SG Halle, Urteil vom 26.10.2016 - S 35 KR 600/13
Fundstelle
openJur 2021, 23654
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Vergütung von erbrachten von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in einer Einrichtung der Behindertenhilfe im Zeitraum Mai 2011 bis 30.06.2013.

Die Klägerin betreibt einen zugelassenen ambulanten Pflegedienst und macht mit der Klage Vergütungsansprüche für die Leistungserbringung in Form von Medikamentengabe aufgrund ärztlicher Verordnungen als häusliche Krankenpflege des bei der Beklagten Versicherten ... für den Zeitraum 01.05.2011 bis zum 30.06.2013 geltend.

Diese Leistung rechnete die Klägerin monatlich gegenüber der Beklagten ab. Im Einzelnen wurden nachfolgende durch die Klägerin erbrachte Leistungen gegenüber der Beklagten abgerechnet.

Mai 2011

Re-Nr: 05/11/K06199

642,63 EUR

Juni 2011

Re-Nr:06/ll/K06414

829,20 EUR

Juli 2011

Re-Nr:07/ll/K06628

856,84 EUR

August 2011

Re-Nr:08/ll/K06878

856,84 EUR

September 2011

Re-Nr:09/ll/K07088

829,20 EUR

Oktober 2011

Re-Nr: 10/11/K10739

829,20 EUR

November 2011

Re-Nr: 11/11/K0748C

829,20 EUR

Dezember 2011

Re-Nr: 12/11/K07677

856,84 EUR

Januar 2012

Re-Nr: 01/12/K07852

856,84 EUR

Februar 2012

Re-Nr:02/12/K08090

767,01 EUR

März 2012

Re-Nr:03/12/K08454

856,84 EUR

April 2012

Re-Nr:04/12/K10745

829,20 EUR

Mai 2012

Re-Nr:05/12/K09156

856,84 EUR

Juni 2012

Re-Nr:06/12/K09465

829,20 EUR

Juli 2012

Re-Nr:07/12/K09577

780,04 EUR

August 2012

Re-Nr:08/12/K09742

856,84 EUR

September 2012

Re-Nr:09/12/K09821

829,20 EUR

Oktober 2012

Re-Nr: 10/12/K09877

856,84 EUR

November 2012

Re-Nr: 11/12/K10011

829,20 EUR

Dezember 2012

Re-Nr: 12/12/K10113

856,84 EUR

Januar 2013

Re-Nr: 12/12/K10258

856,84 EUR

Februar 2013

Re-Nr:02/13/K10334

773,92 EUR

März 2013

Re-Nr:03/13/K10471

856,84 EUR

April 2013

Re-Nr:04/13/K10597

829,20 EUR

Mai 2013

Re-Nr:05/13/K10672

856,84 EUR

Juni 2013

Re-Nr:06/13/K10768

829,20 EUR

Die Beklagte lehnte den Ausgleich der Rechnungen mit der Begründung ab, dass eine Bewilligung der durch die Klägerin erbrachten Leistung durch die Beklagte nicht vorliege.

Die Klägerin meint, sie habe nach § 37 Abs. 2 S 1 SGB V Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen. Nach der Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung häuslicher Krankenpflege sei die Medikamentengabe unter Nr. 26 der Richtlinie explizit als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege in Form der Behandlungspflege aufgeführt. Nach Nr. 26 der Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung der häuslichen Krankheitspflege ist Medikamentengabe, insbesondere verordnungsfähig bei Patienten mit einer starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit und/oder Realitätsverlust, so dass die Compliance bei der medikamentösen Therapie nicht sichergestellt werden kann, ausdrücklich aufgeführt, wobei sich Dauer und Menge der Dosierung streng nach den Verordnung des Präparats zu richten hat. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der bei der Beklagten versicherte ... leide unter anderen an einer Alkoholabhängigkeit, Fettleber durch Alkohol, Verlust der unteren Extremität oberhalb des Knies links, Dupuytren Kontraktur rechts und Z.n. Apoplexie. Aufgrund der Alkoholabhängigkeit und dem Zustand des Versicherten nach Apoplexie sei dessen (Hirn-)Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt, was u.a. zu Vergesslichkeit führe.

Der Versicherte sei nicht in der Lage, die ärztlich verordneten Medikamente allein in der notwendigen Regelmäßigkeit einzunehmen. Aufgrund der vorhandenen Hirnleistungsstörung, zum einen bedingt durch die Alkoholerkrankung, zum anderen aufgrund des Schlaganfalles würde der Versicherte die notwendige Einnahme der Medikamente schlichtweg vergessen und somit den Behandlungserfolg erheblich gefährden. Erschwerend komme hinzu, dass die feinmotorischen Fähigkeiten des Versicherten in der rechten Gebrauchshand durch die diagnostizierte Dupuytren Kontraktur erheblich eingeschränkt sei. Somit lägen beim Versicherten die Voraussetzungen für die Verordnungsfähigkeit von Behandlungspflege in Form der Medikamentengabe vor. Darüber hinaus lägen für den streitgegenständlichen Zeitraum ärztliche Verordnungen über Medikamentengabe vor.

Die Medikamentengabe diene hier zur Sicherung des ärztlichen Behandlungszieles und ergänze die ambulante ärztliche Behandlung des Versicherten. Für sämtliche hier streitgegenständliche Zeiträume lägen ärztliche Verordnungen für die häusliche Krankenpflege in Form von Medikamentengabe vor.

Darüber hinaus betreibe die Klägerin eine Einrichtung der Behindertenhilfe für Menschen mit Behinderungen infolge Sucht, in welcher der Versicherte im streitgegenständlichen Zeitraum gelebt habe. Soweit in diesem Zusammenhang von der Beklagten darauf verwiesen werde, dass ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht bestehe, weil in der Einrichtung beschäftigtes Personal den Versicherten in dem erforderlichen Umfang versorgen könne, sei dies unzutreffend. Der Versicherte müsse mit verschreibungspflichtigen hochwirksamen Medikamenten versorgt werden, die nicht von medizinischen Laien verabreicht werden dürften.

Auch soweit die Beklagte auf einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 67 SGB XII verweise, sei dies rechtsfehlerhaft, da es sich bei der Einrichtung der Behindertenhilfe gerade nicht um eine Pflegeeinrichtung i.S.d. § 71 Abs. 2 SGB XI (Pflegeheim) handele und der Versicherte auch nicht pflegebedürftig i.S.d § 14 SGB XI sei. Die Zuerkennung einer Pflegestufe durch die Pflegekasse erfolgt nicht.

Schließlich stehe dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen, dass die Beklagte bereits mit Schreiben vom 24.07.2007 die Genehmigungsfähigkeit der Verordnungen abgelehnt habe. Hierbei handele es sich nämlich um eine pauschale Ablehnung, ohne eine Einzelfallprüfung. Die zuständige Krankenkasse könne sich hier nicht mit Erfolg auf § 27 Abs. 3 Satz 1 BMV-Ä berufen, woraus folge, dass für die häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V das Regelprinzip, d. h. Notwendigkeit der Vorabgenehmigung durch die Krankenkasse berufen. Sinn und Zweck dieser Regelung sei, dass die Krankenkasse vorab im Rahmen einer Einzelfallprüfung in die Lage versetzt werde, die ärztlich verordnete konkrete behandlungspflegerische Maßnahme zu prüfen, insbesondere, ob im Haushalt des Versicherten Angehörige leben oder nahe Angehörige bestehen, die die Maßnahme übernehmen können.

Eine derartige Einzelfallprüfung habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt vorgenommen. Dies zeigt sich schon daran, dass die Beklagte mit Schreiben vom 24.07.2007 nicht nur über die ärztlichen Verordnungen des Versicherten ... entschieden habe, sondern mit gleichen Schreiben über die ärztlichen Verordnungen eines weiteren Versicherten pauschal abgelehnt und auf einen anderen Leistungsträger verwiesen habe.

Somit habe die Beklagte vorliegend gerade nicht die Genehmigung im Einzelfall verweigert, vielmehr habe sie hierüber überhaupt nicht entschieden, sondern den Leistungsanspruch nach § 37 SGB V und infolge dessen auch den Vergütungsanspruch der Klägerin, allein deswegen abgelehnt, weil die Beklagte davon ausging, dass ein Anspruch bei vollstationären Pflegeeinrichtungen nach § 43 SGB XI gegeben und die Leistung der Medikamentengabe bereits hierüber abgedeckt sei.

Die Beklagte habe somit die Genehmigungsfähigkeit der ärztlichen Verordnung in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe pauschal verneint, ohne die Voraussetzungen im Einzelfall zu prüfen. Somit betreffe der Streitgegenstand dieses Verfahrens gerade nicht das Versicherungsverhältnis, sondern die Frage der Abrechenbarkeit von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe für Menschen mit Behinderungen infolge Sucht, wo gerade keine pflegerischen, sondern pädagogische Maßnahmen im Vordergrund stehen und regelmäßig Pflegebedürftigkeit der Bewohner nach § 14 SGB XI, wie auch beim Versicherten ..., nicht gegeben sei.

Da jedoch die Abrechenbarkeit der im Rahmen der stationären Einrichtung der Wiedereingliederungshilfe für Behinderte nicht Gegenstand der der Genehmigungserfordernis umfassten Prüfung ist, habe die Beklagte weder rechtlich noch tatsächlich einen Leistungsanspruch der Klägerin verneint und damit die Genehmigung der ärztlichen Verordnung nicht verweigert, sondern sei bisher gar nicht in das Genehmigungsverfahren eingetreten (vgl. Urteil des LSG Baden Württemberg vom 20.07.2010- L 11 KR 1960/09). Im Rahmen dieser Entscheidung, der die Klägerin vollumfänglich folgt, führt das Gericht aus, dass die Nichtdurchführung eines Genehmigungsverfahrens zu Lasten der beklagten Krankenkasse geht.

Das Gericht stützt seine Entscheidung auf den Rechtsgedanken in Teil V Nr. 26 der Richtlinie über die häusliche Krankenpflege, wonach die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und von Pflegedienst erbrachten Leistung entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs. 2 SGB, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der auf die Ausstellung folgenden Werktag der Krankenkasse vorgelegt werde (LSG Baden Württemberg a.a.O.). Dies folge auch aus § 3 Abs. 2 des mit der Beklagten gem. §§ 132,132 a SGB V abgeschlossenen Versorgungsvertrages.

Im Ergebnis sei daher festzuhalten, dass eine fehlende Genehmigung der ärztlich verordneten häuslichen Behandlungspflege dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegenstehe, da eine Prüfung der Genehmigungsfähigkeit durch die Beklagte nicht durchgeführt worden sei. Bis zum Abschluss der Einzelfallprüfung und der Vorlage der Genehmigung oder Ablehnung der Genehmigung könne die Klägerin die Vergütung für die tatsächlich erbrachten Leistungen beanspruchen.

Mit der am 19.12.2013 am Sozialgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Ablehnung der Vergütung der häuslichen Pflegeleistungen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 21.537,65 EUR aus der Erbringung von medizinischer Behandlungspflege zzgl. Zinsen in Höhe von 8 % über den Basissatz zu zahlen aus 642,63 seit dem 01.06.2011, aus 829,20 seit 01.07.2011, aus 856,84 EUR seit 01.08.2011, aus 856,84 EUR seit dem 01.09.2012, aus 829,20 EUR seit dem 01.10.2011, aus 829, 20 EUR seit dem 01.11.2011, aus 829,20 EUR seit 01.12.2011, aus 856,84 EUR seit 01.01.2012,, aus 856,84 EUR seit 01.02.2012, aus 767,01 EUR seit 01.03.2012, aus 856,84 EUR seit 01.04.2012, aus 829,20 EUR seit 01.05.2012, aus 856,84 EUR seit 01.06.2012, aus 829,20 EUR seit 01.07.2012, aus 780,04 EUR seit 01.08.2012, aus 856,84 seit 01.09.2012, aus 829,20 EUR seit 01.10.2012, aus 856,84 EUR seit 01.11.2012, aus 829,20 EUR seit 01.12.2012, aus 856,84 EUR seit 01.01.2013, aus 856,84 EUR seit 01.02.2013, aus 773,92 EUR seit 01.03.2013, aus 856,84 EUR seit 01.04.2013, aus 829,20 seit 01.05.2013, aus 86,84 EUR seit 01.06.2013 und aus 829,20 EUR aus 01.07.2013.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, am 21.04.2011 sei erstmalig ab 01.04.2011 häusliche Krankenpflege in Form von Medikamentengabe viermal täglich verordnet worden. Diese beantragten Leistungen, sowie alle Folgenden seien von der Beklagten abgelehnt worden. Im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2013 habe ein Widerspruch des Versicherten vorgelegen. Dieser sei durch Widerspruchsbescheid vom 13.03.2013 zurückgewiesen worden, wobei hiergegen keine Klage erhoben worden sei. Für die gesamten streitigen Zeiträume fehle es an einer Genehmigung durch die Beklagte. Eine Genehmigung der beantragten Leistungen komme auch nicht in Betracht, da es sich bei dem Heim, in die der Versicherte lebe, nicht um einen sonst geeigneten Ort im Sinne von § 32 Abs. 2 SGB V handele. Soweit das Bundessozialgericht die Frage des geeigneten Ortes anders sehe, könne dies dahinstehen, weil es sich bei der Medikamentengabe und Maßnahmen der einfachsten Behandlungspflege handle. Insoweit unterscheidet das Bundessozialgericht nicht zwischen verschiedenen Medikamenten, die verschreibungspflichtig sind oder nicht, sondern sieht jegliche Form von Medikamentengabe als einfache Maßnahme der Behandlungspflege an. Daher liege kein Leistungsanspruch des Versicherten und dementsprechend auch kein Vergütungsanspruch der Klägerseite vor.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung der zugunsten des Versicherten ... erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Die Klage eines Leistungserbringers gegen die Krankenkasse auf Zahlung zu Unrecht nicht erbrachter Vergütung im Sinne des § 132a SGB V ist ein sog. Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist einzuhalten ist (st.Rspr, vgl. zuletzt zu § 132a SGB V 22.11.2012, B 3 KR 10/11 R unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 132a Nr. 1 Rdnr 5).

In diesem Zusammenhang hat das BSG bereits am 24.09.2002 (B 3 KR 2/02 R, zitiert nach juris) entschieden, dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege grundsätzlich der vorherigen Beantragung durch den Versicherten und der vorherigen Bewilligung gegenüber dem Versicherten durch die zuständige Krankenkasse bedürfen und der Pflegedienst selbst bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Genehmigung kein eigenes Recht hat, eine solche, ggf. rechtswidrige, Ablehnung im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geltend zu machen.

Dazu hat das BSG ausgeführt:

"3. Auf die Frage, ob die Ablehnung der Pulsmessung als Leistung der häuslichen Krankenpflege durch die Beklagte rechtmäßig war - wozu das LSG keine Feststellungen getroffen hat - kommt es nicht an. Sie betrifft allein das Versicherungsverhältnis, aus dem der Leistungserbringer keine Rechte herleiten kann.

15 Ein Anspruch der Klägerin auf Bezahlung der Pulsmessungen kann sich nur auf vertraglicher Grundlage ergeben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 60 Nr. 5). Dazu reicht der von ihr mit der Beklagten geschlossene "Vertrag über die Durchführung häuslicher Krankenpflege" vom 26. Juni 1996 allein aber nicht aus, weil er nur einen Rahmen für die auf längere Dauer angelegte rechtliche Beziehung abgibt. Der Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen entsteht nur, wenn die Kasse sie "genehmigt" hat. Dabei handelt es sich nicht um eine Genehmigung i.S. von § 184 BGB, sondern um die Auftragserteilung im konkreten Leistungsfall, die den Umfang des Auftrages festlegt. Nicht anders ist § 3 Abs. 5 des Vertrages zu verstehen, wenn er ausdrücklich die vorherige Genehmigungsbedürftigkeit jeglicher Leistungserbringung durch die Beklagte klarstellt. Weil die Krankenkasse bestimmt, in welchem Umfang sie Leistungserbringer zur Erfüllung ihrer Sachleistungsverpflichtung heranzieht, handelt derjenige, der außerhalb des erteilten Auftrags tätig wird, ohne rechtliche Grundlage und damit ohne Anspruch auf eine Vergütung. Die vertragsärztliche Verordnung ändert daran nichts; sie ist schon vom Geschehensablauf nicht mit einer Arzneimittelverordnung vergleichbar, bei der vor Aushändigung des Medikaments auf eine Bewilligung durch die Kasse verzichtet wird, so dass der Apotheker, der sich an die ärztliche Verordnung hält, in seinem Vertrauen auf Bezahlung durch die Kasse geschützt werden muss (BSGE 77, 194, 199f = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1). Diesem Vertrauensschutzgesichtspunkt haben die Vertragsparteien dadurch Rechnung getragen, dass für den Fall, dass die "Genehmigung" der Kasse nicht rechtzeitig eingeholt werden konnte, der Umfang der ärztlichen Verordnung maßgebend für die Leistungserbringung ist."

Die Beklagte hat auf jede Verordnung von HKP hin, den Antrag mit einem an den Versicherten, der trotz bestehender Betreuer jeweils selbst die Leistung beantragt hatte, abgelehnt und eine Abschrift dieser Ablehnung jeweils an die Klägerin übermittelt. Die Klägerin wusste mithin, dass die Beklagte ihre Leistungspflicht ablehnt.

Soweit der Versicherte selbst Widerspruch erhoben hat, ist teilweise unter Einschaltung des Betreuers keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhoben worden.

Das Gericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Genehmigung nicht vorgelegen haben, was jedoch nicht in einem Streitverfahren des Leistungserbringers mit der Krankenkasse, sondern des Versicherten mit der Kasse zu klären ist.

Das BSG hat bereits am 24.09.2002 (B 3 KR 2/02 R, zitiert nach juris) entschieden, dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege grundsätzlich der vorherigen Beantragung durch den Versicherten und der vorherigen Bewilligung gegenüber dem Versicherten durch die zuständige Krankenkasse bedürfen und der Pflegedienst selbst bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Genehmigung kein eigenes Recht hat, eine solche, ggf. rechtswidrige, Ablehnung im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren geltend zu machen.

Dazu hat das BSG ausgeführt:

"3. Auf die Frage, ob die Ablehnung der Pulsmessung als Leistung der häuslichen Krankenpflege durch die Beklagte rechtmäßig war - wozu das LSG keine Feststellungen getroffen hat - kommt es nicht an. Sie betrifft allein das Versicherungsverhältnis, aus dem der Leistungserbringer keine Rechte herleiten kann.

Ein Anspruch der Klägerin auf Bezahlung der Pulsmessungen kann sich nur auf vertraglicher Grundlage ergeben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 60 Nr. 5). Dazu reicht der von ihr mit der Beklagten geschlossene "Vertrag über die Durchführung häuslicher Krankenpflege" vom 26. Juni 1996 allein aber nicht aus, weil er nur einen Rahmen für die auf längere Dauer angelegte rechtliche Beziehung abgibt. Der Anspruch auf Vergütung der erbrachten Leistungen entsteht nur, wenn die Kasse sie "genehmigt" hat. Dabei handelt es sich nicht um eine Genehmigung i.S. von § 184 BGB, sondern um die Auftragserteilung im konkreten Leistungsfall, die den Umfang des Auftrages festlegt. ... Weil die Krankenkasse bestimmt, in welchem Umfang sie Leistungserbringer zur Erfüllung ihrer Sachleistungsverpflichtung heranzieht, handelt derjenige, der außerhalb des erteilten Auftrags tätig wird, ohne rechtliche Grundlage und damit ohne Anspruch auf eine Vergütung. Die vertragsärztliche Verordnung ändert daran nichts; sie ist schon vom Geschehensablauf nicht mit einer Arzneimittelverordnung vergleichbar, bei der vor Aushändigung des Medikaments auf eine Bewilligung durch die Kasse verzichtet wird, so dass der Apotheker, der sich an die ärztliche Verordnung hält, in seinem Vertrauen auf Bezahlung durch die Kasse geschützt werden muss (BSGE 77, 194, 199f = SozR 3-2500 § 129 Nr. 1). Diesem Vertrauensschutzgesichtspunkt haben die Vertragsparteien dadurch Rechnung getragen, dass für den Fall, dass die "Genehmigung" der Kasse nicht rechtzeitig eingeholt werden konnte, der Umfang der ärztlichen Verordnung maßgebend für die Leistungserbringung ist."

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Leistungserbringer einen Anspruch auf Genehmigung hat, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung vorliegen, verhilft das vorliegend nicht zum Erfolg, da die verordnete HKP nicht genehmigungsfähig war.

Das Bundessozialgericht (Urteil vom 25.02.2015 B 3 KR 11/14 R, zitiert nach juris) hat zu der Frage der häuslichen Krankenpflege in Einrichtungen der Behindertenhilfe entschieden, dass Heime der Behindertenhilfe geeignete Orte im Sinne des § 37 SGB V sein können, jedoch einfachste Maßnahmen der Krankenpflege, die für Versicherte in einem Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können (hier: Medikamentengabe und Blutdruckmessung), aber in der Regel als gesetzlicher Bestandteil der Eingliederungshilfe zu den Maßnahmen gehören, die von der stationären Einrichtung als Hilfe zur Führung eines gesunden Lebens zu erbringen sind, keine Leistungen der HKP auslösen können.

Das BSG hat ausgeführt, dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet sind, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann (Rn 22). Gleichzeitig hat es ausgeführt:

"Rn 28: Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.. ..Rn 29 .. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat § 37 Abs. 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört z.B. regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern".

Das Gericht geht auf dieser Grundlage davon aus, dass die hier streitige Gabe von Tabletten nach festgelegter ärztlicher Anordnung in den Aufgabenbereich der Klägerin fällt. Es handelt sich bei dem Haus "..." um eine Einrichtung zum betreuten Wohnen von Menschen mit teilweise erheblichen Gesundheitsschäden aus langjährigem Alkohol- oder anderem Suchtmittelkonsum. Bei diesen Bewohnern ist davon auszugehen, dass eine regelmäßige Gabe von Medikamenten in Tablettenform erforderlich ist, um die Folgeerkrankungen zu lindern. Das ist der Klägerin bekannt, das Haus ist auf dieses Klientel spezialisiert. Der Umstand, dass zunächst jedenfalls im Zeitraum von 2000 bis 2007 eine Krankenschwester im Haus beschäftigt war, belegt, dass hier durchaus Versorgungsbedarf gesehen wurde.

Das Gericht geht für den Fall des Versicherten ... davon aus, dass die streitige Medikamentengabe in einem Haushalt von einem anderen erwachsenen Haushaltsmitglied sichergestellt werden würde. Da es vorliegend wohl am ehesten zu Compliance-Problemen kommen könnte, der Versicherte sich also ggf. weigern würde die Medikamente einzunehmen, sieht das Gericht auch nicht, weshalb hier ein ausgebildeter Heilerziehungspfleger, der den Versicherten aus längerer Zusammenarbeit kennt, mit der Aufgabe überfordert sein könnte, eine Mitarbeiterin eines Pflegedienstes jedoch "besseren" Zugang zum Versicherten haben sollte. Auch der immer wieder bemühte Unterschied zwischen verschreibungspflichtigen und verschreibungsfreien Medikamenten wird vom Bundessozialgericht nicht vorgenommen und ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, da er auch für andere Haushaltsangehörige nicht angenommen wird. Es ist hier davon auszugehen, dass es auf diese Frage nicht ankommt, da jegliche Medikamentengabe mit einer nicht unerheblichen Verantwortung verbunden ist.

Maßgeblich ist allein, dass hier Maßnahmen geschuldet sind, die zum Kernbereich dessen gehören, was Einrichtungen der Behindertenhilfe zu leisten haben und es nicht im Detail auf die zwischen den Sozialhilfeträgern und den Einrichtungen abgeschlossenen Verträge ankommt. Im Ergebnis sollen diese Träger es nach der Rechtsprechung des BSG nicht in der Hand haben, Verträge abzuschließen, die quasi wie Verträge zu Lasten Dritter, nämlich der Krankenkassen, bestimmte Leistungen ausklammern, die regelhaft in diesen Einrichtungen zu erbringen sind.

Demnach war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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