VG Freiburg, Urteil vom 04.08.2021 - 6 K 1615/20
Fundstelle
openJur 2021, 25051
  • Rkr:

Zum Anspruch eines Grundstückseigentümers auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 StVO, in einer Einbahnstraße, die in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben ist, vor seiner Grundstückszufahrt zu parken (hier verneint)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung.

Der Kläger ist Eigentümer des Anwesens B. Straße 20 in K., wo er auch wohnt. Die B. Straße ist im Abschnitt zwischen ihren Kreuzungspunkten mit der S. Straße im Westen und der A.-N.-Straße im Osten eine in West-Ost-Richtung ausgewiesene Einbahnstraße in einer Tempo-30-Zone, die seit 1999 in Gegenrichtung für den Radverkehr freigegeben ist. Auf der südöstlichen Straßenseite, auf der sich das Anwesen des Klägers befindet, ist das Parken mit Parkmarkierungen und dem Verkehrszeichen 315-55 geregelt, wonach das halbseitige Parken auf dem Gehweg gestattet ist. Entlang der gegenüberliegenden Straßenseite ist das Parken innerhalb der Markierungen auf der Fahrbahn erlaubt; die lichte Breite dazwischen beträgt 3,2 bis 3,3 m. Entlang der Südostseite des Einbahnabschnitts der B. Straße sind die Parkmarkierungen vor den Anwesen Nr. 20 (Kläger) und Nr. 18 auf einer Länge von ca. 6 m unterbrochen; auf der gegenüberliegenden, nordwestlichen Straßenseite befindet sich nur vor der Zufahrt des Anwesens B. Straße 19 eine durch Zeichen 299 ("Zickzacklinie") angeordnete Grenzmarkierung für Parkverbote.

Im Verlauf des Kalenderjahres 2018 wurde das zuvor jahrelang unbeanstandete Abstellen des Kraftfahrzeugs des Klägers vor seinem Grundstück wiederholt mit Verwarnungsgeldern beanstandet, die der Kläger "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" stets beglich. Am 08.11.2018 beantragte er schließlich zwecks rechtlicher Klärung für sich und andere Besucher seines Anwesens die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Parken vor der Grundstücksausfahrt des Anwesens in der B. Straße 20. Er wies darauf hin, dass das Verbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, vor Grundstücksein- und -ausfahrten zu parken, nach der OLG-Rechtsprechung in Ordnungswidrigkeits-Sachen dazu diene, dass der Eigentümer ungehindert auf sein Eigentum fahren und dieses betreten könne. Eine Beeinträchtigung des Eigentums könne aber nicht vorliegen, wenn der Eigentümer - wie in seinem Fall - selbst vor seiner Ein- und Ausfahrt parke, sodass die Ausnahmegenehmigung zu erteilen sei.

Mit Bescheid vom 05.04.2019 lehnte die Beklagte den Antrag ab und setzte eine Verwaltungsgebühr i.H.v. 120,-- EUR fest. Hiergegen erhob der Kläger am 07.05.2019 Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2020, zugestellt am 16.04.2020, wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch zurück und setzte eine Gebühr i.H.v. 25,60 EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Straßenverkehrsbehörde sei bei der Entscheidung über die Ausnahme in § 46 Abs. 1 StVO Ermessen eingeräumt. Der Schutzzweck des §§ 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO stehe einem Parken des Grundstückseigentümers vor der eigenen Zufahrt grundsätzlich nicht entgegen. Demgegenüber stünden jedoch Belange der Verkehrssicherheit und -ordnung, vorliegend in Gestalt der Ausweichmöglichkeiten für entgegenkommenden Radverkehr. Wie die VwV-StVO zu § 46 näher ausführe, dürfe die Sicherheit des Verkehrs durch eine Ausnahmegenehmigung nicht beeinträchtigt werden. Wegen Geeignetheit und Erforderlichkeit von Ausweichflächen für den Radweg in Gegenrichtung von Einbahnstraßen sei auf die "Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen" (RASt) zu verweisen, die bei Fahrbahnbreiten unter 3,5 m ausreichend Ausweichmöglichkeiten fordere. In der B. Straße betrage die Fahrbahnbreite nach Abzug der Parkmarkierungen lediglich 3,3 m. Die bestehenden Lücken zwischen den Markierungen dienten folglich nicht nur dem ungehinderten Zugang der Grundstückseigentümer, sondern auch als Ausweichflächen für die Begegnung mit dem Radverkehr. Andere geeignete Maßnahmen seien nicht ersichtlich. Eine Ausnahmegenehmigung, die das Parken vor den Grundstückszufahrten erlaube, trage zur Verschärfung der Verkehrssituation bei und beeinträchtige die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Eine Ausnahme abzulehnen, sei schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Es bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Parken unmittelbar vor dem eigenen Grundstück, als Teil des öffentlichen Verkehrsraums könnten diese Flächen jederzeit von verkehrsrechtlichen Anordnungen betroffen sein. Insoweit bestehe auch kein Gewohnheitsrecht. Der Kläger habe die Möglichkeit, Fahrzeuge auf dem eigenen Grundstück abzustellen. Ferner bestehe nach Auskunft der Beklagten in der B. Straße kein Stellplatzdefizit und wenig Parkdruck von außerhalb. Die Rechtmäßigkeit der Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung für den Radverkehr könne offenbleiben, da sie nicht Gegenstand der beantragten Ausnahmegenehmigung sei und ein Widerspruch gegen diese Anordnung im Übrigen unzulässig, weil verfristet wäre. Jedenfalls aber reiche der vorhandene Straßenquerschnitt gemäß RASt aus, um Radverkehr in Gegenrichtung zu ermöglichen. Nach Auskunft der Beklagten sei in der B. Straße in den letzten drei Jahren kein Unfall mit Rad und/oder Kfz polizeilich registriert worden. Im Sinne einer verhältnismäßigen Regelung könne möglichst viel Parkraum dadurch erhalten werden, dass zumindest die bestehenden Ausweichmöglichkeiten vor den Grundstückszufahrten beibehalten würden. Die Freigabe für den Radverkehr stehe vor dem Hintergrund eines geringen Parkdrucks und den grundsätzlichen Vorzügen einer solchen Freigabe für die Leichtigkeit des Verkehrs nicht in Frage. Umwegfahrten, auch relativ kleine, seien beim Radverkehr allgemein kritisch zu beurteilen. Insbesondere im Radanliegerverkehr würden Umwege durch die Freigabe vermieden, ferner aber auch unzulässiges Gehwegfahren. Überdies werde der Kfz-Verkehr durch die bestehende Beschilderung im Sinne der Verkehrssicherheit auf den entgegenkommenden Radverkehr aufmerksam gemacht. Bei Aufhebung einer Freigabe für den Radverkehr würde voraussichtlich unerlaubter Radverkehr in Gegenrichtung auftreten, der dem Kfz-Verkehr dann gerade nicht durch eine Beschilderung angezeigt werde.

Der Kläger hat am 11.05.2020 Klage erhoben und trägt in Wiederholung und Ergänzung seiner Widerspruchsbegründung vor: Nach Anlage der Straße und Parkregelung sowie Ausweisung als Einbahnstraße hätte die weitere Prüfung, ob Fahrradverkehr in Gegenrichtung zugelassen werden könne, neben den baulichen Gegebenheiten (Fahrbahnbreite) zeitlich bereits früher bestehende Schutzrechte der Anlieger, Grundstücke zu erreichen und unmittelbar vor der Einfahrt parken zu dürfen, berücksichtigen müssen. Diese Abwägung sei hier nicht ermessensfehlerfrei erfolgt, da sonst den Anliegern sogleich Ausnahmegenehmigungen hätten erteilt werden müssen, nicht erst auf Antrag. Deren Rechtsposition habe bereits mit Anlage der Straße und damit vor Ausweisung als Einbahnstraße und Zulassung eines Radgegenverkehrs bestanden. Ohnehin sei hier das Parken der Anlieger in der Grundstückszufahrt über einen Zeitraum von 20 Jahren toleriert worden, was auch gewohnheitsrechtlich von Bedeutung sein müsse. Jedenfalls aktuell sei es bedenklich, die Straße weiterhin für den Radverkehr in Gegenrichtung der Einbahnstraße zuzulassen, da die beengten räumlichen Verhältnisse wegen häufigen vorschriftswidrigen bzw. rücksichtslosen Verhaltens von Kfz-Fahrern dies nicht (mehr) zuließen. Selbst wenn die damalige verkehrsrechtliche Anordnung von ihm hätte angefochten werden müssen, sei zu beachten, dass auf sich ändernde tatsächliche Verhältnisse reagiert und die Freigabe der B. Straße für den Fahrradverkehr in Gegenrichtung nunmehr rückgängig gemacht werden müsse, und zwar wegen des Schutzes von Leib und Leben der Radfahrer. Überdies bestehe auch eine fehlende Notwendigkeit, in diesem nur kurzen Teilstück eine Durchfahrtmöglichkeit für Radfahrer zu schaffen. Die Hauptachsen für Radfahrer seien die jeweils angrenzenden Hauptverkehrsstraßen (M. Straße, A. Straße). Dem Quell- und Zielverkehr im Quartier der B. Straße könne wegen überwiegender Sicherheitsinteressen in der hinteren B. Straße mit einer Länge von lediglich rund 100 m ein kurzes Schieben des Fahrrads bis zum Erreichen des gewünschten Grundstücks zugemutet werden. Alternativen über M. Straße, S. Straße, F.-H.-Straße und S.-G.-Platz stünden zur Verfügung. Die beiden Einfahrten der Anwesen B. Straße 18 und 20 spielten vor diesem Hintergrund für eine Entschärfung der Situation keine Rolle, zumal sie noch dazu auf der falschen Seite für den im Gegenverkehr fahrenden Radfahrer lägen. Ohnehin sei es lebensfremd, dass Pkw die beiden nur knapp 6 m langen Lücken tatsächlich zum Ausweichen nutzten. Ausweichräume müsste es im Begegnungsverkehr vielmehr für Radfahrer in Gegenrichtung geben, die gerade aber nicht existierten, denn bereits ab dem Anwesen B. Straße 19 seien keine Grundstückszufahrten mehr vorhanden. Die Darstellung der Beklagten, es gebe in der B. Straße kein Stellplatzdefizit und wenig Parkdruck, sei nicht nachvollziehbar. Das Gegenteil sei der Fall, was auch der Umstand zeige, dass der Kläger sich vielfach gehalten sehe, unmittelbar vor seiner Einfahrt zu parken. Der in der unmittelbaren Nachbarschaft (F.-H.-Straße) zweimal wöchentlich abgehaltene Wochenmarkt sorge ebenfalls für ein erhebliches zusätzliches Stellplatzdefizit. Dass in den letzten drei Jahren kein Unfall mit Radbeteiligung in der B. Straße registriert worden sei, könne auch daran liegen, dass Radfahrer zum Schutz von Leib und Leben die Gegenrichtung nicht benutzten. Diverse Planungen der Beklagten im Hinblick auf zentrale Radwege zeigten, dass der Schwerpunkt alles andere als auf der B. Straße liege. Ein Radanliegerverkehr müsse bei Wegfall der Öffnung nur geringfügige Umwege in Kauf nehmen, was mit Blick auf die eigene Sicherheit zumutbar sei.

Der Kläger beantragt,

die straßenverkehrsrechtliche Entscheidung der Stadt K. vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 09.04.2020, mitsamt allen Kostenbescheiden, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für sich selbst als Zufahrtsberechtigten und für diejenigen, denen er das Parken dort gestattet, eine Ausnahmegenehmigung zum Abstellen von Fahrzeugen vor der Grundstückszufahrt des Anwesens B. Straße 20 in K. zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht sich die Erwägungen des Widerspruchsbescheids zu eigen und weist ergänzend darauf hin, die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hätte eine unabsehbare Präzedenzwirkung für andere Grundstückseigentümer entlang der B. Straße mit der Folge des Wegfalls aller Freiflächen bzw. Ausweichmöglichkeiten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (ein Heft der Beklagten, ein Heft Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg) verwiesen. Die Beteiligten haben sich mit einer Verhandlung und Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Dieser hat den betroffenen Abschnitt der B. Straße in Augenschein genommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift nebst Anlage verwiesen.

Gründe

I.

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bzw. eine erneute Bescheidung. Die Ablehnung ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.

1.) Die sachliche Berechtigung des klägerischen Begehrens beurteilt sich nach § 46 Ab. 1 Satz 1 StVO. Die Straßenverkehrsbehörden können danach in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den in Nrn. 1 bis 12 abschließend bestimmten Benutzungsvorschriften, Verboten und Beschränkungen genehmigen. Diese Ermächtigung soll es ermöglichen, besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten. Die Feststellung, ob ein besonderer Ausnahmefall vorliegt, setzt den gewichtenden Vergleich der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall voraus, der dem generellen Verbot zugrunde liegt. Das Merkmal der Ausnahmesituation definiert den Ermessenszweck und ist damit nicht als eigenständiges Tatbestandsmerkmal verselbständigt worden, sondern Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung (BVerwG, Urteil vom 13.03.1997 - 3 C 2.97 - juris Rn. 27; Urteil vom 04.07.2019 - 3 C 24.17 - juris Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.08.2017 - 10 S 30/16 - juris Rn. 23; MüKoStVR/Sauthoff, 1. Aufl. 2016, StVO § 46 Rn. 11; Wolf in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 46 StVO [Stand: 04.01.2021], Rn. 8). Maßgeblich für die Ermessenserwägungen sind die gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG dargelegten Gründe im Widerspruchsbescheid vom 09.04.2020, welcher der Ablehnungsentscheidung entsprechend § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Gestalt gibt (vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit auf Verpflichtungsklagen: BVerwG, Urteil vom 20.11.2018 - 1 C 23.17 - juris Rn. 14). Die gerichtliche Überprüfung erfolgt damit (nur) am Maßstab des § 114 VwGO. Ermessensfehler liegen nicht vor. Ob der Kläger eine Ausnahmeerteilung nicht nur für sich, sondern auch für andere Personen beanspruchen könnte (zur möglichen Problematik vgl. BVerwG, Urteil vom 22.12.1993 - 11 C 45.92 - juris Rn. 34 [unbestimmter, wenngleich im Augenblick der Benutzung bestimmbarer Personenkreis]; (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2004 - 5 S 682/03 - juris Rn. 51 ["grundstücksbezogene" Ausnahme]) kann folglich dahinstehen.

a.) Das Verbot, von welchem der Kläger einer Ausnahme bedarf, ergibt sich allerdings nicht aus § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO. Danach ist Parken unzulässig vor Grundstücksein- und -ausfahrten. Der Kläger ist personell nicht Adressat dieses Verbots. Der Sinn und Zweck des durch § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unmittelbar normativ angeordneten Parkverbots liegt darin sicherzustellen, dass die Berechtigten, also der Grundstückseigentümer und sonstige Anlieger (etwa Mieter oder Kunden bei Gewerbebetrieben), die Grundstückszufahrt in zumutbarer Weise bestimmungsgemäß nutzen können (BVerwG, Urteil vom 24.01.2019 - 3 C 7.17 - juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.04.2002 - 5 S 108/02 - juris Rn. 20; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 26. Aufl. 2020, StVO § 12 Rn. 45; MüKoStVR/Schubert, 1. Aufl. 2016, StVO § 12 Rn. 36/37; vgl. ferner die Rechtsprechung zum Ordnungswidrigkeitsrecht: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26.02.2020 - 1 OWi 2 Ss Rs 101/19 - juris Rn. 8/9; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.01.1994 - 5 Ss (OWi) 393/93 - (OWi) 169/93 I -, NZV 1994, 162; Bayerisches OLG, Beschluss vom 26.02.1992 - 2 Ob OWi 403/91 - juris Rn. 12). Sollen damit aber der Anlieger und seine Besucher vor Behinderung und Belästigung beim Ein- und Ausfahren geschützt werden, so dürfen diese in der Zufahrt parken.

Ein Parkverbot folgt ferner nicht aus der Einrichtung einer Einbahnstraße, da diese erfolgt ist, um zu Lasten der Fahrbahn Flächen für zusätzlichen Parkraum - hier: auf der gegenüberliegenden, nordwestlichen Seite der B. Straße - zu schaffen. Auch die verkehrsrechtlichen Anordnungen Nr. 4/89 vom 10.02.1989 (vgl. dort § 2: Parken auf der Südostseite wurde unter Einbeziehung eines Teils des Gehwegs zugelassen) und Nr. 26/95 vom 22.08.1995 (Einrichtung einer Zonengeschwindigkeit auf 30 km/h) schließlich statuieren kein Parkverbot vor der Grundstückszufahrt des Klägers.

b.) Das dem Kläger entgegenzuhaltende Parkverbot ergibt sich indessen aus der verkehrsrechtlichen Anordnung Nr. 19/99 vom 17.06.1999 mit welcher die B. Straße im Teilstück zwischen S. Straße und A.-N.-Straße für den Radverkehr in Gegenrichtung geöffnet wurde. Rechtsgrundlage für diese Anordnung waren § 45 Abs. 1 i.V.m. mit § 41 Abs. 2 StVO in der seit 01.09.1997 geltenden Fassung der 24. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (vom 07.08.1997, BGBl I, Seite 2028). Danach konnte, wenn in einer Einbahnstraße mit geringer Verkehrsbelastung die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen auf 30 km/h oder weniger begrenzt ist, versuchsweise bis zum 31.12.2000 Fahrradverkehr in der Gegenrichtung zugelassen werden. Eine weitere Voraussetzung war gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO, vom 22.10.1998, BAnz. Nr. 246 b, ber. 1999 S. 947 - vgl. dort Zu § 41 Vorschriftzeichen, IV. zu Zeichen 220 Einbahnstraße), dass für den Fahrverkehr auf der Fahrbahn eine Breite von in der Regel 3,5 m, mindestens jedoch 3 m mit ausreichenden Ausweichmöglichkeiten, vorhanden ist. Ab diesem Zeitpunkt war damit der nicht von Parkmarkierungen erfasste Bereich vor der Grundstückszufahrt des Klägers als Ausweichraum freizuhalten. Eine Überlagerung durch § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO erfolgte ab da nicht mehr, da dessen Regelungsbereich nunmehr gemäß § 45 Abs. 1 StVO eingeschränkt worden war. Die 1997 eingeführte versuchsweise Befristung entfiel aufgrund der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (vom 11.12.2000, BGBl I Seite 1690), so dass die Öffnung für den Radverkehr mit dem Erfordernis ausreichender Ausweichmöglichkeiten seither unbefristet fortgilt.

c.) Eine Ausnahmeerteilung für den Kläger bestimmt sich somit nicht nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, sondern gemäß Nr. 11 StVO (Ausnahme von Verboten oder Beschränkungen, die durch Vorschriftzeichen erlassen sind). Dass der Widerspruchsbescheid, ausgehend von einem Verbot gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, nicht diese Vorschrift heranzieht, ist unschädlich. Denn die Ermessenserwägungen der Widerspruchsbehörde sind auch bei der richtigen Rechtsanwendung vollständig und wesensgleich. Ausweislich der Begründung hat sie ihren Ermessensspielraum erkannt und eine umfassende Abwägung zwischen den privaten und öffentlichen Interessen vorgenommen, wobei sie den Belangen des öffentlichen Verkehrsraums in Gestalt des Erhalts von Ausweichmöglichkeiten bei in der Einbahnstraße entgegenkommendem Radverkehr den Vorrang eingeräumt hat. Sie hat sich hierbei an Ziffer II der VwV-StVO zu § 46 StVO orientiert, wonach die Sicherheit des Verkehrs durch eine Ausnahmegenehmigung nicht beeinträchtigt werden darf. Dies ist sachgerecht, denn das Ermessen wird durch die aufgrund von Art. 84 Abs. 2 GG erlassene VwV-StVO gelenkt und, soweit der konkret zu entscheidende Sachverhalt von diesen erfasst wird, gebunden (VG Freiburg, Urteil vom 04.03.2020 - 4 K 1539/19 juris Rn. 19; zur Konkretisierung des Tatbestands des § 46 Abs. 1 StVO durch die VwV-StVO vgl. ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.1991 - 5 S 1791/90 - juris Rn. 17).

Der Widerspruchsbescheid hat das Interesse des Klägers, vor der eigenen Grundstückszufahrt zu parken, erkannt, im Rahmen einer Abwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber dem öffentlichen Belang der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs den Vorzug gegeben und eine Ausnahmesituation verneint. Das ist nicht zu beanstanden. Die Feststellung der Widerspruchsbehörde, ein Wegfall von Ausweichmöglichkeiten werde - entgegen der Auffassung des Klägers - zur Verschärfung der Situation führen, ist sachgerecht und zutreffend. Denn die im betroffenen, ca. 125 m langen Teilstück der B. Straße für den Fahrverkehr vorhandene Fahrbahnbreite beträgt mit max. 3,30 m weniger als 3,50 m. Wie bereits oben im Zusammenhang mit den rechtlichen Grundlagen der verkehrsrechtlichen Anordnung Nr. 19/99 vom 17.06.1999 dargelegt, bedurfte die Freigabe der Einbahnstraße für den Radverkehr in Gegenrichtung auf der Grundlage der VwV-StVO 1998 angesichts einer Breite unter 3,5 m ausreichender Ausweichmöglichkeiten. Den Bereich vor der Grundstückszufahrt des Klägers (vgl. Bilder 5 bis 7 und 9 der Anlage zum Sitzungsprotokoll) zum Parken freizugeben, würde einen Wegfall dieser Ausweichmöglichkeit bedeuten. Dass diese Ausweichmöglichkeit für den in Gegenrichtung fahrenden Radverkehr auf der linken Seite liegt, steht ihrer Eignung nicht entgegen. Denn die VwV-StVO 1998 und auch die vom Widerspruchsbescheid herangezogene "Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen" (Ausgabe 2006, Stand Dezember 2008 - RASt) fordern ausreichende Ausweichmöglichkeiten für den "Fahrverkehr" (also: Pkw und Rad), so dass die Fläche vor der Zufahrt des Klägers gerade auch vom Pkw-Verkehr genutzt werden kann und soll. Die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Arbeitsgruppe "Straßenentwurf" aufgestellten RASt können, auch wenn es sich dabei nicht um verbindliche Rechtsnormen handelt, als sachverständig entwickelter, sachgerechter Orientierungsmaßstab für den Raumbedarf und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs herangezogen werden (Bayerischer VGH, Beschluss vom 29.01.2021 - 11 ZB 20.1020 - juris Rn. 22). Entgegen der Ansicht des Klägers kann auch nicht die Rede davon sein, das Ausweichen mit einem Pkw sei wegen kompliziertem Rangieren unzumutbar bzw. vernünftigerweise nicht zu erwarten; Bilder 5 und 7 der Anlage zum Sitzungsprotokoll verdeutlichen vielmehr gut die genügende Fläche, in die ein Pkw im Zuge eines Begegnungsverkehrs vorübergehend "einscheren" kann.

Dass die VwV-StVO in der aktuell geltenden Fassung (vom 26.01.2001 [BAnz. S. 1419, ber. S. 5206], zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 22.05.2017 [BAnz AT 29.05.2017 B8]) mittlerweile dahin gefasst ist, dass Radverkehr in Gegenrichtung einer Einbahnstraße zugelassen werden könne, wenn eine "ausreichende Begegnungsbreite vorhanden" ist (vgl. Zu § 41 Vorschriftzeichen, dort: IV 1a zu Zeichen 220), macht das Festhalten des Widerspruchsbescheids an einer ausreichenden Ausweichmöglichkeit nicht ermessensfehlerhaft. Der aktuellen VwV-StVO lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass bei der Feststellung einer ausreichenden Begegnungsbreite nunmehr auf Ausweichmöglichkeiten zu verzichten wäre bzw. dass eine Beibehaltung bei in der Vergangenheit erfolgten Anordnungen nicht mehr zulässig oder möglich wäre.

Rechtlich zutreffend hat die Widerspruchsbehörde auch einen Anspruch des Klägers, vor der eigenen Grundstückszufahrt zu parken, verneint. Vom straßenrechtlichen Anliegerrecht nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wird dieses Interesse nicht geschützt. Soweit es um das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Straße und angrenzenden Grundstücken geht, hat allein der Gesetzgeber in Erfüllung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrages Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Die Bedürfnisse der Anlieger sind nur in ihrem Kern in Gestalt einer Zufahrt zum Grundstück mit einem Fahrzeug geschützt, soweit es die angemessene Nutzung des Grundeigentums unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten in dem Sinne erfordert, dass der Anlieger auf die Zufahrt angewiesen ist. Dies ist der Fall, wenn sich etwa auf dem Grundstück - wie hier - eine genehmigte Garage befindet (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.2016 - 5 S 531/13 - juris Rn. 27). Der Kläger hat beim Augenschein zwar glaubhaft darauf hingewiesen, dass er seinen Pkw regelmäßig rückwärts auf seinem Grundstück abstelle (vgl. Bild 5 der Anlage zum Sitzungsprotokoll), da andernfalls ein Rückwärtsherausfahren aus der Ausfahrt wegen der beengten Verhältnisse und schwieriger Sicht (vgl. Bilder 2, 4 und 7 der Anlage zum Sitzungsprotokoll) zu gefährlich wäre. Dieser der Widerspruchsbehörde wohl nicht bekannte, jedenfalls aber von ihr nicht abgehandelte Umstand beeinflusst die Ermessensentscheidung gleichwohl nicht. Der Anlieger hat keinen Anspruch darauf, vor Zufahrtserschwernissen bewahrt zu bleiben, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer etwaigen situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die sein Grundstück hineingestellt ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.2002 - 5 S 1121/00 - juris Rn. 25).

Gewohnheitsrechtlich kann sich schließlich, anders als der Kläger meint, ein Anspruch nicht herausgebildet haben; dem steht die bestandskräftige verkehrsrechtliche Anordnung aus dem Jahr 1999 entgegen. Das weitere Vorbringen, während etwa 20 Jahren (zwischen 1999 und 2018) hier unbeanstandet geparkt zu haben, führt auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Rechtsgedanke des § 242 BGB) nicht weiter. Sollte tatsächlich während des gesamten Zeitraumes eine Beanstandung nicht erfolgt sein, so fehlte angesichts eines offensichtlich bloßen Vollzugsdefizits gleichwohl ein zu diesem Zeitmoment hinzutretendes relevantes Umstandsmoment. Im schlichten Parken vor der eigenen Einfahrt kann schließlich auch keine nachhaltige Vertrauensbetätigung erblickt werden.

Die Widerspruchsbehörde hat die öffentlichen Belange mit den Interessen des Klägers unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgewogen, ohne dass Rechtsfehler zu erkennen sind. Zutreffend und unstreitig ist, dass der Kläger auf seinem Grundstück Abstellmöglichkeiten für Pkw besitzt, mithin nicht zwingend auf eine Parkmöglichkeit vor der Zufahrt angewiesen ist. Dass es in der B. Straße kein Stellplatzdefizit und nur geringen Parkdruck gebe - so die Bezugnahme des Widerspruchsbescheids auf eine Auskunft der Beklagten - erscheint dem Gericht angesichts der beim Augenschein vorgefundenen Situation (vgl. Bilder 1 bis 4 und 11 bis 13 der Anlage zum Sitzungsprotokoll) und der glaubhaften Angaben des Klägers zwar fraglich. Selbst wenn die Widerspruchsbehörde insoweit von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sein sollte, kann dies jedoch gleichwohl keinen Ermessensfehler begründen. Denn ein Stellplatzdefizit mit Parkdruck führt, auch hierzu haben der Augenschein und der an diesem Tag in unmittelbarer Nähe stattfindende Markt einen Eindruck vermittelt, zu einer eher höheren Frequentierung der B. Straße mit Pkw-Parksuchverkehr (vgl. Bilder 8 bis 12 der Anlage zum Sitzungsprotokoll), so dass ausreichende Ausweichmöglichkeiten für einen Begegnungsverkehr mit in Gegenrichtung fahrenden Rädern erst recht von Bedeutung sein können (vgl. Bild 10 der Anlage zum Sitzungsprotokoll).

Zutreffend hat die Widerspruchsbehörde schließlich den Einwand des Klägers abgehandelt, die 1999 erfolgte Freigabe der Einbahnstraße in Gegenrichtung für den Radverkehr könne keinen Bestand mehr haben und sei aktuell aufzuheben. Rechtlich nicht zu beanstanden ist dabei zunächst die Feststellung, die Anordnung 1999 sei dem Kläger gegenüber bestandskräftig geworden und könne folglich nicht mehr mit Erfolg angefochten werden. Sachgerecht und zutreffend ist es ferner gewesen, wenn die Widerspruchsbehörde (gewissermaßen hilfsweise) darauf abgehoben hat, dass auch aktuell nichts dafür ersichtlich ist, die entsprechende Freigabe der B. Straße müsse rückgängig gemacht werden. Neben der hinreichenden Fahrbahnbreite und den vorhandenen Ausweichmöglichkeiten hat die Widerspruchsbehörde hier vor allem auf den Umstand abgehoben, dass gemäß polizeilicher Auskunft in der B. Straße in den letzten drei Jahren kein Unfall mit Rad und/oder Kfz polizeilich registriert worden sei. Anhaltspunkte dafür, die Verkehrssituation sei hier wegen der (verglichen mit dem westlichen Teilabschnitt der B. Straße) geringeren Fahrbahnbreite derart unerträglich (aufgrund gehäuften verkehrswidrigen Verhaltens von Pkw-Fahrern, Blockade der Ausweichstellen durch Lieferverkehr, Müllabfuhr usw.) gibt es damit nicht. Ohnehin wäre überaus fraglich gewesen, ob selbst für einen solchen Fall die Freigabe der Straße für Radverkehr in Gegenrichtung "überdacht" werden müsste, oder ob nicht vielmehr Maßnahmen gegen verkehrsordnungswidriges Verhalten zu ergreifen wären.

Die Feststellung der Widerspruchsbehörde zur Unfallträchtigkeit deckt sich mit den seit etwa Mitte der 1990er-Jahre im Bereich der Verkehrsunfallforschung vorhandenen Ergebnissen zur Ungefährlichkeit des Radfahrens in Einbahnstraßen gegen die Einbahnrichtung. Seit dieser Zeit sind in vielen Städten verstärkt und flächendeckend Einbahnstraßen für den Fahrradverkehr in Gegenrichtung geöffnet worden, ohne dass nennenswerten Unfälle bekanntgeworden wären. Nach den Ergebnissen der Unfallforschung ist es für Radfahrer sogar sicherer, gegen die Einbahnstraße zu fahren als in Einbahnrichtung (Kettler, NZV 2000, 273 [279 ff.]).

Besondere Anhaltspunkte für eine wie vom Kläger behauptete Rücksichtslosigkeit und Regelwidrigkeit des Pkw-Verkehrs mit konkreter Gefährdung von Radfahrern in der B. Straße gibt es vor diesem Hintergrund nicht und mussten folglich von der Widerspruchsbehörde nicht weiter behandelt oder aufgeklärt werden (vgl. zu einer Begegnungssituation Bild 10 der Anlage zum Sitzungsprotokoll). Das Gericht hat ergänzend hierzu in der mündlichen Verhandlung auf weitere Erfahrungen mit der Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr hingewiesen (vgl. die weitere Anlage zum Sitzungsprotokoll), die im streitigen Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zugrunde gelegt werden können. Nach Abschluss einer Versuchsphase in Tempo 30-Zonen im Dezember 2000 ergaben sich als Ergebnis einer Forschungsarbeit (Alrutz, D., Angenendt, W. et al.: Verkehrssicherheit in Einbahnstraßen mit gegengerichtetem Radverkehr; Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft V83; Bergisch Gladbach 2001) u.a. folgende Erkenntnisse zur Verkehrssicherheit und zum Verhalten: In geöffneten Einbahnstraßen fahren im Mittel etwa 40 - 45 % der Radfahrer in der Gegenrichtung. In nicht geöffneten Einbahnstraßen ist dieser Anteil nur unwesentlich geringer; allerdings benutzen dann erheblich mehr Radfahrer in der Gegenrichtung die Gehwege (60 % gegenüber etwa 20 % in geöffneten Einbahnstraßen). Durch eine Öffnung der Einbahnstraßen kann es zu Verlagerungen des Radverkehrs von Hauptverkehrsstraßen in das Erschließungsstraßennetz kommen. Kraftfahrzeuge verringern ihre Geschwindigkeiten bei Begegnungen mit Radfahrern insbesondere bei Fahrgassenbreiten von unter 3,50 m deutlich. Auch bei schmalen Fahrgassen regeln sich die Begegnungen aufgrund des guten Sichtkontaktes unproblematisch. Generell ereignen sich in Einbahnstraßen in Tempo 30-Zonen nur sehr wenige Unfälle mit Radfahrern. Über 80 % der 669 untersuchten Einbahnstraßen blieben auch in 3- bis 4-jährigen Betrachtungszeiträumen unfallfrei. Mehr als einen Unfall gab es nur in 3 % der Straßen. Begegnungsunfälle Rad-Kfz treten in gemäß StVO geöffneten Einbahnstraßen praktisch kaum auf, anteilig häufiger dagegen in nicht geöffneten Einbahnstraßen. Das Vorhandensein des ruhenden Verkehrs auf der Strecke hat keine erkennbaren Sicherheitsauswirkungen auf den gegenläufigen Radverkehr. Anteilig erheblich häufiger sind in Einbahnrichtung fahrende Radfahrer in Unfälle mit dem ruhenden Verkehr verwickelt. Das demgegenüber von der Widerspruchsbehörde ins Feld geführte Risiko, im Fall einer Aufhebung der Freigabe des Radverkehrs in Gegenrichtung gleichwohl unzulässiges Radfahren auf Fahrbahn und Gehweg vorzufinden, mit der Folge einer Gefahrerhöhung (mangels den Kfz-Verkehr warnender Beschilderung), ist folglich ein sachgerechter, erneut für überwiegende öffentliche Interessen sprechender Belang.

Eines weitergehenden bzw. vertieften Eingehens auf den Vortrag des Klägers zum Radwegekonzept bzw. Handlungsprogramm Radverkehr der Beklagten bedurfte es im Widerspruchsbescheid nicht. Denn aus der kommunalen Radwegepolitik lässt sich nach keiner Betrachtungsweise ein das Straßenverkehrsrecht erfassender Zwang ableiten, nur die Hauptverkehrsstraßen und nicht auch die Erschließungsstraßen für den Radverkehr aufzuwerten.

d.) Im für die Leistungsklage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung haben sich keine Änderungen gegenüber der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids ergeben. Die ergänzend in der Klageerwiderung von der Beklagten angeführte Erwägung, eine Ausnahmegenehmigung für den Kläger könne als Präzedenzfall auch den späteren Wegfall (bei Ausnahmeerteilungsantrag) der Ausweichmöglichkeit vor dem Anwesen B. Straße 18 (vgl. Bild 18 der Anlage zum Sitzungsprotokoll) nach sich ziehen, ist prozessual zulässig (§ 114 Satz 2 VwGO), sachgerecht und rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

2.) Die mit der Anfechtungsklage ausdrücklich angegriffene Gebührenfestsetzung im Ausgangsbescheid (zum ohnehin bestehenden "Anfechtungsverbund" zwischen Gebührenfestsetzung und Sachentscheidung vgl. vgl. § 24 Satz 2 LGebG) ist dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie beruht gemäß der Begründung auf §§ 1 Abs. 1 und 4 der Straßenverkehrsgebührenordnung (GebOSt) im Zeitpunkt der bei Ergehen des Gebührenbescheids geltenden Fassung. Nr. 399 der Anlage zu § 1 lässt die Erhebung von Gebühren nach dem Zeitaufwand mit 12,80 Euro je angefangene Viertelstunde Arbeitszeit zu. Die von der Beklagten festgesetzten 120,-- EUR entsprechen damit 9 angefangenen Viertelstunden (2,25 h) und sind, da sie das gesamte Verwaltungsverfahren bis zum Erlass des Ausgangsbescheids abdecken, rechtlich nicht zu beanstanden; auch der Kläger hat insoweit keine inhaltlichen Einwände vorgebracht.

Entsprechendes gilt für die ebenfalls ausdrücklich angefochtene Festsetzung der Widerspruchsgebühr (vgl. dazu, dass nach § 24 Satz 2 LGebG kein automatischer Anfechtungsverbund zwischen der ursprünglichen Sachentscheidung und einer später erhobenen Widerspruchsgebühr besteht: VG Freiburg, Beschluss vom 05.02.2020 - 4 K 3733/19 - juris Rn. 2). Sie beruht auf §§ 1 und 4 GebOSt i.V.m. Nr. 400 der Anlage zu § 1. Danach beträgt die Pauschalgebühr bei Zurückweisung eines Widerspruchs bei gebührenfreien angefochtenen Amtshandlungen 25,60 EUR.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; es besteht kein Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).

Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Verfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.