LG Ingolstadt, Endurteil vom 16.10.2020 - 41 O 2382/19
Fundstelle
openJur 2021, 25198
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.767,11 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.11.2019 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A4 Avant 2.0 TDI Multitronic S-Line mit der Fahrgestellnummer ...78 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 958,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2019 zu bezahlen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei 70%, die beklagte Partei 30%.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 33.000,00 € festgesetzt.

Der Streitwert wird bis 11.09.2020 auf 33.000,00 € festgesetzt, ab 11.09.2020 auf 22.169,79 €.

Die Klagepartei hat zunächst im Klageschriftsatz die anzurechnende Nutzungsentschädigung nicht beziffert, so dass der Kaufpreis gemäß § 3 ZPO als Streitwert anzusetzen war. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.09.2020 hat die Klagepartei die Nutzungsentschädigung jedoch auf 10.830,21 € beziffert, so dass sich der Streitwert um diesen Betrag minderte, vgl. OLG Bamberg, B. vom 03.07.2019 - 4 W 46/19). -

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten "Abgasskandal".

Die Klagepartei erwarb mit Kaufvertrag vom 29.08.2014 einen Pkw Audi A4 Avant 2.0 TDI Multitronic S-line mit einem Kilometerstand von 350 km zu einem Kaufpreis in Höhe von 33.000,00 € brutto von der Firma Jacobs automobile GmbH. Eingebaut in das Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 189, welcher vom Mutterkonzern der Beklagten hergestellt wurde. Das Fahrzeug ist Gegenstand eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamtes, da der Motor über eine Abschalteinrichtung verfügt, durch die softwaretechnisch im Prüfstand eine im Vergleich zum normalen Fahrbetrieb erhöhte Rückführung von Abgasen vorgenommen wird. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug der aktuelle Kilometerstand 115.101. Die Klägervertreter forderten mit vorgerichtlichem Schreiben vom 25.09.2019 die Beklagte vergeblich auf, den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen bis 09.10.2019. Im Rahmen des vorgenannten Schreibens wurde der Rechenweg zur Berechnung der Nutzungsentschädigung und der aktuelle Kilometerstand mit 102.124 km angegeben. Im Oktober 2019 reichte die Klagepartei die Klage ein. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor: Die Beklagte habe in der Motorsteuerung des Motors EA 189 eine illegale Abschalteinrichtung verwendet, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Das Fahrzeug sei daher durch die Beklagte werksseitig manipuliert gewesen hinsichtlich der Schadstoffwerte. Die Klagepartei stützt ihre Ansprüche gegen die Beklagte unter anderem auf § 826 BGB. Ansprüche der Klagepartei seien nicht verjährt. Weder habe die Klagepartei im Jahr 2015 von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Abgasskandal gewusst, noch habe sie insofern Obliegenheiten verletzt. Die Klagepartei sei insbesondere nicht zur Informationsgewinnung durch die Medien und die Beklagte verpflichtet gewesen.

Die Klagepartei beantragte zuletzt,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 33.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 30.08.2014 bis 09.10.2019 und seither von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 10.830,21 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A4 Avant 2.0 TDI Multitronic S-Line mit der Fahrgestellnummer ...78 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 10.10.2019 mit der Rücknahme des in Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.256,24 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.10.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beklagte Partei trägt im Wesentlichen vor:

Die Beklagte ist der Ansicht, es liege keine deliktische Handlung der Beklagten vor. Die Klagepartei habe eine Täuschung der Beklagten oder eine andere gegenüber der Klagepartei als besonders verwerflich anzusehende Handlung nicht dargelegt. Auch die subjektiven Voraussetzungen eines Betrugs lägen nicht vor, ebenso wenig eine Stoffgleichheit. Der Beklagten sei keinerlei Vorteil aus dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs zugeflossen. Bei der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Software handle es sich auch nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen Schutzgesetze vorliege. Für das Fahrzeug liege eine wirksame EG-Typengenehmigung vor. Die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Software ausgestattet gewesen sei, welche den Stickoxidausstoß im Prüfstand beeinflusste, habe an Bestand und Wirksamkeit der Genehmigung nichts geändert. Das Fahrzeug sei für den Straßenverkehr zugelassen worden und habe jederzeit uneingeschränkt genutzt werden können. Die Beklagte bestreitet die Kausalität zwischen einer etwaigen Täuschung/Schädigungshandlung und dem konkreten Vertragsabschluss mit Nichtwissen.

Die Beklagte bringt weiter vor, dass sie den streitgegenständlichen Motor und die Motorensteuerungssoftware nicht entwickelt habe, sondern lediglich Komponenten erworben habe. Zudem hätten die Emissionswerte für die Kaufentscheidung der Klagepartei keine Rolle gespielt.

Etwaige Ansprüche seien jedenfalls verjährt. Der Abgasskandal habe durch öffentliche Bekanntmachungen und Pressmitteilung der Beklagten sowie die öffentliche Presseberichterstattung ab dem 22. September 2015 permanent alle deutschen Medien beherrscht. Auch habe die Beklagte im Oktober 2015 eine Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit einzelner Fahrzeuge durch Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer geschaltet. Nach der Lebenserfahrung habe die Klagepartei daher bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Abgasskandal gehabt. Jedenfalls läge grob fahrlässige Unkenntnis vor. Im Jahr 2015 sei der Klagepartei auch nach den vom Gericht zugrunde gelegten Kriterien bereits eine schlüssige Klage möglich gewesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird vollumfänglich Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen. Die Kammer hat mündlich zur Sache verhandelt am 11.09.2020 und dabei den Kläger informatorisch zum Sachverhalt angehört. Bezüglich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 11.767,11 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB. Weiter besteht ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf Zahlung von Verzugszinsen 41 O 2382/19 - Seite 5 - auf die Hauptforderung sowie auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

I.

Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung aus §§ 826, 31 BGB. Die Beklagte hat der Klägerpartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.

1. Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik stellt eine konkludente Täuschung der Klagepartei durch die Beklagte dar (vgl. auch OLG München 18 U 3363/19 m.w.N.). Mit dem Inverkehrbringen des Motors hat die Beklagte jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass ein damit ausgerüstetes Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf. Obwohl die Hersteller teilweise bereits das Vorliegen eines Mangels bestreiten und die Abschaltvorrichtungen teilweise als "Motorenschutzmaßnahmen" etc. beschönigen, ist an der Unzulässigkeit der installierten Einrichtungen spätestens seit dem am 15.10.2015 vom KBA gegenüber der VW AG angeordneten Rückrufaktion (abzurufen unter https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/VW/vw_inhalt.html?nn=1633522) der betroffenen Fahrzeuge mit EA 189-Motoren nicht mehr an der Unzulässigkeit der verbauten Einrichtungen zu zweifeln. Aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung waren entgegen dem konkludenten Erklärungswert des Inverkehrbringens gerade nicht die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typengenehmigung gegeben, so dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand.

2. Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Es muss eine besondere Verwerflichkeit vorliegen, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH VI ZR 124/12 Rn. 8 m.w.N.).

Vor diesem Hintergrund ist von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Die Täuschung durch die Beklagte diente - andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich - dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (siehe zum Ganzen statt vieler LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017, Az. 3 O 139/16, VuR 2017, 111). Dabei ergibt sich hier die besondere Verwerflichkeit bereits aus dem Ausmaß der Täuschung, nämlich dem Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wurde, so dass sich eine entsprechend hohe Zahl getäuschter Verkäufer ergibt (vgl. OLG München 18 U 3363/19).

Aber auch die Art und Weise der Täuschung sowie die aus der Täuschung folgenden Konsequenzen geben der Täuschung durch die Beklagte das erforderliche sittenwidrige Gepräge: Durch die Täuschung der Typengenehmigungsbehörde hat sich die Beklagte das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlichrechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht. Den Käufern droht zudem ein erheblicher Schaden in Form der Stilllegung ihres erworbenen Fahrzeugs. Das von der Beklagten angebotene Softwareupdate kann hieran nichts ändern, da es für die Schädigungshandlung und den Vorsatz auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses ankommt.

Die Beklagte hat auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig eine Vielzahl von Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen (vgl. hierzu, Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19).

3. Der Klagepartei ist nach Überzeugung der Kammer durch die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit ein kausaler Schaden entstanden.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der streitgegenständliche Pkw durch die in dem Motor verbaute Umschaltlogik einen geringeren Marktwert hatte oder seine Nutzbarkeit eingeschränkt war. Entscheidend ist allein, dass der Geschädigte durch das deliktische Verhalten der Beklagten zum Abschluss eines Vertrages gebracht wurde, den er sonst nicht abgeschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (vgl. BGH VI ZR 15/14, BGH NJW 2004, 2668).

Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).

Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Klagepartei hier, infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätte deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen. Dabei spielt es keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend gewesen wäre. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert darauf gelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Aber nach Ansicht der Kammer waren zumindest alle Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterlag. Jedenfalls lässt sich nach Überzeugung der Kammer keinem der Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig gewesen, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug war deshalb aus Sicht der Erwerber jedenfalls zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsbegründende Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße bei den Fahrzeugerwerbern geführt hat.

Im vorliegenden Fall ist der Kläger nach Überzeugung des Gerichts aufgrund dessen Angaben im Rahmen der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2020 veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Dabei kann dahinstehen, ob er einen Vermögensschaden dadurch erlitten hat, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war (§ 249 Abs. 1 BGB), auch wenn dafür angesichts des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen verdeckten Sachmangels, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können einiges spricht. Denn ein Schaden ist hier jedenfalls deshalb eingetreten, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll brauchbar war.

Nach Überzeugung des Gerichts hätte der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen hätte. Es ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann. Auch bestätigte der Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von der Abschaltautomatik Kenntnis gehabt hätte. Für ihn stelle das einen Mangel dar. Er gab für das Gericht glaubhaft an, dass ihm neben einer langen Laufzeit des Fahrzeugs und einem niedrigen Verbrauch auch der Co²-Wert wichtig gewesen sei, da er selbst Fahrradfahrer sei und es ihm auch wichtig sei, dass er seinen Bioabdruck (was er seiner Umwelt hinterlasse) möglichst klein gehalten werde.

Die Kausalität wird im übrigen nicht dadurch unterbrochen, das die Klagepartei das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hat. Denn durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs hat die Beklagte den Kausalverlauf bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Die von der Beklagten verübte Täuschungshandlung wirkt fort, da die Angaben der Fahrzeughändler auf dem durch die Herstellerangaben lediglich weitergibt (vgl. OLG München 18 U 3363/19).

4. Die Beklagte handelte dabei auch mit Schädigungsvorsatz und Kenntnis aller Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typenzulassung wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die damit einhergehenden Täuschungshandlungen sind nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin die Kenntnis der Programmierung ihrer eigenen Fahrzeuge sowie der für sie einschlägigen Rechtsnormen unterstellt werden kann. Jedenfalls liegt insofern aufgrund der substanziierten Darlegung der Klagepartei eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, welcher die Beklagte nicht genügt hat.

Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt über § 31 BGB. Dieser setzt voraus, dass ein "verfassungsmäßig berufener Vertreter" den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der Begriff des "verfassungsmäßig berufenen Vertreters" ist dabei weit auszulegen. Dies sind auch Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des "Vertreters" in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist, oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt, da die juristische Person nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (sog. Repräsentantenhaftung, vgl. BGH VI ZR 536/15, BGH VII ZR 82/65). Der personelle Anwendungsbereich von § 31 BGB deckt sich im Wesentlichen mit dem Begriff des leitenden Angestellten im Sinne des Arbeitsrechts (vgl. Palandt-Ellenberger BGB § 31 Rn 6).

Es bedarf dabei nach der Überzeugung der Kammer keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.

Die Klagepartei behauptet, die Beklagte habe mit Schädigungsvorsatz gehandelt und die, die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gekannt. Sie führt insoweit aus, der Vorstand der Beklagten in den Jahren 2002-2007, Herr Dr. M. W1., sei auch leitender Entwicklungschef bei der VW AG gewesene und in dieser Position verantwortlich für die Entwicklung der "Betrugssoftware". Der Motorenentwicklungschef bei der Beklagten, Herr H., sei gleichzeitig Chef der Motorenentwicklung bei der Firma VW gewesen. Die F. B. GmbH sei im Jahr 2004 von Herrn Dr. W1. beauftragt worden, das Motorsteuergerät EDC17 zu entwickeln, welches später unter Führung von Herrn Dr. W1. zusammen mit der F. B. GmbH weiter entwickelt worden sei. Die Fahrzeuge der Beklagten und der Firma VW AG würden in Plattform-Bauweise hergestellt, es gebe noch weitere Überkreuzregelungen in den Vorständen der beiden Firmen. Der von der Klagepartei benannte Zeuge S1. W2. sei an der Entwicklung von optimierten Verbrennungssystemen beteiligt gewesen, die über einen kurzen und gewissen Zeitraum die Stickstoffdioxidwerte herunterbrechen. In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht Heilbronn sei ein Gesprächsprotokoll zwischen dem Chef der Dieselmotorenentwicklung der Beklagten bis November 2015, Herrn U. Weiß, und Herrn R. S2. vorgelegt worden, aus dem hervorgehe, dass den Vorstandsmitgliedern der Beklagten schon Jahre vor Bekanntwerden des "Dieselskandals" Hinweise auf Unstimmigkeiten bei den Abgaswerten von Dieselmotoren vorlagen. Der Vorstand habe jedoch nichts unternommen.

Die Beklagte wendet ein, die Klagepartei habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass Personen, deren Kenntnisse der Beklagten nach § 31 BGB zuzurechnen wären, mit Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände gehandelt hätten. Die Klagepartei habe nicht dargelegt, dass ein Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne der Beklagten im Kaufvertragszeitpunkt Kenntnis von der Software hatte und einen endkundenbezogenen Schädigungsvorsatz aufwies. Die Beklagte zieht sich darauf zurück, sie habe den in dem streitgegentsändlichen Fahrzeug verbauten Motor nicht entwickelt.

Der Vortrag des Klägers ist nach alledem als hinreichend substantiiert anzusehen, während die Beklagte ihrer dadurch ausgelösten sekundären Darlegungslast nicht genügt hat. Die Klagepartei steht außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs und hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten, auch namentlich, vorgetragen. Hier genügt ein schlichtes Bestreiten der Beklagten nicht mehr. Die Beklagte hätte zumindest die Behauptungen der Klagepartei erschüttern müssen, indem sie z.B. andere Abläufe und Verantwortlichkeiten aufzeigte. Dies hat sie nicht getan.

Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung zurückziehen, sie habe den streitgegenständlichen Motor und die Motorensteuerungssoftware nicht entwickelt. Zum einen war zum Zeitpunkt des Einbaus des Motors das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel möglichst geringer Kohlendioxidemission und der Begrenzung der Stickoxidemissionen allgemein bekannt und hätte Anlass zu einer sehr genauen Prüfung geben müssen, als aus Sicht der für die Entwicklung des Motors und der für die Motorenentwicklung zuständigen VW AG die Auflösung dieses Zielkonflikts angeblich gelungen war. Zum anderen nahm zum damaligen Zeitpunkt der europäische Gesetzgeber den Erlass eines Verbots von verbotenen Abschalteinrichtungen in Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung 715/2007/EG vor und wies daher auf dieses Problem in besonderer Weise hin. Die Repräsentanten mussten wegen dieser Warnwirkung also ohne Weiteres mit der Möglichkeit rechnen, dass eine solche Einrichtung verwendet würde. Dadurch, dass sie trotz der durch die Verordnung offenkundig gemachten Möglichkeit, dass eine solche Einrichtung verwendet werden könnte, nicht eingegriffen bzw. genau nachkontrolliert haben und dennoch die Übereinstimmungsbescheinigung ausstellten bzw. deren Ausstellung nicht verhinderten, ist auch ihnen zumindest bedingter Vorsatz durch Unterlassen zur Last zu legen.

Nach alledem gilt der Klägervortrag als zugestanden im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO.

5. Die Klagepartei hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Anrechnung von Gebrauchsvorteilen im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB.

6. Im Rahmen der Rückabwicklung muss sich die Klagepartei den Abzug von Gebrauchsvorteilen in Form einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen, welche sie auch bereits selbst in ihrem zuletzt gestellten Klageantrag berücksichtigte. Allerdings hat sie den Nutzungsersatz im Termin nicht korrekt berechnet.

Der Bundesgerichtshof hebt im Rahmen der Schadensberechnung die Grundsätze der Vorteilsausgleichung und das schadensrechtliche Bereicherungsverbot hervor und stellt klar, dass der Ersatzanspruch in die Nähe eines dem deutschen Recht fremden Strafschadensersatzes gerückt würde, wenn ein Nutzungsersatz nicht berücksichtigt würde (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 64 ff.).

Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zugum-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist nach Überzeugung des Gerichts im vorliegenden Fall auf 21.232,89 € festzusetzen.

Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung unstreitig 115.101 km. Das Gericht geht weiter im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus.

Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs zur Vorteilsausgleichung (siehe oben), ist aber der Auffassung, dass diese Grundsätze nicht nur bei der Frage eine Rolle spielen, ob sich die Klagepartei gezogene Nutzungen anrechnen lassen muss, sondern auch bei der Frage, wie der Wert der gezogenen Nutzungen im Rahmen von § 287 ZPO zu berechnen ist. Für die Berechnung ist - soweit ersichtlich - die folgende Methode üblich, die bisher auch das Gericht praktiziert hat und deren Anwendung der Bundesgerichtshof nicht beanstandet hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 78 ff.):

Der von der Klagepartei gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug wird durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert wird mit den gefahrenen Kilometern multipliziert.

Nutzungsersatz in € =

Das Gericht wendet diese Methode aber nicht an, da sie den Nutzungsersatz linear berechnet, eine solche Bewertung aber - allgemein bekannt - nicht den realen Wert der Nutzung eines Pkws abbildet und damit dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot nicht ausreichend Rechnung trägt. Die Klagepartei würde mit dieser Berechnungsmethode nach Auffassung des Gerichts besser gestellt, als sie ohne das schädigende Ereignis stünde. Bei Anwendung der oben aufgeführten Methode entspricht der Wert der Nutzung des ersten gefahrenen Kilometers nämlich exakt dem Wert der Nutzung des letzten gefahrenen Kilometers. Tatsächlich ist die Nutzung eines Neufahrzeugs aber mehr wert, als die Nutzung eines Fahrzeugs mit einem Kilometerstand von beispielsweise 299.999 Kilometern. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Reparaturanfälligkeit regelmäßig mit zunehmenden Alter steigt, während die Zuverlässigkeit des Fahrzeugs abnimmt. Außerdem besteht ein Mehrwert bei der Nutzung eines neuen Fahrzeugs darin, dass es technisch auf dem aktuellen Stand ist. So wird auch ein Interessent, der beispielsweise mit der Beklagten einen Leasingvertrag abschließen will, erwarten, dass die Beklagte ihm im Rahmen dieses Leasingvertrags ein Neufahrzeug zur Verfügung stellt. Sollte ihm ein gebrauchtes Fahrzeug zum Leasing angeboten werden, wird er zumindest fordern, dass die Kosten für das Leasing im Vergleich zum Leasing eines Neufahrzeugs geringer sind. Als Kehrseite kann auf den Wertverlust eines Kraftfahrzeugs Bezug genommen werden, der nicht linear, sondern degressiv verläuft. Neufahrzeuge haben gerade in den ersten Jahren nach dem Kauf einen hohen Wertverlust.

Es gibt deshalb Stimmen in der Literatur, die überlegen, bei der Berechnung des Nutzungsersatzes nicht auf die maximal mögliche Kilometerlaufleistung, sondern auf die gewöhnliche Nutzungsdauer abzustellen (vgl. BeckOGK/Schall, 1.3.2020, BGB § 346 Rn. 437). Die Klagepartei kann aber auf den Fortgang des Verfahrens und den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nur begrenzt Einfluss nehmen und es könnte sich ggf. nur aufgrund Zeitablaufs ein höherer Nutzungsersatz ergeben, wenn auf die gewöhnliche Nutzungsdauer abgestellt wird.

Das Gericht hat den Nutzungsersatz deshalb weiterhin anhand der oben aufgeführten Formel berechnet, allerdings mit der Modifikation, dass die jeweiligen Kilometerstände gewichtet werden. Dies hat den Vorteil, dass gegenüber dem Abstellen auf die Nutzungsdauer die tatsächlich gefahrenen Kilometer als tatsächlich gezogene Nutzungen bewertet werden, was auch der Bundesgerichtshof für sachgerecht erachtet hat (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 78 ff.). Statt einer linearen Betrachtung, geht das Gericht davon aus, dass der Wert der Nutzungen zunächst höher ist und sich mit zunehmender Kilometerlaufleistung verringert. Das Gericht setzt hierbei eine Berechnung nach einem Stufenmodell an. Die Kilometerlaufleistung wird hierbei in drei Stufen unterteilt.

Dem Gericht erscheint es nach einer vorläufigen Schätzung sachgerecht, anzunehmen, dass die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs 300.000 Kilometer beträgt, der Wert der Nutzung bis einschließlich Kilometer 50.000 mit dem Faktor 3 (Stufe 1), von Kilometer 50.001 bis einschließlich Kilometer 200.000 mit dem Faktor 2 (Stufe 2) und von Kilometer 200.001 bis einschließlich Kilometer 300.000 mit dem Faktor 1 (Stufe 3) zu berücksichtigen ist. Ergebnis dieser Modifikation ist ein stufenweiser degressiver Verlauf des Wertes des Nutzungsersatzes. Bei der Bewertung der ersten Stufe bis 50.000 Kilometer wurde berücksichtigt, dass in Deutschland die durchschnittliche Jahresfahrleistung etwa 15.000 Kilometer (13.727 Kilometer für das Jahr 2018, vgl. Statistik des Kraftfahrtbundesamtes, abzurufen unter https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftverkehr/VerkehrKilometer/verkehr_in_kilometern_node.html) beträgt und ein drei Jahre altes Fahrzeug beim Verkauf etwa 50 Prozent seines Listenpreises erzielt. Ein Fahrzeug mit einer Laufleistung von über 200.000 Kilometer wird gegenüber einem Fahrzeug mit einer Laufleistung zwischen 50.000 Kilometern und 200.000 Kilometern deutlich anfälliger für Reparaturen sein. Daraus ergeben sich die weiteren beiden Stufen.

Das Gericht weist weiter darauf hin, dass diese Berechnungsmethode nicht den Anspruch erhebt, den Wert der Nutzungen absolut realistisch abzubilden. Man könnte wohl auch nachvollziehbar begründen, eine zusätzliche Stufe zwischen 50.000 Kilometern und 100.000 Kilometern "einzubauen" oder den Nutzungsersatz vollumfänglich degressiv (ohne Stufen) zu berechnen. Das Gericht geht aber davon aus, dass die oben dargelegte Gewichtung der Kilometerstände in drei Stufen der Realität deutlich näher kommt, als eine lineare Berechnung. Das Gericht hat zudem im Rahmen von § 287 ZPO einen weiten Ermessensspielraum. Dies hat auch der Bundesgerichtshof in der von der Klagepartei angesprochenen Entscheidung hervorgehoben und sogar eine lineare Berechnung des Nutzungsersatzes für revisionsrechtlich unbedenklich erklärt (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 78 ff.). Dann kann aber die realitätsnähere Schätzung erst recht nicht zu beanstanden sein.

Um die oben aufgeführten Stufen im Rahmen der Berechnung berücksichtigen zu können, hat das Gericht folgende Methode entwickelt:

Es bleibt dabei, dass der von der Klagepartei gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird. Allerdings werden in diese Berechnung nicht die tatsächlichen Kilometerstände eingestellt, sondern fiktive Werte. Die fiktiven Werte werden gebildet, indem die jeweiligen Kilometerstände in die oben aufgeführten Stufen zerlegt werden und mit den oben aufgeführten Faktoren multipliziert werden.

Bei der Berechnung muss außerdem berücksichtigt werden, dass die Stufen unterschiedlich groß sind, also eine unterschiedliche Anzahl an Kilometern beinhalten. Um die Gewichtung der Stufen zueinander im Verhältnis 3:2:1 zu erhalten, muss die unterschiedliche Größe der Stufen mit den Faktoren 3 für Stufe 1, 1 für Stufe 2 (größte Stufe) und 1,5 für Stufe 3 ausgeglichen werden. Hinzu kommen die Faktoren für die Gewichtung: 3 für Stufe 1, 2 für Stufe 2 und 1 für Stufe 3 (Verhältnis 3:2:1).

Insgesamt ergeben sich nach Multiplikation der jeweiligen Faktoren folgende Faktoren: 9 (3 * 3) für Stufe 1, 2 (2 * 1) für Stufe 2 und 1,5 für Stufe 3 (1 * 1,5).

Der Nutzungsersatz berechnet sich unter Berücksichtigung der im vorliegenden gefahrenen Kilometer (115.101) und der Kilometer beim Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die Klagepartei (350) folgendermaßen:

Nutzungsersatz in €

=

33.000 € * ((50.000 * 9) + (65.101 * 2) - (350 * 9)) / ((50.000 * 3) + (150.000 * 2) +(100.000 * 1,5)

- (10 * 9) = 21.232,89 €.

Für 300.000 Kilometer (geschätzte maximale Gesamtlaufleistung) ergibt sich im obigen Beispiel ein fiktiver Wert von (50.000 * 9) + (150.000 * 2) +(100.000 * 1,5), also insgesamt 900.000 Kilometer, da alle drei Stufen voll ausgefüllt sind.

Für 350 Kilometer (Kilometer zum Zeitpunkt des Schlusses des Kaufvertrags) ergibt sich im obigen Beispiel ein fiktiver Wert von (350 * 9), also 3.150 Kilometer, da Stufe 1 mit 350 Kilometern ausgefüllt ist.

Für 115.101 Kilometer (Kilometer zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung) ergibt sich ein fiktiver Wert von (50.000 * 9) + (65.101 * 2), also 580.202 Kilometer, da Stufe 1 voll ausgefüllt ist und Stufe 2 mit 65.101 (115.101 - 50.000) Kilometern ausgefüllt ist .

Mithin verbleibt ein klägerischer Anspruch auf Zahlung in Höhe von 11.767,11 € (33.000 € - 21.232,89).

Es sei darauf hingewiesen, dass sich die abweichende Berechnungsmethode im vorliegenden Fall nicht sehr deutlich auswirkt, da der Wert der Nutzungen in Stufe 1 am größten ist und der Kläger das Fahrzeug erst erwarb, als Stufe 2 fast erreicht war.

Sollte zum Zeitpunkt der Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs an die Beklagte eine Veränderung der Laufleistung des Fahrzeugs gegenüber der Laufleistung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eingetreten sein, so wird diese entsprechend zu berücksichtigen sein. Da für die vorliegende Entscheidung jedoch die Lage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung maßgeblich ist, sind derartige Veränderungen im Tenor dieses Urteils nicht zu berücksichtigen.

7. Die Forderung war entgegen des Antrags der Klagepartei nicht bereits ab 10.10.2019 zu verzinsen, sondern gemäß § 291 BGB erst ab Rechtshängigkeit.

Im vorgelegten Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.09.2019 kann insoweit keine verzugsauslösende Handlung gesehen werden, da insoweit im Hinblick auf die angebotene Zugum-Zug Rückabwicklung nicht die erforderlichen Angaben enthalten waren. 41 O 2382/19 - Seite 16 - Insbesondere fehlte die Angabe zum Kilometerstand des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Kaufs. Nur durch die Angabe der Kilometerzahl bei Erwerb des Fahrzeugs wäre die Beklagte in die Lage versetzt worden, die korrespondierende Nutzungsersatzleistung konkret zu berechnen.

8. Die Klagepartei konnte keine 4%ige Verzinsung der (zugesprochenen) Klageforderung verlangen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 849 BGB liegen nicht vor. Dieser billigt dem Geschädigten Zinsen als pauschalierten Schadensersatz für die entgangene Nutzung einer ihm durch den Schädiger entzogenen Sache zu. Die Vorschrift enthält jedoch keinen allgemeinen Rechtssatz, dass deliktische Schadensersatzansprüche immer von ihrer Entstehung an zu verzinsen sind, sondern will den endgültig verbleibenden Verlust der Nutzbarkeit einer weggegebenen Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann, vgl. BGH NJW 1983, 1614. Der Klagepartei ist jedoch durch die unerlaubte Handlung der Beklagten kein Verlust an Nutzbarkeit entstanden, der nicht anderweitig ausgeglichen werden könnte. Die Klägerin hat im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug erhalten mit der Möglichkeit, den Pkw jederzeit nutzen zu können (vgl. OLG München 18 U 3363/19).

9. Der klägerische Anspruch ist auch nicht verjährt. Es gilt die regelmäßige Drei-Jahres-Frist nach § 195 BGB. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Beklagte ist dabei für die maßgeblichen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Der streitgegenständliche Anspruch ist bereits mit Kaufvertragsschluss, spätestens jedoch mit Verjährung der kaufvertraglichen Mängelrechte entstanden. Allerdings hat die Klagepartei zur Überzeugung des Gerichts bis Ende des Jahres 2015 weder von allen anspruchsbegründenen Umständen Kenntnis erlangt, noch ist ihm insofern grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen.

a) Die Klagepartei hatte von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Abgasskandal, im Jahr 2015 noch keine positive Kenntnis erlangt.

Nach der Rechtsprechung des BGH liegt die nach § 199 I Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. (BGH, Urteil vom 15.3.2016 - XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187).

Zunächst beruht die Behauptung der Beklagten, die Klagepartei habe bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik und allen anderen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt, lediglich auf der Mutmaßung der Beklagten, dass durch öffentliche Bekanntmachungen, öffentliche Berichterstattung und die Schaffung einer eine Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit durch die Beklagte im Jahr 2015 der Abgasskandal allgemein bekannt gewesen sei und deshalb auch der Klagepartei nicht verborgen geblieben sein könne. Dieser Sachvortrag lässt jedoch jeden individuellen Bezug zur Klagepartei vermissen. Insbesondere hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer des klägerischen Fahrzeugs im Jahr 2015 in die Suchmaske der zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit vom Abgasskandal geschalteten Website eingetragen und eine Abfrage gestartet worden sei. Nicht einmal allgemein trägt die Beklagte vor, wie viel Prozent der betroffenen Fahrzeugidentifikationsnummern im Jahr 2015 überhaupt tatsächlich bereits auf der Homepage überprüft wurden, wie stark die Homepage also zu diesem frühen Zeitpunkt des Skandals von den getäuschten Fahrzeugeigentümern angenommen wurde. Eine andere Erkenntnismöglichkeit der Klagepartei von der individuellen Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Jahr 2015 trägt die Beklagte auch nicht vor. Ihr Behauptung, die Klägerin habe Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik gehabt, dürfte bereits vor diesem Hintergrund als Äußerung "ins Blaue hinein" unbeachtlich sein.

Jedenfalls ist das Gericht aber aufgrund der informatorischen Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass dieser im Jahr 2015 keine positive Kenntnis davon hatte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. Der Kläger hat - für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend - dargestellt, dass es ihm erst mit dem Schreiben des KBA "sonnenklar" wurde, dass das Fahrzeug betroffen ist. Zwar konnte sich der Kläger zunächst nicht mehr genau an den chronologischen Ablauf erinnern und insbesondere nicht daran, wann genau er auf der Internetseite überprüft hatte, ob sein Fahrzeug von der Problematik betroffen war. Glaubhaft gab er an, sich vorstellen zu können, erst aktiv geworden zu sein, als er das Schreiben zum Rückruf bekommen habe. Im Verlauf der Anhörung kam bei dem Kläger dann ersichtlich die Erinnerung wieder etwas besser zurück; er konnte sich dann wieder daran erinnern, dass ihm die Betroffenheit des Fahrzeugs erst mit dem Schreiben des KBA sonnenklar geworden sei. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass der Kläger erst im Jahr 2016 davon Kenntnis erlangt hat, dass das Fahrzeug betroffen ist. Gerade der Umstand, dass der Kläger sich zunächst nicht an den genauen Geschehensablauf erinnern konnte zeigt, dass der Kläger bemüht war, nur das wiederzugeben, woran er sich tatsächlich erinnert hat. Die Erklärung des Klägers war nicht vorgefertigt, sondern entsprang ersichtlich seiner Erinnerung.

Das Gericht hält es auch für nachvollziehbar, dass ein Fahrzeugeigentümer zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015, also innerhalb eines Zeitraums von gerade einmal 106 Tagen zum Jahresende hin, nicht so genau der allgemeinen Medienberichterstattung folgt.

b) Die Klagepartei musste von den anspruchsbegründenden Umständen auch im Jahr 2015 noch nicht ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen.

Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die oben genannten Umstände dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 15.3.2016 - XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187). Der Gläubiger ist zwar nicht gehalten, umfängliche Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person seines Schuldners anzustellen, aber es besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist, so dass das Unterlassen von Ermittlungen geradezu unverständlich erscheint. Dabei sind jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten: Im Vertragsrecht können von einem Vertragspartner regelmäßig weitergehende Nachforschungen erwartet werden als von dem Geschädigten im Deliktsrecht, auch ist die Nachforschungsobliegenheit eines Unternehmers weitergehender als jene eines Verbauchers. Eine generelle Obliegenheit des Gläubigers, Presseveröffentlichungen zu verfolgen, besteht dabei nicht (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 31 m.w.N.).

Vorliegend hätte die Klagepartei also, um noch im Jahr 2015 eine schlüssige Klage erheben zu können, zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015 die Presseberichterstattung so umfassend verfolgen müssen, dass sie zumindest die folgenden Punkte erfahren hätte: 1. Es gibt einen Abgasskandal. 2. Der streitgegenständliche Fahrzeughersteller ist betroffen. 3. Der streitgegenständliche Motortyp ist betroffen. 4. Die individuelle Betroffenheit kann (ausschließlich) über eine Homepage des Herstellers abgeprüft werden. 5. Laut Hersteller ist das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen. 6. Mitarbeiter des Herstellers haben die Software absichtlich programmiert. 7. Dies ist dem Hersteller zuzurechnen. 8. Zweck der Software war eine Kostensenkung zulasten eines erhöhten Schadstoffausstoßes (sittenwidriges Gepräge).

Dazu, dass auch die zuletzt genannten Punkte durch sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung bereits im Jahr 2015 für die Klagepartei erkennbar gewesen wären, hat die Beklagte schon nicht hinreichend substanziiert vorgetragen. Während mit Blick auf die Zurechnung nach § 31 mittlerweile eine Vielzahl von Anknüpfungstatsachen durch Parallelverfahren bekannt ist, war dies im Jahr 2015 noch nicht so, so dass damals für eine schlüssige Klage ein weitergehender Sachvortrag zu fordern war, als dies heute der Fall ist. Dies wäre allenfalls durch Kombination verschiedenster Pressequellen im Jahr 2015 möglich gewesen. Ein derart sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung stellte aber jedenfalls keine Obliegenheit der Klagepartei dar. Die Klagepartei ist Verbraucher, die Beklagte vorsätzlich handelnder deliktischer Schädiger. Einem Verbraucher ist schlicht nicht zuzumuten, Skandale eines jeden Herstellers zu verfolgen, dessen Produkte er jemals erworben hat. Auch muss ein Verbraucher schlicht aufgrund des öffentlich bekannten Bestehens eines solchen Skandals noch nicht davon ausgehen, dass ihn der Hersteller absichtlich geschädigt hat, folglich muss er die Berichterstattung auch nicht mit Blick hierauf gezielt verfolgen. Diese Situation ist auch nicht vergleichbar mit Fällen, in denen das Fahrzeug erst in den Jahren nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals erworben wurde, da man sich beim Neuerwerb eines Pkws üblicherweise deutlich umfassender informiert, als bei Skandalen zu Herstellern, deren Produkt man bereits erworben hat. Mit Blick auf den Fahrlässigkeitsvorwurf ist auch äußerst fraglich, ob von der Klagepartei überhaupt erwartetet werden konnte, die Homepage der Beklagten als Informationsquelle zu nutzten. Zu beachten ist dabei, dass hier nicht etwa eine Information von einem (selbst gewählten) Vertragspartner abzufragen war, sondern vielmehr dem Geschädigten zugemutet wurde, sich an den Hersteller, der sie getäuscht und vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, zu wenden und sich auf dessen Angeben zu verlassen. Eine dahingehende Obliegenheit scheint unbillig. Eine andere Quelle zur individuellen Betroffenheit gab es aber nicht, insbesondere hatte das Kraftfahrtbundesamt auf seiner Homepage im Jahr 2015 noch keinen Rückruf für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp veröffentlicht und die Fahrzeughalter auch noch nicht angeschrieben. Vor diesem Hintergrund erscheint es keinesfalls unverständlich, dass die Klagepartei im Jahr 2015 die Berichterstattung noch nicht hinreichend verfolgt hat, um alle anspruchsbegründenen Umstände zur Kenntnis zu nehmen, sofern dies im Jahr 2015 überhaupt schon möglich war.

Zur Überzeugung des Gerichts ist es nicht als grob fahrlässig anzusehen, dass vorliegend die Klagepartei zwar allgemein auf das Thema Abgasskandal aufmerksam wurde, jedoch nicht von sich aus weiter forschte, ob hiervon auch ihr Fahrzeug betroffen war bzw. dass eine diesbezügliche Abfragemöglichkeit auf der Website der Beklagten bestand. Die Presseberichterstattung ist voll von Skandalthemen wie beispielsweise Bad Banks, Umweltverschmutzung oder Lebensmittelskandalen, die oft negative Auswirkungen für den Einzelnen haben, aber meist zumindest nicht sofort dazu führen, dass der einzelne Verbraucher beginnt und auch nicht beginnen muss, sich über seine individuelle Betroffenheit aktiv zu informieren.

II.

Soweit die Klägerin die Feststellung des Annahmeverzugs begehrte, war die Klage abzuweisen.

Annahmeverzug setzt voraus, dass der Gläubiger die Leistung dem Schuldner so anbietet, wie sie zu bewirken ist, § 294 BGB. Es muss so vorgenommen werden, dass der Gläubiger nichts weiter zu tun braucht, als zuzugreifen und die Leistung anzunehmen (vgl. MüKo-Ernst BGB, 8.A. § 294 Rn 2 unter Verweis auf BGH NJW 1984, 1679).

Die Klägerin hat jedoch mit dem Schreiben ihrer Anwälte vom 25.09.2019 ihr Fahrzeug nicht in der oben beschriebenen Weise angeboten. Denn sie hat ihr Fahrzeug zwar gegen "Zahlung einer Nutzungsentschädigung" angeboten. Diese war jedoch für die Beklagte in keiner Weise berechenbar, da die Klägerin in dem genannten Schreiben nicht die Kilometerzahl des Fahrzeugs beim Erwerb angegeben hat.

Zwar hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung den Antrag dahin gehend umgestellt, dass sie sich eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 10.830,21 € anrechnen lassen wollte. Dies kann jedoch nachträglich bereits dem Grunde nach keinen Verzug der Beklagten zum 25.09.2019 mehr begründen. Zudem war die klägerseits berechnete Nutzungsentschädigung auch im Termin zur mündlichen Verhandlung noch zu gering bemessen. Bei einer Zug um Zug zu erbringenden Leistung tritt aber bezüglich der Gegenleistung Annahmeverzug nicht ein, wenn der Gläubiger eine deutlich zu hohe Leistung fordert (BGH VIII ZR 275/04). Es wäre unbillig, die unter Umständen weitreichenden Folgen des Annahmeverzugs dem Gläubiger aufzubürden, wenn der Schuldner seinerseits nicht bereit ist, die ihm selbst gegen Erhalt der ihm zustehenden Leistung nicht bereit erklärt.

Darüber hinaus hat die Klagepartei auch den konkreten Standort des Fahrzeugs, wo dieses abzuholen gewesen wäre, nicht mitgeteilt.

III.

Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen, soweit mehr als 1,3 Geschäftsgebühren aus der ausgeurteilten Klagesumme geltend gemacht wurden. Da es sich vorliegend um ein Massenverfahren handelt, bei dem der wesentliche Aufwand beim Klägervertreter gleichzeitig für eine Vielzahl von Verfahren anfällt, und es sich bei den eingereichten Schriftsätzen ausschließlich um Textbausteine handelt, ist ein höherer Ansatz als der Mittelsatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG) nicht gerechtfertigt. Die Sach- und Rechtslage ist weder umfangreich noch schwierig i.S.d. Nr. 2300 Anlage 1 VV RVG.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Allerdings war hier zu berücksichtigen, dass die Klagepartei ein erhebliches Zuviel an deliktischen Zinsen seit dem Kaufzeitpunkt gefordert hatte und insoweit unterlegen ist. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH und verschiedener Obergerichte (vgl. z. B. BGH VIII ZR 222/59, BGH NJW 1988, 2173, BGH III ZR 143/12, OLG Koblenz 5 U 52/08 und KG 8 U 258/11), sowie einschlägiger Kommentierungen zu § 92 ZPO (z. B. Zöller ZPO, 32. Aufl. § 92 Rz. 11) war hier ein fiktiver Streitwert unter Hinzurechnung des geltend gemachten Zinsbetrags für den Zeitraum ab Kauf bis zum Eintritt des Verzugszinsanspruchs zu bilden, und die Kosten waren im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens auch in Ansehung der Zuvielforderung an Deliktszinsen zu verteilen.

Dies ergibt einen nur für die Kostenentscheidung zu berücksichtigenden fiktiven Streitwert von 39.748,27 EUR. Insoweit obsiegt die Klagepartei lediglich in Höhe von 11.767,11 EUR, denn sie verlor in Höhe der Nutzungsentschädigung und des deliktischen Zinsanspruchs. Die Beklagte hingegen gewann in Höhe der zuviel verlangen Deliktszinsen, der Nutzungsentschädigung, soweit sie 10.830,21 EUR überstieg, sowie auch in Höhe der Nutzungsentschädigung, welche sich die Klagepartei erst im letzten Antrag beziffert anrechnen lassen wollte, da insoweit eine konkludente Klagerücknahme der Klagepartei vorlag, die bis zur mündlichen Verhandlung die Nutzungsentschädigung nicht beziffert hat. Dies ergibt aus dem fiktiven Streitwert eine Kostenquote der Klagepartei in Höhe von 70%, für die Beklagte ergibt sich eine Kostenquote von 30%.

V.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.