VG Düsseldorf, Beschluss vom 05.11.2010 - 4 K 2739/10
Fundstelle
openJur 2021, 25648
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 2 E 1358/10
Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Anordnung der Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Klägerin war bis zum ihrem Tod Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung T. , Flur 00, Flurstück 0000 (N.-----weg 00) in W. .

Mit Ordnungsverfügung vom 25. März 2010 forderte der Beklagte die Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Zuwiderhandlung auf, innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der Ordnungsverfügung eine auf dem klägereigenen Grundstück vorhandene Pkw-Kleingarage zu beseitigen und zog sie mit Bescheid vom 26. März 2010 für den Erlass der Ordnungsverfügung zu einer Gebühr von 100 Euro heran.

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin am 26. April 2010 Anfechtungsklage. Vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2010 verstarb die anwaltlich vertretene Klägerin. Im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragten weder die klägerischen Prozessbevollmächtigten noch der Beklagte bzw. seine Terminsvertreter eine Aussetzung des Verfahrens (§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 239 Abs. 1; 246 Abs. 1 ZPO).

Mit seinem am 14. Oktober 2010 in öffentlicher Sitzung verkündeten und dem Beklagten am 21. Oktober 2010 zugestellten Urteil hob das erkennende Gericht die angefochtene Ordnungsverfügung und den angefochtenen Gebührenbescheid auf. Wegen des Tenors und der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das klagestattgebende Urteil Bezug genommen.

Mit seinem am 4. November 2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragt der Beklagte,

das Verfahren auszusetzen,

mit der Begründung, die Klägerin sei verstorben. Im Zuge der weiteren bauordnungsrechtlichen Tätigkeit solle zunächst eine Abstimmung mit den Rechtsnachfolgern, insbesondere bezüglich der Realisierung eines Austauschmittels, erfolgen.

II.

Der Antrag ist nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 246 Abs. 1 Halbs. 2; 248 Abs. 1 ZPO statthafterweise beim erkennenden Gericht gestellt, denn bis zur Einlegung eines Rechtsmittels kann das Aussetzungsgesuch - wie hier - beim erstinstanzlichen Prozessgericht eingereicht werden.

Vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1976 - IV ZB 43/76 -, NJW 1977, 717 = Juris; Baumbach/Albers/Lauterbach/Hartmann, Zivilprozessordnung, Kommentar, 65. Auflage, § 248 Rdnr. 3.

Das erkennende Gericht hat nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 246 Abs. 1 Halbs. 2; 248 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheiden können.

In der Sache hat der Antrag indessen keinen Erfolg, denn er ist rechtsmißbräuchlich gestellt.

Grundsätzlich muss das Gericht unter den gesetzlichen Voraussetzungen - wie unter den hier gegebenen Voraussetzungen des § 173 Satz 1VwGO in Verbindung mit § 246 Abs. 1 ZPO - dem Aussetzungsantrag des dazu gesetzlich Befugten stattgeben, es sei denn, es liegt ausnahmsweise ein diesbezüglicher Rechtsmißbrauch vor.

Vgl. Baumbach/Albers/Lauterbach/Hartmann, Zivilprozessordnung, Kommentar, 65. Auflage, § 248 Rdnr. 4.

Mit der vorliegend begehrten Aussetzung des Klageverfahrens beabsichtigt der Beklagte allein, die nach Zustellung des Urteils angelaufene, einmonatige Frist zur Stellung eines Antrages auf Zulassung der Berufung beim erkennenden Gericht nach § 124a Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO zu unterlaufen, obwohl er das Urteil nicht anerkennt.

Bei dieser Frist handelt es sich um eine gesetzliche Frist, die nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 224 Abs. 2 ZPO einer Verlängerung mangels eines dafür vorgesehenen bestimmten Falles in § 124a Abs. 4 VwGO nicht zugänglich ist.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 124a Rdnr. 41; vgl. entsprechend zur Frist zur Begründung des Zulassungsantrages HessVGH, Beschluss vom 12. Januar 1998 - 8 ZU 4267/97 -, NVwZ-RR 1998, 466 = Juris.

Bei Stattgabe des Antrages würde der Lauf dieser mit Zustellung des Urteils in Gang gesetzten Frist nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 249 Abs. 1 ZPO aufhören und nach Beendigung der Aussetzung die volle Frist von neuem zu laufen beginnen.

Allein diesen prozessualen Vorteil möchte sich der Beklagte mit dem vorliegenden Antrag in hier rechtsmißbräuchlicher Weise verschaffen.

Der Umstand, dass die Klägerin nach Klageerhebung, aber noch vor Durchführung der mündlichen Verhandlung verstorben ist, ist dem Beklagten spätestens im Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt gewesen; denn im Termin ist die Erklärung der klägerischen Prozessbevollmächtigten protokolliert worden, die Klägerin sei inzwischen verstorben, der Rechtsstreit werde aber auch im Namen der Rechtsnachfolger hiermit fortgesetzt. Gleichwohl hat der Beklagte dies nicht zum Anlass genommen, seinerseits einen Aussetzungsantrag noch im Termin zur mündlichen Verhandlung zu stellen, obwohl die Sach- und Rechtslage und damit die Erfolgsaussichten der Klage ausführlich erörtert worden waren.

Der nunmehr nach Zustellung des klagestattgebenden Urteils gestellte vorliegende Aussetzungsantrag des Beklagten erfolgt ersichtlich unter dem Eindruck der Klagestattgabe und dient allein dazu, im Wege des Unterlaufens der Frist zur Stellung eines Antrages auf Zulassung der Berufung Zeit zu gewinnen, obwohl der Beklagte das Urteil nicht für richtig hält. Dies offenbart die schriftsätzliche Begründung des Aussetzungsantrages, indem dort ausgeführt wird, im Zuge der weiteren bauordnungsbehördlichen Tätigkeit solle zunächst eine Abstimmung mit den Rechtsnachfolgern - der Klägerin - insbesondere bezüglich der Realisierung eines Austauschmittels erfolgen. Damit gibt der Beklagte zu erkennen, dass er seine aufgehobenen Bescheide für rechtens und das klagestattgebende Urteil für unrichtig hält, weil nur im Zuge der Durchsetzung der Beseitigungsverfügung die rechtstechnische Möglichkeit für das Angebot eines geeigneten Austauschmittels durch die Rechtsnachfolger der Klägerin im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW in Verbindung mit § 21 Sätze 2 und 3 OBG NRW eröffnet wäre. Für die Erwägung eines geeigneten Austauschmittels zum geforderten Abriss der Einzelgarage ist indessen kein Raum, weil die Beseitigungsverfügung mangels ihrer Bestandskraft noch nicht vollziehbar und mit der Begründung, sie sei rechtsfehlerhaft und verletze die Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolger in ihren Rechten, durch das - noch nicht rechtskräftige - Urteil des erkennenden Gerichts aufgehoben worden ist .

Hält der Beklagte das Urteil indessen für falsch und beabsichtigt er ein künftiges bauordnungsbehördliches Vorgehen auf der Grundlage des Fortbestehens dieser Ordnungsverfügung, liegt es an ihm, zunächst die ihm zu Gebote stehenden Rechtsmittel gegen dieses Urteil auszuschöpfen, insbesondere hier die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil zu beantragen mit der Möglichkeit, sich mit seiner Rechtsauffassung und seiner Ordnungsverfügung durchzusetzen. In diesem Fall hätten die Rechtsnachfolger der Klägerin Anlass, sich mit der Frage eines geeigneten Austauschmittels zu befassen.

Sinn und Zweck des Aussetzungsantrages kann es jedoch nach Verkündung eines klagestattgebenden Urteils nicht sein, die unterlegene Behörde ihrer prozessualen Obliegenheit zur fristgerechten Einlegung des für diesen Fall vorgesehenen Rechtsmittels zu entheben und ihr damit gleichzeitig Raum und Gelegenheit zu verschaffen, ihre bauaufsichtsbehördlichen Vorstellungen gewissermaßen "am klagestattgebenden Urteil vorbei" durchzusetzen.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird.

Die Beschwerde ist durch einen Bevollmächtigten einzureichen. Als Bevollmächtigte sind nur die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen sowie diesen gleichgestellte Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe von § 67 Abs. 4 Satz 3 und 7 VwGO zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Die Beschwerde ist nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.

Die Beschwerdeschrift soll möglichst vierfach eingereicht werden.