AG Soest, Beschluss vom 19.07.2010 - 16 F 151/08
Fundstelle
openJur 2021, 25456
  • Rkr:
Tenor

Im Wege einstweiliger Anordnung wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht betreffend das Kind M N, geb. 00.00.1998, der bislang sorgeberechtigten Mutter entzogen und auf den Vormund übertragen. Zum Vormund wird bestimmt die Diakonie Ruhr-Hellweg, Soest.

Gerichtskosten werden für diese einstweilige Anordnung nicht erhoben. Notwendige außergerichtliche Auslagen werden den Beteiligten nicht erstattet.

Der Gegenstandswert für dieses einstweilige Anordnungsverfahren wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1.

Die Antragstellerin Frau O N und der Antragsgegner Herr E N sind die Eltern des am 00.00.1998 geborenen Kindes M.

Die Kindeseltern waren bis 1995 verheiratet. Nach Scheidung im Jahre 1995 versöhnten sich die Kindeseltern jedoch wieder und führten ab 1996 wieder einen gemeinsamen Haushalt. Aus dieser dann nichtehelichen Beziehung entstammt das Kind M. Das Sorgerecht für M steht der Kindesmutter bislang alleine zu.

In der Folge kam es erneut zu einem Zerwürfnis der Eltern. Dies führte erneut zu einer Trennung und dem Auszug der Kindesmutter. In der Folge kam es zu verschiedenen Familienanträgen.

Unter dem 05.06.2008 beantragte die Kindesmutter den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Herausgabe des Kindes M, das beim Vater verblieben war, als sie sie selbst ausgezogen ist. Zur Begründung wies die Kindesmutter darauf hin, dass sie Inhaber der elterlichen Sorge sei.

Der Kindesvater beantragte im Gegenzug eine Verweilensanordnung des Kindes bei ihm. Außerdem solle das Kindergeld an ihn ausgezahlt werden.

Im Termin vom 17.06.2008 kam es zu einer Elternvereinbarung dahingehend, dass die Tochter M mit der Kindesmutter in Kur fährt. Im Übrigen wurden widerstreitende Anträge gestellt.

Durch Beschluss vom 17.07.2008 wurde die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zur Frage in Auftrag gegeben, ob es dem Kindeswohl eher entspricht, dass es bei dem Vater aufwächst oder aber bei der Mutter. Zum Sachverständigen wurde Herr B bestellt.

In einem Anhörungstermin am 11.11.2008 wurde zunächst ein Befangenheitsantrag des Kindesvaters erörtert. Darüber hinaus wurde eine Elternvereinbarung dahingehend getroffen, dass die Kindesmutter das Recht hat, mit der gemeinsamen Tochter an bestimmten Tagen Umgang zu haben.

Der Kindesvater legte gegen das Protokoll Beschwerde ein und beantragte das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf ihn zu übertragen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.12.2008 begehrte die Kindesmutter die Einrichtung einer Umgangspflegschaft für sich.

Es folgten Anträge der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit sowohl des Sachverständigens als auch des erkennenden Richters, Richter am Amtsgericht I.

Durch Beschluss vom 28.05.2009 wurde das Befangenheitsgesuch vom 23.11.2008 gegen den Richter am Amtsgericht I zurückgewiesen.

Die Entscheidung wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 10.07.2009 bestätigt.

In dem parallel geführten Verfahren 16 F 153/09 kam es zu einer Umgangsregelung bezüglich der Ferienzeit 2009.

Im Anhörungstermin vom 19.01.2010 wurde der Verfahrensstand mit den Erschienenen nochmals erörtert und beschlossen, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen. Letztlich wurde die Sachverständige Frau S mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt mit dem bisherigen Gutachteninhalt.

Die Sachverständige hatte die Gelegenheit, mit Kindesmutter und Kind Rücksprache zu nehmen, der Kindesvater verweigert eine Zusammenarbeit mit ihr.

Der Kindesvater behielt die ablehnende Haltung noch bei, als er vom Gericht auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, dass die Sachverständige auf Grund des Eindrucks in einem Anhörungstermins ein Gutachten erstatten könnte.

Letztlich kam es dann zu einem gerichtlichen Anhörungstermin am 29.06.2010, in dem der Kindesvater sich beharrlich der Exploration durch die Sachverständige verweigerte.

Die Sachverständige erstattete ein vorläufiges Gutachten in diesem Termin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 29.06.2010 Bezug genommen. Dies gilt auch für die Anhörung des Kindes.

Im Nachgang zum Termin wurde Rücksprache mit dem Jugendamt gehalten. Insoweit wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. Eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen ergab, dass diese mit der vorläufigen Unterbringung des Kindes in einer Jugendhilfegruppe in P einverstanden wäre.

2.

Zur Verhinderung weiterer Kindeswohlgefährdung war es notwendig, nunmehr durch einstweilige Anordnung zumindest vorübergehend das Kind M aus dem elterlichen Umfeld herauszunehmen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht insoweit auf einen Vormund zu übertragen.

Der unter Ziffer 1. skizzierte Gang des Verfahrens zeigt bereits, dass eine Absprachefähigkeit zwischen den Eltern nur eher begrenzt besteht. Der Kindesvater ist nicht bereit, mit den ihm Hilfe anbietenden Einrichtungen, namentlich mit dem Jugendamt, zusammen zu arbeiten.

Der Kindesvater hat zwar Recht, wenn er darauf hinweist, dass es dem Kind an nichts mangele, dass es ausreichend zu Essen und zu Trinken bei ihm bekomme und auch Obdach. Im Übrigen würde er alles tun, was das Kind von ihm verlange.

Die Sachverständige hat ihrerseits Recht, wenn sie darauf hinweist, dass es für das Kind eine Gefährdung seiner Entwicklung bedeutet, wenn es sich praktisch in diesem nunmehr kritischen Alter selbst erziehen muss. Irgendeine Form einer Erziehung durch den Vater ist derzeit nicht erkennbar und nicht absehbar. Die Sachverständige hat insoweit den Verdacht geäußert, bei dem Kindesvater könnte eine Persönlichkeitsstörung vorliegen, die eine solche Erziehungsfähigkeit einschränken, wenn nicht sogar aufheben könnte.

Bei der Kindesmutter liegt zwar das Sorgerecht für das Kind. Sie hat es jedoch in den zwei Jahren des Verfahrens nicht vermocht, dieses Sorgerecht für sich positiv umzusetzen. Das Kind verweigert sich ihr in einem Umfang, der über die sporadischen Umgangskontakte hinausgeht. Sie hat sich auch nicht dazu entschließen können, eine vorübergehende Unterbringung des Kindes M in eine Jugendhilfeeinrichtung vorzunehmen. Dies kann von ihr nach dem derzeitigen Stand auch letztlich nicht verlangt werden, da andernfalls das Verhältnis von Mutter und Tochter voraussichtlich nachhaltig belastet werden würde.

Die Sachverständige hat ferner in ihrem vorläufigen mündlich erstatteten Gutachten darauf hingewiesen, dass sie keine andere Möglichkeit mehr sieht, als hier nunmehr einzuschreiten und das Kind einem neutralem Umfeld zuzuführen. Dies soll jedenfalls für die Zeit der Ferien gelten. Die Sachverständige hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies keine vollständige Ablösung vom Elternhaus bedeuten solle. Insbesondere sollen auch Umgangskontakte des Kindes mit beiden Elternteilen währende einer solchen Maßnahme möglich bleiben. Sie sieht jedoch die dringende Notwendigkeit, M zumindest für eine vorübergehende Zeit aus dem Umfeld mit dem Vater herauszunehmen, um die notwendige Diagnostik durchführen zu können.

Das Gericht schließt sich angesichts des Ablaufs des Verfahrens, des Eindrucks, der von den Eltern und dem Kind in verschiedenen Anhörungen gewonnen werden konnte sowie auch im Hinblick auf die besondere Sachkunde dieser Sachverständigen dieser Einschätzung ausdrücklich nach eigener Überprüfung an.

Mildere Maßnahmen sind derzeit angesichts der Verfahrenssituation nicht mehr möglich.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 81 FamFG.

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