AGH des Landes Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.06.2021 - 1 AGH 39/20
Fundstelle
openJur 2021, 23684
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der ... Jahre alte Kläger ist seit dem Jahre 2006 zur Rechtsanwaltschaft im

Bezirk der Beklagten zugelassen, er hat seine Kanzlei in F.

Die Beklagte erhielt Kenntnis von mehreren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, so des Finanzamtes F über rd. 77.000,00 Euro (lfd. Nr. 2 der Übersicht), des Versorgungswerks mit ursprünglich rd. 12.600,00 Euro (lfd. Nr. 4). Im Rahmen der dazu erfolgen Anhörung räumte der Kläger den Bestand der Forderungen ein, bestritt aber die Höhe. Ferner behauptete er Erledigung, ohne dafür Nachweise vorzulegen. Nach mehrfachen Anforderungen und Stellungnahmen erfolgte mit der angefochtenen Verfügung der Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls. Dieser Widerruf ist gestützt auf die lfd. Nrn. 2, 4, 10 und 11. Bei den lfd. Nrn. 10 und 11 handelt es sich um zwei Kleinstforderungen des Landes Nordrhein-Westfalen über 437,00 Euro und 450,00 Euro, wegen derer Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft angeordnet wurde.

Der Kläger ist der Auffassung, es lägen insgesamt keine ungeordneten finanziellen Verhältnisse vor, zumindest keine, die er nicht in absehbarer Zeit ordnen könnte. Erst recht sei eine Interessengefährdung von Mandanten nicht gegeben, da er kein Fremdgeld einnehme. Er weise Zahlungsschuldner stets an, Fremdgeld ausschließlich auf das Konto der Mandanten zu zahlen. Seit dem 00.00.2010 werde sein Konto auf dem Briefkopf nicht mehr geführt.

Im Übrigen sei der Widerruf unverhältnismäßig. Zum einen sei durch die Corona-Pandemie seine Umsatzsituation erheblich beeinträchtigt. Außerdem habe er von Oktober bis Dezember 2019 eine schwere Erkrankung gehabt, von der er erst im Februar 2020 wieder genesen gewesen sei. Außerdem bestehe für ihn eine besondere Situation, da seine Partnerin in der Bürogemeinschaft, Frau C , seit ca. 4 Jahren versuche, sein berufliches Leben zu zerstören, wobei sie, was er im Einzelnen näher ausführt, geplant und systematisch vorgehe.

Zu den in der Vollstreckung befindlichen Forderungen führt er im Einzelnen aus (wobei die folgende Darstellung auf die Positionen beschränkt wird, die Grundlage der Widerrufsverfügung sind):

lfd. Nr. 2, Finanzamt Stadt F

Im Jahre 2020 habe er an das Finanzamt insgesamt 15.562,62 Euro gezahlt. Hieraus sei zu entnehmen, dass er auf keinen Fall zahlungsunfähig sei. Eine Gläubigerbefriedigung sei auch nicht ausgeschlossen.

lfd. Nr. 4, Versorgungswerk

Die Höhe der Forderung bestreitet der Kläger. Insgesamt sei die Forderung zudem nicht derart hoch, als dass er sie nicht ausgleichen könne.

lfd. Nr. 10, Forderung Land NRW

Hier bestehe eine Ratenzahlungsvereinbarung ebenso wie zu lfd. Nr. 11, was durch das Schreiben der Gerichtsvollzieherin vom 27.01.2021 (Anlage 5) belegt würde.

Bei Anlage 5 handelt es sich um das Schreiben der Obergerichtsvollzieherin U vom 27.01.2021, mit dem mitgeteilt wird, dass das Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft durch Antragsrücknahme erledigt würde, wenn die Kosten vom Kläger binnen 10 Tagen gezahlt würden. Diese Mitteilung ergeht in den Vollstreckungssachen 27 DR II 593/20 und 845/20 gleichlautend. Am unteren Ende der Anlage sind zwei Überweisungszeilen einkopiert, mit denen wohl belegt werden soll, dass die beiden Beträge von 21,25 Euro und 38,45 Euro an die Gerichtsvollzieherin am 28.01.2021 gezahlt wurden. Dieser Vorgang datiert nach Erlass der Widerrufsverfügung.

II.

Der Klage war der Erfolg zu versagen.

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird u. a. vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

Vorliegend sind in den von der Beklagten herangezogenen Fällen Vollstreckungsmaßnahmen und Eintragungen in das Verzeichnis erfolgt. Die Forderungen Nr. 2 und Nr. 4 sind dem Grunde nach unstrittig. Zur Forderung des Finanzamtes bestreitet der Kläger auch nicht die Höhe, er meint nur, aus den Zahlungen in einer Größenordnung von rd. 15.000,00 Euro im Jahre 2020 sei zu schließen, dass eine Zahlungsunfähigkeit in seiner Person nicht gegeben sei und "eine Gläubigerbefriedigung nicht ausgeschlossen werden könne". Dabei verkennt der Kläger, dass es auf den insolvenzrechtlichen Begriff der Zahlungsunfähigkeit nicht ankommt, sondern der Vermögensverfall in den klar umrissenen Fällen, die hier gegeben sind, vermutet wird.

Dies gilt auch für die Forderung des Versorgungswerkes, deren Berechtigung in der Höhe der Kläger zwar bestreitet, ohne jedoch im Einzelnen dazu weiter auszuführen, welche Höhe denn richtig sein soll und ob diese beglichen ist oder im Rahmen von einem mit dem Versorgungswerk abgeschlossenen Ratenzahlungsvergleich beglichen wird.

Wenngleich die Beklagte sich nur auf die Forderungen zu lfd. Nrn. 2, 4, 10 und 11 beschränkt hat, ist festzustellen, dass der Kläger auch im Übrigen seit Jahren mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Wenn er im Weiteren vorträgt, seine Bürogemeinschaftspartnerin Frau C versuche ihn beruflich zu ruinieren, trägt dies nicht dazu bei, auf geordnete Vermögensverhältnisse zu schließen.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, er gäbe seit Februar 2010 seine Kontonummer auf dem Briefbogen gar nicht mehr an, so dass eine Zahlung von Fremdgeldern, auf die er zugreifen könne, ausgeschlossen sei, gilt im Lichte der Rechtsprechung, dass eine solche Praxis jederzeit geändert werden kann und im Übrigen dem Kläger auch ohne Überweisung auf ein Bankkonto Fremdgelder anvertraut werden können. Dass der Kläger erklärt, kein Fremdgeld anzunehmen, ist nach den in diesem Punkte anzulegenden strengen Maßstab nicht erheblich, da die abstrakte Gefährdung insoweit ausreicht, um die Entgegennahme von Fremdgeld und der Zugriff darauf trotz der Beteuerungen und des - unterstellt guten - Willens des Klägers nicht ausgeschlossen werden können.

Ebenso kommt es auf den Vortrag des Klägers über seine zeitweise schwere Erkrankung und seine Sondersituation in Bezug auf Frau C nicht an. Nach der insoweit feststehenden Rechtsprechung ist die potentielle Gefahr für die Vermögensinteressen der Mandanten der ausschlaggebende Aspekt gegenüber dem die Argumente des Klägers zurücktreten.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf dem Gesetz.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen,

1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.

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