AG Solingen, Beschluss vom 17.03.2021 - 7 M 2911/16
Fundstelle
openJur 2021, 24861
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin vom 22.12.2020 wird der Beschluss des Amtsgericht Solingen insoweit aufgehoben, als darin die Drittschuldnerin angewiesen wird, ab Rechtskraft des Beschlusses die am 07.05.2020 gebuchte Soforthilfe in Höhe von 9.000,- EUR an die Bezirksregierung Düsseldorf zu überweisen unter der IBAN: DE, unter Angabe des Verwendungszwecks . Soforthilfe.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe

I.

Der Schuldner betreibt unter der Firma Z. ein Gewerbe für Zeichenbedarf. Am 06.05.2020 beantragte der Schuldner beim Land Nordrhein-Westfalen eine Corona-Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 €. Mit Bescheid vom selben Tag bewilligte die Bezirksregierung Düsseldorf den Zuschuss. Bei der Antragstellung gab der Schuldner anstelle des Geschäftskontos versehentlich sein Privatkonto als Kontoverbindung an. Hierbei handelte es sich um ein Pfändungsschutzkonto, in welches die Gläubigerin über den Freibetrag hinaus vollstreckt. Auf dieses Konto wurde die Soforthilfe gutgeschrieben. Die Drittschuldnerin buchte 2093,42 € auf das Pfändungsschutzkonto in Höhe des Freibetrags und die übrigen 6906,58 € wurden auf das Auskehrungskonto gebucht.

Der Schuldner beantragte, den auf dem Auskehrungskonto verbliebenen Betrag freizugeben.

Das Vollstreckungsgericht setzte die Bezirksregierung Düsseldorf von diesem Vorgang in Kenntnis. Diese forderte das Gericht auf, die Rückerstattung an sie zu veranlassen.

Mit Beschluss vom 10.12.2020 wies das Gericht den Antrag auf Freigabe der Corona-Soforthilfe gem. § 765a ZPO zurück und wies die Drittschuldnerin überdies an, die gebuchte Soforthilfe an die Bezirksregierung Düsseldorf zurück zu überweisen. Dies mit der Begründung, bei der Antragstellung der Corona-Soforthilfen sei gegenüber der Bezirksregierung zu versichern gewesen, dass vor dem 01.03.2020 kein Finanzierungsengpass bestanden habe und daher auch keine vorherigen Schulden, die aus der Selbstständigkeit herrührten. Dies sei hier jedoch zweifelhaft, denn aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gehe hervor, dass es sich um eine Forderung gegen den Z. handele.

Gegen die Zahlungsanweisung zugunsten der Bezirksregierung Düsseldorf wendet sich die Drittschuldnerin mit ihrem als Erinnerung bezeichneten Rechtsbehelf. Für eine Verfügung des Vollstreckungsgerichts über das Kontoguthaben zugunsten Dritter fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin ist zulässig und begründet.

1.

Gegen die Entscheidung der Rechtspflegerin ist gem. §§ 793, 567 Abs.1,2 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG die sofortige Beschwerde statthaft. Das Rechtsmittel der Drittschuldnerin wird als sofortige Beschwerde ausgelegt. Die Falschbezeichnung als Erinnerung schadet insoweit nicht. Aus dem Schreiben vom 22.12.2020 ist das Rechtsschutzziel klar ersichtlich. Dieses ist mit der statthaften sofortigen Beschwerde zu erreichen. Die sofortige Beschwerde ist fristgerecht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist erhoben worden. Zwar fehlt ein Zustellnachweis an die Drittschuldnerin, der Beschluss ist ausweislich des Abvermerks der Geschäftssteller jedoch erst am 14.12.2020 an die Drittschuldnerin versandt worden, sodass die Rechtsmittelfrist auch bei Zustellung noch am selben Tag eingehalten gewesen wäre. Die Drittschuldnerin ist auch beschwerdebefugt. Durch die angegriffene Anweisung zur Rücküberweisung des Betrags ist die Drittschuldnerin beschwert, denn ihr ist über das Zahlungsverbot an den Schuldner hinaus eine Handlungspflicht auferlegt worden. Sie würde überdies durch die Erfüllung der Verpflichtung aus dem angegriffenen Beschluss belastet. Denn sie würde durch Zahlung an die Bezirksregierung Düsseldorf weder von ihrer Schuld aus dem Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen sie noch von ihrer Schuld aus dem gepfändeten Auszahlungsanspruch der Gläubiger gegen sie frei.

2.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Anweisung zur Rücküberweisung vom Schuldnerkonto auf das Konto der zahlungsanweisenden Bezirksregierung war unzulässig. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Zwar ist dem Schuldner die Verfügungsbefugnis über die die gepfändete Auszahlungsforderung gegen die Drittschuldnerin entzogen (§ 829 Abs. 1 S.2 ZPO), sie obliegt jedoch auch nicht dem Gericht sondern vielmehr dem Gläubiger zu dessen Gunsten die Pfändung wirkt. Ferner erlaubt § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO es dem Vollstreckungsgericht, es dem Drittschuldner zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen. Dies gestattet es dem Gericht indes nicht, etwa gleichsam im Umkehrschluss, den Drittschuldner zur Zahlung anzuweisen. Selbst die Gläubiger, welche eine zu ihren Gunsten gepfändete Forderung einziehen wollen, müssten diese grundsätzlich zunächst im Wege einer Drittschuldnerklage in einem förmlichen Erkenntnisverfahren titulieren lassen.

Auch wenn es naheliegen mag, den fälschlicherweise auf das P-Konto überwiesenen Betrag direkt an den Zahlungsanweisenden zurückgelangen zu lassen, so kann das Vollstreckungsgericht hier nicht direkt zugunsten der zahlungsanweisenden Bezirksregierung eingreifen.

Vielmehr unterfällt jeder Betrag, der über den Pfändungsfreibetrag hinausgeht, der Pfändung und steht damit den Gläubigern zu (vgl. auch AG Aschaffenburg, Beschluss vom 05.07.2012, 11 M 13521/03). Die Art der Einkünfte spielt dabei keine Rolle. Zudem ist die Bezirksregierung Düsseldorf hier keine Gläubigerin im vollstreckungsrechtlichen Sinne. Sofern die Bezirksregierung Düsseldorf sich eines bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs gegen den Schuldner berühmt, muss sie darauf verwiesen werden, diesen in einem förmlichen Erkenntnisverfahren titulieren zu lassen und sodann ggf. gegen den Schuldner zu vollstrecken. Sie kann nicht auf Anweisung des Vollstreckungsgerichts ohne Prüfung der Begründetheit des Anspruchs vor den anderen Gläubigern, deren Ansprüche bereits tituliert sind, befriedigt werden.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht statthaft.

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