OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.10.2020 - 1 Ws 362/20
Fundstelle
openJur 2021, 24443
  • Rkr:

Zur Bedeutung schriftlicher und mündlicher Urteilsbegründung im Rahmen einer Vorbefassung sowie der Anordnung einer Schweigeminute im Vorprozess für das Vorliegen einer Besorgnis der Befangenheit seitens des jetzigen Angeschuldigten.

Tenor

Die sofortigen Beschwerden der Angeschuldigten BB, AA, CC und DD gegen den Beschluss der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 6. Juli 2020,

durch den ihre auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…), der Richter am Landgericht (…) und (…) sowie der Richterin (…) wegen der Besorgnis der Befangenheit gerichteten Anträge als unbegründet zurückgewiesen worden sind,

werden auf ihre Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Die Ablehnungsanträge stehen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) sowie der Richter am Landgericht (…) und (…) in dem Strafverfahren gegen FF wegen Mordes an Patienten der Kliniken GG und HH, in welchen FF als Pfleger tätig war (Az. 5 Ks 800 Js 54254/17 (1/18)), sowie der Befassung des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) mit den vorangegangenen Verfahren gegen FF wegen versuchten Mordes an Patienten des Klinikums HH und GG (Az. 5 Ks 800 Js 35484/05 (1/07) und 5 Ks 800 Js 43144/10 (1/14)).

Den nunmehr in diesem Verfahren Angeschuldigten AA, BB, CC, DD und EE wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Oldenburg vom September 2019 vorgeworfen, in Ort1 und Ort2 in der Zeit vom TT.MM 2002 bis zum TT.MM 2005 jeweils durch Unterlassen Morde sowie versuchte Morde durch FF ermöglicht zu haben, indem sie es billigend in Kauf nahmen und nichts dagegen unternahmen, dass FF Patienten durch Injektion verschiedener Medikamente, insbesondere Kalium, tötete.

Die 5. Große Strafkammer hat das Hauptverfahren bislang noch nicht eröffnet, sondern zunächst rechtliche und tatsächliche Hinweise erteilt. Die Angeschuldigten haben hierzu sowie zu der Eröffnung des Hauptverfahrens umfangreiche Stellungnahmen abgegeben.

Die Angeschuldigten AA, DD und CC haben daneben geltend gemacht, dass der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) sowie die Richter am Landgericht (…) und (…) aufgrund ihrer Vortätigkeit von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes entsprechend § 22 StPO ausgeschlossen seien. Ihre auf Feststellung dieses gesetzlichen Ausschlusses gerichteten Anträge hat die 5. Große Strafkammer – ohne Beteiligung der betroffenen Richter – mit Beschluss vom 27. Februar 2020 für unbegründet erklärt. Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden hat der Senat mit Beschluss vom 14. Mai 2020 (Az. 1 Ws 140/20, juris) als unbegründet verworfen. Wegen der Einzelheiten des Anklagevorwurfs, der auf Feststellung des gesetzlichen Ausschlusses der Richter gerichteten Anträge sowie deren Bescheidung und wegen der Details des Beschwerdeverfahrens wird auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Oldenburg, die Antragsschriften der Angeschuldigten, den Kammerbeschluss vom 27. Februar 2020, die hiergegen gerichteten Beschwerdeschriften und den Senatsbeschluss vom 14. Mai 2020 verwiesen.

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist nunmehr die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) sowie der Richter am Landgericht (…) und (…) durch die Angeschuldigten DD, BB, CC und AA wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 24 StPO. Die Angeschuldigte DD hat darüber hinaus die der 5. Großen Strafkammer mittlerweile nicht mehr zugehörige Richterin (…) abgelehnt.

Mit der Ablehnung beanstanden die Angeschuldigten insbesondere das Verhalten des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) im Laufe der vorangegangenen Verfahren gegen FF, etwa dessen Auftreten gegenüber Zeugen und der Öffentlichkeit, sowie dessen Vorgehen in dem vorliegenden Verfahren; ihm wird ein Mangel an gebotener Neutralität vorgeworfen. Hinsichtlich der weiteren abgelehnten Richter wird im Wesentlichen auf deren Vortätigkeit verwiesen, welche einer unvoreingenommenen Beweiswürdigung in dem vorliegenden Verfahren schon per se entgegenstehe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der jeweiligen, im angefochtenen Beschluss aufgeführten Ablehnungsanträge der Angeschuldigten verwiesen.

Zu den Anträgen haben sich die abgelehnten Richter im Sinne von § 26 Abs. 3 StPO dienstlich geäußert. Auf diese schriftlichen Äußerungen, welche wiederum mit Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme der Verteidigung übersandt worden sind, wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit angefochtenem Beschluss vom 6. Juli 2020 hat die Vertreterkammer der 5. Großen Strafkammer die auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit gerichteten Anträge der Angeschuldigten AA, DD, BB und CC für unbegründet erklärt.

II.

Die jeweils zulässigen Anträge sind unbegründet. Die Voraussetzungen der Ablehnung gemäß § 24 StPO sind nicht gegeben. Es liegt auch in der Gesamtschau kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu rechtfertigen. Die Angeschuldigten haben bei verständiger und vernünftiger Würdigung des Sachverhaltes keinen Grund zu der Annahme, dass die Richter ihnen gegenüber eine Haltung einnehmen werden, welche ihre erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann.

Dies folgt aus den umfangreichen und vom Senat geteilten Gründen der angefochtenen Entscheidung, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird; diese werden auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat zu den wesentlichen Ablehnungsgründen Folgendes:

1. Vorbefassung

Ein Grund für die Besorgnis der Befangenheit ergibt sich zunächst nicht aus der Vorbefassung insbesondere des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) im Zusammenhang mit den gegen FF gerichteten Strafverfahren.

Nach ständiger Rechtsprechung vermag die Vortätigkeit eines Richters in einem oder mehreren denselben Tatsachenkomplex betreffenden Verfahren als solche die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht zu begründen. Andernfalls würde die Vortätigkeit entgegen der in den §§ 22 bis 24 StPO klar zum Ausdruck kommenden Gesetzeskonzeption faktisch regelmäßig zum Ausschließungsgrund erhoben, obwohl nach dem normativen Leitbild des Gesetzes von der Unvoreingenommenheit eines Richters auszugehen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.01.1971 – 2 BvR 443/69, NJW 1971, 1029 <1030>; BGH, Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>; Beschluss vom 10.08.2005 – 5 StR 180/05, NJW 2005, 3436 <3437>; Urteil vom 29.06.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 <2866 Tz. 20>; Beschluss vom 18.11.2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85; Urteil vom 30.06.2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 <46 Tz. 23>; Beschluss vom 10.01.2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 <520 Tz. 20>; Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <187>). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es für einen Richter selbstverständlich ist, die eigenen früheren Erwägungen kritisch zu überprüfen und sich in einer neuen Sache ausschließlich auf Erkenntnisse aus der neuen Verhandlung zu stützen (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>; Urteil vom 29.06.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 <2866 Tz. 23>). Dies gilt auch dann, wenn dieser – wie hier – sehr intensiv mit dem verfahrensgegenständlichen Sachverhaltskomplex befasst gewesen ist und sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>). Dass die Vortätigkeit allein die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertigt, trifft ebenfalls für die Konstellation der Befassung eines erkennenden Richters in Verfahren gegen andere Beteiligte derselben Tat zu (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 <46 Tz. 23>; Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <359 Tz. 15>; Urteil vom 10.02.2016 – 2 StR 533/14, juris Rn. 13; Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 56), und zwar selbst dann, wenn Verfahren gegen einzelne Angeklagte zur Verfahrensbeschleunigung abgetrennt werden und anschließend ein Schuldspruch wegen Beteiligung an später abzuurteilenden Taten erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 <46 Tz. 24>; Beschluss vom 10.01.2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 <520 Tz. 20>). Hat sich ein Richter im früheren Verfahren sachlich verhalten, so rechtfertigen selbst Prozessverstöße oder Fehler bei der Anwendung des materiellen Rechts grundsätzlich nicht die Annahme seiner Voreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten (vgl. BGH, Beschluss vom 10.08.2005 – 5 StR 180/05, NJW 2005, 3436 <3437>; Beschluss vom 18.11.2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85; Beschluss vom 08.05.2014 – 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 <2373 Tz. 12>; Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <359 Tz. 16>; Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <187>).

Anders verhält es sich allerdings beim Hinzutreten besonderer Umstände, die über die Tatsache bloßer Vorbefassung als solcher und die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Äußerungen in früheren Entscheidungen unnötige oder unbegründete Werturteile über einen jetzt Angeklagten enthalten oder sich ein Richter in sonst unsachlicher Weise zum Nachteil eines Angeklagten geäußert hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27.04.1972 – 4 StR 149/72, NJW 1972, 1288; Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>; Beschluss vom 09.03.2000 – 4 StR 513/99, juris Rn. 6, insoweit in NStZ 2000, 419 nicht abgedruckt; Beschluss vom 10.08.2005 – 5 StR 180/05, NJW 2005, 3436 <3438>; Urteil vom 29.06.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 <2866 Tz. 20>; Urteil vom 30.06.2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 <46 Tz. 24>; Beschluss vom 10.01.2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 <521 Tz. 20>; Beschluss vom 19.08.2014 – 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <359 Tz. 15>; Urteil vom 10.02.2016 – 2 StR 533/14, juris Rn. 13; Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <187>; Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <187>) oder wenn die früheren Entscheidungen aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Annahme rechtfertigen, dass der abgelehnte Richter bereits im Vorfeld eine endgültige Überzeugung von dessen Schuld gewonnen oder sich sonst eine abschließende Meinung über ihn gebildet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2000 – 4 StR 513/99, juris Rn. 7, insoweit in NStZ 2000, 419 nicht abgedruckt; Urteil vom 30.06.2010 – 2 StR 455/09, NStZ 2011, 44 <47 Tz. 28>). Allerdings darf auch hinsichtlich der hinzutretenden besonderen Umstände die Besorgnis der Befangenheit nur aus Tatsachen, nicht aus bloßen Vermutungen des Ablehnenden abgeleitet werden; insbesondere haltlose Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage können deshalb ein im Übrigen allein auf Vorbefassung gestütztes Ablehnungsgesuch nicht zulässig begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.08.2005 – 5 StR 180/05, NJW 2005, 3436 <3438>).

Nach diesem Maßstab sind derartige besondere Umstände bei einer Gesamtschau der vorgetragenen Tatsachen, soweit sich diese nach Aktenlage sowie den dienstlichen Erklärungen als zutreffend erweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <187>), weder ersichtlich noch dargetan.

Im Einzelnen:

a) Schriftliche Urteilsgründe

aa) Nach teilweiser Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof hatte die nunmehr befasste 4. Große Strafkammer des Landgerichts Oldenburg ergänzende Feststellungen zur subjektiven Tatseite im Hinblick auf die Tötung des Patienten II am TT.MM 2005 durch FF zu treffen. In den aktenkundigen Urteilsgründen des dieses Verfahren abschließenden Urteils vom 23. Juni 2008 (Az. 4 Ks 800 Js 35484/05 (1/07)), an welchem der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) mitgewirkt hat, heißt es im Rahmen der Beweiswürdigung auszugsweise wie folgt:

„Der Zeuge EE hat bekundet, insgesamt bei dem Angeklagten ein „ungutes Gefühl“ gehabt zu haben welches er aber nicht habe genau bezeichnen können.

Die Zeugin DD, die damalige Pflegedienstleiterin im Klinikum GG, hat angegeben, EE habe ihr gegenüber ein ungutes Gefühl hinsichtlich des Angeklagten geäußert. Daher hätten sie entschieden, sich vom Pfleger FF zu trennen. Genauere Erinnerungen, worin das ungute Gefühl nun genau bestanden hätte, habe sie nicht mehr. Anders als CC hat die Zeugin sich auch nicht an Gespräche mit diesem erinnern können, in denen dieser seine Vorbehalte gegen den Angeklagten deutlich zum Ausdruck gebracht habe. […]

Die Zeugin DD hat weiter angegeben, sie selbst habe, trotz des ihr zu zugetragenen Vorbehaltes, keine Nachforschungen angestellt. Sie will auch keine Erkenntnisse darüber haben, ob dem Angeklagten nahegelegt worden sei, die Abteilung Herzchirurgie zu verlassen. […]

Die Kammer folgt den Angaben des Zeugen BB und EE, mit Ausnahme der Angaben des Zeugen EE zum übersteigerten Mitleid des Angeklagten mit den Patienten. […]

Der Zeuge BB war für die Kammer glaubwürdig und mehr als die Zeugen EE und DD bereit, Dinge klar beim Namen zu nennen. Er hat das Geschehen frei und rückhaltlos geschildert.

Bei der Aussage des Zeugen EE und vor allem bei der Zeugin DD fiel auf, dass beide ihre tatsächlichen Gedanken bezüglich des Angeklagten stark zurückhielten und nach Ansicht der Kammer „gemauert“ haben. Dabei ist die Kammer davon überzeugt, dass insbesondere die Zeugin DD ihr ungutes Gefühl hätte konkretisieren können, wie auch der Zeuge BB dies getan hat. Insbesondere fiel sie durch nicht erklärliche Erinnerungslücken und schwammige, teilweise widersprüchliche Angaben auf. So hat sie einerseits betont, die Leistung des Angeklagten sei entsprechend der ihm gegebenen Beurteilungen beanstandungsfrei gewesen. Andererseits hat aber auch sie eingeräumt, erleichtert gewesen zu sein, als festgestanden habe, dass der Angeklagte das Klinikum verlassen werde. Dies ist nicht nachzuvollziehen. Gleiches gilt für die Tatenlosigkeit nachdem ihr Vorbehalte gegen den Angeklagten zugetragen waren. Dass sie diese nicht zum Anlass für eigene Nachforschungen im Fachbereich zur Abklärung der schwerwiegenden Vorwürfe gegen eines ihrer Mitarbeiter genommen haben soll, ist nicht verständlich. […]

Offensichtlich wollten die Zeugen EE und DD nicht offenbaren, dass sie bereits seinerzeit, als sie sich um die Entlassung des Angeklagten bemühten, den Verdacht hegten, der Angeklagte könnte etwas mit den Krisen der in seinem Umfeld befindlichen Patienten zu tun haben. Nach Überzeugung der Kammer muss dies der tatsächliche Grund für die Entlassungsbemühungen gewesen sei. Anders ist eine so tiefgreifende Maßnahme wie das Anstreben einer Vertragsauflösung unter Hinnahme einer mehrmonatigen Freistellung vom Dienst unter Beibehaltung der Vergütung nicht erklärbar. Die demgegenüber erteilte wohlwollende Beurteilung belegt nur, dass die vom Zeugen JJ in der Hauptverhandlung geäußerten Mutmaßung, der Angeklagte sei vom Klinikum „weggelobt“ worden, zutreffend ist. Im Hinblick auf die außergewöhnlichen Umstände des Falles ist die Kammer auch davon überzeugt, dass jedenfalls die Zeugin DD die tatsächlichen Gründe für die Entlassung noch genauer erinnert hat, dies aber, nicht zuletzt aus Gründen des Selbstschutzes, nicht offenbaren wollte.“

In einem weiteren gegen FF gerichteten Verfahren (Az. 5 Ks 800 Js 43144/10 (1/14)) vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg ebenfalls unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) wird in dem nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzten Urteil vom 26. Februar 2015 unter anderem ausgeführt:

„Mit der Zeit fiel jedoch auf, dass der Angeklagte sich hier unangemessen in den Vordergrund spielte und zu aktionistischen Verhaltensweisen neigte, was auch Unmut bei seinen Kollegen hervorrief. Dem damaligen Chefarzt BB fiel dieses Verhalten ebenfalls mehrfach auf, sodass er die Pflegedirektorin, die Zeugin DD, hierauf ansprach. Frau DD vermochte in dem Verhalten des Angeklagten jedoch nichts Falsches zu erkennen und veranlasste nichts. […]

BB meldete sich bei Pflegedirektorin DD, um erneut – diesmal heftig – dagegen zu protestieren, dass der Angeklagte wieder mit der Pflege von Herzpatienten betraut wurde. Auch der Chefarzt EE, dem die Vielzahl der Reanimationen, bei denen der Angeklagte beteiligt war, auffiel, wandte sich an die Pflegedirektorin, um sein „ungutes Gefühl“ zum Ausdruck zu bringen. Es konnte nicht vollständig geklärt werden, was die Zeugin DD anschließen veranlasste. Sie selbst konnte oder wollte sich hieran nicht mehr im Einzelnen erinnern. […]

Die Zeugin DD schrieb ihm [FF; Anm.] absprachegemäß unter dem 10.10.2002 ein positives Zeugnis […].“

In den Gründen des Urteils vom 6. Juni 2019 in dem zuletzt gegen FF gerichteten Strafverfahren (Az. 5 Ks 800 Js 54254/17 (1/18)), an dem die hier abgelehnten Richter (…), (…) und (…) beteiligt waren, finden die hier Angeschuldigten namentlich nur insoweit Erwähnung, als diese aufgrund des gegen sie selbst gerichteten Ermittlungsverfahrens von ihrem umfassenden Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht haben. Ferner heißt es im Kontext der rechtlichen Würdigung unter anderem:

„Hinsichtlich der Sterbefälle […] in Ort1 und […] in Ort2 konnte die Kammer ein heimtückisches Vorgehen des Angeklagten nicht mehr mit der dafür erforderlichen Gewissheit feststellen. Es bestehen begründete Zweifel, dass die mit dem Angeklagten jeweils diensthabenden Pflegekräfte ab diesen Zeitpunkten in Ort1 und Ort2 noch arglos waren. So war, jedenfalls nicht ausschließbar, im Klinikum GG nach dem Wochenende TT.-TT.MM.2001 […] mit zahlreichen unerklärlichen Reanimationen und Todesfällen das Misstrauen unter den Kollegen des Angeklagten ihm und seinem Handeln gegenüber so groß und konkret geworden, dass eine Arglosigkeit dieser Personen fraglich erscheint und damit nicht mehr mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden kann. […]“

bb) In Ansehung der vorzitierten schriftlichen Urteilsgründe sind das Gebot der Sachlichkeit verletzende Äußerungen oder Maßnahmen und in der Sache nicht gebotene abträgliche Werturteile über die Angeschuldigten nicht erkennbar (vgl. BGH, Beschluss vom 18.11.2008 – 1 StR 541/08, NStZ-RR 2009, 85).

So finden die hier Angeschuldigten AA und CC in den vorerwähnten „kritischen“ Urteilspassagen überhaupt keine Erwähnung.

Das Aussageverhalten des Angeschuldigten BB wird – insbesondere im Urteil aus dem Jahr 2008 – gar positiv hervorgehoben („bereit, die Dinge klar beim Namen zu nennen“) und als für die Kammer überzeugend dargestellt. Dies trifft ebenso auf das Urteil aus dem Jahr 2015 zu.

Die Strafkammer folgte im Rahmen des Strafverfahrens im Jahr 2008 in weiten Teilen ebenfalls der Aussage des Angeschuldigten EE und merkte lediglich als Auffälligkeit an, dass dieser seine Gedanken zum Angeklagten FF – so wörtlich – „stark zurückgehalten“ und „gemauert“ habe.

In letztgenannter Weise hat die Strafkammer seinerzeit auch die Aussage der Angeschuldigten DD gewürdigt. Mit dieser Einschätzung ist indes erkennbar eine Wertung des Aussageverhaltens der beiden Angeschuldigten EE und DD, nicht aber ein Werturteil über ihre Personen selbst verbunden. Selbst wenn man in der Wortwahl „gemauert“ eine die Person der Angeschuldigten herabsetzende Unterstellung erblicken wollte, würde dies die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Denn eine solche Wertung findet sich weder im Urteil aus dem Jahr 2015, noch in demjenigen aus dem Jahr 2019 wieder. Insofern liegt zwischen der damaligen Urteilsbegründung und dem jetzigen Verfahren ein derart langer Zeitraum, dass dem abgelehnten Richter – auch aus der Perspektive eines vernünftigen Angeschuldigten – genügend Raum geblieben ist, die eigenen Wertungen, auch hinsichtlich der Beweiswürdigung, zu reflektieren und einer selbstkritischen Überprüfung zu unterziehen.

Zwar verkennt der Senat in diesem Kontext nicht, dass die Kammer in den Gründen des Urteils aus dem Jahr 2008 darüber hinaus ihre Gewissheit kundgetan hat, dass die Angeschuldigte DD die tatsächlichen Gründe für die Entlassung FF genauer erinnert habe, dies aber nicht habe offenbaren wollen. Damit haben die Strafkammer und somit auch der hier abgelehnte Vorsitzende unmissverständlich zum Ausdruck gemacht, dass sie bzw. der Vorsitzende seinerzeit von der Unrichtigkeit der Aussage der Angeschuldigten DD überzeugt waren. In einer solchen, in einem Vorverfahren gewonnenen sicheren Überzeugung liegt indes kein „besonderer Umstand“ im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <360 Tz. 21>; Urteil vom 10.02.2016 – 2 StR 533/14, juris Rn. 14), zumal die Kammer in den Urteilsgründen nachvollziehbare Gründe für diese Annahme aufgeführt hat (widersprüchliches Aussageverhalten der Angeschuldigten DD etc.).

Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, wenn diese Überzeugungsbildung bereits die endgültige Festlegung auf ein bestimmtes Beweisergebnis (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.05.2009 – 2 BvR 247/09, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 09.12.1983 – 2 StR 452/83, NJW 1984, 1907 <1909>; Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>; Beschluss vom 09.03.2000 – 4 StR 513/09, juris Rn. 7; Urteil vom 02.03.2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208 <209>) etwa dergestalt beinhaltet hätte, dass die Angeschuldigte DD um die Morde des Pflegers FF gewusst und ihm gleichwohl ein gutes Arbeitszeugnis erstellt habe, um ihn „wegzuloben“. Dies ist hier aber nicht der Fall. Eine Gesamtschau mit den übrigen Urteilen legt vielmehr das Gegenteil nahe: Während in dem Urteil aus dem Jahr 2008 der Angeschuldigten DD noch unterstellt wird, dass sie ihr weitergehendes Wissen nicht offenbaren „wollte“, lässt es die Strafkammer in dem Urteil aus dem Jahr 2015 unter Hinweis auf die fehlende Aufklärbarkeit bewusst offen, ob die Angeschuldigten DD sich im Einzelnen nicht mehr erinnern „konnte oder wollte“. Allein schon insoweit weisen diese späteren Urteilsgründe ein höheres Maß an Distanz und Neutralität auf. Im zuletzt ergangenen Urteil aus dem Jahr 2019 finden sich – soweit ersichtlich – diesbezüglich überhaupt keine Wertungen, zumal die Angeschuldigten von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben. Schließlich zeigt auch der vorläufige, mit Schreiben vom 12. Dezember 2019 erteilte Hinweis der Strafkammer im vorliegenden Verfahren, in welchem die strafrechtliche Verantwortung der hier Angeschuldigten äußerst zurückhaltend eingeschätzt wurde (dazu sogleich unter Ziffer 3.), einmal mehr, dass insbesondere der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) in der Lage ist, sich von in früheren Verfahren gewonnenen Überzeugungen zu lösen und die Verdachtslage in jedem Verfahren eigenständig zu prüfen und neu zu bewerten. Dies gilt um so mehr, als dass die Beweislage inzwischen eine andere ist als in den Jahren 2015 oder gar 2008 und somit von einem bloßen „Rollentausch zwischen Zeugen und Angeklagten“ (vgl. OLG Celle, Urteil vom 29.08.1989 – 1 Ss 174/89, NJW 1990, 1308 <1309>), was etwa bei der Beurteilung eines nachfolgenden Verfahren wegen eines vorangegangen Aussagedelikts naheliegt (vgl. OLG Celle a.a.O.), keine Rede sein kann.

cc) Die Auseinandersetzung mit dem Aussageverhalten insbesondere der Angeschuldigten DD in den Gründen der Urteile aus dem Jahr 2008 und 2015 war auch zur lückenlosen Darstellung der Beweiswürdigung bzw. zur Vermeidung von Darstellungsmängeln erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1986 – 2 StR 653/85, juris Rn. 5; Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>; Urteil vom 10.02.2016 – 2 StR 533/14, juris Rn. 14; Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 58). Die Strafkammer hatte nämlich nicht nur die Abweichungen zwischen der Aussage des Angeschuldigten BB und derjenigen der Aussage der Angeschuldigten DD zu würdigen, sondern – was viel schwerer wiegt – den Widerspruch zwischen dem – ausweislich der damaligen Angaben des Angeschuldigten BB schon in Ort1 aufgekommenen – Misstrauen gegenüber FF und dessen Beurteilung im Rahmen des von der Angeschuldigten DD erstellten Zeugnisses als „umsichtig, gewissenhaft und selbständig“ aufzulösen. Zudem bedurfte es ausweislich der Urteilsgründe einer schlüssigen Erklärung dafür, dass man sich trotz dessen guter Beurteilung um die Entlassung FF bemüht und ihn über einen langen Zeitraum hinweg unter fortwährender Gehaltszahlung freigestellt hatte. Insofern hatte sich die Kammer sehr wohl auch mit der Frage zu befassen, warum das Zeugnis die Verdachtsmomente gegen FF nicht widerspiegelte. Somit ist auch gegen die persönliche rechtliche Einschätzung des Arbeitszeugnisses seitens des Vorsitzenden nichts zu erinnern, zumal die Mitteilung einer Rechtsauffassung als solche selbst bei unterstellter Fehlerhaftigkeit grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 – 5 StR 263/08, juris Rn. 21, insoweit in NJW 2009, 3248 nicht abgedruckt), solange sich diese – wie hier – nicht als völlig abwegig oder gar willkürlich erweist (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2014 – 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 <2373 Tz. 12>).

Die vorstehenden Überlegungen zur Lückenlosigkeit der Urteilsgründe treffen gleichfalls auf die oben zitierte Passage aus dem Urteil vom 6. Juni 2019 zu. Sofern dort explizit die Arglosigkeit der Pfleger und Ärzte – und damit indirekt auch die subjektive Sichtweise der hier Angeschuldigten – in den Blick genommen und bezweifelt worden ist, so war dies zur Vermeidung eines Darstellungsmangels geboten. Denn bei der Beantwortung der Frage, ob FF heimtückisch vorgegangen ist, musste angesichts des schlechten Gesundheitszustands der betroffenen Patienten zwingend auf die Kenntnis bzw. Arglosigkeit schutzbereiter Dritter, mithin des übrigen Klinikpersonals, abgestellt werden. Damit ist auch – worauf bereits das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen hat – keine Festlegung auf ein bestimmtes Beweisergebnis verbunden. Denn während seinerzeit bloße Zweifel an der Arglosigkeit weiterer Klinikmitarbeiter zum Ausschluss des Mordmerkmals der Heimtücke führten, bedarf es im vorliegenden Verfahren einer konkreten Überzeugungsbildung, dass aufgrund gesicherter Umstände eine solche Arglosigkeit bei den Angeschuldigten nicht gegeben war.

b) Mündliche Urteilsbegründung

aa) Der Senat geht nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Angeschuldigten DD von folgenden Äußerungen aus, die der Vorsitzende im Rahmen seiner mündlichen Urteilsbegründung am 26. Februar 2015 sinngemäß unter anderem wie folgt getätigt hat:

„Herr BB habe beanstandet, dass der Angeklagte der Lage nicht mehr gewachsen gewesen sei. Das Gericht sei der Überzeugung, dass er dies auch gegenüber der Pflegedienstleitung beanstandet habe. Es sei ein ungutes Gefühl gewesen. Man könne nicht sagen, dass etwas Konkretes vorgelegen habe. Durch die Versetzung auf die Anästhesie sei jedoch eine erste Chance vertan worden, zu verhindern, was geschehen sei. Man habe insofern einen Kompromiss geschlossen und den Angeklagten auf eine andere Station verletzt.

Man müsse mit dem Klammerbeutel gepudert sein, wenn man der Aussage der DD in der gerichtlichen Vernehmung glaube.

Nach der Versetzung sei der Angeklagte bei Herrn EE gewesen. Das entscheidende Gespräch sei dann durch Herrn EE geführt worden. Es sei fraglich, weshalb nicht die Pflegedienstleitung dieses Gespräch geführt habe. „Man muss ja ein sehr schlechtes Gefühl gehabt haben.“ Der Angeklagte sei sofort freigestellt worden, habe weiterhin Geld bezogen und er habe ein gutes Zeugnis ausgestellt bekommen. In diesem Sinne sei eine zweite Chance vertan worden. Insgesamt müsse man jedoch die Arbeit der Staatsanwaltschaft abwarten und nicht übereilte Schlüsse ziehen.“

In seiner dienstlichen Stellungnahme ist der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Vielmehr erklärte er hierzu, dass er die Feststellungen im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung auch mit „starken, sinnfälligen Ausdrücken“ belegt habe, etwa um zum Ausdruck zu bringen, wenn den Mitgliedern der Kammer eine Aussage in keiner Weise nachvollziehbar waren. Dies sei in keinem Fall zum Zwecke der Herabwürdigung einer Person geschehen.

bb) Die in diesem Kontext allein in den Focus zu nehmende Äußerung des Vorsitzenden, „man müsse mit dem Klammerbeutel gepudert“ sein, rechtfertigt das hier geltend gemachte Misstrauen nicht. Zwar verkennt der Senat nicht, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine „mit dem Klammerbeutel gepuderte“ Person als „nicht bei Trost seiend“ oder als „Spinner“ erscheint – eine herabsetzende Ausdrucksweise, die nicht unbedingt mit der besonderen Behutsamkeit und Zurückhaltung eines vorbefassten Richters in Bezug auf öffentliche Äußerungen in Einklang zu bringen ist (vgl. BGH, Urteil vom 31.01.1978 – 5 StR 476/77, GA 1978, 243; Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <188>). Diese Äußerung stellt auch nicht eine – die Besorgnis der Befangenheit regelmäßig nicht auslösende – spontane Reaktion auf das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.05.2009 – 2 BvR 247/09, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 02.03.2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208 <209>; Beschluss vom 21.12.2011 – 4 StR 404/11, NStZ 2012, 570; Urteil vom 18.10.2012 – 3 StR 208/12, juris Rn. 13; Beschluss vom 06.03.2018 – 3 StR 559/17, NJW 2018, 2578 <2579 Tz. 13>).

Gleichwohl ist mit dieser Bemerkung aus Sicht eines verständigen Angeschuldigten (noch) nicht die Annahme gerechtfertigt, dass der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) insbesondere der Angeschuldigten DD gegenüber eine Haltung einnimmt, welche seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann: Zum einen bezieht sich diese Ausdrucksweise – was auch durch die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden noch einmal unterstrichen und bereits vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung herausgestellt wurde – ersichtlich nicht auf die Person und die Wertigkeit der Angeschuldigten DD, sondern auf ihr – aus Sicht der Kammer abwegiges – Aussageverhalten. Zum anderen bleibt es einem Richter unbenommen, situationsangemessen und auf das Naturell des jeweiligen Verfahrensbeteiligten eingehend, entsprechende Erklärungen mit Nachdruck und in klarer, sicher verständlicher Sprache zu formulieren, wobei er im Sinne einer „individuelle Ansprache” auch Worte wählen darf, mit denen ein gewisser Unmut verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208 <209>). Und in eben diesem Rahmen bewegt sich die nämliche Äußerung: Auch wenn in ihr ein gewisser Unmut über die Abwegigkeit des Aussageverhaltens bzw. die Unwahrheit der Aussage der Angeschuldigten DD zum Ausdruck kommt, erreicht diese – zumal in eine volkstümliche Redewendung gekleidete (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1995 – 5 StR 345/95, NStZ-RR 1996, 200 <201>; Beschluss vom 03.11.2010 – 1 StR 500/10, NStZ 2011, 228 <229>) – Einschätzung im Tonfall bei weitem nicht dieselbe Schärfe, wie etwa der (verletzende) Vorwurf an einen Verfahrensbeteiligten, „unverschämt zu lügen“ (vgl. BayObLG, Beschluss vom 04.08.1993 – 5 St RR 80/93, NJW 1993, 2948).

Schließlich ist in den Blick zu nehmen, dass der Vorsitzende in seiner mündlichen Urteilsbegründung sodann ebenfalls ausgeführt hat, dass „man jedoch die Arbeit der Staatsanwaltschaft abwarten [müsse] und nicht übereilte Schlüsse ziehen dürfe“. Mit diesen Worten hat der Vorsitzende nicht nur die sinnfällige Bewertung des Aussageverhaltens der Angeschuldigten DD in gewisser Weise relativiert, sondern zugleich deutlich gemacht, sich in der dahingehenden Bewertung des Beweisergebnisses gerade nicht „für alle Zeiten“ festgelegt zu haben. Mit anderen Worten, aus Sicht eines vernünftigen Angeschuldigten besteht nach Ablauf von mehr als fünf Jahren seit dieser mündlichen Urteilsbegründung keine Veranlassung mehr für die Annahme, der Vorsitzende werde das vorliegende Verfahren mit demselben Unmut betreiben, wie dieser in der Redewendung („mit dem Klammerbeutel gepudert“) seinerzeit unterschwellig hervorgetreten ist.

c) Erörterung mit der Staatsanwaltschaft

aa) Aus einer in einem anderweitigen Strafverfahren abgegebenen aktenkundigen Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) vom 14. Juli 2015 ergibt sich, dass dieser im Frühjahr/Sommer 2012 ein etwa 15-minütiges Gespräch mit dem seinerzeit mit den Verfahren gegen FF betrauten Oberstaatsanwalt (…) von der Staatsanwaltschaft Oldenburg geführt hat. Gegenstand dieser Besprechung war unter anderem die vorläufige Einschätzung der damaligen Verdachts- und Beweislage seitens des Vorsitzenden mit Blick auf eine mögliche (weitere) Anklageerhebung gegen FF.

Der Vorsitzende führt hierzu in seiner jetzigen Stellungnahme aus, dass er aufgrund der Vielzahl der Verfahren um eine vorausschauende Planung bemüht sei. Aus diesem Grunde sei er seinerzeit durchaus interessiert gewesen, ob und wann gegebenenfalls mit einer Anklage für die Schwurgerichtskammer zu rechnen sei. Insbesondere im Hinblick auf den „Rechtsgedanke des § 160b StPO“ sei er der Meinung, dass er durch Annahme einer solchen Anfrage nicht seine Pflichten verletzt habe. Wie aus seiner damaligen dienstliche Stellungnahme ersichtlich sei, habe er gegenüber dem Oberstaatsanwalt (…) zum Ausdruck gebracht, dass die Kammer eine Anklage gegen FF gerade im Hinblick auf die daraus resultierenden Auswirkungen auch gegen zwei Kliniken genau prüfen und bei einer nicht klar belegbaren oder schwammigen Verdachtslage nicht zulassen würde.

bb) Entgegen der Auffassung der Angeschuldigten lässt die (nunmehr wiederholte) dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) zu dessen Gespräch mit dem damaligen Oberstaatsanwalt (…) im Jahr 2012 nicht besorgen, dass der Vorsitzende auf die Abfassung bzw. Erhebung der Anklage im vorliegenden Verfahren Einfluss genommen haben könnte. Allein schon die Tatsache, dass der Vorsitzende – ausweislich seiner jetzigen Stellungnahme – sein damaliges Vorgehen bereits in der öffentlichen Verhandlung im Verfahren zu Aktenzeichen zu Az. 5 Ks 800 Js 43144/10 (1/14) bei der Darstellung des Verfahrensablaufs zur Prüfung von Verfahrensverzögerungen deutlich so kundgetan und damit gegenüber allen Verfahrensbeteiligten für die nötige Transparenz gesorgt hat, lässt das Misstrauen in die Unparteilichkeit und die nötige Distanz des Richters entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2009 – 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701 <702 Tz. 6>).

Hinzu kommt, dass der Vorsitzende im Rahmen dieses Gesprächs geradezu zur Zurückhaltung gemahnt und deutlich gemacht hat, dass eine Anklageerhebung auf ungenügender (Tatsachen-)Basis erhebliche negative Konsequenzen haben könne – ein Umstand, der es mehr als fernliegend erscheinen lässt, dass der Vorsitzende zu einer bestimmten Art und Weise der Anklageerhebung geraten oder auf den Anklageinhalt im Einzelnen Einfluss genommen haben könnte.

Auch das Vorgehen im vorliegenden Verfahren, in welchem der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) allen Verfahrensbeteiligten die vorläufige rechtliche – und gegenüber den derzeitigen Anklagevorwürfen zum Teil sogar konträre – Einschätzung der Kammer mitgeteilt hat (dazu sogleich unter Ziffer 3.), lässt den im Raum stehenden Vorwurf einer etwaig informellen Absprache zwischen der Staatsanwaltschaft und den abgelehnten Richter abwegig erscheinen.

Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang schließlich die insbesondere vom Angeschuldigten CC in seiner Beschwerde noch einmal aufgeworfene Frage nach einem möglichen prozessordnungswidrigen Verhalten. Denn selbst wenn eine Erörterung des Verfahrensstandes zwischen dem zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft und dem nach der Geschäftsverteilung für das Verfahren aller Wahrscheinlichkeit nach zuständigen Vorsitzenden Richter, bei der gelegentlich über die Verdachts- und Beweislage gesprochen wird, nicht auf eine entsprechende Heranziehung des § 160b StPO gestützt werden könnte, handelt es sich hierbei jedenfalls nicht um eine abwegige oder gar willkürliche Handlungsweise (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15,NStZ 2016, 357 <360 Tz. 25>), zumal dieser Vorgang im nachfolgenden Hauptverfahren den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt und damit offengelegt wurde.

d) Verfahren wegen Falschaussage

aa) Aus der Verfahrensakte zum Az. 800 Js 35484/05 (StA Oldenburg) erschließt sich, dass der damalige Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Oldenburg, Staatsanwalt (…), im Rahmen des im Jahr 2008 gegen FF gerichteten Strafverfahrens unter dem 9. Juni 2008 im Anschluss an die Vernehmung der seinerzeitigen Zeugin DD einen Sitzungsvermerk niedergelegt hat, in welchem der Verdacht geäußert wurde, dass Letztere – mit Blick auf die abweichende Aussage des seinerzeit ebenfalls als Zeugen vernommenen Angeschuldigten BB – uneidlich falsch ausgesagt haben könnte, indem sie wesentliche Kenntnisse verschwiegen habe. Das noch am nächsten Tag gegen die Angeschuldigte DD eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage wurde in Ansehung der sie in jenem Verfahren entlastenden Aussagen der Angeschuldigten BB und EE mit Verfügung vom 11. Mai 2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

bb) Allein die Aktenlage zeigt, dass das Ablehnungsvorbingen, die Urteilsbegründung aus dem Jahr 2008 habe zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen falscher uneidlicher Aussage gegen die Angeschuldigte DD geführt, schon aus tatsächlichen Gründen unhaltbar ist. Dieses Ermittlungsverfahren hat der Vorsitzende (…) seinerzeit weder eingeleitet noch in sonstiger Weise angeregt. Vielmehr hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg von sich aus das Ermittlungsverfahren gegen die Angeschuldigte DD eingeleitet und betrieben. Dass der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) sich im Zusammenhang mit der späteren Einstellung dieses Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO über die Angeschuldigte DD gegenüber dem Zeugen KK „lustig gemacht“ und diese „lächerlich gemacht“ haben soll, ist nicht hinreichend dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Insoweit fehlt es bereits an der Schilderung hinreichend konkreter Tatsachen. Die Angeschuldigte DD lässt insoweit nur Bewertungen und Behauptungen ohne tatsächliche Grundlage vortragen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.08.2005 – 5 StR 180/05, NJW 2005, 3436 <3438>). Dementsprechend ist es auch unschädlich, dass – worauf bereits das Landgericht zu Recht hingewiesen hat – die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters insoweit keine Angaben enthält. Denn der abgelehnte Richter ist nicht dazu angehalten, pauschales Ablehnungsvorbringen mit konkreten Tatsachen anzureichern.

e) Korrespondenz mit dem Angeklagten

aa) Auf der Grundlage des durch die dienstliche Stellungnahme bestätigten Vorbringens der Angeschuldigten steht fest, dass der Angeklagten FF mit Schreiben vom 1. März 2015 den Vorsitzenden Richter am Landgericht (…) kontaktierte und ihm unter anderem schrieb, dass er – der Vorsitzende – ihn – FF – in dessen Abschlussrede aufgefordert habe, „weiterhin an der Frage zu arbeiten, warum dies alles so habe geschehen“ können. Er – FF – verspreche ihm, dass er „weiterhin hart daran arbeiten“ werde. Mit Schreiben vom 9. März 2015 antwortete der Vorsitzende am Landgericht (…) dergestalt, dass er dem Angeklagten für die „Wahrheitsfindung“ und die damit einhergehende „belastende Aufgabe“ „Kraft und Mut und vor allem Ausdauer“ wünsche.

bb) Diese Korrespondenz ist ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen geeignet. Das Verhalten eines Vorsitzenden im Umgang mit einem Angeklagten lässt nur dann auf die Voreingenommenheit eines Richters schließen, wenn dieser etwa den Angeklagten vor dem Hintergrund einer unsicheren Beweislage geradezu drängt, zur Sache auszusagen oder ein Geständnis abzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208 <209>; Beschluss vom 15.05.2007 – 3 StR 132/07, NStZ 2007, 711 <712>). Mit diesem Antwortschreiben wird der Angeklagte indes nicht ansatzweise zu einem Aussageverhalten gedrängt, geschweige denn in irgendeiner Weise dahingehend beeinflusst, weiterhin an der Tataufklärung mit dem Ziel zu arbeiten, die hier Angeschuldigten zu belasten. Die Korrespondenz hat ersichtlich nur die Motivlage von FF bei der Aufbereitung seiner Taten zum Ausgangspunkt, so dass in dem vom Vorsitzenden formulierten „Wunsch nach Mut“ lediglich eine Bekräftigung zu erblicken ist, sich mit der eigenen – FF – Schuld weiterhin auseinanderzusetzen. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme als haltlos, darin eine Ermutigung zur Belastung anderer Klinikmitarbeiter, insbesondere der hier Angeschuldigten, zu erblicken. Dies gilt auch hinsichtlich der übrigen, in den jeweiligen Antragsvorbringen dem Vorsitzenden zugeschriebenen Äußerungen gegenüber FF (etwa: „Ich werde mit Ihnen fair verhandeln, in guten Sachen wie in schlechten Dingen“).

2. Gedenkminute

a) Auf der Grundlage des – auch durch die dienstliche Stellungnahme bestätigten – Vorbringens der Angeschuldigten, bat der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) nach Aufruf der Sache in dem gegen FF gerichteten Verfahren zu Az. 5 Ks 800 Js 54254/17 (1/18) in der öffentlichen Hauptverhandlung alle Anwesenden, zu einer Gedenkminute aufzustehen. Er erklärte hierzu an die Angehörigen der (möglicherweise) von FF getöteten Patienten gerichtet, dass alle ihre Angehörigen es verdient hätten, dass man ihrer in Ehren gedenke, unabhängig davon, ob FF etwas mit ihrem Tod zu tun habe oder nicht. Anschließend erhoben sich die Prozessbeteiligten und die anwesenden Zuhörer zu einer Schweigeminute.

b) Ob ein bestimmtes Verhalten des Richters im Verfahren – mag es auch prozessual fehlerhaft gewesen sein – die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, ist in besonderem Maße von den Umständen und dem Gesamtzusammenhang des Einzelfalls abhängig. Dies gilt auch für im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden liegende Maßnahmen der Sachleitung nach § 238 Abs. 1 StPO (vgl. Cirener, in BeckOK-StPO, 37 Ed., § 24 Rn. 20). Bei dieser Wertung ist in den Blick zu nehmen, inwieweit die Verfahrensfehler mit einer Einschränkung besonders wesentlicher Verteidigungsrechte einhergehen (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 – 5 StR 263/08, juris Rn. 31, insoweit in NJW 2009, 3248 nicht abgedruckt; Cirener a.a.O.). Rechtfertigen können die Ablehnung daher nur grobe, insbesondere objektiv willkürliche oder auf Missachtung grundlegender Verfahrensrechte von Prozessbeteiligten beruhende Verstöße gegen Verfahrensrecht (vgl. KG, Beschluss vom 01.11.2018 – 3 Ws (B) 253/18, juris Rn. 11).

Nach diesen Maßstäben vermag die Anordnung einer Schweigeminute die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob und inwiefern eine solche Maßnahme von der Sachleitungsbefugnis des § 238 StPO gedeckt ist. Denn ein solches Vorgehen war hier jedenfalls nicht völlig unvertretbar oder gar willkürlich (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <360 Tz. 25>).

So ergibt sich nicht zuletzt aus der – entgegen der Auffassung des Angeschuldigten BB sehr wohl zu berücksichtigenden (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2004 – 1 StR 574/03, NStZ-RR 2004, 208 <209>; Beschluss vom 04.03.2009 – 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701 Tz. 5; Urteil vom 18.10.2012 – 3 StR 208/12, juris Rn. 19, insoweit in NStZ-RR 2013, 168 nicht abgedruckt; Urteil vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <187>; Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 66) – dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) durchaus einen nachvollziehbaren Grund für diese Vorgehensweise, welcher einem möglichen Misstrauen die Grundlage zu entziehen geeignet ist: Der Vorsitzende hat in der Exhumierung der Betroffenen nicht nur einen „Eingriff in die Totenruhe“ gesehen, sondern mit diesem Eingriff gedanklich auch eine „erhebliche emotionale Belastung“ der Angehörigen der Verstorbenen verbunden. Die Bestattungen der Betroffenen hätten zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jahre zurückgelegen, so dass die Angehörigen zum Zeitpunkt der Exhumierung von den Betroffenen bereits „geordnet Abschied genommen“ hätten. Nach dem Eindruck des Vorsitzenden sei es „vielen Nebenklägern – unabhängig von der Feststellung einer Schuldfrage – auch deswegen so wichtig“ gewesen, weil es für sie „die Möglichkeit einer nun notwendigen erneuten geordneten Abschiednahme“ eröffnet habe. Dies zeigt, dass der Vorsitzende darauf abzielte, die durch das Verfahren belasteten Angehörigen der Exhumierten zu schonen; zugleich lässt dies die Annahme, er habe das Verfahren – so der Vorwurf der Angeschuldigten – „emotionalisieren“ wollen, eher fernliegend erscheinen.

Zudem hat der Vorsitzende Richter sowohl seinerzeit in der Hauptverhandlung als auch in der Stellungnahme deutlich unterstrichen, dass sich das Gedenken „an sämtliche exhumierten Toten“ richten sollte, „deren Umstände ihres Versterbens Gegenstand des Verfahrens“ waren und zwar ausdrücklich unabhängig davon, ob der „Angeklagte etwas mit ihrem Tod zu tun hatte oder nicht“. Er habe keine „Rollenzuschreibung als Opfer“ vorgenommen. Vor diesem Hintergrund liegt eine Verletzung der Unschuldsvermutung fern und es trifft gerade nicht zu, dass ein „Gedenken für Geschädigte“ stets impliziere, diese seien Opfer einer Straftat geworden (a.A. Leitmeier, StV 2019, 282 <284>). Damit geht auch der Einwand des Angeschuldigten BB in seiner Beschwerdebegründung fehl, dass die „Opfer des Mörders FF […] öffentlich gewürdigt werden [sollten].“

Schließlich ist weder ersichtlich noch sonst dargetan, inwiefern durch die Anordnung der Schweigeminute in einem vorangegangen Verfahren wesentliche Verteidigungsrechte der Angeschuldigte im nunmehr anhängigen Verfahren tangiert, geschweige denn gravierend eingeschränkt worden sein sollen, zumal bislang keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) auch in dem jetzt anhängigen Verfahren ähnlich verfahren wird.

3. Einschätzung im Zwischenverfahren

a) Aus dem durch Aktenlage und dienstliche Stellungnahmen gestützten Vorbringen der Angeschuldigten ergibt sich, dass die 5. Große Strafkammer noch vor Ablauf der sämtlichen Verteidigern (zunächst) bis zum 15. Dezember 2019 gemäß § 201 Abs. 1 StPO eingeräumten Erklärungsfrist mit – in Bezug genommenem – Schreiben vom 12. Dezember 2019 „aus Gründen der Verfahrenstransparenz […] noch vor Entscheidung über die Zulassung der Anklage eine erste Einschätzung abgegeben“ hat.

b)

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Mitwirkung des Richters an Zwischenentscheidungen in dem anhängigen Verfahren und die dabei geäußerten Rechtsmeinungen regelmäßig selbst dann nicht die Annahme der Befangenheit begründen, wenn dabei Verfahrensverstöße vorliegen, die auf einem Irrtum oder auf einer unrichtigen oder sogar unhaltbaren Rechtsansicht beruhen (vgl. nur BGH, Urteil vom 20.11.1961 – 2 StR 472/61, GA 1962, 282 f.; Beschluss vom 16.06.1971 – 4 StR 450/70, VRS 41, 203 <205>; Urteil vom 14.02.1985 – 4 StR 731/84, bei Pfeiffer, NStZ 1985, 492; Urteil vom 14.03.1990 – 3 StR 109/89, bei Miebach, NStZ 1991, 27; Urteil vom 10.01.2012 – 3 StR 400/11, NStZ 2012, 519 Tz. 19; Beschluss vom 08.05.2014 – 1 StR 725/13, NJW 2014, 2372 <2373 Tz. 12>; Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <359 Tz. 15>; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.1996 – 1 Ws 723/96, NStZ-RR 1997, 175 <176>). Dies gilt auch für sonstige Zwischenbeurteilungen (vgl. Siolek, in LR-StPO27, § 24 Rn. 41 und Rn. 44 m.w.N.). Anderenfalls würde die Vorbefassung mit der Sache faktisch zum Ausschluss führen, was nicht der Konzeption des Gesetzes entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>). Grundsätzlich ist nach dem Gesetz von der Unvoreingenommenheit eines Richters auszugehen, denn von ihm wird auch verlangt, dass er sich an seine eigenen Zwischenentscheidungen nicht gebunden fühlt, sondern seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung schöpft (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1961 – 2 StR 472/61, GA 1962, 282 <283>; Urteil vom 15.05.1997 – 1 StR 233/96, NJW 1997, 3034 <3036>; ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.1996 – 1 Ws 723/96, NStZ-RR 1997, 175).

Dieser Maßstab gilt nur dann nicht, wenn die Zwischenentscheidungen bzw. -beurteilungen abwegig sind oder gar den Anschein der Willkür erwecken (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 – 5 StR 263/08, juris Rn. 34, insoweit in NJW 2009, 3248 nicht abgedruckt; Beschluss vom 08.05.2014 – 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 <2373 Tz. 12>; Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <359 Tz. 15>). Auch die Art und Weise der Begründung von Zwischenentscheidungen vermag die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2015 – 1 StR 169/15, NStZ 2016, 357 <359 Tz. 16>) – etwa dann, wenn das Gericht trotz unsicherer Beweisgrundlage seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten in so sicherer Form zum Ausdruck gebracht oder sich sonst auf ein bestimmtes Beweisergebnis endgültig festgelegt hat, dass aufgrund einer solchen Vorwegnahme des Verhandlungsergebnisses dem Angeklagten bei verständiger Würdigung Grund zu der Annahme gegeben wird, die befassten Richter seien befangen (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1961 – 2 StR 472/61, GA 1962, 282 <283>; Urteil vom 18.10.2012 – 3 StR 208/12, juris Rn. 17, insoweit in NStZ-RR 2013, 168 nicht abgedruckt; Beschluss vom 19.08.2014 – 3 StR 283/14, NStZ 2015, 46; Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 68).

In Ansehung dessen vermögen die Hinweise der 5. Großen Strafkammer eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Es ist nicht erkennbar, inwiefern sich die in dem Schreiben vom 12. Dezember 2019 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung als rechtlich völlig abwegig oder gar willkürlich erweisen soll (vgl. Beschluss vom 08.05.2014 – 1 StR 726/13, NJW 2014, 2372 <2373 Tz. 12>). Vielmehr handelt es sich – worauf bereits das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen hat – um sehr umfassende Ausführungen, die sämtlich die Strafbarkeit der Angeschuldigten einschränken und den ganz überwiegenden Teil der hier gegenständlichen Taten schon aus Rechtsgründen aus dem Verfahrensfokus herausnehmen. So wird zunächst klargestellt, dass den Angeschuldigten allenfalls ein Unterlassen vorgeworfen werden könne, so dass es jeweils einer Garantenstellung und Erfolgsverhinderungspflicht bedürfe (Punkt A.). Es folgen eindeutig restriktive Ausführungen zur – dem Schreiben zufolge im Hinblick auf die allermeisten Getöteten fehlenden – Garantenstellung der Angeschuldigten und zu möglichen aus etwaigen Garantenstellungen folgenden konkreten Erfolgsabwendungspflichten (Punkte B. und C.). Dabei wird unter anderem mehrfach der Umstand betont, dass es an einer Garantenstellung der in Ort1 tätigen Angeschuldigten im Hinblick auf Patienten aus Ort2 schon mangels jedweder rechtlicher Beziehung der Angeschuldigten zu den Ort2 Patienten fehle, wobei stets die Rolle FF als „komplett eigenständig handelnder“ und „entscheidender“ „Aktivtäter“ hervorgehoben wird. Schließlich sind dem Schreiben (unter Punkt D.) die Gründe dafür zu entnehmen, dass mangels jedweden Tatinteresses der Angeschuldigten jeweils allenfalls eine Beihilfe, nicht aber eine Täterschaft durch Unterlassen in Betracht komme. Das Hinweisschreiben zeichnet sich nach alledem durch eine differenzierte, die Strafbarkeit der Angeschuldigten eher zurückhaltend beurteilende Sichtweise aus. Selbst wenn man – die Auffassung der Angeschuldigten teilend – die vorläufigen und zu Lasten der Angeschuldigten verbleibenden Annahmen der Strafkammer (Begehung durch Unterlassen; Beihilfestrafbarkeit) angesichts einer etwaigen Lückenhaftigkeit der Anklageschrift für rechtlich verfehlt erachten wollte, so bewegen sich diese jedenfalls nicht im Bereich der völligen rechtlichen Unhaltbarkeit oder gar der Willkür.

Die Art und Weise, in der das Schreiben vom 12. Dezember 2019 formuliert wurde, vermag ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Im Gegenteil: Die 5. Große Strafkammer hat bereits zu Beginn ihres Schreibens sowohl herausgestellt, dass es sich lediglich um eine vorläufige Bewertung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2012 – 3 StR 208/12, juris Rn. 17, insoweit in NStZ-RR 2013, 168 nicht abgedruckt), als auch betont, mit ihrer Einschätzung die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht vorwegnehmen zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 68). Auch der vorherrschende Gebrauch des Konjunktivs („könnte“, „selbst wenn man […], käme“ etc.) verdeutlicht einmal mehr, dass sich die Strafkammer keineswegs schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens auf ein bestimmtes Beweisergebnis festgelegt oder sich bereits abschließend eine Überzeugung von der Schuld der Angeschuldigten gebildet hat.

Nur klarstellend sei in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass hier auch eine die Besorgnis der Befangenheit möglicherweise begründende Gehörsverletzung nicht gegeben ist. Zum einen hat die 5. Große Strafkammer mit dem Schreiben vom 12. Dezember 2019 eben nicht über die Eröffnung des Hauptverfahrens befunden und somit die (zunächst) bis zum 15. Dezember laufende Erklärungsfrist nicht verkürzt. Zum anderen ist in Ansehung dieser Hinweise die Erklärungsfrist durch dasselbe Schreiben (noch einmal) bis zum 31. Januar 2020 verlängert worden, so dass von einer wesentlichen Einschränkung der Verteidigerrechte keine Rede sein kann.

4. Pressemitteilung

a) In der aktenkundigen Abverfügung des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) zu dem vorerwähnten Schreiben heißt es: „Vk [Vermerk; Anm.]: Pressedezernent hat von mir bereits die Verfügung erhalten zur Kenntnis“. Sodann ist dort die Übersendung an die Staatsanwaltschaft, sämtliche Verteidiger und sämtliche Nebenklägervertreter vorgesehen. Die Pressemitteilung, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde sodann am 13. Dezember 2019 veröffentlicht.

In seiner dienstlichen Stellungnahme hat der Vorsitzende zu diesem Komplex angeführt, er habe die Verfügung vom 12. Dezember 2019 auch dem „auf dem gleichen Flur sitzenden RiLG (…) zur Kenntnis gegeben“; er erachte es „in Verfahren mit großem Interesse der Öffentlichkeit und der Medien für angebracht, den Pressedezernenten zu informieren, damit dieser auf eingehende Anfragen von Medienvertretern angemessen reagieren“ könne; eine Pressemitteilung habe er – so der Vorsitzende Richter am Landgericht (…) – „nicht veranlasst“.

b) Die – hier mit Mitteln der Glaubhaftmachung allein bewiesene (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290 <3295 Tz. 48>) – Weitergabe einer Abschrift der Verfügung vom 12. Dezember 2019 an den Pressedezernenten, Richter am Landgericht (…), durch den Vorsitzenden ist unbedenklich, zumal sich aus der dienstlichen Stellungnahme ergibt, dass diese Weitergabe zum Zwecke der Vorbereitung des Pressedezernenten auf etwaige Anfragen seitens der Presse erfolgt ist.

Der Umgang mit der Presse begründet für sich genommen selbst dann nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn das Verhalten des Richters persönlich motiviert oder sogar unüberlegt war (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290 <3295 Tz. 51>; Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 59; Scheuten, in KK-StPO8, § 24 Rn. 22; Cirener, in BeckOK-StPO, 37. Ed., § 24 Rn. 20a.4). Maßstab für die Besorgnis Befangenheit ist vielmehr, ob er den Eindruck erweckt, er habe sich in der Schuld- und Straffrage bereits festgelegt (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290 <3295 Tz. 52>; Urteil vom 15.05.2018 – 1 StR 159/17, juris Rn. 59), was etwa in solchen Konstellationen der Fall ist, wenn der Richter nicht die gebotene Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit geübt und die einem Angeschuldigten zur Last gelegten Vorgänge der Presse als feststehende Tatsachen mitgeteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1953 – 5 StR 282/53, BGHSt 4, 264). Dem Interesse der Öffentlichkeit an frühzeitiger Unterrichtung ist insoweit über Einrichtung einer Pressestelle zu begegnen, da Mitteilungen des Pressedezernenten weniger in Gefahr stehen, missgedeutet zu werden (so BGH, Urteil vom 09.07.1953 – 5 StR 282/53, BGHSt 4, 264 <268>).

Und genau Letzteres ist vorliegend geschehen. Der Vorsitzende hat sich gerade nicht selbst an die (Presse-)Öffentlichkeit gewandt, sondern den Weg über die Pressestelle gewählt. Insofern verfängt auch der in diesem Kontext angebrachte Hinweis der Angeschuldigten DD in ihrer Beschwerde auf die Entscheidung des BGH, Beschluss vom 28.02.2018 – 2 StR 234/16, NStZ-RR 2018, 186 <188> nicht; denn in jenem Fall gab der abgelehnte Richter eigene Wertungen direkt gegenüber der Öffentlichkeit ab und verletzte auf diese Weise das Gebot, sich bei öffentlichen Äußerungen zurückzuhalten. Demgegenüber war der Vorsitzende hier zur Mitteilung der rechtlichen Einschätzung an den Pressedezernenten geradezu angehalten. So heißt es in der Allgemeinverfügung des Niedersächsischen Justizministeriums vom 11. Dezember 2018 zur Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Justiz (1270 – ÖA.5, Nds.Rpfl. 2019, 17, zit. n. juris) unter Ziffer 7.1.: „Die Pressesprecherinnen und Pressesprecher können ihrer Aufgabe nur gerecht werden, wenn sie über alle Vorgänge ihrer Behörde zeitnah unterrichtet sind, die für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind. Die Behördenleitungen sollen alle Angehörigen ihrer Behörde anhalten, bei allen Angelegenheiten zu prüfen, ob die Pressestelle zu unterrichten ist.“ Anhaltspunkte dafür, dass der Vorsitzende insoweit in seiner Stellungnahme die Unwahrheit gesagt und über die Weitergabe der Verfügung vom 12. Dezember 2019 an den Pressedezernenten hinaus gar in Form des „Hinwirkens“, „Redegierens“ oder „Absegnens“ an der Pressemitteilung oder sonstigen Berichterstattung mitgewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2006 – 1 StR 50/06, NJW 2006, 3290 <3295 Tz. 57> und <3297 Tz. 70>), finden sich nicht. Dementsprechend bestand – anders als der Angeschuldigte AA in seiner Beschwerde meint – keine Veranlassung, eine (weitere) dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Landgericht (…) oder gar des Pressesprechers, des Richters am Landgericht (…), einzuholen, zumal – mit Blick auf den Pressedezernenten – das Gesetz in § 26 Abs. 3 StPO ausschließlich die Äußerungspflicht des abgelehnten Richters vorsieht.

Zwar darf in diesem Kontext nicht übersehen werden, dass – worauf der Angeschuldigte CC in seiner Beschwerde abstellt – den vom Standpunkt der Öffentlichkeit aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Presseinformationen der Anspruch des Betroffenen auf Waffengleichheit als Korrektiv entgegengehalten und somit im Rahmen der presserechtlichen Auskunftspflicht gleichfalls der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss (vgl. jüngst BayVGH, Beschluss vom 20.08.2020 – 7 ZB 19.1999, juris Rn. 13). Dies hat zur Folge, dass mit der Unterrichtung der Presse solange zuzuwarten ist, bis den Beteiligten eine sinnvolle Vorbereitung auf zu erwartende Pressanfragen möglich und dementsprechend eine gleichrangige Einflussmöglichkeit auf die Pressearbeit gewährleistet ist (vgl. BayVGH a.a.O., juris Rn. 15). Ob und inwiefern die hier eingehaltene Wartefrist von weniger als einem Tag – die vorläufige Einschätzung der Kammer wurde der Verteidigung am 12. Dezember 2019 per Fax mitgeteilt, die Pressmitteilung datiert vom 13. Dezember 2019 – angemessen ist, kann der Senat gleichwohl dahingestellt sein lassen. Denn selbst, wenn die Frist zu kurz bemessen sein sollte, vermag dies ein Misstrauen in die abgelehnten Richter nicht zu begründen. Denn abgesehen davon, dass Verfahrensfehler für sich genommen eine dahingehende Annahme schon nicht zu stützen geeignet sind, lag die Bestimmung des Zeitpunktes der Presseveröffentlichung allein in den Händen der hierfür zuständigen Pressestelle des Landgerichts Oldenburg und daher nicht im Verantwortungsbereich der abgelehnten Richter.

Schließlich ist auch inhaltlich gegen die Pressemitteilung nichts zu erinnern. Diese spiegelt – ebenso wie das Schreiben vom 12. Dezember 2019 – die gebotene Zurückhaltung wieder und stellt mitnichten gegenüber der Öffentlichkeit die den Angeschuldigten zur Last gelegten Vorgänge als bereits feststehende Tatsachen dar. Dementsprechend heißt es in der Presseerklärung, dass nach der – auch in dieser ausdrücklich als „vorläufig“ bezeichneten – Rechtsauffassung der Kammer „allenfalls eine teilweise Zulassung der Anklage“ in Betracht komme und zwar „allein bezogen auf die im Klinikum GG verstorbenen Patienten und wegen Beihilfe durch Unterlassen zum Totschlag“. Die Verwendung des Begriffs „allenfalls“ unterstreicht den bereits dargelegten Umstand, dass der Hinweis der Kammer keine Aussage über einen etwaigen hinreichenden Tatverdacht enthält und sich in der rechtlichen Bewertung des noch ungefilterten tatsächlichen Anklagevorbringens erschöpft. Vor diesem Hintergrund kann – so bereits die zutreffende Erwägung in dem angefochtenen Beschluss – für etwaige Fehlinterpretationen der Pressemitteilung seitens der Presse dem Vorsitzenden Richter am Landgericht (…) erst recht keine Verantwortung zugeschrieben werden. Das gilt insbesondere, soweit in den Medien der Eindruck erweckt worden sein mag, die Kammer bejahe (teilweise) bereits den hinreichenden Tatverdacht in Bezug auf die nach dem Hinweis noch in Rede stehenden Taten. Fehldeutungen durch die Presse sind vielmehr deren eigenem Verantwortungsbereich zuzuordnen und gerade nicht den abgelehnten Richtern zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 29.06.2006 – 5 StR 485/05, NJW 2006, 2864 <2866 Tz. 23>), zumal – wie hier – die durch das Gericht erteilten Hinweise in juristischer Hinsicht unmissverständlich sind und überdies auch die Vorläufigkeit der den Verfahrensbeteiligten übermittelten Einschätzung der Kammer mehrfach betont wird.

Vorstehende Ausführungen treffen gleichermaßen auf die weitere Pressemitteilung vom 19. Oktober 2020 zu, so dass der mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Oktober 2020 angebrachte Hinweis des Angeschuldigten AA auf die – aus seiner Sicht gesetzeswidrige – Öffentlichkeitsarbeit des Landgerichts Oldenburg zu keinem abweichenden Ergebnis führt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.