VG Münster, Beschluss vom 28.04.2021 - 9 Nc 21/20
Fundstelle
openJur 2021, 23231
  • Rkr:

Zur - hier ausgeschöpften - Aufnahmekapazität der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster für das 1. vorklinische Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin (Wintersemester 2020/2021)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller/die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller/die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - ggf. hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt - die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der X. zum ersten vorklinischen Fachsemester nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters (WS) 2020/2021 außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität bzw. die Teilnahme an einem Losverfahren zur Verteilung außerkapazitär vorhandener Studienplätze.

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) hat durch die Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2020/2021 vom 30. Juni 2020 (GV. NRW. 2020, S. 678) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. November 2020 (GV. NRW. 2020, S. 1072) die Zahl der von der X. im ersten vorklinischen Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin aufzunehmenden Studierenden auf 146 festgesetzt. Dieser Zahl steht nach der Mitteilung des Studierendensekretariats der Antragsgegnerin eine tatsächliche Einschreibungszahl von 153 Studierenden (Stand: Vorlesungsbeginn am 2. November 2020) für das verfahrensbetroffene erste vorklinische Fachsemester gegenüber.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens, den Inhalt der Gerichtsakten des Leitverfahrens im streitgegenständlichen Studiengang Humanmedizin (9 Nc 38/20) sowie auf den Inhalt der von der Antragsgegnerin vorgelegten Kapazitätsunterlagen sowie der hierauf bezogenen Erläuterungen verwiesen.

II.

Der Antrag des Antragstellers/der Antragstellerin,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn/sie vorläufig für das Wintersemester (WS) 2020/2021 zum Studium der Humanmedizin im 1. vorklinischen Fachsemester außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität (ggf. hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt) zuzulassen,

hat keinen Erfolg.

Der Antragsteller/die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegnerin zum WS 2020/2021 im 1. vorklinischen Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin über die Zahl der tatsächlich vergebenen Studienplätze hinaus (zumindest) ein freier Studienplatz zur Verfügung steht, der durch gerichtliche Entscheidung an ihn/sie vergeben werden könnte, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.

Das Gericht hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Studienplätze des ersten vorklinischen Fachsemesters des Studiengangs Humanmedizin zum WS 2020/2021 entsprechend den Angaben der Antragsgegnerin vom 5. Januar 2021 besetzt sind. Durch die Besetzungszahl von 153, der kapazitätsdeckende Wirkung zukommt, wird die festgesetzte Zulassungszahl von 146 abgedeckt und sogar um die Zahl 7 überschritten.

Die durch die Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2020/2021 vom 30. Juni 2020 (GV. NRW. 2020, S. 678) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 15. November 2020 (GV. NRW. 2020, S. 1072) festgesetzte Zulassungszahl lässt nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen Überprüfung durch das Gericht keine Fehler erkennen.

Rechtsgrundlage für die Kapazitätsermittlung für das Studienjahr 2020/2021 und damit für das WS 2020/2021 ist die Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung - KapVO -) vom 25. August 1994 (GV. NRW. 1994, S. 732), zuletzt geändert durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 20. September 2020 (GV. NRW. 2020, S. 907).

Der Festsetzung der Zulassungszahl liegt nach den Bestimmungen der KapVO die jährliche Aufnahmekapazität zugrunde, die hier auf die einzelnen Vergabetermine (Wintersemester bzw. Sommersemester) aufgeteilt wird. Die Aufnahmekapazität für den Berechnungszeitraum des Studienjahres 2020/2021 wird ermittelt durch Berechnung aufgrund der zum 1. März 2020 (§ 5 Abs. 1 KapVO) erhobenen und zum letzten Berechnungsstichtag (hier: zum 15. September 2020, § 5 Abs. 3 KapVO) überprüften Daten zum Lehrangebot nach Maßgabe der Vorschriften des Zweiten Abschnitts der KapVO. Dieses Berechnungsergebnis ist sodann anhand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts dieser Verordnung zu überprüfen.

Lehrangebot:

Das Gericht geht nach der Überprüfung der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen, zu denen der "Stellenplan Vorklinik 15.09.2020" zählen, davon aus, dass der Lehreinheit Vorklinische Medizin, wie dies auch in der Kapazitätsberechnung des MKW zum letzten Überprüfungszeitpunkt 15. September 2020 zugrunde gelegt worden ist, für das Studienjahr 2020/2021 insgesamt 42,5 Personalstellen (davon 39,5 reguläre "HH-Stellen" und 3 "HP-Stellen" aus dem Hochschulpakt) kapazitätsbeachtlich zur Verfügung stehen und dass diese Stellen sowohl hinsichtlich der Verteilung auf die einzelnen Stellengruppen als auch hinsichtlich der jeweils zugrunde gelegten Regellehrdeputate beanstandungsfrei in die Berechnung des Regel-Lehrangebots durch die Hochschule und das Ministerium einbezogen worden sind.

Der maßgebliche Stellenbestand und das - zunächst unbereinigte - Lehrangebot stellen sich zur Überzeugung des Gerichts wie folgt dar:

Stellengruppe

Deputat je Stelle

in Deputatstunden (DS)

Anzahl

Stellen

(= Wert Vorjahr)

Summe Deputatstunden

(DS)

(= Wert Vorjahr)

W3 Universitätsprofessor

6 (6)

54 (54)

W2 Universitätsprofessor

3 (3)

27 (27)

A15 - 13 Akad. Rat mit ständigen Lehraufgaben

2 (2)

18 (18)

A15 - 13 Akad. Rat ohne ständige Lehraufgaben

2 (2)

10 (10)

A13 Akad. Rat

auf Zeit

8 (7)

32 (28)

TV-L Wiss.

Angestellter

(befristet)

(11 HH + 2 HP =) 13 (15)

52 (60)

TV-L Wiss.

Angestellter

(unbefristet)

(7,5 HH + 1 HP =) 8,5

(8)

68 (64)

Summe

42,5 (43)

261 (261)

Soweit für das hier zu prüfende Berechnungsjahr 2020/2021 im Vergleich zum vorausgegangenen Berechnungsjahr 2019/2020 Veränderungen eingetreten sind, nämlich durch Umwandlung einer Stelle wissenschaftlich befristeter Angestellter in eine 0,5 Stelle wissenschaftlich unbefristeter Angestellter sowie durch Umwandlung einer Stelle wissenschaftlich befristeter Angestellter in eine Stelle Akademischer Rat auf Zeit, so ist dies kapazitätsneutral.

Die Antragsgegnerin hat auf entsprechende gerichtliche Nachfrage auch ausdrücklich bestätigt, dass in der Lehreinheit Vorklinische Medizin keine befristet beschäftigten wissenschaftlichen Angestellten vorhanden sind, deren Befristung zum letzten Berechnungsstichtag durch arbeitsgerichtliche Entscheidung oder aufgrund übereinstimmender Abrede der Vertragsparteien in Wegfall geraten ist.

Das Gesamtregellehrangebot von (unbereinigt) 261 DS ist für den Berechnungszeitraum des Studienjahres 2020/2021 beanstandungsfrei im Umfang von insgesamt 2 DS wegen individueller Lehrleistungsermäßigung für eine Lehrkraft gekürzt worden. Diese Kürzung beruht, wie im vorausgegangenen Berechnungszeitraum 2019/2020, auf der zusätzlichen Tätigkeit von Q. ,

vgl. hierzu https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/44541416?context=projekt&task=showDetail&id=44541416& (Abruf vom 25. April 2020),

und seiner - fortbestehenden - Präsidentschaft der B -Stiftung.

Vgl. hierzu https://www.humboldtfoundation.de/entdecken/organisation/derpraesident (Abruf vom 25. April 2020).

Dies rechtfertigt, wie bereits für den vorausgegangenen Berechnungszeitraum entschieden worden ist,

vgl. zuletzt VG Münster, Beschluss vom 2. Januar 2020 - 9 Nc 19/19 -, juris, Rn. 17 ff., m. w. N.,

eine Kürzung des Regellehrdeputats im Umfang von 2 DS nach § 5 Abs. 2 LVV, § 9 Abs. 2 Satz 1 KapVO.

Eine Erhöhung des Lehrangebots gemäß § 10 KapVO wegen nach dieser Vorschrift einzubeziehender Lehrauftragsstunden scheidet aus, da nach den nicht in Zweifel zu ziehenden Angaben der Antragsgegnerin in dem maßgeblichen Referenzzeitraum (erneut) keine solchen auf die Pflichtlehre bezogenen Lehraufträge erteilt worden waren.

Das (unbereinigte) Lehrangebot ist nach summarischer Prüfung ferner beanstandungsfrei gemäß § 11 KapVO um die Dienstleistungen vermindert worden, die die Lehreinheit Vorklinische Medizin für die ihr nicht zugeordneten Studiengänge Experimentelle Medizin (Masterstudiengang), Pharmazie und Zahnmedizin (jeweils Staatsexamensstudiengänge) erbringt. Die dabei zum letzten Berechnungsstichtag 15. September 2020 jeweils angesetzten Werte Caq und Aq/2 dieser Studiengänge (Caq: 0,37, 0,05 und 0,87; Aq/2 = 0,5, 62,5 und 49,5) lassen nach summarischer Prüfung durch das Gericht zulasten des Antragstellers/der Antragstellerin gehende methodische oder rechnerische Fehler nicht erkennen. Hieraus folgt ein rechtmäßig angesetzter Dienstleistungsexport von (0,19 DS + 3,13 DS + 43,07 DS =) 46,39 DS.

Unter Berücksichtigung der individuellen Dienstleistungsermäßigung und des Dienstleistungsexports errechnet sich damit ein bereinigtes Lehrangebot der Lehreinheit von (261 DS - 2 DS - 46,39 DS =) 212,61 DS, woraus ein bereinigtes Lehrangebot für das Studienjahr 2020/2021 von (2 x 212,61 DS =) 425,22 DS (Vorjahr: 424,98 DS) folgt.

Lehrnachfrage und Aufnahmekapazität

Die Lehrnachfrage wird nach § 13 Abs. 1 KapVO i. V. m. deren Anlage 2 durch den Curricularnormwert (CNW) bestimmt. Dieser beträgt für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin 2,42.

Von diesem normativ festgesetzten Curricularnormwert ist auszugehen; gleiches gilt nach summarischer Prüfung von dem Curriculareigenanteil (Cap) der Lehreinheit Vorklinische Medizin der X. in Höhe von - unverändert gegenüber dem vorherigen Studienjahr -

vgl. VG Münster, Beschluss vom 2. Januar 2020 - 9 Nc 19/19 -, juris, Rn. 30,

1,50. Rügen hinsichtlich des Curriculareigenanteils hat die Antragstellerseite auch nicht erhoben.

Nach der Formel (5) der Anlage 1 zu § 6 KapVO ergibt sich damit eine jährliche Aufnahmekapazität Ap im Vorklinischen Teil des Studiengangs Medizin von (425,22 : 1,50 =) 283,48, gerundet 283 Studienplätzen.

Überprüft man diese jährliche Aufnahmekapazität von 283 Studienplätzen nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts der KapVO, so führt dies auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin und vom Ministerium nach dem sogenannten Hamburger Modell ermittelten Schwundausgleichsfaktor von 0,97,

vgl. zum im vorherigen Studienjahr bestehenden (für die Zulassung zum hier streitbefangenen 1. Fachsemester kapazitätsungünstigeren) Schwundausgleichsfaktor von 0,98 VG Münster, Beschluss vom 2. Januar 2020 - 9 Nc 19/19 -, juris, Rn. 32 f.,

zu einer Erhöhung der Jahreskapazität im Wege des Schwundausgleichs (§§ 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO) auf (283 : 0,97 =) 291,75, gerundet 292 Studienplätze für das erste vorklinische Fachsemester.

Aus der so ermittelten Jahreskapazität von 292 Studienanfängerplätzen ist beanstandungsfrei bei der Verteilung auf das Wintersemester und das Sommersemester für das WS 2020/2021 eine Zulassungszahl von 146 (für das SS 2021 = 146) abgeleitet worden.

Die Zulassungszahl des WS 2020/2021 ist mit 153 tatsächlichen Einschreibungen für dieses Fachsemester nicht nur abgedeckt, hier sogar (kapazitätsdeckend) um die Zahl 7 überschritten worden. Damit scheidet die (vorläufige) Vergabe von Studienanfängerplätzen für den Studiengang Humanmedizin über die festgesetzte Zulassungszahl bzw. über die tatsächliche Vergabezahl hinaus aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG (vgl. auch Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Stand Juli 2013 -).