AGH des Landes Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.2021 - 1 AGH 31/20
Fundstelle
openJur 2021, 23640
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der am 00.00.1971 geborene Kläger ist seit dem 24.11.2003 zur Rechtsanwaltschaft bei der Beklagten zugelassen.

Mit Schreiben vom 05.08.2020 hörte die Beklagte den Kläger zu den ihr bekannt gewordenen Eintragungen im Zentralen Schuldnerregister des Amtsgerichts Hagen an. Dort befanden sich fünf Eintragungen, sämtlich wegen der Nichtabgabe der Vermögensauskunft.

Der Kläger schrieb daraufhin am 27.08.2020 an die Beklagte:

"Unter Bezugnahme auf Ihre neuerliche Anfrage überreiche ich anliegend nochmals eine Aufstellung in Form einer Gegenüberstellung der titulierten Forderung und der Zahlungen nebst zugehörigen Belegen. Sollten weitere Unterlagen benötigt werden, erbitte ich Ihre Mitteilung."

Weder die angekündigte Aufstellung in Form einer Gegenüberstellung der titulierten Forderung und der Zahlungen noch die angekündigten Belege waren diesem Schreiben beigefügt.

Mit Bescheid vom 11.09.2020 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft und begründete dies mit drei Eintragungen, die sämtlich die Nichtabgabe der Vermögensauskunft zum Inhalt hatten und zwar am 18.09.2017, 09.03.2018 und 27.02.2019.

Die Eintragung wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft vom 18.09.2017 ist nach Zustellung des Widerrufsbescheids gelöscht worden.

Der Widerrufsbescheid wurde dem Kläger am 15.09.2020 zugestellt. Hiergegen erhebt der Kläger Klage mit Schriftsatz vom 14.10.2020, der am 15.10.2020 beim Anwaltsgerichtshof eingeht.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Rechtsanwaltskammer vom 11.09.2020, zugestellt am 15.09.2020, aufzuheben.

Zur Begründung führt er aus, dass sämtliche Verbindlichkeiten inzwischen getilgt seien. Der Fortbestand der Eintragung beruhe darauf, dass er - rechtsirrig - davon ausgegangen sei, dass die Angelegenheiten mit der Zahlung erledigt waren. Die Löschungsanträge seien inzwischen in Bearbeitung und die Steuererklärung wurde nachgeholt. Er kündigt an, eine vertiefende Begründung seiner Klage sowie die Zahlungsbelege nachzureichen.

Das geschieht bis zur mündlichen Verhandlung nicht. In der mündlichen Verhandlung stellt der Kläger den Vermögensverfall unstreitig. Zahlungsbelege legt er keine vor.

Weiterhin trägt der Kläger vor, dass er in der Vergangenheit noch niemals Mandantengelder veruntreut und dass noch nicht einmal in Erwägung gezogen habe. Darüber hinaus würden sämtliche Gelder auf Konten fließen, über die er keine Vermögensmacht habe.

Die Vermögensmacht über sämtliche Kanzleikonten, über die ausschließlich die Gelder der Mandanten und Dritte fließen würden, stünde ausschließlich Herrn Rechtsanwalt A und dessen in der Kanzlei tätigen Ehefrau zu.

Die Beklagte beantragt,

die Klage vom 10.04.2020 gegen den Widerruf vom 11.09.2020, zugestellt am 15.09.2020, kostenpflichtig zurückzuzuweisen.

Sie verweist auf die nach wie vor bestehenden zwei Eintragungen wegen der Nichtabgabe der Vermögensauskunft und die Begründung in dem angefochtenen Bescheid.

Wegen der Einzelheiten des jeweiligen Parteivortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Gründe:

I.

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Sie ist fristgerecht erhoben.

II.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist formell wie auch materiellrechtlich rechtmäßig und verletzt demzufolge den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten.

Der Bescheid ist verfahrensfehlerfrei ergangen, insbesondere ist der Kläger ordnungsgemäß nach § 28 Abs. 1 VwVfG angehört worden.

Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Zulassung des Klägers zu Recht gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen.

Gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtssuchenden werden hierdurch nicht gefährdet.

Ein Vermögensverfall liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Senates vor, wenn der Anwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.08.2019 - AnwZ (Brfg) 42/19, AGH NRW, Urteil vom 26.04.2019 - 1 AGH 43/18).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfall vorliegen, ist der Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens. (BGH, Beschluss vom 06.05.2021 - AnwZ (Brfg) 38/20; BGH, Beschluss vom 29.06.2011 - AnwZ (Brfg) 11/10; AGH NRW, Urteil vom 30.06.2017, 1 AGH 79/16).

Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen ist.

Im vorliegenden Fall lagen zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerrufsbescheides insgesamt 5 Eintragungen im Schuldnerverzeichnis vor. Dass danach Eintragungen gelöscht worden sind, ist ohne Bedeutung, da die Löschungen nach dem Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens erfolgten.

Tatsachen, die die gesetzliche Vermutungswirkung entkräften könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Der Vermögensverfall des Klägers gefährdet auch die Interessen der Rechtsuchenden.

Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwaltes grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, so kann die Gefährdung nur in seltenen Fällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (BGH, Beschluss vom 10.07.2019 - AnwZ (Brfg) 39/19).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes setzt die Annahme einer derartigen Sondersituation voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindert (BGH, Beschluss vom 15.12.2017 - AnwZ (Brfg) 11/17; Beschluss vom 21.02.2018 - AnwZ (Brfg) 72/17).

Einen derartigen Sachverhalt trägt der Kläger nicht vor. Er übt seinen Beruf in einer Kanzlei aus, bei der drei Berufsträger nach außen auftreten. Ob es sich um Sozien, Angestellte oder eine Bürogemeinschaft handelt, ist weder vom Kläger vorgetragen, noch ermittelbar. Die Kanzlei firmiert unter dem Namen "A - B- C". Ebenso wenig ist vorgetragen und auch ermittelbar, über welche Konten er verfügungsbefugt ist oder nicht. Auch der ihm obliegenden Feststellungslast ist er damit nicht nachgekommen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112 c, 154 VwGO und §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO sowie §§ 194 Abs. 1, 2 BRAO, 52 GKG.

Ein Anlass, die Berufung nach § 124 VwGO, § 112 c Abs. 1 BRAO zuzulassen, besteht nicht. Der Rechtsstreit weist weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§§ 124 a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 VwGO). Ein Fall der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist beim Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstr. 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.

Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen,

1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf diese Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts vorliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf den die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Die Festsetzung des Streitwertes ist unanfechtbar.

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