Schleswig-Holsteinisches OVG, Urteil vom 08.07.2021 - 2 LB 99/18
Fundstelle
openJur 2021, 23445
  • Rkr:

Soweit Teile eines Straßenzuges unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen und deshalb zu unterschiedlichen Gemeinde- und Anliegeranteilen führen, sind sie ausbaubeitragsrechtlich als verschiedene Einrichtungen zu behandeln (im Anschluss an Senatsurteil vom 26. September 2007 - 2 LB 20/07 -).

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom26. September 2018 geändert.

Der Bescheid vom 16. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2015 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen die Heranziehung zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 44.711,94 Euro für den Aus- und Umbau der Uferstraße zwischen Schleusenstraße und Uferstraße 58 in der Stadt Kiel.

Die Uferstraße ist etwa 2,2 km lang und verläuft von der Mecklenburger Straße im Osten entlang des Nord-Ostsee-Kanals unter der Holtenauer Hochbrücke hindurch bis zu den Siloanlagen des Nordhafens. Die anliegenden Grundstücke werden für Hafen- und Gewerbezwecke genutzt. Im Bereich westlich der Hochbrücke befinden sich im Wesentlichen das Betriebsgelände der ... (im Folgenden: ...) mit ihren Siloanlagen, östlich davon Tanklager, der Eingang zur Kanalschleuse und Gewerbebetriebe sowie früheres, nicht mehr genutztes Bundeswehrgelände.

Die Uferstraße wurde im östlichen Bereich zwischen Schleuseneingang (Maklerstraße) und Einmündung in die Mecklenburger Straße und im westlichen Bereich zwischen der Hochbrücke und dem Grundstück Uferstraße 72 durch Verfügung vom 7. Dezember 1970 dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Das dazwischenliegende Teilstück zwischen der Hochbrücke und dem Schleuseneingang stand zunächst im Eigentum des Deutschen Reiches bzw. der Bundesrepublik Deutschland (Bundeswasserstraßenverwaltung) und ging erst 1972 aufgrund eines Grundstückstauschvertrages auf die Beklagte über. Für diesen Straßenabschnitt existierte bis März 2018 keine förmliche Widmung, denn die Beklagte hat erst mit Verfügung vom 19. März 2018, öffentlich bekannt gemacht am 23. März 2018, diesen Straßenabschnitt für den öffentlichen Verkehr gewidmet. Hierbei erfolgte eine Widmung des Teilstücks zwischen Hochbrücke und Schleusenstraße als Kreisstraße und des Teilstücks zwischen Schleusenstraße und Maklerstraße als Gemeindestraße. Westlich des Grundstücks Uferstraße 72 führt die Uferstraße zwar auf Plänen weiter und ein Befahren ist auch tatsächlich möglich, in diesem Bereich wurde die Straße jedoch für den öffentlichen Verkehr eingezogen. Sie führt jetzt über die Betriebsgelände der ... und der Fa. ... GmbH und Co. KG.

Gegen die Widmungsverfügung vom 19. März 2018 legte die Klägerin am 26. September 2018 Widerspruch ein. Mittlerweile ist ein Klageverfahren beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 3 A 46/19 anhängig.

Der Bauausschuss der Beklagten beschloss am 5. Juli 2007 den Um- und Ausbau der Uferstraße auf einer Länge von ca. 625 m zwischen der Hochbrücke (Uferstraße 58) im Westen und der Einmündung der Schleusenstraße im Osten (Straßenzug Schleusenstraße/Uferstraße). Die Arbeiten wurden zwischen Mai 2009 und Juni 2011 durchgeführt. Die Straße wurde erheblich verbreitert und die Fahrbahn erhielt einen frostsicheren Unterbau und eine neue Asphaltdecke. Der Gehweg wurde als kombinierter Geh- und Radweg auf die Südseite verlegt. Auf der Südseite wurde gleichzeitig eine Stützmauer errichtet, um den Hang abzusichern. Zugleich wurden die Beleuchtungsanlagen angepasst. Nördlich der Fahrbahn wurde ein Parkstreifen angelegt. Die Schlussabnahme fand am 21. Juni 2011 statt. Dieser Bereich war zuletzt 1974/1975 ausgebaut worden. Die Beklagte hat die Baumaßnahme umfassend in ihrem Erläuterungsbericht zum Um- und Ausbau der Uferstraße zwischen Schleusenstraße und Uferstraße 58 vom 28. Dezember 2006 beschrieben. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 11 bis 18 der Beiakte B Bezug genommen. Im Vorwege der Baumaßnahme wurde der durch die Baumaßnahme betroffene Straßenzug Schleusenstraße/Uferstraße bereits zur Kreisstraße (K 32) aufgestuft.

Die Klägerin ist Eigentümerin des ... qm großen, gewerblich u.a. mit einem Tanklager genutzten Grundstücks Mecklenburger Str. ... (Flurstücke ... und ...), das am östlichen Ende der Uferstraße an der Einmündung in die Mecklenburger Straße gelegen ist. Die Zufahrt zu diesem Grundstück erfolgt nach Angaben der Klägerin hauptsächlich über die Mecklenburger Straße durch eine Toreinfahrt. Zudem existieren zwei weitere Zufahrten, die über die Uferstraße erreicht werden. Das Grundstück der Klägerin liegt weder direkt an der Mecklenburger Straße, noch direkt an der Uferstraße an. Zur Uferstraße hin ist das Grundstück der Klägerin durch das Flurstück ..., welches im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht, getrennt.

Mit Bescheid vom 16. März 2015 zog die Beklagte die Klägerin zu einem Ausbaubeitrag heran.

Die Beklagte ging bei der Berechnung der Beiträge davon aus, dass die Uferstraße insgesamt zwischen der Mecklenburger Straße im Osten und dem Grundstück Uferstraße 72 im Westen beitragsrechtlich eine Einrichtung bildet und stufte die Straße als Innerortsstraße mit einem Anliegeranteil je nach Teileinrichtung zwischen 50 % und 55 % ein. Von den Gesamtkosten in Höhe von 1.782.979,21 Euro legte sie 901.765,04 Euro auf die Anlieger um und ermittelte eine Beitragsfläche von insgesamt 424.745 qm, sodass sich ein Beitragssatz je qm Beitragsfläche von 2,1230739 Euro ergab. Zudem setzte die Beklagte für das Grundstück der Klägerin einen Nutzungsfaktor von 1,90 fest. Für die Klägerin ergab sich so eine Beitragshöhe in Höhe von 44.711,94 Euro ([Grundstücksgröße x Nutzungsfaktor] x Beitragssatz).

Zur Begründung ihres dagegen fristgerecht eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, dass die Einrichtung Uferstraße von Westen aus gesehen bei natürlicher Betrachtungsweise an der Einmündung der Maklerstraße ende, da dieser Einmündungsbereich zusammen mit dem hier nach Süden abknickenden Straßenverlauf zu einer Zäsurwirkung führe. Diese führe dazu, dass der Straßenverlauf ab diesem Punkt nicht mehr zu der abrechenbaren Einrichtung gehöre, sodass das Grundstück der Klägerin nicht ins Abrechnungsgebiet habe einbezogen werden dürfen. Zudem sei der Beitrag der Höhe nach fehlerhaft festgesetzt.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. August 2015 zurück und führte zur Begründung unter anderem aus, dass nach natürlicher Betrachtungsweise die Uferstraße insgesamt eine Einrichtung darstelle. Weder die Einmündung der Schleusenstraße noch die der Maklerstraße seien als Zäsuren wahrnehmbar. Auch wenn der ausgebaute Fahrbahnteil einen Meter breiter sei als der nicht ausgebaute Teil, sei dies beim Befahren der Straße nicht bemerkbar. Hinzu komme, dass die Gestaltung der Umgebung im Verlauf der gesamten Einrichtung nahezu identisch sei. Auf der südlichen Straßenseite befinde sich ein Hang, auf der nördlichen Straßenseite sei Bebauung und gewerbliche Nutzung vorhanden. Die auf der nördlichen Straßenseite verlaufenden Bahnschienen würden dieses Bild verdeutlichen. Ein Abknicken der Straße allein führe nicht dazu, dass ein einheitlicher Straßenzug rechtlich als mehrere Einrichtungen einzustufen sei. Zudem handele sich auch insgesamt um eine Innerortsstraße.

Hiergegen hat die Klägerin am 31. August 2015 Klage erhoben und am 22. September 2015 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11. Mai 2016 - 9 B 31/15 - die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet und zur Begründung ausgeführt, dass zwar die Einrichtung richtig bestimmt und die Uferstraße auch im ausgebauten Teilbereich gewidmet sei. Das Grundstück der Klägerin liege jedoch nicht unmittelbar an der Uferstraße an und sei somit als Hinterliegergrundstück einzustufen. Es handele sich hierbei aber nicht um ein gefangenes Hinterliegergrundstück, da es an der Mecklenburger Straße anliege. Damit könne die Klägerin kein Notwegerecht zur Uferstraße geltend machen.

Mit Beschluss vom 21. Juli 2016 - 2 MB 12/16 - hat der Senat unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestünden. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handele es sich um ein gefangenes Hinterliegergrundstück, da das klägerische Grundstück nicht an der Mecklenburger Straße anliege. Der Grundstücksstreifen zwischen dem Grundstück der Klägerin und der Mecklenburger Straße sei nicht gewidmet. Damit gebe es keine rechtlich gesicherte Zufahrt zur Mecklenburger Straße. Es bestünden drei mögliche Verbindungen vom Grundstück der Klägerin zu öffentlichen Straßen - zwei zur Uferstraße und eine durch das Torhaus zur Mecklenburger Straße. Zur Uferstraße bestehe kein dingliches Wegerecht, jedoch habe die Klägerin ein Notwegerecht. Aufgrund der geringen Belastung für die Grundstücke, über die der Notweg führen könnte, der jahrelang geübten Praxis, diese Wege zu nutzen und der wirtschaftlichen sowie sicherheitsbedingten Bedeutung der verschiedenen Zufahrtsmöglichkeiten zum Betriebsgelände sei ausnahmsweise von mehreren verschiedenen Notwegerechten - auch zur Uferstraße - auszugehen, so dass das Grundstück beitragspflichtig sei.

Im Nachgang zum Eilverfahren hat die Klägerin die erhobene Klage begründet und ergänzend zum Vortrag im Widerspruchsverfahren ausgeführt, dass bereits im Kreuzungsbereich Uferstraße/Schleusenstraße von einer Zäsurwirkung auszugehen sei. Dies folge aus dem Umstand, dass der Ausbau der Uferstraße im Wesentlichen erfolgt sei, um dem anfallenden Schwerlastverkehr, der aus dem Nordhafen komme, gewachsen zu sein. Dieser solle dann über die Schleusenstraße zu den Schnellstraßen abgeleitet werden. Östlich der Einmündung Schleusenstraße falle ein solcher Schwerlastverkehr nicht im nennenswerten Umfang an. Dies führe zu einer anderen Verkehrsbedeutung des ausgebauten Straßenabschnitts im Gegensatz zum nicht ausgebauten Straßenabschnitt und zu der Einordnung der jeweiligen Straßenabschnitte als eigenständige Einrichtungen. Darüber hinaus erwachse der Klägerin durch den streitgegenständlichen Ausbau kein Vorteil, denn ihr Grundstück grenze nicht an die ausgebaute Uferstraße an, sondern werde von dieser durch einen im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) stehenden Grundstücksstreifen (frühere Schienen - Flst. ... -) abgetrennt. Eine rechtlich dinglich gesicherte Zufahrt über dieses Grundstück bestehe nicht. Weiter hat sie ausgeführt, dass entgegen der Annahme des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts der Gehweg an der Mecklenburger Straße gewidmet sei und dazu auch der zum Zeitpunkt der Widmung noch in ihrem Eigentum stehende Grundstücksstreifen gehöre. Die Zustimmung dazu werde von ihr nachträglich erteilt. Im Übrigen seien die Ausführungen des Senats zum Notwegerecht unzutreffend. Die Existenz mehrerer Notwegerechte sei ausgeschlossen. Falls man ein Wahlrecht bejahe, übe sie dies dahingehend aus, dass der Notweg zur Mecklenburger Straße ausgewählt werde. Dort - durch das Torhaus - bestehe ihre Hauptzufahrt. Die behelfsmäßige Zufahrt zur Uferstraße werde nur sporadisch genutzt.

Zudem sei auch nicht erkennbar, dass hinsichtlich des ausgebauten, nicht förmlich gewidmeten Teils der Uferstraße die Voraussetzungen einer Widmungsfiktion nach § 57 Abs. 3 StrWG vorlägen, sodass es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung handele.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 16.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2015 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie ergänzend zum Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass die Einrichtung korrekt bestimmt worden sei. Die Einrichtung Uferstraße ende im Osten weder bereits an der Einmündung der Schleusenstraße noch bei der platzartigen Erweiterung bei der Einmündung der Maklerstraße. Die einmündende Schleusenstraße stelle nach natürlicher Betrachtungsweise keine Zäsur dar. Der Verkehrsteilnehmer nehme diese nicht als trennend wahr. Das gesamte Erscheinungsbild der Straße und die identische Verkehrsfunktion sprächen dafür, die Uferstraße in ihrem gesamten Verlauf als einheitliche Einrichtung anzusehen.

Zudem handele sich bei dem ausgebauten Straßenstück auch um eine öffentliche Einrichtung. Der ausgebaute Bereich habe zur Zeit des Ausbaus als gewidmeter Bereich gegolten. Die Uferstraße sei seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts sowohl westlich als auch östlich der Hochbrücke Zufahrt zum Nordhafen bzw. zum Hafen auf der Nordmole gewesen und habe damit dem öffentlichen Verkehr gedient. Das Deutsche Reich als Eigentümerin habe zumindest stillschweigend der Widmung der parallel zum Kanal verlaufenden Wegefläche zugestimmt, dies ergebe sich zum Beispiel aus einem Vertrag aus dem Jahr 1922 zwischen dem Deutschen Reich - Wasserstraßenamt - und der Stadt Kiel als Unterhaltungspflichtige über die Errichtung von Straßenleuchten. Auch in Hafengebieten sei öffentlicher Verkehr uneingeschränkt zulässig. Darauf komme es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts jedoch nicht mehr an, da die Beklagte diesen Teil der Uferstraße mit Verfügung vom 19. März 2018 ebenfalls formal gewidmet habe und die Widmung bestandskräftig sei. Damit sei ein eventueller Widmungsmangel geheilt.

Auch werde die Zufahrt zum Grundstück der Klägerin über das Flurstück ... tatsächlich genutzt und es existiere eine vertragliche Gestattung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Darüber hinaus stehe der Klägerin ein Notwegerecht zur Uferstraße zu, da ihr Grundstück auch an die Mecklenburger Straße nicht unmittelbar anliege. Es werde von dieser durch einen nicht gewidmeten, im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücksstreifen getrennt.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 9. Kammer - hat nach Durchführung eines Ortstermins die Klage mit Urteil vom 26. September 2018 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der angefochtene Beitragsbescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Uferstraße sei insgesamt als öffentliche Straße einzustufen, da das Teilstück zwischen der Hochbrücke und der Maklerstraße durch Widmungsverfügung vom 19. März 2018 ebenfalls öffentlich gewidmet worden sei. Diese Widmungsverfügung sei zu berücksichtigen, auch wenn sie erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids bekannt gegeben worden sei. Zudem sei der ausgebaute Teil der Straße bereits zum Zeitpunkt der Abnahme der Baumaßnahme gemäß § 57 Abs. 3 Satz 1 StrWG eine öffentliche Straße gewesen. Auch habe die Klägerin von der Erneuerung der Uferstraße einen Vorteil. Die Uferstraße stelle in ihrem gesamten Verlauf zwischen der Einmündung in die Mecklenburger Straße im Osten und der Grenze des gewidmeten Straßenverlaufs vor dem Grundstück Uferstraße 72 im Westen eine einheitliche Einrichtung dar, da weder die Einmündung der Schleusenstraße noch die platzartige Erweiterung vor der Einmündung der Maklerstraße weiter östlich Zäsuren mit Trennwirkung darstellten. Die Uferstraße habe im Bereich der Einmündung der Schleusenstraße einen geradlinigen Verlauf und sei in beide Richtungen weit einsehbar, sodass die Schleusenstraße als einmündende Straße wahrgenommen werde. Dieser Eindruck werde durch den Umstand verstärkt, dass der an der Uferstraße entlangführende Fahrradweg durch eine Markierung auf der Fahrbahn der Schleusenstraße über diese hinübergeführt werde. Zudem stellten Unterschiede in der Ausgestaltung der Einrichtung am Ende der Ausbaustrecke nicht regelmäßig das Ende der Einrichtung dar. Bei der Einmündung der Maklerstraße könne nicht von einer Zäsur wegen einer platzartigen Erweiterung gesprochen werden. Vielmehr sei die Uferstraße hier südlich weiter von dem Hang und nördlich durch die Bahnschienen begrenzt. Der östlich dieses Bereichs etwas schmalere Straßenverlauf und die leichte Biegung führten zu keiner anderen Einschätzung. Darüber hinaus sei eine unterschiedliche Verkehrsfunktion westlich und östlich der Schleusenstraße nicht erkennbar. Auch wenn das Grundstück der Klägerin nicht unmittelbar an der Uferstraße anliege, Eigentümerverschiedenheit vorliege und eine dingliche Sicherung fehle, bestehe eine Beitragspflicht, denn das Grundstück sei auf die Zuwegung zur streitgegenständlichen Straße nach den tatsächlichen Verhältnissen geradezu angewiesen, sodass die übrigen Anlieger die Einbeziehung der Klägerin in den Kreis der Beitragspflichtigen erwarten durften.

Hiergegen hat die Klägerin am 29. November 2018 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und macht ergänzend geltend:

Der ausgebaute Teil der Uferstraße sei nicht als öffentliche Straße anzusehen. Die nachträgliche förmliche Widmung könne nicht dazu führen, dass der ausgebaute Teil der Uferstraße zum Zeitpunkt der Abnahme der Baumaßnahme dem öffentlichen Verkehr gedient habe. Über ihre Klage gegen die Widmungsverfügung sei noch nicht entschieden worden. Gegen die Annahme, die Uferstraße stelle insgesamt eine Einrichtung dar, spreche zudem, dass die Uferstraße östlich der Einmündung der Straße Am Kiel-Kanal in den Außenbereich eintrete und diesen erst wieder auf Höhe des Hauptzollamts verlasse. Dies folge aus dem Umstand, dass auf der südlichen Straßenseite eine Böschung liege und der Bebauungszusammenhang auf der nördlichen Straßenseite zumindest in diesem Teilbereich ende. Diese Annahme werde durch die Einschätzung gestützt, dass es sich bei der Böschung um einen Steilhang und ein gesetzlich geschütztes Biotop handeln dürfte. Auch sei die Uferstraße im Bereich des ausgebauten Abschnitts zu einer Kreisstraße heraufgestuft worden. Dies unterstreiche die unterschiedlichen Verkehrsfunktionen der Uferstraße. Zudem sei das Grundstück der Klägerin nicht auf die Zuwegung zur streitgegenständlichen Straße nach den tatsächlichen Verhältnissen geradezu angewiesen. Die Zufahrt werde für betrieblichen Verkehr nicht genutzt. Bei der Annahme eines Notwegerechts müsse bedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin gewerblich genutzt werde und somit eine hohe Inanspruchnahme des Notwegs erfolge.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 9. Kammer - vom 26. September 2018 den Bescheid vom 16. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. August 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt.

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf das erstinstanzliche Urteil sowie ihren Vortrag in der ersten Instanz. Ergänzend führt sie an, dass die Annahme der Klägerin, die Uferstraße verlaufe im Bereich der Straße Am Kiel-Kanal und Hauptzollamt im Außenbereich, nicht zutreffe. Im nördlichen Bereich des Straßenabschnitts liege ein Bebauungszusammenhang vor. Dieser Bereich sei Teil des Nord-Ostsee-Kanals. Die Bundeswasserstraßenverwaltung nutze diese Flächen für Reparaturarbeiten und zur Vorbereitung von Unterhaltungsarbeiten. Darüber hinaus könne allein die Einstufung eines Bereichs als Biotop - was im Übrigen nicht vorliege - nicht dazu führen, diesen Bereich als Außenbereich zu klassifizieren. Darüber hinaus führt die Beklagte aus, dass die Aufstufung der Uferstraße im ausgebauten Abschnitt zur Kreisstraße nur erfolgt sei, um Zuschüsse vom Land Schleswig-Holstein zu erhalten. Eine unterschiedliche Verkehrsbedeutung gehe damit nicht einher, zumal auch im Bereich der Einmündung Schleusenstraße Richtung Osten zumindest ein ebenso hohes Verkehrsaufkommen an Pkw vorliege.

Die Richterin des Senats ... hat aufgrund Beschlusses vom 28. April 2021 die Örtlichkeiten am 4. Juni 2021 in Augenschein genommen. Auf die Niederschrift sowie die gefertigten Lichtbildaufnahmen wird Bezug genommen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die streitgegenständliche Örtlichkeit anhand der in den Ortsterminen erster und zweiter Instanz gefertigten Lichtbilder mit den Beteiligten erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom26. September 2018 ist zu ändern und der Bescheid der Beklagten vom 16. März 2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19. August 2015 aufzuheben. Denn dieser ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Ausbaubeitrags für die Baumaßnahme an der Uferstraße im Bereich Uferstraße 58 und Einmündung Schleusenstraße ist § 8 Abs. 1 KAG i.V.m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Aus- und Umbau und die Erneuerung öffentlicher Straßen, Wege und Plätze (Ausbaubeitragssatzung) vom 16. Juli 2010. Die 1. sowie die 2. Nachtragssatzung vom 5. Februar 2014 bzw. 1. Februar 2017 sind nicht anwendbar, da die sachliche Beitragspflicht mit Abnahme am 21. Juni 2011 entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - 2 LB 15/09 -, Rn. 42, juris). Auf die im März 2018 erfolgte förmliche Widmung kommt es nämlich für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht an, da der streitgegenständliche Straßenbereich bereits vor Beginn der Baumaßnahme durch die Hochstufung zur Kreisstraße konkludent gewidmet wurde. Auch wenn die Beklagte die Ausbaubeitragssatzung mit Satzung vom 1. Mai 2018 ersatzlos aufgehoben hat, ist die Ausbaubeitragssatzung für die streitgegenständliche Baumaßnahme noch anwendbar. Art. 2 der Aufhebungssatzung bestimmt nämlich, dass die Ausbaubeiträge noch erhoben werden, wenn die sachliche Beitragspflicht vor dem 1. Mai 2018 entsteht oder entstanden ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG sind Beiträge zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen.

Diese Voraussetzungen liegen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts für die Klägerin nicht vor. Ihr erwächst durch den Ausbau der oben genannten Teil-strecke kein Vorteil im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG.

Auch wenn nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts der Ausbau nur einer Teilstrecke einer Einrichtung zur Heranziehung der Grundstückseigentümer, deren Grundstücke an der Einrichtung außerhalb der Ausbaustrecke gelegen sind, führen kann, da sich die Vorteilswirkung einer Straßenbaumaßnahme grundsätzlich nicht auf den technischen Bauabschnitt beschränkt, sondern sich auf alle an der Einrichtung gelegenen Grundstücke erstreckt (vgl. Urteile vom 5. März 2015 - 4 LB 4/14 -, Rn. 51 und vom 21. Oktober 2009, a.a.O., Rn. 48, beide juris), ist die Klägerin nicht beitragspflichtig. Ihr Grundstück liegt - unabhängig davon, ob es als ein bevorteiltes gefangenes Hinterliegergrundstück zu qualifizieren ist - nicht an der (teilweisen) ausgebauten Einrichtung an.

Die Uferstraße stellt nämlich von Osten kommend ab der Einmündung der Schleusenstraße bis (mindestens) zur Uferstraße 58 eine selbstständige Einrichtung dar.

Einrichtung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG ist regelmäßig die im Gemeindegebiet verlaufende Straße in ihrer gesamten Ausdehnung. Für die Feststellung der räumlichen Ausdehnung einer Einrichtung ist wie im Erschließungsbeitragsrecht auch im Straßenausbaubeitragsrecht, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise und ungeachtet einer etwa wechselnden Straßenbezeichnung, auf das Erscheinungsbild eines Straßenzugs (z. B. die Straßenführung, Straßenbreite und -länge, Straßenausstattung, Zahl der "erschlossenen" Grundstücke), seine Verkehrsfunktion sowie auf vorhandene Abgrenzungen (Kreuzungen, Einmündungen), die eine Verkehrsfläche augenfällig als eigenständiges Element des Straßennetzes erscheinen lassen, abzustellen (stRspr des OVG Schleswig, vgl. nur Urteile vom 28. Oktober 1997 - 2 L 281/95 -, Rn. 22, vom 21. Oktober 2009, a.a.O., Rn. 52, vom 5. März 2015, a.a.O., Rn. 53, vom 30. November 2005 - 2 LB 81/04 -, Rn. 36, alle juris und für das Erschließungsbeitragsrecht OVG Schleswig, Urteil vom 31. Mai 2018 - 2 LB 2/17 -, Rn. 48 und BVerwG, Urteil vom 6. Februar 2020 - 9 C 9.18 -, Rn. 19, beide juris). Dabei verlangt die Annahme einer einheitlichen Einrichtung hinsichtlich des Kriteriums "äußeres Erscheinungsbild des Straßenzugs" nicht, dass sämtliche genannten Eigenschaften durchgehend gegeben sind. Vielmehr kann auch eine einheitliche Einrichtung in verschiedenen Abschnitten unterschiedliche Merkmale aufweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Januar 2008 - 2 LA 87/07 -, nicht veröffentlicht und Senatsurteil vom 25. Juni 2003 - 2 LB 55/02 -, Die Gemeinde 2003, 268 <269>). Als Abgrenzungen, die geeignet sind, einen Straßenzug in zwei Einrichtungen zu teilen, kommen nicht nur Kreuzungen oder Einmündungen in Frage, sondern z. B. auch platzartige Erweiterungen und Bahnunterführungen. Maßgeblich bleibt insoweit aber stets das äußere Erscheinungsbild der konkret zu beurteilenden Einrichtung (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2005, a.a.O., Rn. 37). Was für die eine Einrichtung ein markantes Merkmal oder einen markanten Punkt mit trennender Wirkung ausmacht, kann bei einer anderen Einrichtung in ihrer Gesamterscheinung kaum auffallen. Im Übrigen sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten, wie sie im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht vorliegen, für die Beurteilung relevant. Auf die Historie der erstmaligen Herstellung einer Straße kommt es im Ausbaubeitragsrecht nicht an (vgl. Senatsurteile vom 25. Juni 2003, a.a.O. und vom 26. September 2007 - 2 LB 20/07 -, Rn. 25, juris).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erscheint es zumindest möglich, dass die Uferstraße in der Vergangenheit eine einheitliche Einrichtung bildete. Darauf kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids aber nicht an. Denn entscheidend ist die Gestaltung der Straße nach Umsetzung des erfolgten Bauprogramms. Mit Fertigstellung des Bauprogramms hat die Beklagte aus der Teilstrecke Uferstraße ab Einmündung der Schleusenstraße bis zur Uferstraße 58 eine eigenständige Einrichtung geschaffen.

Der Einmündungsbereich der Schleusenstraße stellt eine beitragsrechtlich relevante Abgrenzung dar; ihm kommt mithin eine Zäsurwirkung zu. Dies folgt zum einen aus der nach Abschluss des Bauprogramms (neu) entstandenen unterschiedlichen Verkehrsfunktion der Uferstraße westlich der Einmündung Schleusenstraße und zum anderen aus den äußeren Begebenheiten, wie sie sich für den Senat nach erfolgter Inaugenscheinnahme vor Ort und Einsicht der dort gefertigten Lichtbilder darstellen.

Soweit Teile eines Straßenzuges unterschiedlichen Verkehrsfunktionen dienen und deshalb zu unterschiedlichen Gemeinde- und Anliegeranteilen führen, sind sie ausbaubeitragsrechtlich als verschiedene Einrichtungen zu behandeln (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2007, a.a.O., Rn. 27). Gemäß § 2 Abs. 1 der Ausbaubeitragsatzung sind für Anlieger- und Innerortsstraßen unterschiedliche Beitragsanteile für die Anlieger zu erheben. Die Beklagte hat die Uferstraße insgesamt als Innerortsstraße gemäß § 3 Nr. 2 Ausbaubeitragssatzung klassifiziert. Diese Klassifizierung unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung (Senatsurteil vom 23. Juli 2008 - 2 LB 54/07 -, Rn. 31, juris). Der Senat folgt der Klassifizierung der Uferstraße insgesamt als Innerortsstraße nicht.

Westlich der Einmündung Schleusenstraße hat die Beklagte die Klassifizierung der Uferstraße als Innerortsstraße rechtsfehlerfrei angenommen. Innerortsstraßen sind nach § 3 Nr. 2 ihrer Ausbaubeitragsatzung Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und überwiegend dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dienen. Die von der Satzung verwendeten Begriffe sind regelmäßig nicht straßenrechtlich, sondern beitragsrechtlich zu verstehen, sodass maßgeblich auf die Funktion der Straße abzustellen ist. Die Zuordnung zu einer in der Ortssatzung der Gemeinde vorgesehenen Straßenkategorie hat sich in ihren wesentlichen, für die Straße insgesamt bedeutsamen und sie überwiegend charakterisierenden Merkmalen auszurichten, wobei von der Funktion der Straße im Gesamtverkehrsnetz der Gemeinde auszugehen ist, wie sie durch ihre Lage, die Art der Ausgestaltung und die Belastung ihre Ausprägung gefunden hat. Dabei sind Lage, Ausgestaltung und Verkehrsbelastung allerdings nur Indizien, sie können zur Verkehrsfunktion und damit letztlich ausschlaggebenden tatsächlichen Verkehrsbedeutung der Straße in Widerspruch stehen. Erheblich und entscheidend ist die Prägung der abzurechnenden Einrichtung durch sie charakterisierenden Merkmale. Diese Prägung ist vor allem auch durch die innerörtliche Funktion gekennzeichnet (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2008, a.a.O., Rn. 32 ff.).

Die Uferstraße hat im ausgebauten Bereich eine solche innerörtliche Verkehrsfunktion. Im Erläuterungsbericht zum Um- und Ausbau der Uferstraße zwischen Schleusenstraße und Uferstraße 58 vom 28. Dezember 2006 führt die Beklagte aus, dass der Straßenzug Schleusenstraße/Uferstraße im Stadtteil Kiel-Wik die Haupterschließungsstraße des Nordhafens mit den an dem Nord-Ostsee-Kanal liegenden Gewerbe- und Industrieflächen sei. Infolgedessen sei der Straßenzug Schleusenstraße/Uferstraße mit der im November 2004 erfolgten Verkehrsfreigabe des Wiker Knotens (Anschluss an das übergeordnete Straßennetz - B 503, B 76, A 215) in das klassifizierte Straßennetz der Landeshauptstadt Kiel übernommen worden. Es sei eine Aufstufung des Straßenzuges zur Kreisstraße 32 erfolgt. Langfristig erfolge der Um- und Ausbau auch, um dem im westlichen Bereich der Uferstraße verstärkt aufkommenden Schwerlastverkehr (ca. 350 Lkw/24h; d.h. 23 % des Verkehrsaufkommens) zum Nordhafen weiterhin aufnehmen zu können und um das Gewerbegebiet im Projensdorfer Gehölz über den Straßenzug Uferstraße/Schleusenstraße an das übergeordnete Straßennetz anzubinden und somit gleichzeitig eine Entlastung der Wohngebiete an der weiterführenden Projensdorfer Straße zu erreichen. Die Beklagte hat insoweit ganz bewusst eine neue Verkehrsfunktion des ausgebauten Teils der Uferstraße angestrebt, die sich von dem Bereich der Uferstraße östlich der Einmündung Schleusenstraße abhebt. Dass nach Angaben der Beklagten die Aufstufung des Straßenzuges zur Kreisstraße 32 nur erfolgt sei, um Zuschüsse vom Land zu erhalten, kann nicht zu einer anderen Einschätzung führen. Die Verkehrsfunktion ist in dieser Form entstanden. Zudem ist es für die Beurteilung des streitgegenständlichen Bescheids auch nicht von Bedeutung, dass die Beklagte ausweislich des Erläuterungsberichts zum Um- und Ausbau der Uferstraße zwischen Schleusenstraße und Uferstraße 58 vom 28. Dezember 2006 langfristig den gesamten Um- und Ausbau der Uferstraße anstrebt. Denn wie oben bereits ausgeführt, sind die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich, wie sie im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht vorliegen.

Der Bereich der Uferstraße östlich der Einmündung Schleusenstraße stellt sich entgegen der Klassifizierung der Beklagten nach Auffassung des Senats als Anliegerstraße mit einer anderen Verkehrsfunktion dar. Anliegerstraßen dienen nach§ 3 Nr. 1 ihrer Ausbaubeitragssatzung überwiegend dem Zugang oder der Zufahrt zu den von ihnen erschlossenen Grundstücken. Als Anliegerverkehr ist mithin derjenige Verkehr anzusehen, der zu den in Anspruch genommenen Grundstücken hinführt und von ihnen ausgeht; sogenannter Ziel- und Quellverkehr (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2008, a.a.O., Rn. 33). Der östlich der Einmündung Schleusenstraße gelegene Teil der Uferstraße dient nicht dazu, auch in nicht unmittelbar anliegenden Gewerbegebieten anfallenden Schwerlastverkehr im erheblichen Umfang zum übergeordneten Straßennetz zu leiten. Vielmehr dient dieser Straßenteil (nahezu) nur dazu, den Verkehr zu den anliegenden Grundstücken (einschließlich der touristischen Attraktionen und Gastronomie) aufzunehmen. Dies beruht auch auf dem unterschiedlichen Ausbauzustand der beiden Straßenabschnitte (dazu sogleich).

Für diese unterschiedliche Klassifizierung spricht auch der Umstand, dass die Beklagte das Teilstück zwischen Hochbrücke und Schleusenstraße als Kreisstraße und das Teilstück zwischen Schleusenstraße und Maklerstraße als Gemeindestraße gewidmet hat. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 StrWG sind Kreisstraßen Straßen, die überwiegend dazu bestimmt sind, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt oder mit benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten oder dem Anschluss von Gemeinden an Bundesfernstraßen, Landesstraßen, Eisenbahnhaltestellen, Schiffsladeplätze und ähnliche Einrichtungen zu dienen. Diesen Zweck soll die Uferstraße im ausgebauten Bereich zusammen mit der Schleusenstraße erfüllen, indem sie den aufkommenden Schwerlastverkehr auf das übergeordnete Straßennetz leitet. Insoweit bestätigt die straßenrechtliche Betrachtungsweise die maßgebliche beitragsrechtliche Betrachtungsweise.

Zwar führt bereits die unterschiedliche Verkehrsfunktion dazu, dass von mindestens zwei verschiedenen Einrichtungen auszugehen ist. Dies wird aber ergänzend verstärkt durch die äußeren Begebenheiten im Einmündungsbereich der Schleusenstraße, die ebenfalls zu der Annahme einer beitragsrechtlich relevanten Abgrenzung und mithin zu einer Zäsurwirkung führen.

Befährt man die Uferstraße aus Richtung Osten kommend ab deren Einmündung in die Mecklenburger Straße erscheint die Straßenbreite zunächst eher schmal und ein Begegnungsverkehr zwischen zwei Lkws als kaum möglich. Auf der nördlichen Straßenseite ist der Gewerbebetrieb der Klägerin angesiedelt, auf der südlichen Seite befindet sich ein grün bewachsener Hang mit Stützmauer. Ein Geh- und/oder Radweg ist weder auf der südlichen, noch der nördlichen Straßenseite vorhanden. Ein kurzes Stück der Uferstraße scheint neu asphaltiert zu sein. Dieser Zustand ändert sich im weiteren Straßenverlauf. Die weiterhin sehr schmal wirkende Uferstraße weist erhebliche Beschädigungen in der Straßendecke auf. Die Uferstraße ist nun sowohl südlich, als auch nördlich der Straßenseite grün eingewachsen, wobei auf der nördlichen Seite teilweise noch ein schmaler Sandstreifen verläuft, und trifft im weiteren Verlauf mit einer Linkskurve auf die Einmündung der Maklerstraße. Auf der südlichen Seite der Uferstraße befindet sich nunmehr abermals ein grüner Hang, während auf der nördlichen Straßenseite eine platzartige Erweiterung/Auswölbung der Uferstraße vorhanden ist, die sich vor dem Zollamt erstreckt und mitunter auch als Parkfläche dient. Die parallel nördlich zur Uferstraße verlaufenden Bahnschienen (außer Betrieb) treten hier erstmals aus der Begrünung sichtbar hervor. Allerdings sind die Bahnschienen mittlerweile im Einmündungsbereich der Maklerstraße bis westlich des Zollamts mit einer Asphaltdecke bedeckt. Im Jahr 2018 waren die Bahnschienen, wie sich aus den vom erstinstanzlichen Gericht gefertigten Lichtbildern ergibt, noch nicht vollständig mit Asphalt bedeckt. Vielmehr erfolgte bis dahin lediglich mithilfe des Asphalts eine Angleichung der Schienen an die Straße. Westlich des Zollamts treten die Schienen wieder in die Begrünung ein und sind nicht mehr ohne weiteres erkennbar. Westlich des Zollamts verläuft die Uferstraße geradlinig weiter Richtung Hochbrücke. Der Straßenzustand ist hier unverändert als eher schlecht und schmal einzustufen. Auf der südlichen Straßenseite ist weiterhin der grüne Hang. Auf der nördlichen Straßenseite ist nun neben der Fahrbahn ein nicht befestigter Geh- und Radweg vorzufinden, der durch Betonleitplanken von der Fahrbahn abgegrenzt ist. Dieser Straßenverlauf ist nun bis zur Einmündung der Straße Am Kiel-Kanal gleichbleibend, wobei die Betonleitplanken für ein kurzes Stück von Metallbügeln abgelöst werden. Dort enden dann sowohl der südlich gelegene grüne Hang, als auch der nördlich gelegene nicht befestigte Geh- und Radweg, der in einen asphaltierten Geh- und Radweg übergeht. Auf der südlichen Straßenseite befindet sich im weiteren Verlauf der Einmündungsbereich der Straße Am Kiel-Kanal und der Schleusenstraße. Der Straßenzustand ist nun als neuwertig zu bezeichnen (Beginn der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme) und die Fahrbahn hat sich augenscheinlich deutlich verbreitert. Westlich der Einmündung der Schleusenstraße endet der nördlich verlaufende Geh- und Radweg. Stattdessen befindet sich nun auf der südlichen Straßenseite der Uferstraße ein von der Schleusenstraße kommender neu ausgebauter kombinierter Geh- und Radweg. Ein beidseitiger abgesenkter Bordstein ermöglicht von der östlichen Uferstraße kommenden Radfahrern das Wechseln der Straßenseite. Der neu ausgebaute Radweg ist durch einen Schutzstreifen von der Fahrbahn abgetrennt. Südlich des Radwegs befindet sich wiederum ein grüner Hang mit Stützmauer. Die Uferstraße verläuft hier weiterhin geradlinig Richtung Hochbrücke. Nördlich der Fahrbahn befindet sich ein Parkstreifen für Pkw und Lkw. Daneben sind Gewerbebetriebe und die parallel zur Uferstraße verlaufenden Bahnschienen gelegen. Kurz vor der Hochbrücke wechselt der Ausbauzustand der Uferstraße wieder. Der kombinierte Geh- und Radweg endet. An der nördlichen Straßenseite befindet sich ein schmaler nicht befestigter Streifen, der als Geh- und Radweg dienen kann. Der Straßenzustand verschlechtert sich wieder.

Diesen Eindruck der örtlichen Begebenheiten zugrunde gelegt, verändert sich das Erscheinungsbild der Uferstraße ab dem Bereich der Einmündung Schleusenstraße bis kurz vor der Hochbrücke deutlich, auch wenn der Straßenverlauf der Uferstraße vor und hinter dem Einmündungsbereich der Schleusenstraße geradlinig ist. Die Uferstraße wurde sichtlich verbreitert und ausgebaut. Auf der südlichen Fahrbahnseite wurde ein breiter, gut ausgebauter kombinierter Geh- und Radweg angelegt. Auf der nördlichen Fahrbahnseite befindet sich nunmehr ein Parkstreifen. Ein solcher ist vorher im gesamten Bereich der Uferstraße nicht vorzufinden. Die platzartige Erweiterung der Uferstraße im Bereich des Zollamts/Einmündung der Maklerstraße ist mit einem solchen Parkstreifen schon vom Erscheinungsbild her nicht vergleichbar. Denn auch wenn diese Erweiterung zum Parken genutzt wird, so stellt sich dieser Bereich nicht als parallel zum Fahrbahnrand verlaufender Parkstreifen dar. Auch der östlich der Einmündung Maklerstraße gelegene Sandstreifen, ist nicht als ein solcher Parkstreifen zu identifizieren. Weder die Breite, noch die bauliche Beschaffenheit lassen einen Vergleich zu dem neu entstandenen Parkstreifen westlich der Einmündung Schleusenstraße zu. Die Beklagte hat in der schriftlichen Beschreibung der Baumaßnahme ausgeführt, dass die Errichtung eines solchen Parkstreifens erforderlich ist, um auch bei abgestellten Fahrzeugen (Lkw) einen Begegnungsverkehr zu ermöglichen. Eine solche Möglichkeit bestand offensichtlich vor Abschluss der Baumaßnahme in der gesamten Uferstraße nicht. Hinzu kommt, dass die Uferstraße auf dem ausgebauten Teilstück wegen der augenscheinlich vorgenommenen Fahrbahnverbreiterung (nach Angaben der Beklagten wurde die Straße um einen Meter verbreitert; vgl. hierzu auch Bauzeichnung Bl. 4 der Beiakte B) unabhängig von dem neu entstandenen Parkstreifen nun auch gefahrlos Begegnungsverkehr von größeren Fahrzeugen (Lkw/Schwerlasttransporte) zulässt. Im Verlauf der Uferstraße von der Mecklenburger Straße bis zur Einmündung der Straße Am Kiel-Kanal erscheint dies zumindest nicht uneingeschränkt ohne größere Rangierarbeiten möglich.

Der Eindruck einer Zäsurwirkung im Bereich der Einmündung der Schleusenstraße wird weiter durch den "Übergang" der Schleusenstraße in die Uferstraße verstärkt. Durch den im Einmündungsbereich vergleichbaren Ausbauzustand der Schleusenstraße mit dem der Uferstraße im Bereich der Baumaßnahme stellt sich für einen natürlichen Betrachter die Ausgestaltung so dar, dass die Uferstraße und die Schleusenstraße an dieser Stelle eine Einheit bilden. Die Schleusenstraße führt mit einer Linkskurve in die Uferstraße und setzt sich dann fort. Diese Betrachtungsweise wird durch den unterschiedlichen Ausbauzustand der Uferstraße östlich des Einmündungsbereichs der Schleusenstraße bestätigt. Auch führt der neu gebaute kombinierte Geh- und Radweg kurvenförmig in die Schleusenstraße und setzt sich dort zumindest ein kurzes Stück fort. Ein Autofahrer könnte anhand der äußeren Begebenheiten sogar davon ausgehen, dass er sich von der Schleusenstraße kommend auf einer nach links abbiegenden Vorfahrtsstraße befindet. An diesem Gesamteindruck ändert weder die weiß eingezeichnete Fahrbahnbegrenzung im Einmündungsbereich, noch der Fahrradüberweg über die Schleusenstraße etwas. Die weiße Fahrbahnbegrenzung führt nicht dazu, dass man die Uferstraße weiterhin als strikt von der Schleusenstraße getrennt betrachtet. Die Markierung dient vielmehr den Autofahrern als Orientierungspunkt für den Abbiegevorgang. Auch der Fahrradüberweg kann nicht dazu führen, die Uferstraße östlich der Einmündung der Schleusenstraße weiterhin als eine Einrichtung mit dem vorherigen Straßenverlauf einzustufen. Dies folgt zum einem aus dem Umstand, dass der Fahrradweg östlich der Einmündung Schleusenstraße auf dieser Fahrbahnseite endet, zum anderem aus dem Umstand, dass auch Radfahrer, die in die Schleusenstraße abbiegen möchten, diesen Überweg nutzen, da der Radweg auf der westlichen Seite der Schleusenstraße alsbald endet. Auch Radfahrer, die von der Schleusenstraße aus nach links in die Uferstraße abbiegen, nutzen diesen Überweg, um anschließend den neu gebauten kombinierten Geh- und Radweg zu nutzen. Dass der Radweg nach dem Überweg ein kurzes Stück über die Uferstraße Richtung Norden führt, damit Radfahrer sodann die Straßenseite wechseln können, um den dortigen Radweg weiter Richtung Osten zu nutzen, stellt diesen Eindruck nicht in Frage. Radfahrer aus Richtung Osten kommend werden nicht hier die Straßenseite wechseln, um sodann den Fahrradüberweg über die Schleusenstraße zu nutzen. Sie werden vielmehr den Fahrradweg auf der nördlichen Seite zu Ende fahren und dann den abgesenkten Bordstein nutzen, um den neuen kombinierten Geh- und Radweg zu nutzen. Der vom Senat gewonnene Eindruck kann nicht durch die nahezu identischen örtlichen Begebenheiten im gesamten Verlauf der Uferstraße mit der im nördlichen Bereich der Uferstraße vorhandenen gewerblichen Bebauung und dem südlich verlaufenden Hang in Frage gestellt werden.

Da hieraus bereits die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 16. März 2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 19. August 2015 folgt, kommt es auf die übrigen von den Beteiligten aufgeworfenen Fragestellungen nicht mehr entscheidungserheblich an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 Satz 1 und § 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) nicht ersichtlich sind.