AG Detmold, Beschluss vom 18.11.2013 - 33 F 220/13
Fundstelle
openJur 2021, 25598
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 14 UF 49/14
Tenor

Den Antragsgegnern (Kindeseltern) wird das gemeinsame Sorgerecht für das Kind L, geboren am entzogen und Vormundschaft wird angeordnet.

Zum Vormund wird Frau y, bestellt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Streitwert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Antragsgegnerin zu 1) und der Antragsgegner zu 2) sind die Eltern des betroffenen Kindes . Darüber hinaus sind die Antragsgegner die Eltern des dreijährigen Jungen Z und der einjährigen E.

Im Wege der einstweiligen Anordnung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Detmold am 20.11.2012 (Az: 33 F 304/12) den Eltern das Recht zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung gem. §§ 27 ff. SGB VIII, die Gesundheitsfürsorge und das Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle drei Kinder vorläufig entzogen und Ergänzungspflegschaft angeordnet. Zum Ergänzungspfleger wurde das Jugendamt der Stadt D bestellt.

Zu diesem Zeitpunkt lebten die Eltern mit allen drei Kindern in einer verdreckten, unordentlichen Wohnung. Die Kinder wurden ebenfalls mehrfach unsauber und schlecht riechend angetroffen. Die Versorgung mit dem Nötigsten war nicht gesichert. Der Kindergarten meldete beim Jugendamt, dass die älteren Jungen oft ausgehungert und insgesamt unterernährt wirken. Die Kinder wurden daher am 20.11.2013 durch das Jugendamt in Obhut genommen. L befindet sich seitdem im Haushalt der Großmutter väterlicherseits, der Beteiligten zu 4) und ihrem Ehemann dem Beteiligten zu 5). Die anderen beiden Kinder wurden in Bereitschaftspflegefamilien untergebracht. In der mündlichen Verhandlung zum einstweiligen Anordnungsverfahren (33 F 304/12) erklärten sich die Eltern mit der Unterbringung von L bei den Großeltern und von Z in einer Bereitschaftspflegefamilie für die Dauer des Hauptsacheverfahrens einverstanden. Die Kindesmutter ging mit der jüngsten Tochter in eine Mutter-Kind Einrichtung. Im Hauptsacheverfahren 33 F 303/12 wurde ein Sachverständigengutachten zur Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeholt. Die Kindeseltern haben sich inzwischen getrennt und haben keine partnerschaftliche Beziehung mehr.

Nach dem Eingang des Gutachtens fand am 28.08.2013 ein Verhandlungstermin statt. Hinsichtlich der beiden jüngeren Kinder einigten die Eltern und das antragstellende Jugendamt dahingehend, dass Z dauerhaft fremduntergebracht wird und die Kindesmutter mit E in der Mutter-Kind Einrichtung verbleibt. Aufgrund der Einsichtigkeit der Eltern in die Notwendigkeit der dauerhaften Fremdunterbringung von Z und der Notwendigkeit weiterer Hilfestellungen für die Kindesmutter und E in der Mutter-Kind Einrichtung konnte das Verfahren insoweit erledigt werden.

Hinsichtlich des Kindes L besteht Einigkeit darüber, dass die Eltern nicht in der Lage sind die Erziehung und Versorgung des Kindes zu übernehmen. Beiden Elternteilen ist klar, dass sie die elterliche Sorge für L nicht weiter ausüben können. Beide Eltern sprechen sich aber für einen Verbleib des Kindes bei den Großeltern aus. Das antragstellende Jugendamt spricht sich für einen Wechsel in eine professionelle Pflegefamilie aus. Die Großeltern beantragen die Vormundschaft für das Kind L. Aus diesem Grund wurde das Ursprungsverfahren 33 F 303/12 bzgl. Des Kindes L abgetrennt und läuft nunmehr unter dem jetzigen Aktenzeichen 33 F 220/13.

In diesem Verfahren neuen Verfahren wurden die Großeltern als Pflegepersonen für L am Verfahren beteiligt und mündlich angehört. Das Gericht hat L in Anwesenheit des Verfahrensbeistandes persönlich angehört. Der Verfahrensbeistand hat schriftlich und mündlich Stellung genommen.

Hinsichtlich des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens wird auf das Gutachten des Sachverständigen T vom 06.08.2013 verwiesen. Die Akte 33 F 303/12 wurde beigezogen. Der Sachverständige wurde im Termin am 24.10.2013 persönlich angehört. Bezüglich des Ergebnisses der persönlichen Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Das Jugendamt beantragt,

den Antragsgegnern die elterliche Sorge zu entziehen und als Vormund Frau y bestellen.

Die Antragsgegner beantragen,

dass L bei den Großeltern verbleiben kann.

Die Beteiligten zu 4) und 5) beantragen,

als Vormund für das Kind L bestellt zu werden.

Die Ermittlungen sind abgeschlossen.

Es ist gemäß dem Antrag des Jugendamtes zu entscheiden.

Den Kindeseltern ist gemäß §§ 1666, 1666 a BGB die elterliche Sorge zu entziehen weil sie das Wohl des Kindes erheblich gefährdet.

Eine Kindeswohlgefährdung ist grundsätzliche gegeben, wenn eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes vorliegt, die so ernst zu nehmen ist, dass sich eine erhebliche Schädigung seines Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2004, 1665).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Kindeseltern sind beide nicht in der Lage die Betreuung, Versorgung und Erziehung von L zu übernehmen. Dies geht aus dem eindeutigen Gutachten des Sachverständigen T hervor. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass bei beiden Elternteilen gravierende erzieherische Defizite bestehen. Der Kindesvater lebt zudem nach der Trennung in einer sehr instabilen Lebenssituation. Er hat seine Wohnung verloren und wirkt antriebslos. Er ist zurzeit selbst nicht in der Lage sein eigenen Leben ohne Kinder in den Griff zu bekommen und ist daher nicht in der Lage für L zu sorgen.

Die Kindesmutter hat ebenfalls Defizite in ihrer Erziehungsfähigkeit. Sie ist nur mit der von ihr angenommenen Hilfe im Rahmen der Mutter-Kind Einrichtung in der Lage für ihre jüngste Tochter die Versorgung, Betreuung und Erziehung wahrzunehmen. Sie ist dabei bei einem Kind an ihrer Belastungsgrenze und nicht in der Lage für noch ein weiteres Kind zu sorgen.

Dies wird von den Eltern eingesehen und ebenso eingeschätzt, so dass das Gericht auf eine weitere ausführlichere Begründung verzichtet.

Mildere Maßnahmen als eine Fremdunterbringung des Kindes kommen nicht in Betracht. Ambulante Hilfemaßnahmen können die Defizite der Kindeseltern nicht ausgleichen und eine Kindeswohlgefährdung könnte durch solche Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden.

Wirklich streitig ist daher nur die Entscheidung, wer Vormund für das Kind L wird. Das Jugendamt der Stadt D sowie die Beteiligten zu 4 und 5) scheiden nach Ansicht des Gerichts als Vormund aus. Das Jugendamt der Stadt D hat in der mündlichen Verhandlung selbst beantragt, dass eine neutrale Person die Vormundschaft übernimmt. Diese Überlegung ist vernünftig, da im Laufe der Verhandlung die Vorbehalte der Pflegepersonen von L den Beteiligten zu 4 und 5) gegenüber dem Jugendamt sehr deutlich wurden. Die Chance auf für ein vertrauensvolles Verhältnis scheint nicht gegeben.

Die Großeltern die als Verwandte grundsätzlich bevorzugt zu behandeln sind, scheiden aber als Vormund ebenfalls nach Ansicht des Gerichts aus. Insoweit schließt sich das Gericht der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der Meinung des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes an. Die Großeltern, insbesondere die Beteiligte zu 4) ist als Mutter des Kindesvaters zu sehr in die familiären Strukturen eingebunden, als in jeder Situation die beste Entscheidung zum Wohle von L treffen zu können. Die nötige Distanz zum Kindesvater fehlt. Zum Beispiel muss der Vormund zusammen mit den Eltern zukünftig den Umfang, die Dauer und die Ausgestaltung der Umgangskontakte regeln und zwar im Interesse des Kindes. Dies ist aber gerade in Bezug auf den Kindesvater schwierig, da dieser ja das eigene Kind / Stiefkind ist. Aber auch gegenüber der Kindesmutter, die sich vom Sohn getrennt hat und vielleicht dauerhaft mit einem neuen Partner zusammenlebt, könnte es schwierig sein sich neutral und im Interesse des Kindes zu verhalten.

Das Gericht geht davon aus, dass die Großeltern in Konfliktsituationen mit dem eigenen Sohn /Stiefsohn nicht neutral genug im Interesse von L entscheiden können. Dies ist keine bewusste Entscheidung der Großeltern, sondern sind vielmehr unbewusste Abläufe innerhalb der Familiendynamik.

Zudem sind bei den Beteiligten zu 4 und 5) bereits jetzt Tendenzen zu erkennen, die die Ausübung einer Vormundschaft erschweren. Sie wollen vergangene Fehler in Bezug auf den eigenen Sohn / Stiefsohn wieder gut machen. Eine Verwöhnung und nicht ausreichende Grenzsetzungen sind die Folge. Dies hat der Sachverständige im Termin überzeugend und nachvollziehbar erklärt.

Darüber hinaus muss L bei der Aufarbeitung der Vergangenheit und insbesondere der erlebten Gewalt die Möglichkeit haben sich zu Hause fallen zu lassen, mal aggressiv zu sein und / oder schlecht über den Kindesvater / die Kindesmutter sprechen zu dürfen. Dies erscheint im Haushalt der Großeltern schwierig. Entweder nimmt sich L zurück um die Großeltern nicht zu verletzen bzw. traurig zu machen oder die Großeltern sind nicht in der Lage angemessen mit den Reaktionen des Kindes umzugehen.

Dabei berücksichtigt das Gericht natürlich die Leistungen der Großeltern aus der Vergangenheit und hofft, dass die Großeltern auch in der Zukunft der starke Rückhalt für L in seinem Leben sind und bleiben, egal wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. Großeltern sind aber auch Großeltern und das Gericht bezweifelt, dass sie in der Lage sind die Elternrolle für L zu übernehmen und mit den schwierigen Erziehungsherausforderungen gewachsen sind. Letztendlich wird in dieser Entscheidung aber nur über die Vormundschaft entschieden und nicht über den Verbleib von L bei den Großeltern. Diese Entscheidung obliegt jetzt vielmehr dem eingesetzten Vormund, der die elterliche Sorge nunmehr ausübt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 81 FamFG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Detmold, Heinrich-Drake-Str. 3, 32756 Detmold schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Soweit sich die Beschwerde nur gegen die Kostenentscheidung richtet, ist diese nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Detmold eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

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