LG Bochum, Urteil vom 20.10.2020 - 16 O 156/19
Fundstelle
openJur 2021, 23209
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken eine nach DIN EN 1865 genormte Krankentrage als Hilfsmittel zur Patientenbeförderung während der Fahrt in Fahrzeugen einzusetzen, die keine Krankenkraftwagen im Sinne von § 3 RettG NRW sind (Fahrzeuge, die für den Krankentransport besonders eingerichtet sind und nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind) und ohne bei der Transportfahrt zur Handhabung der vorgenannten Krankentrage mindestens zwei Mitarbeiter einzusetzen, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung (§ 4 Abs. 2 MPBetreibV) besitzen, so wie beim Transport der Patientin Q am 06.06.2019 geschehen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro und im Übrigen nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein seit Jahrzehnten in C ansässiges Unternehmen, das sich mit Krankentransport und Rettungsdienst beschäftigt und über Genehmigungen nach den §§ 17ff. RettG NRW sowohl zum Krankentransport als auch zur Notfallrettung verfügt.

Die Beklagte betreibt ein Mietwagenunternehmen. Zu ihrem Fuhrpark gehört u.a. das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen C #, das nicht als Krankentransportwagen zugelassen ist, sondern ein sog. "Mietliegewagen" ist, der nach § 49 PBefG genehmigt ist.

Am 06.06.2019 führte die Beklagte eine sog. "Infektionsfahrt" durch und beförderte die Patientin Q innerhalb von Bochum vom L zum C1. Dies war bereits Gegenstand des Verfahrens Landgericht Bochum, Az. I-16 O 95/19, in dem die Klägerin gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung erwirkte, in der der Beklagten aufgegeben wurde, es zu unterlassen, Patienten zu befördern, die mit VRW, MRSA oder anderen multiresistenten Keimen besiedelt oder infiziert sind und auch keine Patienten zu befördern, die an einer Infektion erkrankt sind, die vor, während der nach dem Transport hygienische Maßnahmen erfordern.

Der Transport der Patientin Q am 06.06.2019 erfolgte liegend auf einer T1 Fahrtrage. Die Klägerin ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.08.2019 (Anlage K6 zur Klageschrift vom 21.10.2019, Bl. 31ff. d. e-Akte), auf dessen gesamten Inhalt verwiesen wird, abmahnen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Beklagte habe damit unlauter und wettbewerbswidrig gehandelt. Zwischen den Parteien bestehe ein Wettbewerbsverhältnis, da Mietliegewagenunternehmer und Krankentransportunternehmen im gleichen Segment tätig seien. Die Beklagte verstoße durch den Einsatz der T1 Fahrtrage gegen § 3 a UWG, da es sich dabei um ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 Medizinproduktegesetz (MPG) handele und solche Produkte nach § 4 Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV) nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und nur von Personen betrieben und angewendet werden dürften, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besäßen. Der Betreiber dürfe nur Personen mit den Anwendungen von Medizinprodukten beauftragen, die die in § 4 Abs. 2 MPBetreibV genannten Voraussetzungen erfüllten und in das anzuwendende Medizinprodukt eingewiesen worden seien. Bei den Vorschriften des MPG und der MPBetreibV handele es sich um drittschützende Vorschriften sowohl für den Verbraucher als auch für Marktteilnehmer. Denn Zweck der Vorschriften sei es nach § 1 MPG, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen.

Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten beim Transport der Patientin Q am 06.06.2019 eingesetzte Besatzung hätte weder über die erforderliche Ausbildung noch über die Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit der T1 Krankentrage verfügt und zudem offensichtlich auch keine Kenntnis hinsichtlich der für den Einsatz notwendigen Hygiene gehabt. Fahrer und Beifahrer hätten Privatkleidung (Jeanshose) getragen. Einer der Mitarbeiter habe Turnschuhe getragen. Der Mundschutz sei falsch getragen worden. Der Fahrer habe in Schutzkleidung vorne im Fahrzeug gesessen. Es habe noch Müll von einer vorherigen Fahrt im Fahrzeug gelegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken eine nach DIN EN 1865 genormte Krankentrage als Hilfsmittel zur Patientenbeförderung während der Fahrt in Fahrzeugen einzusetzen, die keine Krankenkraftwagen im Sinne von § 3 Abs. RettG NRW sind (Fahrzeuge, die für den Krankentransport besonders eingerichtet sind und nach dem Fahrzeugschein als Krankenkraftwagen anerkannt sind), so wie beim Transport der Patientin Q am 06.06.2019 geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig, da dieselbe Fahrt vom 06.06.2019 bereits Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem Landgericht Bochum, Az. I-16 O 95/19, gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Rechtsgrund die Unterlassungsansprüche aus dem Krankentransport vom 06.06.2019 gegenüber der Beklagten nicht gebündelt, sondern in zwei separaten Abmahnungen und Verfahren geltend gemacht habe. Es sei daher davon auszugehen, dass das beherrschende Motiv der Klägerin sachfremd sei und die separaten Abmahnungen ganz überwiegend im Gebühreninteresse ausgesprochen worden seien. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da allein der Umstand, dass die Beförderung auf einer nach DIN EN 1865 genormten Krankentrage einen Verstoß gegen § 3a UWG nicht begründen könne.

Die Beklagte behauptet, Fahrer und Beifahrer hätten bei dem Transport am 06.06.2019 komplette Schutzkleidung getragen. Die Krankentrage sei vor und nach der Beförderung der Patientin Q ordnungsgemäß nach den gesetzlichen Vorschriften desinfiziert worden. Sowohl der Fahrer als auch der Beifahrer verfügten über langjährige Erfahrung im Einsatz mit der Fahrtrage der Fa. T1 und in der Beförderung von Personen auf dieser Trage. Sie seien durch u.a. durch einen Mitarbeiter der Beklagten, der eine Ausbildung zum Sanitäter bei der Sanitätsschule O erfolgreich abgeschlossen habe, den Zeugen E, hinsichtlich der Bedienung und Nutzung der T1-Fahrtrage sowie der einzuhaltenden Hygienevorschriften geschult worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben, durch Vernehmung der Zeugin S und der Zeugen O und E1. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 20.10.2020 (Bl. 205ff. d. e-Akte) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Das Vorgehen der Klägerin ist nicht rechtsmissbräuchlich. Es kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass die Klägerin aus überwiegend sachfremden Motiven, wie z.B. dem Gebührenerzielungsinteresse, zwei gesonderte Abmahnungen wegen ein und desselben Patiententransports vom 06.06.2019 ausgesprochen und zwei gerichtliche Verfahren gegen die Beklagte eingeleitet hat. Während - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - hinsichtlich des Umstandes, dass es sich am 06.06.2019 um eine "Infektionsfahrt" gehandelt hat, eine gesicherte Rechtsprechung besteht und die Beklagte - wie später durch Abgabe einer entsprechenden Abschlusserklärung tatsächlich geschehen - eine einstweilige Verfügung akzeptieren würde, betritt die Klägerin mit der vorliegenden Klage, die das Unterlassen der Benutzung von Medizinprodukten in Form der streitgegenständlichen T1-Krankentrage in Mietwagen, erstmalig einen Unterlassungsanspruch geltend macht, zu dem bislang noch keine Rechtsprechung ergangen ist, so dass für sie erwarten war, dass es einer gerichtlichen Klärung in einem Hauptsacheverfahren, möglicherweise sogar durch den Instanzenzug, bedarf. Es bestand mithin ein sachlicher Grund dafür, für die Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs eine gesonderte Abmahnung auszusprechen und - nachdem die Beklagte nicht bereit war, eine die Wiederholungsgefahr beseitigende Unterlassungserklärung abzugeben - eine gesonderte Klage zu erheben.

Die vorliegende Klage ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, so dass der weitergehende Klageantrag abzuweisen war.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3a, 8 UWG i.V.m. §§ 3 MPG, 4 Abs. 2 MPBetreibV zu.

Die Parteien sind Wettbewerber, da sie - was zwischen ihnen unstreitig geblieben ist - als Krankentransportunternehmer bzw. Mietliegewagenunternehmer im gleichen Marktsegment tätig sind. Bei der im Fahrzeug der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen C # verbauten und nach DIN EN 1865 genormten Krankentrage des Herstellers T1 handelt es sich, was zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig geblieben ist, um ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 MPG.

Im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme konnte weder festgestellt werden, dass die beim Transport der Patientin Q am 06.06.2019 auf Seiten der Beklagten beteiligten Mitarbeiter, namentlich der Zeuge O als Fahrer und der Geschäftsführer der Beklagten, Herr D, als Beifahrer die für den Umgang mit der T1 Krankentrage erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung (§ 4 Abs. 2 MPBetreibV) besitzen, noch dass sie über die bei einer solchen Infektionsfahrt zu beachtenden Hygienemaßnahmen hinreichend informiert sind. Die Anwendung und Benutzung eines Medizinproduktes, wie vorliegend der T1-Krankentrage, darf nach § 4 Abs. 2 MPBetreibV nur durch Personen erfolgen, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen. Der Betreiber eines solchen Medizinproduktes darf mit dessen Anwendung nur Personen beauftragen, die die § 4 Abs. 2 MPBetreibV genannten Voraussetzungen erfüllen und in das anzuwendende Medizinprodukt gemäß § 4 Abs. 3 MPBetreibV eingewiesen sind (§ 4 Abs. 2 MPBetreibV). Diese Voraussetzungen waren bei dem Transport der Patientin Q am 06.06.2019 in der Person des Zeugen O und des Geschäftsführers der Beklagten, Herrn D, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, eindeutig nicht erfüllt. Im Einzelnen:

Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr D, hat im Rahmen seiner Anhörung nach § 141 ZPO eingeräumt, dass weder er selbst noch der Zeuge O, der dies im Rahmen seiner Zeugenvernehmung im Ergebnis ebenfalls bestätigt hat, eine Einweisung in die Benutzung der Krankentrage durch den Hersteller, die Fa. T1, erhalten. Der Geschäftsführer der Beklagten hat eingeräumt, dass ihm seinerzeit nach der Firmenübernahme der G C1# GbR, die u.a. das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen C # mit der T1 Krankentrage angeschafft hatte, angeboten worden sei, er dieses Angebot jedoch nicht angenommen habe und dementsprechend keiner der Mitarbeiter der Beklagten jemals eine (persönliche) Einweisung in die Bedienung der Krankentrage erhalten habe. Der Zeuge O hat dies für seine eigene Person bestätigt, indem er auf Nachfrage des Gerichts ausgesagt hat, dass er keine spezielle Ausbildung für die Tätigkeit gemacht habe, sondern lediglich nach seiner Einstellung bei der Fa. G C1 # GbR von zwei Kollegen im Umgang mit sämtlichen Geräten in den Fahrzeugen wie dem Krankenstuhl und der Krankenliege eingewiesen und geschult worden sei. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben des Geschäftsführers der Beklagten oder des Zeugen O zu zweifeln.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht ferner zur Überzeugung der Kammer fest, dass die "internen Schulungen", die der Geschäftsführer der Beklagten und der Zeuge O durch den Zeugen E vor bzw. ggfs. auch nach der Firmenübernahme der G C1# GbR durch die Beklagte erhalten haben, die Anforderungen, die an eine Ausbildung im Sinne des § 4 Abs. 2 MPBetreibV zu stellen sind, sicherlich nicht erfüllt haben. Der Zeuge E hat zwar im Rahmen seiner Aussage bestätigt, dass es im Rahmen des Betriebs der Beklagten - und auch schon zuvor bei der G C1# GbR - zu seinen Aufgaben gehört, alle Mitarbeiter im Umgang u.a. mit der Krankentrage zu schulen. Der Zeuge E hat aber auch ausgesagt, dass er selbst weder über eine mit einer Prüfung abgeschlossene Ausbildung als Rettungssanitäter verfügt, noch jemals persönlich eine Einweisung durch den Hersteller, der Fa. T1, im Umgang mit der Krankentrage erhalten hat. Auf entsprechende Nachfragen des Geschäftsführers der Klägerin hat der Zeuge E zudem eingeräumt, dass der die Ausbildung von Mitarbeitern der Beklagten zu keinem Zeitpunkt schriftlich dokumentiert hat, und dies damit begründet, dass er "kein richtiger Ausbilder" sei, sondern lediglich seine - über die Jahre erworbenen - Kenntnisse weitergegeben habe. Für die Kammer besteht kein Zweifel daran, dass die Aussage des Zeugen E glaubhaft ist. Der Zeuge E hat unumwunden eingeräumt, dass er zwar in der Vergangenheit zweimal versucht hat, eine Ausbildung zum Rettungssanitäter erfolgreich abzuschließen, beim ersten Versuch jedoch die Prüfung nicht geschafft habe und er den zweiten Versuch, die Ausbildung ordnungsgemäß zu beenden, habe wegen seiner eigenen Erkrankung abbrechen müssen. Hinsichtlich des von ihm im Jahr 2010 besuchten Kurses zum "Sanitäter" bei der Sanitätsschule O hat der Zeuge E angegeben, dass es sich um eine 48-stündige Veranstaltung gehandelt habe, die für ihn seinerzeit den ersten Kontakt mit der Materie, aber nach seiner eigenen Einschätzung keine "richtige" Ausbildung im herkömmlichen Sinne dargestellt habe. Der Zeuge E hat zudem auch eingeräumt, dass er sich selbst nach dem Besuch eines "Hygienelehrgang" vor November 2016 nicht mehr fortgebildet habe, sondern "stehengeblieben" sei.

Nach Auffassung der Kammer ist daher festzustellen, dass der Zeuge E - ungeachtet der persönlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen, die er seit 2010 auf dem Gebiet des Patiententransports sicherlich erworben haben mag, auf die es aber für die Entscheidung des Streitfalls insoweit nicht ankommen kann, als der Zeuge E selbst an dem streitgegenständlichen Transport der Zeugin Q am 06.06.2019 nicht als Mitarbeiter der Beklagten beteiligt war - niemand ist, der den Mitarbeiter der Beklagten eine Ausbildung im Sinne des § 4 Abs. 2 MPBetreibV vermitteln konnte. Dies sieht insbesondere der Zeuge E selbst so, wie seine Aussage vor der Kammer am 20.10.2020 belegt.

Davon zu trennen ist die Frage, ob der Zeuge E, der bestätigt hat, seine über die Jahre erworbenen Kenntnisse an die Mitarbeiter der Beklagten und insbesondere auch an den Geschäftsführer der Beklagten, Herr D, weitergeben zu haben, durch die von ihm geleiteten "internen Schulungen" bei der Fa. G C1# GbR bzw. bei der Beklagten erfolgreich dafür gesorgt hat, dass nunmehr sowohl der Geschäftsführer der Beklagten, Herr D, als auch der Zeuge O die nach § 4 Abs. 2 MPBetreibV alternativ ausreichende Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit der T1 Krankentrage besitzen. Auch insoweit steht für die Kammer nach der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch fest, dass dies leider nicht der Fall ist. Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr D, besaß, wie in seiner persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO auf Nachfragen deutlich wurde, weder hinreichende Kenntnisse über den Eigenschutz bei der Anwendung der Trage noch ausreichende Kenntnisse über die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen bei einer Infektionsfahrt. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte auf Nachfrage nicht ausschließen, dass er oder der Zeuge O bei dem streitgegenständlichen Patiententransport, bei dem die Patientin Q unstreitig liegend auf der Krankentrage transportiert wurde, Turnschuhe getragen hätten. Als "Entschuldigung" gab der Geschäftsführer der Beklagten lediglich an, dass sie zunächst nicht gewusst hätten, dass es sich um eine "Infektionsfahrt" gehandelt habe und dies erst im L erfahren hätten, dass sie dann mit der erforderlichen Schutzkleidung ausgestattet habe, wobei sie allerdings keine anderen Schuhe erhalten hätten. Dass aus Gründen des Eigenschutzes - und zwar völlig unabhängig davon, ob es sich bei dem anstehenden Patiententransport um eine "Infektionsfahrt", zu deren Durchführung die Beklagte ohnehin nicht die erforderliche behördliche Genehmigung besitzt - in jedem Fall Unfallschutzschuhe zu tragen gewesen wären, weil die Krankentrage mit einem Patienten bis zu 320 kg schwer sein kann, war dem Geschäftsführer der Beklagten offensichtlich vor seiner Anhörung vor der Kammer überhaupt nicht bekannt. Auf Nachfrage des Geschäftsführers der Klägerin musste er sogar einräumen, dass er als Arbeitgeber die erforderliche Gefährdungsabschätzung nicht vorgenommen habe. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte auf Nachfrage des Geschäftsführers der Klägerin zudem auch keinerlei Angaben dazu machen, ob und in welchen Abständen die Mitarbeiter der Beklagten - und damit auch er selbst, der nach eigenen Angaben regelmäßig selbst an Patiententransporten teilnimmt - im Umgang mit der Krankentrage und hinsichtlich der einzuhaltenden Hygieneregeln geschult werden. Das alles belegt nach Auffassung der Kammer sehr eindeutig, dass zumindest der Geschäftsführer der Beklagten, der nach eigenem Bekunden als Beifahrer bei dem streitgegenständlichen Transport der Patientin Q am 06.06.2019 für die Beklagte tätig geworden ist, nicht über hinreichende Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit der T1 Krankentrage verfügt. Vor dem Hintergrund des zwischen den Parteien unstreitig gebliebenen Umstands, dass für die Durchführung eines solchen Liegendtransports auf der T1 Krankentrage mindestens zwei Personen erforderlich sind, da die Krankentrage mit einem darauf liegenden Patienten durch eine Person allein nicht sicher gehandhabt und bewegt werden kann, kommt es für die Entscheidung des Streitfalls mithin nicht mehr darauf an, ob der Zeuge O die erforderliche Kenntnis und Erfahrung nach § 4 Abs. 2 MPBetreibV verfügte oder nicht. Aus der Sicht der Kammer ist in diesem Zusammenhang - auch wenn dies für das bloße Handling der Krankentrage und damit für die Entscheidung des Streitfalls zunächst ohne Belang ist - bezeichnend, dass die durchgeführte Beweisaufnahme gezeigt hat, dass der Zeuge O jedenfalls im Hinblick auf die Kenntnis der bei einer "Infektionsfahrt" einzuhaltenden Hygienemaßnahmen - ebenso wie auch der Geschäftsführer der Beklagten - ganz offensichtlich weder die erforderliche Ausbildung noch hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen verfügte. Der Zeuge O sah nach eigenem Bekunden überhaupt kein Problem darin, dass er sich - wie als er durch Nachfragen des Geschäftsführers der Klägerin aufgefordert wurde, die Abläufe zu beschreiben - nach dem Verladen eines infektiösen Patienten in der zuvor angelegten Schutzkleidung ans Steuer setzt oder später nach Beendigung einer solchen Infektionsfahrt ohne entsprechende Schutzkleidung das Fahrzeug desinfiziert, was beides den einzuhaltenden Hygienevorschriften widerspricht.

Für die Entscheidung des Streitfalls ist damit festzuhalten, dass die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, dass beim Liegendtransport der Patientin Q am 06.06.2019 die T1 Krankentrage nicht mindestens von zwei Mitarbeitern der Beklagten verwendet wurde, die über die nach § 4 Abs. 2 MPBetreibV erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung verfügten, weil die Erfüllung dieser Voraussetzungen - wie vorstehend näher dargelegt - jedenfalls für den Geschäftsführer der Beklagten schon aufgrund seiner eigenen Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO zu verneinen war.

Damit steht fest, dass die Beklagte bei dem Transport der Patientin Q am 06.06.2019 durch den Einsatz der T1 Fahrtrage gegen § 3 a UWG verstoßen hat. Bei der vorgenannten Krankentrage handelt es sich um ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 MPG)und nach § 4 MPBetreibV dürfen solche Medizinprodukte nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und nur von Personen betrieben und angewendet werden, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung besitzen. Der Betreiber darf nur Personen mit den Anwendungen von Medizinprodukten beauftragen, die die in § 4 Abs. 2 MPBetreibV genannten Voraussetzungen erfüllen und in das anzuwendende Medizinprodukt eingewiesen worden sind. Dies war, wie vorstehend ausgeführt, hier nicht der Fall.

Bei den Vorschriften des MPG und der MPBetreibV handelt es sich um drittschützende Vorschriften sowohl für den Verbraucher als auch für Marktteilnehmer, mithin um Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG. Zweck der Vorschriften ist es nach § 1 MPG, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen. Ein Verstoß gegen diese Marktverhaltensregeln ist auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern - wie hier der Klägerin - spürbar zu beeinträchtigen.

Die Wiederholungsgefahr ist gemäß § 12 UWG aufgrund der festgestellten Erstbegehung anlässlich des Transports der Patientin Q am 06.06.2019 zu vermuten.

Entgegen dem seitens der Klägerin unbeschränkt gestellten Antrag war der Unterlassungsanspruch jedoch - im Tenor geschehen - auf solche Fälle zu beschränken, in denen von der Beklagten für die Anwendung der T1 Krankentrage nicht mindestens zwei Mitarbeiter, die über nach § 4 Abs. 2 MPBetreibV erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung verfügen, eingesetzt werden, und der weitergehende Klageantrag abzuweisen. Eine Tenorierung ohne die aus dem Tenor ersichtliche Beschränkung des Unterlassungsanspruchs würde im Ergebnis dazu führen, dass die Beklagte im Ergebnis Mietliegewagen, die keine Krankenkraftwagen im Sinne von § 3 RettG NRW und mit einer nach DIN EN 1865 genormte Krankentrage als Hilfsmittel zur Patientenbeförderung während der Fahrt ausgestattet sind, überhaupt nicht mehr einsetzen könnte, was die Beklagte in der Freiheit ihrer Gewerbeausübung in unzulässiger Weise einschränken würde. Richtigerweise kann aber die Klägerin von der Beklagten nur verlangen, dass sie beim Einsatz der Krankentrage, die unstreitig ein Medizinprodukt darstellt, so dass die Beklagte bei deren Einsatz auch den Vorschriften der MPBetreibV unterliegt, entsprechend qualifiziertes Personal einsetzt, was - wie dargetan - im Fall des Patiententransports der Patientin Q am 06.06.2019 nicht der Fall war.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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