AG Essen, Beschluss vom 21.01.2011 - 102 F 310/10
Fundstelle
openJur 2021, 25350
  • Rkr:
Tenor

Die elterliche Sorge für die Kinder NC, geboren am ****, und BC, geboren am ..., wird dem Kindesvater und der Kindesmutter gemeinsam übertragen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, außergerichtlich entstandene Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kindeseltern lebten bis zu ihrer Trennung im Dezember 2008 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. Der Kindesvater erkannte die Vaterschaft für die beiden gemeinsamen Söhne N und B an. Eine gemeinsame Sorgerechtserklärung gaben die Kindeseltern nicht ab; die Gründe hierfür sind streitig.

Der Kindesvater trägt vor, er habe sich seit der Geburt der Kinder intensiv um diese gekümmert und sei weiterhin sehr an den Belangen der Kinder interessiert. Er habe auch regelmäßig Umgang mit beiden Kindern. Er wolle nicht den Aufenthalt der Kinder im Haushalt der Mutter streitig machen, sondern an den wichtigen Entscheidungen, die für beide Kinder zu treffen sind, beteiligt werden.

Er beantragt,

ihm das gemeinsame Sorgerecht für die Söhne NC, geboren ****, und BC, geboren am ..., einzuräumen.

Die Kindesmutter beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Einräumung des gemeinsamen Sorgerechts entspräche nicht dem Wohl der Kinder, da hierdurch eine erhebliche Unruhe in deren Leben komme. Zwischen den Eltern gebe es diverse Konflikte, gemeinsame Entscheidungen zum Wohle der Kinder seien nicht möglich.

Das Jugendamt der Stadt Essen hat berichtet. Auf den Bericht vom 03.12.2010, Bl. 21 d. A., und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2011 wird Bezug genommen. Die Eltern sind persönlich angehört worden. Das Gericht hat sich im Rahmen der Kindesanhörung vom 19.01.2011 einen persönlichen Eindruck von beiden Kindern gemacht.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet. Dem Kindesvater ist gemäß § 1626 a BGB i. V. m. dem Beschluß des BVerfG vom 21.07.2010, Az. 1 BvR 420/09, zusammen mit der Kindesmutter das gemeinsame Sorgerecht zu übertragen, da zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Zwar sieht § 1626 a BGB eine gemeinsame Sorgerechtsausübung durch unverheiratete Eltern nur unter der Voraussetzung vor, dass beide Eltern dies übereinstimmend erklären, die Kindesmutter also hiermit einverstanden ist. Diese gesetzliche Regelung ist aber laut o.a. Beschluß des BVerfG vom 21.07.2010 mit Artikel 6 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Das BVerfG hat deshalb vorgegeben, dass die Familiengerichte bis zu einer Neuregelung des § 1626 a BGB diesen mit der Maßgabe anzuwenden haben, dass den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge gemeinsam zu übertragen ist, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Grundsätzlich setzt die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts auf beide Elternteile voraus, dass beide Eltern bereit und in der Lage sind, Verantwortung für das Kind zu tragen. Das ist hier der Fall. Die Kindesmutter betreut und versorgt beide Söhne und möchte auch weiterhin die Verantwortung für die Kinder alleine übernehmen und alleine Entscheidungen treffen. Der Kindesvater hat sich bis zum Dezember 2008 während des Zusammenlebens der Beteiligten ebenfalls um die Kinder gekümmert und diese betreut. Er hat deutlich gemacht, dass er auch nach der Trennung ein großes Interesse an der Entwicklung seiner Kinder hat und dass er rechtlich Verantwortung für diese übernehmen möchte.

Nach Anhörung beider Eltern ist das Gericht davon überzeugt, dass beide Eltern gleichermaßen geeignet und in der Lage sind, die elterliche Sorge auszuüben. Die Ausübung des Sorgerechts ist grundsätzlich ein durch Art. 6 Abs. 2 GG geschütztes Grundrecht eines jeden Elternteils. Ein Eingriff in dieses Elternrecht und eine Versagung des gemeinsamen Sorgerechts wäre nur dann verhältnismäßig, wenn dieses dem Kindeswohl nicht dient, das Wohl des Kindes also unter der gemeinsamen Sorgerechtsausübung leiden würde. Das ist hier nicht der Fall.

Zwar ist es nach den Darlegungen aller Beteiligten so, dass das Verhältnis der Kindeseltern derzeit konfliktbeladen ist. Es gibt aufgrund der diversen, im Zusammenhang mit der Trennung zu regelnden Angelegenheiten viele verschiedene Konfliktpunkte, die die Kindeseltern mit den Belangen, die für ihre Kinder zu regeln sind, vermischen. Konflikte zwischen Eltern, die im Regelfall bei einer Trennung auftreten, führen aber grundsätzlich nicht dazu, dass das Sorgerecht nur einem Elternteil zu übertragen wäre. Vielmehr muß von Eltern erwartet werden, dass sie in Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die gemeinsamen Kinder alles unternehmen, um ihr Verhältnis zueinander als Eltern zu verbessern (Beschluss des OLG Hamm vom 05.04.2005, Az. 2 UF 569/04). Bislang haben die Kindeseltern keine ausreichenden Bemühungen unternommen, um ihr Verhältnis zueinander zu verbessern. Sie haben bisher nur einmal das Beratungsangebot des Jugendamtes, das ihnen weiterhin zur Verfügung steht, angenommen und sich auf eine Umgangsregelung bis Ende Januar 2011 einigen können. Gerade durch die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts auf beide Eltern sind diese in Zukunft gehalten, an ihrem Verhältnis als Eltern zu arbeiten und ihre Kommunikationsfähigkeit zum Wohle ihrer Söhne, beispielsweise durch Inanspruchnahme einer Erziehungsberatungsstelle, zu verbessern. Ein derart schwerwiegendes Zerwürfnis der Eltern, das begründete Zweifel daran wecken würde, dass den Eltern auf Dauer eine normale Kommunikation grundsätzlich möglich ist, besteht jedenfalls nicht. Daher ist aus heutiger Sicht zu erwarten, dass gerade die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts dem Wohl der Kinder entspricht.

Auch der persönliche Eindruck, den sich das Gericht von beiden Kindern gemacht hat, steht der Entscheidung nicht entgegen. Die Kinder wurden angesichts ihres Alters nicht direkt zur Sache befragt. Aus dem, was beide Kinder erzählten, ergaben sich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht zu beiden Elternteilen eine Bindung hätten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Soweit sich die Beschwerde nur gegen die Kostenentscheidung richtet, ist diese nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Essen eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

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