.

Im Rahmen der Reparatur der Straßenbahn fielen Überführungskosten von 51,00 Euro und für die sachverständige Begutachtung des Schadens durch den Sachverständigen T Kosten in Höhe von 850,00 Euro an.

Das Aufbringen einer neuen Werbeklebefolie auf der reparierten Bahn erforderte einen Aufwand von 987,50 Euro.

Auf Seiten des Beklagten zu 1) entstand für diesen ein Schaden in Höhe von 500,00 Euro Selbstbehalt an den Reparaturkosten des Fahrzeugschadens, da es sich um ein Leasingfahrzeug handelte (Bl. 108 d.A.).

Der Beklagte zu 1) wandte 193 Tage für die Suche nach einem vergleichbaren Fahrzeug auf, wobei der Nutzungsausfall von den Parteien übereinstimmend pro Tag mit einem Betrag von 79,00 Euro angesetzt wird.

Die weiteren Schadenspositionen beider Parteien sind zwischen ihnen streitig.

Der Beklagte zu 1) erlitt bei dem Unfall insbesondere eine Fraktur des Schlüsselbeins und der Schulter, die zu einer operativen Behebung führten. Ferner lag eine Serienrippenfraktur vor. Es wurde eine Metallplatte eingesetzt, die, wie sich im weiteren operativen Verlauf herausstellte, locker geworden war, woraus sich weitere Beschwerden ergaben.

Es bestand vollschichtige Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zum 01.05.2006; bis zum 24.07.2006 lag eine MdE von 30 % vor, danach eine bis zum heutigen Tage andauernde Dauer-MdE von 20 %. Die Beklagte zu 1) muss sich weiterhin zweimal die Woche krankengymnastischen Übungen unterziehen.

Die Klägerin behauptet zum Unfallhergang, der Wagen, der sich auf der Linksabbiegerspur befand, habe eine rote Lichtzeichenanlage vor sich gehabt, aber der Beklagte zu 1 sei über die rote Ampel gefahren. Auch eine Vollbremsung der Bahn habe den Unfall nicht verhindern können.

Zum Reparaturaufwand der Straßenbahn behauptet die Klägerin einen Zeiteinsatz von 148,5 Stunden, den sie mit 61,00 Euro die Stunde ansetzt, woraus ein - unquotierter - Ersatzanspruch von 9.058,50 Euro resultiert.

Weiterhin behauptet sie Materialaufwände von 16.028,39 Euro.

Zuletzt ist sie der Ansicht, es seien Reservehaltungskosten von 10 Tagen mit einem Tagessatz von 376,00 Euro, daher weitere 3.760,00 Euro zu erstatten.

Letztendlich behauptet sie einen Anspruch aus übergegangenem Recht wegen eines Tages Arbeitsunfähigkeit ihres (unfallbeteiligten) Fahrers C, weswegen sie Lohnfortzahlung in Höhe von 156,97 Euro geltend macht, wegen derer Zusammensetzung im einzelnen auf Bl. 7 und 8 d.A. Bezug genommen wird.

Der Gesamtschaden in Höhe von - unquotierten - 30.917,36 Euro wird vorliegend von der Klägerin nur in Höhe von 50 % im Klagewege geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 15.458,68 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz Zinsen seit dem 16.07.2006 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt der Beklagte zu 1) ferner,

die Klägerin zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe von 18.404,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

darüber hinaus ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit;

ferner

festzustellen, dass die Widerbeklagte verpflichtet ist, dem Beklagten zu 1) allen immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Beklagten zu 1) aus dem Verkehrsunfall mit der Straßenbahn der Klägerin, Linie ..., mit dem Wagen .../... vom 16.02.2006 gegen 20.10 Uhr in Köln an der Kreuzung N/B Straße noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Zum Unfallhergang behaupten die Beklagten, der Beklagte zu 1 habe an der Ampel grünes Licht gehabt. Es sei der Fahrer der Klägerin gewesen, der nicht sofort eine Vollbremsung eingeleitet habe, sondern entweder zu schnell oder extrem zu langsam gewesen sei.

Zur Widerklage und zur Schadenshöhe behauptet der Beklagte zu 1) ferner, er habe eine Kaskohöherstufung in Höhe von 2.197,44 Euro hinnehmen müssen. Auch sei sein Jackett beschädigt worden, was einen Schaden von 460,00 Euro verursacht haben.

Der Gesamtbetrag dieser materiellen Schäden - 500,00 Euro Selbstbehalt für den Leasingwagen, 2197,44 Euro Kaskohöherstufung und der Nutzungsausfall für 193 Tage a 79,00 Euro, den der Beklagte zu 1 in voller Höhe für erstattungsfähig hält, in Höhe von 15.247,00 Euro sowie die Jackettkosten von 460,00 Euro addieren sich auf den materiellen Schaden von 18.404,44 Euro, der Gegenstand der Widerklage ist.

Der Beklagte zu 1) behauptet, aus der Verletzung resultierten Dauerschäden, zum einen deswegen, weil noch nicht absehbar sei, wann die Metallplatte aus der Schulter wieder entfernt werden müsste; auch berge die mögliche Entfernung von Schrauben und Platte die Gefahr, dass im Rahmen der Folgeoperation Nerven geschädigt werden könnten.

Es bestünden schmerzhafte Bewegungseinschränkungen aufgrund der Platte, die - insoweit unstreitig - gelockert ist.

Als Folge des Verkehrsunfalls sei eine gravierende Schlafstörung festzustellen, die zu Unkonzentriertheiten im Alltag, Zerstreuung und Verfolgungsängsten sowie Unfallängsten auf öffentlichen Verkehrsflächen geführt habe.

Er sei nur unter Überwindung erheblicher innerer Widerstände, so der Beklagte zu 1) weiter, in der Lage, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen, so dass er sich nur ängstlich und unsicher im Straßenverkehr bewegt habe. Erst nach einem halben Jahr begleitender ärztlicher Betreuung sei die Angst gemindert und er wieder in die Lage versetzt worden, vorsichtig am Straßenverkehr teilzunehmen.

Wegen der Konzentrationsbeeinträchtigungen sei auch seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt nur eingeschränkt möglich gewesen. Es bestünden zuletzt wegen der fortbestehenden Bewegungseinschränkungen der Schulter auch Sorgen hinsichtlich einer Verschlimmerung des Beschwerdebildes.

Zur Widerklage meint die Klägerin, die Selbstbeteiligung sei nicht zu erstatten, da es keine volle Haftung der Klägerseite für den Unfall gebe; hinsichtlich des Rückstufungsschadens ist sie der Ansicht, es sei nur im Wege der Feststellungsklage begründet. Sie meint zuletzt, der Selbstbehalt des Leasingfahrzeugs sei aus Rechtsgründen nicht erstattungsfähig.

Die Klägerin hält den immateriellen Schaden für allenfalls in Höhe von 10.000,00 Euro für begründet und bestreitet im übrigen die Beschädigungen und Wert des Jacketts mit Nichtwissen.

Zum Nutzungsausfall verweist sie darauf, dass - insoweit unwidersprochen -der Beklagte zu 1) nie darauf hingewiesen hat, dass sich die Suche nach einem Ersatzfahrzeug so lange hinziehe, und ist der Ansicht, schon aus Gründen der Schadensminderungspflicht sei die Geltendmachung von 193 Tagen Nutzungsausfall nicht angemessen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte StA Köln 403 Js-Owi 697/06 lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Klage ist in ganz überwiegendem Umfange, die ebenfalls zulässige Widerklage nur im zuerkannten Umfange begründet. Im Übrigen mussten beide scheitern.

I.

Die Klage hat in der Höhe von 15.380,20 Euro Erfolg, da der Klägerin ein Anspruch aus 7 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F. gegen die Beklagten zusteht, für den diese gesamtschuldnerisch haften.

Dass der Unfall beim Betrieb des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) entstanden ist, welches bei der Beklagten zu 2) pflichtversichert ist, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

Der genaue Unfallhergang hat sich jedoch nicht aufklären lassen, so dass ein Ersatzanspruch nur in Höhe von 50 % besteht, §§ 17 Abs. 2 StVG, 13 Abs. 2 HaftPflG.

Hierbei hat zunächst das in dem Ordnungswidrigkeitenverfahren erbrachte Gutachten des Sachverständigen I, welches das Gericht, wie in der Verhandlung erörtert, nach § 411 a ZPO zum Gegenstand seiner Beweiswürdigung macht, keine klare Aussage für ein Verschulden der einen oder anderen Gegenseite machen können.

Nach dem Gutachten steht vielmehr nicht fest, wie der Unfall sich ereignet hat; bei vorliegen atypischer Umstände ist auch ein Unfallhergang wie von den Beklagten geschildert denkbar, ohne dass dieser seinerseits in Maßstäben des Strengbeweises, § 286 ZPO, hinreichend als bewiesen angesehen werden könnte.

Die Aussagen der in Ordnungswidrigkeitenverfahren vernommenen Zeugen B1, S, M, U und X G und C , des Fahrers der Klägerin, haben ebenfalls kein klares Beweisbild erbracht.

So stehen sich die Aussage teilweise widerstreitend gegenüber.

Soweit die Klägerin beispielhaft darauf verweist, die Zeugin X1 habe eine rote Ampel bekunden können, stehen diese Aussage, die für sich genommen glaubhaft ist, ebenso glaubhafte Aussagen der sonstigen Zeugen und Unfallbeteiligten gegenüber, aus denen der Gesamtschau kein klares Beweisergebnis zu gewinnen war.

Das Gericht hat ferner darauf gewiesen, dass die Aussagen der Zeugen in der Ordnungswidrigkeitenakte im Wege des Urkundsbeweises in den Prozess eingeführt werden, so dass keine erneute Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung geboten war (vgl. KG NZV 2010, 153; OLG Koblenz NJW-RR 1995, 727; OLG Köln VersR 1992, 252).

Die Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens führt zur Annahme jeweils gleichgewichtiger Verursachungsbeiträge und damit einer jeweils 50-prozentigen Haftung der Unfallbeteiligten, da sich lediglich die Betriebsgefahren von Bahn und Wagen gegenüberstehen.

Anders als der Beklagte zu 1) meint, kann hierbei nicht schon automatisch die Beteiligung einer Straßenbahn zur Annahme eines höheren Verursachungsbeitrages führen (so aber OLG Celle OLGR 2006, 274). Vielmehr kann eine höhere Betriebsgefahr erst dann im Rahmen der Bewertung der Mitverursachungsbeiträge gewichtet werden, wenn sicher bewiesen oder unstreitig ist, dass gerade die betriebsgefahrerhöhenden Umstände sich auch unfallkausal ausgewirkt haben (BGH VersR 2010, 642).

In die Abwägung einzubeziehen sind alle, aber auch nur diejenigen unstreitigen oder erwiesenen Faktoren, die zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind (BGH VersR 2007, 263). Aufgrund des ganz unaufklärbaren Unfalls, gerade auch der Nichterweislichkeit der Frage, ob die Bahn überaus schnell oder gerade besonders langsam gefahren ist und daher eventuell ihre schienenbedingte Unbeweglichkeit zum Unfall beigetragen hat, kann aber nicht schon die eventuell abstrakt höhere Betriebsgefahr einer Straßenbahn im vorliegenden Fall zu einer konkreten Ursächlichkeit und damit zu einer Quotenerhöhung führen.

Hinsichtlich des Schadensumfanges sind die Überführungskosten (51,00 Euro), die Gutachtenkosten des Sachverständigen T (850,00 Euro), die Unfallpauschale von 25,00 Euro und die Kosten der Werbeklebefolie von 987,50 Euro zwischen den Parteien nicht im Streit.

Soweit die Klägerin darüber hinaus Reservehaltungskosten in Höhe von 3.760,00 Euro und Materialkosten von 16.028,39 Euro sowie Arbeitsstunden in Höhe von insgesamt 9.058,50 Euro verlangt, hat die Klägerin diese Kosten auf den richterlichen Hinweis hin unter Beweisantritt und Vorlage des Privatgutachtens T hinreichend urkundlich substantiiert.

Das Gericht weist hierfür darauf hin, dass das Gutachten T sogar höhere Werte ausgeworfen hat, als die Klägerin sie nun zum Gegenstand ihres Ersatzbegehrens macht.

Bei einem solchen durch Vorlage von Privatgutachten urkundlich substantiierten Sachvortrag hätte es indes der Gegenseite oblegen, genauer vorzutragen, aus welchen Gründen der Schadensumfang bestritten werden soll.

Wo dies - wie hier - nicht geschieht, bleibt das ansonsten zulässige einfache Bestreiten ausnahmsweise unbeachtlich, so dass im Ergebnis der Reparaturaufwand als unstreitig gewertet werden kann (vgl. auch OLG Schleswig, NJW-RR 2009, 1325).

Der gesamte ersatzfähige Schaden läuft sich daher auf - unquotiert - 30.760,39 Euro, von welchem die Beklagten 50 % zu erstatten haben, mithin 15.380,20 Euro, der zuerkannte Betrag.

Soweit in darüber hinausgehendem Umfang Lohnfortzahlung belangt wird, ist dieser Anspruch nicht hinreichend dargetan.

Die beweisbelastete Klägerin muss im Rahmen des Regressprozesses nach § 6 EFZG den gleichen Darlegungs- und Beweismaßstäben genügen wie der unfallverletzte Arbeitnehmer selbst (vgl. BGH VersR 2010, 550).

Hier fehlt es jedoch an Vortrag und Beweisantritt zu den - insgesamt bestrittenen - Körperschäden des Fahrers C .

Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 BGB.

II.

Die Widerklage des Beklagten zu 1) war nur im zuerkannten Umfange begründet, darüber hinaus scheitert sie maßgebend aus dem Grund, dass die Widerklage von einer vollen Haftung der Klägerin ausgeht.

Nach dem zuvor Gesagten ergibt sich nämlich, dass sämtliche Schadenspositionen lediglich nach einer Quote von 50 % von der Klägerin zu ersetzen sind, §§ 1, 13 HaftPflG.

Bei dem ersatzfähigen Schaden des Beklagten zu 1), § 6 HaftPflG, ist zunächst der Selbstbehalt von 500,00 Euro zu ersetzen, dieser sogar, da unterhalb der Quote von 50 % des Reparaturaufwandes, in voller Höhe.

Soweit die Klägerseite mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 01.03.2011 (Bl. 264 d.A.) die Auffassung vertritt, dieser Betrag sei unter Hinweis auf BGH NJW 1992, 553, nicht zu ersetzen, verkennt sie, dass es vorliegend um den Reparaturschaden geht, der dem Beklagten zu 1) nur deshalb nicht in voller Höhe zu ersetzen ist, weil aufgrund der Leasingsituation (nur) der geltend gemachte Selbstbehalt von dem Beklagten - aber eben als Teil der nach § 249 BGB geschuldeten Reparaturkosten des Fahrzeugs - zu zahlen war. Es geht nicht - wie in der von Klägerseite angeführten BGH-Entscheidung - um die (allerdings nicht unfallkausalen) Schlusszahlungen bei der Abwicklung eines Leasingvertrags, die allerdings (da bei jeder Beendigung des Vertrages geschuldet) nicht Teil des ersatzfähigen Unfallschadens sind.

Nach einer Quote von 50 % hat die Klägerin die Kosten der Kaskohöherstufung (2197,44 Euro), zu ersetzen; sie sind bereits dann unfallkausal verursacht, wenn ein - sei es auch um Mitverursachung gekürzter - Ersatzanspruch der Gegenseite besteht (vgl. BGH r+s 2006, 522; BGH NJW 2007, 66).

Die Kostennutzungsausfallentschädigung setzt das Gericht, worauf auch prozessbegleitend bereits hingewiesen worden ist, mit nur 28 Tagen a 79,00 Euro, also einem unquotierten Betrag von 2.212,00 Euro an.

Soweit darüber hinaus Nutzungsausfall verlangt wird, das Gericht bereits darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Beklagten zu 1) nicht ausreicht, um eine solche Nutzungsausfalldauer zu rechtfertigen. Soweit der Beklagte hierauf mit Schriftsatz vom 15.06.2009 (Bl. 212, insbesondere 218 d.A.) weitere Ausführungen gemacht hat, rechtfertigen diese nicht die Annahme eines kausal noch zu ersetzenden Nutzungsausfallschadens.

Auch soweit Beschädigungen des Jacketts geltend gemacht werden, hat das Gericht darauf hingewiesen, dass diese Kosten derzeit unschlüssig, weil unsubstantiiert, vorgetragen sind, ohne dass die weiteren Ausführungen des Beklagten zu 1) im vorbezeichneten Schriftsatz ausgereicht hätten, um einen Schaden schlüssig darzutun, sei es auch nur in dem erleichterten Beweismaßstab des § 287 ZPO.

Damit folgt ein materieller Ersatzanspruch in Höhe von 2.704,72 Euro (500,00 Euro plus 50 % von (2212,00 Euro plus 2197,44 Euro).

Hinzu tritt ein Schmerzensgeld, welches das Gericht unter Bemessung sämtlicher verletzungsprägender Umstände, insbesondere aber auch unter Berücksichtigung einer hälftigen Mitverursachung, mit 22.500,00 Euro bemisst.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat sich das Gericht an der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes orientiert. Es soll einerseits dem Geschädigten ein angemessener Ausgleich für diejenigen Schäden gegeben werden, anderseits soll dem Gedanken Rechnung getragen werden, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet.

Der Verletzte soll durch das Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht worden sind (Palandt-Heinrichs, BGB, 69. Aufl., § 253 Rdn. 11).

Bei der Höhe des Schmerzensgeldes sind alle in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bemessungsgrundlagen sind das Verletzungsbild, d.h. Art, Ausmaß und Schwere der Störungen, Dauer der Beeinträchtigung, vorhandene Schäden, Vorliegen eines Dauerschadens, Komplikationen (BGH NJW 1955, 1675 (1678)). Die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes hängt entscheidend von dem Maß der durch das haftungsbegründende Ereignis verursachten körperlichen und seelischen Lebensbeeinträchtigung ab, soweit diese bei Schluss der mündlichen Verhandlung bereits eingetreten ist oder zu diesem Zeitpunkt mit ihr als künftiger Verletzungsfolge sicher gerechnet werden muss. Darüber hinaus soll sich die Höhe des Schmerzensgeldes in das Gesamtsystem der Schmerzensgeldjudikatur einfügen. Aus Gründen der rechtlichen Gleichbehandlung soll die Größenordnung dem Betragsrahmen entsprechen, der in vergleichbaren Fällen zugrunde gelegt worden ist (BGH VersR 1970, 134).

Hierbei hat das Gericht in die Bemessung mit einbezogen, dass der Beklagte zu 1) lebensgefährliche Verletzungen erlitten hat und es letztlich nur einer günstigen Fügung des Schicksals zu verdanken war, dass er den Unfall überlebte.

Als Primärverletzungen sind eine geschlossene mediale Clavicularfraktur links, geschlossene Frakturen der ersten bis dritten Rippe links sowie geschlossene Frakturen der Scapula unstreitig. Wegen des Blutens aus dem Mund nach dem Unfall wurden zunächst innere Verletzungen vermutet, weswegen Computertomographien und röntgenologische Überprüfungen vorgenommen wurden.

Der weitere Befund einer medialen Fraktur des Schlüsselbeins machte eine stationäre Aufnahme mit Operation umgänglich, wobei das Verletzungsbild das einer eher selten vorkommenden Doppelverletzung von Schulter und Schlüsselbein war.

Erst während der Operation stellte sich ferner heraus, dass es sich um eine Serienfraktur der Rippen 1 bis 6 gehandelt hat, wobei die Rippen durch ein deutliches Abknicken nach hinten schmerzhafte Hämatome im Lungenspitzengebiet verursacht hatten.

Operativ wurden eine Metallplatte eingesetzt, die mit insgesamt fünf Verschraubungen das gebrochene Material wieder zusammenfügte, wobei sich diese Schrauben teilweise wieder lockerten, so dass weiterhin Probleme bestehen.

Der Beklagte hatte nur im Verlauf des Unfalls und nach operativ erhebliche Schmerzen im Bereich Schulter und Brustwirbelsäule, ferner weiterhin erhebliche Schmerzen bei Bewegungen und Drehen des Kopfes in die eine oder andere Richtung sowie persistierende Schmerzen im Rücken, insbesondere beim Liegen.

Es verblieb eine 14 Zentimeter lange Narbe im oberen linken Rückenbereich.

Ebenso hat das Gericht die von Beklagtenseite behaupteten Spätfolgen und Dauerschäden in die Bemessung miteinbezogen.

Das Gericht hat bereits darauf hingewiesen, dass angesichts des umfassend substantiierten Sachvertrages der Beklagtenseite das pauschale Bestreiten der Dauerschäden und Spätfolgen unsubstantiiert und damit unbeachtlich ist (Bl. 168 d.A.), ohne dass hierauf noch weiterer Vortrag der Klägerseite erfolgt wäre.

Demnach ist weiterhin zu berücksichtigen, dass die Gefahr einer posttraumatischen Früharthrose und eines chronischen Schmerzsymptoms im Raum steht, weswegen der Beklagte zu 1) auch - insoweit unwidersprochen - ständig in krankengymnastischer Behandlung ist.

Ferner verbleiben deutliche Reizungen der suprakronialen Rotatorenmanschette und eine initiale hypertrophe AC-Gelenkarthrose.

Zuletzt berücksichtigte das Gericht bei der Bemessung und die psychischen Beeinträchtigungen, die angesichts der Schwere des Unfalls augenfällig und schwerwiegend sind.

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes verweist das Gericht, wie schon im Hinweisbeschluss vom 25.09.2008 (Bl. 177 f. d.A.) auf die Entscheidungen Landgericht München 1, Urt. vom 18.01.2001 - 19 O 15998/99, Urt. vom 15.07.2002 - 19 O 23186/00 und LG Itzehoe, Urt. vom 04.03.1996, 9 O 1022/93 - K - 126, ferner hinsichtlich des Bemessungsumstandes psychischer Beeinträchtigungen auf OLG Saarbrücken (Urt. vom 24.04.1987 - 3 U 131/85 und LG Mainz (Urteil vom 20.10.1993 - 9 O 83/91).

An diesen Bemessungskriterien hält das erkennende Gericht grundsätzlich fest, verweist aber zusätzlich auf folgendes:

Schon das Alter der von der damaligen Sachbearbeiterin angeführten Entscheidungen impliziert, dass die dort genannten Beträge nicht eingeschränkt Aussage für den heute entscheidenden und 2006 erlittenen Unfall bieten können.

Hierbei ist nicht nur der Inflationsausgleich durch den Zeitablauf seit dem Datum der herangezogenen Entscheidungen zu berücksichtigen, sondern darüber hinaus zu beachten, dass eine Tendenz der Rechtsprechung zu höheren Schmerzensgeldern zu beobachten ist, die in einem - über den Inflationsausgleich hinausgehenden - erhöhten Maße zu einer Steigerung der vorgenannten Beträge führen muss (vgl. KG KGR 2003, 140 (142); OLG Frankfurt NJW-RR 2009, 1684 (1685); OLG Köln VersR 1992, 1013).

Bei der Bemessung hat das Gericht ferner berücksichtigt, dass eine nur zögerliche Regulierung der Klägerseite bzw. der hinter ihr stehenden Rückversicherung zu beobachten ist, deren Berücksichtigung bei der Bemessung des konkret geschuldeten Schmerzensgeldes geboten war.

Eine zögerliche Regulierung des Rechtsstreits kann zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (vgl. BGH VersR 1970, 134; OLG Köln OLG Report 2003, 213; OLG Köln SP 1995, 2647).

In diesem Fall wird die Ausnutzung einer wirtschaftlichen Vormachtstellung durch den Ersatzpflichtigen und die Nichtberücksichtigung der durch die Verletzung herbeigeführten Situation des Geschädigten beim Schmerzensgeld berücksichtigt, um den Geschädigten einen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass der Ersatzpflichtige die Regulierung insgesamt schuldhaft verzögert hat (vgl. OLG Nürnberg VersR 2007, 1137).

Hierbei kann das Gericht dahinstehen lassen, ob eine verzögerte Regulierung schon dann genommen werden kann, sich der streitige Vortrag der Regulierungsgegenseite nicht beweisen lässt (vgl. in diesem Sinne OLG Nürnberg VersR 1998, 731; OLG Naumburg VersR 2002, 1569).

So ist der Fall nämlich hier nicht gelegen.

Bereits zum Zeitpunkt der Klageeinreichung Ende 2007 war für die Klägerin ersichtlich, dass für die Annahme einer völligen Haftung der Beklagtenseite und damit einer Leistungsfreiheit der Klägerseite ersichtlich kein Raum war. Zu Recht beschränkt sich die Klage nur auf die Geltendmachung von 50 % der materiellen Schäden.

Der Klägerin war daher spätestens seit Ende 2007 bekannt, dass realistischer Weise auch eine Gegenforderung des Beklagten zu 1) drohte.

Diese Annahme einer jedenfalls 50-prozentigen Haftung zieht sich durch die Vergleichsbemühungen des Rechtsstreits, wobei das Gericht ferner darauf verweist, dass es gerade die wiederholten Vergleichsbemühungen beider Seiten waren, die die Entscheidung dieses vorliegenden Rechtsstreits verzögert hatten.

Vor dem Hintergrund, dass der Klägerin klar sein musste, dass auf das Schmerzensgeld substanzielle Beträge zu zahlen seien, und sie selbst im Rahmen ihres Prozessvortrages von einem Schmerzensgeld von jedenfalls 10.000,00 Euro ausgegangen ist, hätte Anlass bestanden auch und gerade auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung jedenfalls 5.000,00 Euro zu zahlen, die aber nicht einmal als Abschlagszahlung gezahlt worden sind.

Im Gegenteil hat die Klägerin trotz der geschilderten Sach- und Rechtslage über einen Zeitraum von mittlerweile 5 Jahren keinerlei Abschlagszahlungen geleistet.

Hierbei kann es die Klägerin auch nicht entlasten, dass sie stets von Vergleichsüberlegungen ausgegangen ist, die bei einer Verrechnung der gegenstehenden Forderungen dazu geführt hätten, dass von ihrer Seite keine Zahlungen mehr zu leisten seien.

Aufgrund der Widerklagesituation nur durch den Beklagten zu 1) und der für die von ihm verursachten Schäden eintrittspflichtigen Beklagten zu 2) musste auch der Klägerin klar sein, dass sich der Prozess nicht durch eine Aufrechnung der wechselseitigen Ansprüche, sondern durch Zahlungen, die wechselseitig erfolgen müssen, erledigen ließ.

Selbst unter Bezugnahme auf die hier bestehenden Ansprüche durfte sie daher nicht berechtigt eine Schmerzensgeldzahlung an den Beklagen zu 1) völlig unterlassen.

Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 BGB.

Soweit der Beklagte zu 1) ferner Feststellung der weiteren Ersatzpflicht immaterielle Schäden beantragt, ist dieser Anspruch nach dem zuvor Gesagten zulässig und begründet. Mit späteren Schäden ist zu rechnen, dass solche bereits vom nun zuerkannten Schmerzensgeld bereits umfasst werden, kann angesichts der Möglichkeit des Hinzutretens weiterer, derzeit nur als möglich erkannter Schäden, nicht gesagt werden.

Der Feststeller rechtfertigt sich aus diesem Grunde.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 99 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4, 709 ZPO.

Streitwert:

bis zum 25.04.2008: 15.458,68 Euro.

Danach: 82.862,68 Euro.

Anders als bei der Bezifferung der Widerklage, geht das Gericht von einem Streitwert der Widerklage in Höhe von nur 67.404,00 Euro aus, da es den Wert des Widerklageantrages zu 3 - Feststellungsantrag - mit nur 4.000,00 Euro als Auffangstreitwert beziffert.

Dies hat seinen Grund darin, dass ausweislich des klaren Wortlauts eine Feststellung nur hinsichtlich weiterer immaterieller Schäden geschuldet ist. Es handelt sich daher nicht um eine umfassende Feststellung wegen sonstiger materieller Ersatzpflichten, auch wenn der Zusatz der Zession ("soweit nicht..übergegangen") isoliert genommen hierfür zu sprechen scheint.

Soweit die Beklagtenseite im Schriftsatz vom 02.02.2011 ferner ein Schmerzensgeld in Höhe von 60.000,00 Euro für angemessen hält, führt dies angesichts der zuvor von Beklagtenseite vorgenommenen Bezifferung von 45.000,00 Euro nicht zu einer Streitwerterhöhung; das Gericht wertet insoweit die Ausführungen zur Höhe des Schmerzensgeldes als eine Rechtsausführungen.