LG Landshut, Endurteil vom 15.11.2019 - 21 O 1263/19
Fundstelle
openJur 2021, 25341
  • Rkr:
Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.

2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3.Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4.Der Streitwert wird auf 67.899,02 € festgesetzt.  

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Widerruf eines Darlehensvertrags.

Der Kläger als Verbraucher nahm bei der beklagten Bank am 30.12.2015 eine Kredit zur Finanzierung eines Autokaufs auf. Die Darlehensvaluta betrug 51.071,34 €, das Kaufpreis für das Auto 67.899,02 €. Der Kläger hatte monatliche Raten von je 400,00 € und eine Schlussrate von 37.106,81 € zu bezahlen. Gleichzeitig wurde ein Kaufvertrag mit dem Autohaus abgeschlossen, das sich verpflichtete, das Fahrzeug nach 48 Monaten für 37.106,81 € zurückzukaufen (S. 8 des Vertrages).

Der Kläger trägt vor, er habe bis zum 01.02.2019 eine Fahrtstrecke von 46.200 km zurückgelegt. Das Auto sei scheckheftgepflegt.

Da die Beklagte hier einen Zins angegeben habe, obwohl kein solcher verlangt werde, entfalle die Fiktion des Musters. Das Widerrufsrecht werde durch das Aufrechungsverbot erschwert. Die Beklagte verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich auf die Fiktion des Musterschutzes berufe, weil sie ja das Aufrechungsrecht so erschwere.

Es fehle die Pflichtangabe, dass ein Tageszins von 0,00 € vereinbart sei. Es fehle auch die erforderlich Angabe dazu, welches Kündigungsverfahren die Bank einhalten müsse, zudem sei die Berechnung der Vorfälligkeit nicht erläutert. Die Bank hätte sich auf eine bestimmte Berechnungsmethode festlegen müssen. Die Sanktion des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei nur zusätzlich angeordnet. Die Pflichtangaben seien auch nicht richtig lesbar. Die Auszahlungsbedingungen seien nicht richtig angegeben. Es gebe einen Widerspruch zwischen den ergänzenden Darlehensbedingungen und der Widerrufsinformation. Der Darlehensvertrag sei also wegen fehlender Pflichtangaben nichtig. Verwirkung komme nicht in Betracht. Man schulde weder Wertersatz noch Zinsen.

Das Auto werde nunmehr wörtlich angeboten und des werde auch zur Inaugenscheinnahme angeboten.

Die Klagepartei meint, das Landgericht Landshut sei in jedem Fall für die negative Feststellungsklage zuständig.

Der Kläger beantragt

1) Es wird festgestellt, dass aufgrund des wirksam erfolgten Widerrufs vom 27.12.2018 die Beklagte aus dem Darlehensvertrag vom 30.12.2015 mit der Darlehensnummer 70016971 über ursprünglich 51.071,34 € zum Stichtag 01.02.2019 keinen Anspruch auf Zahlung der Zins- und Tilgungsleistungen (mehr) herleiten kann.

Im Wege der innerprozessualen Bedingung für den Fall, dass der Klageantrag zu 1) zulässig und begründet ist: 2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 30.027,68 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.02.2019 binnen sieben Tagen nach Übergabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz V 250 d, Fahrgestellnummer ... zu zahlen.

3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 2) in Annahmeverzug befindet.

4) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 2.085,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Sie erhebt Hilfswiderklage mit folgendem Antrag:

1. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Fahrzeugs Mercedes-Benz V 250 d 4MATIC, Fahrzeug-Identifizierungsnummer ..., zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger und dem Verkehrswert des vorbezeichneten Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung (Wertverlust) zu zahlen.

2. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte für den Zeitraum zwischen der Auszahlung der Darlehensmittel an den Verkäufer und der Rückgabe des Fahrzeugs Mercedes-Benz V 250 d 4MATIC, FahrzeugIdentifizierungsnummer ..., und unmittelbar anschließender Saldierung der gegenseitigen Rückgewähransprüche, Nutzungsersatz in Höhe von 2,95% p.a. auf den jeweils noch offenen Darlehenssaldo zu zahlen.

Sie verweist darauf, dass dem Kläger als Kunden die Darlehensvertragsurkunde und die AGB ausgehändigt wurden, was sich schon daraus ergebe, dass der Kläger das Kundenexemplar zur Akte vorgelegt habe.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass im Darlehensvertrag alle Pflichtangaben enthalten seien. Zudem sei das Landgericht Landshut örtlich unzuständig.

Hinsichtlich der Widerrufsinformation gelte die Gesetzlichkeitsfiktion gem. § 247 § 6 Abs. 2 EGBGB. Diese sei drucktechnisch deutlich gestaltet, der Tageszins sei mit der üblichen Methode von 360 Tagen richtig berechnet. Auch wenn im Darlehensvertrag und den AGB auf diese Zinsen verzichtet sei, mache das die Information nicht fehlerhaft. Selbst wenn das Aufrechnungsverbot unwirksam sein sollte, mache das die Widerrufsinformation nicht unwirksam.

Die Pflichtangaben seien hinreichend deutlich gestaltet. Diese seien in angemessener Größe gestaltet. Auch hinsichtlich der Auszahlungsbedingungen sei kein Verstoß festzustellen. Auf die Möglichkeit zur vorzeitigen Rückzahlung sowie die Vorfälligkeitsentschädigung sei hingewiesen. Mehr sei nicht geschuldet. Auf ein ausserordentliches Kündigungsrecht habe man nicht hinweise müssen. Die AGB seien ordnungsgemäß einbezogen. In jedem Fall müsste der Kläger den Wertersatz für das Fahrzeug bezahlen, auch Nutzungsersatz für die Nutzung des Fahrzeugs bezahlen.

Eine Beweisaufnahme fand nicht statt. Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze mit den Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Landgericht Landshut bejaht seine örtliche Zuständigkeit. Der klagende Verbraucher hatte bei Abschluss des Darlehensvertrags und Auszahlung der Valuta seinen Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Landshut. Somit ist für die negative Feststellungsklage der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) im hiesigen Bezirk gegeben, da auch für die Klage aus Ansprüchen der Bank gegen den Kunden gem. §§ 269, 270 Abs. 4 BGB der Erfüllungsort am Wohnsitz des Darlehensnehmers anzunehmen wäre, vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2019, 1067.

2. Die örtliche Zuständigkeit besteht, auch wenn in einem weiteren Antrag die Rückzahlung bereits geleisteter Raten verlangt wird. Dieser Antrag ist nur hilfsweise gestellt unter der Bedingung, dass der Klageantrag Ziff. 1 Erfolg hat. Ein nur hilfsweise gestellter Antrag kann den unbedingt gestellten Antrag nicht unzulässig machen und hat auch keinen Einfluß auf die örtliche Zuständigkeit. Es ist allerdings zutreffend, dass - für den Fall des Eintritts der Bedingung - dann eine Verweisung an das örtlich zuständige Gericht Frage kommen könnte, da es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handeln würde (BGH NJW-RR 2019, 866).

3. Der Kläger konnte sein Widerrufsrecht nicht mehr ausüben. Die Frist von 2 Wochen gem. §§ 358 Abs. 2, 495 Abs. 1 i.V.m § 355 Abs. 1 BGB war abgelaufen. Die Widerrufsinformation war zutreffend, die Klagepartei hat auch alle Pflichtinformation rechtzeitig erhalten.

Zu den von der Klagepartei aufgeworfenen Fragen hat der Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 05.11.2019 (XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19) - die Belehrungen anderer Banken (BMW-Bank, Ford Bank) betreffend - inzwischen mehrere Streitfragen entschieden. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich am 15.10.2019 (6 U 148/18) BeckRS 2019, 24593 mit den Vertragsunterlagen der hiesigen Beklagten - auch das erkennende Gericht überzeugend - auseinandergesetzt.

a) Die Rüge der Klagepartei, die gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB mitzuteilende Angabe eines zu zahlenden Zinsbetrages in der Widerrufsinformation widersprüchlich sei und deshalb fehle, weil der Zins hier mit 4,18 € angegeben sei, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Verbraucher, auf den abzustellen ist, versteht diese Information dahingehend, dass im Falle des Widerrufs solche Zinsen zu zahlen sind. Wenn in den AGB auf diese Zinsen dann verzichtet wird, kann das keine negativen Auswirkungen auf die Widerrufsentscheidung des Kunden haben. Er wird sich daran orientieren, dass er einen Zins von 4,18 € täglich zu zahlen hat. Dass der Darlehensnehmer an andere Stelle auf diese Zinsen verzichtet, beeinflusst die Entscheidung des Kunden deshalb nicht nachteilig, weil er beim Widerruf dann lediglich einkalkulieren muss, die Zinsen von 4.18 € - und jedenfalls nicht mehr, höchstens weniger - zahlen zu müssen. Die Tageszinsen sind auch nach allgemeinen Finanzmathematischen Methoden richtig berechnet.

b) Soweit die Klagepartei rügt, das in den AGB enthaltene Aufrechungsverbot erschwere das Widerrufsrecht, ist - im Anschluss an die Entscheidungen des BGH XI ZR 309/16 und XI ZR 463/18 - festzustellen, dass die Tatsache, dass in den einbezogenen AGB eine unwirksame Regelung zur Beschränkung der Aufrechungsbefugnis enthalten ist, die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung nicht beeinflusst.

c) Über das außerordentliche Kündigungsrecht nach § § 314 BGB mußte nicht informiert werden. Dieses gehört nicht zu den Angaben über das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags nach Art. 247 § § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB. Vielmehr bezieht sich diese Vorschrift nur auf das - in der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG vorgesehene - Kündigungsrecht nach § § 500 Abs. 1 BGB. Diese Frage ist durch den Bundesgerichtshof in den oben genannten Entscheidungen inzwischen geklärt worden.

d) Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung muss, anders als die Klage meint, nicht ausführlicher als hier vorhanden sein Die nach Art. 247 § § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderlichen Informationen zu den Voraussetzungen und der Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist erteilt worden. Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt. Welche näherer Präzierung hier gegenüber der Formulierung, es werde ein bestimmter Prozentsatz des züruckbezahlten Betrages angesetzt, noch erforderlich sein soll, erschließt sich nicht.

Auf Seite 1 des Darlehensvertrages ist diese - einfache - Formel unübersehbar enthalten.

Selbst wenn aber diese Art der Berechnung der Vorfälligkeit den Verbraucher unangemessen benachteiligen würde, lässt das den Beginn der Widerrufsfrist unberührt, als Sanktion greift dann nur § 502 Abs. 2 BGB ein, wonach es dann für die Bank keinen Anspruch auf Vorfälligkeit gibt.

e) Entgegen der Auffassung der Klagepartei waren die Widerrufsinformationen auch in der Schriftgröße ausreichend. Diese waren ohne Hilfsmittel unproblematisch und ausreichend lesbar, vgl. OLG Stuttgart, 15.10.2019, BeckRS 2019, 24593.

f) Zur Rüge, die Auszahlungsbedingungen als Pflichtangabe seien nicht richtig angegeben, ist der Klagepartei entgegenzuhalten, dass sich die erforderlichen Angaben auf auf Seite 1 des Vertragsformulars finden, indem hier unter der Überschrift "Auszahlungsbedingungen" " auf die Erforderlichkeit der Stellung von Sicherheiten und die Vorlage der im Rahmen der Selbstauskunft notwendigen Unterlagen, sowie in den Erläuterungen zu den Vertragsdaten darauf hingewiesen wird, dass die Auszahlung des Darlehens an die Verkäuferin erfolge und wann das geschehen werde.

4. Auf die weiteren Fragen, ob der Kläger also ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung oder nur gegen eine bestimmte Nutzungsentschädigung die Rückabwicklung des Vertrags verlangen kann, kam es nicht mehr an.

5. Kostenentscheidung: § 91 ZPO.

6. Vorl. Vollstreckbarkeit: § 711 ZPO.

7. Streitwert. § 3 ZPO.