AG Bonn, Urteil vom 10.10.2019 - 715 OWI 5/19
Fundstelle
openJur 2021, 23104
  • Rkr:
Tenor

Die Nebenbetroffene wird wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung im Zeitraum vom 24.10.2014 bis zum 07.09.2016 zu der Geldbuße von 17.500,00 € verurteilt. Die Nebenbetroffene trägt die Kosten des Verfahrens ihre die notwendigen Auslagen.

- §§ 20 Abs. 1, 7 Abs. 2 UWG, 30 Abs. 1, Abs. 4, 14, 130 Abs. 1 OWiG -

Gründe

I.

Die Nebenbetroffene ist eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in I (Amtsgericht I HRA ...#), die durch die persönlich haftende Gesellschafterin S W GmbH (Amtsgericht I, HRB ...) vertreten wird. Einzelvertretungsbeberechtigte Geschäftsführer der letzteren sind Herr L. P. S. und Frau T. S.

Geschäftsgegenstand der Nebenbetroffenen ist der Vertrieb von Versicherungsprodukten, insbesondere der Nürnberger Versicherung, der Generali Versicherungen, der Concordia Versicherungen, der Baden Badener, der Stuttgarter der Hanse Merkur Versicherungsgruppe, der Axa, der Continentale, der Würzburger und weiterer. Wegen der übrigen von der Nebenbetroffenen beworbenen Versicherungen wird auf die in die Hauptverhandlung durch Verlesung eingeführte Aufstellung Bl. 82 d.A. Bezug genommen.

Die Bilanzsumme des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr vom 01.03.2014 bis zum 28.02.2015 betrug zum 28.02.2015 12.469.575,01 € (Bl. 156 ff.). Die Verhältnisse der Gesellschaft sind geordnet.

Nachdem die Nebenbetroffene ein eigenes Callcenter nur bis etwa zum Jahr 2013 betrieben hatte, war sie seit dem Jahr 2014 bis zum 01.02.2017 vertraglich mit der Fa. N verbunden, später nach deren Umfirmierung mit der N GmbH, und arbeitete zudem seit dem Jahr 2009 mit der Versicherungsagentur P zusammen. Beide Partner erbrachten in dem hier gegenständlichen Zeitraum Callcenterleistungen für die Nebenbetroffene.

II.

Die Nebenbetroffene arbeitete seit Oktober 2014 mit der Firma N, Inhaber H. C. zusammen; am 25.06.2015 schlossen die Nebenbetroffene und die Fa. N den zur Akte als Anlage I zum Hauptverhandlungsprotokoll vom 10.10.2019 gereichten und durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Handelsvertretervertrag (Bl. 758 ff. d.A.). Nach den Vertragsbestimmungen verpflichtete sich die Fa. N insbesondere, für die Nebenbetroffene Callcenterleistungen zur Bewerbung der von der Nebenbetroffenen vertriebenen Versicherungsprodukte der Nürnberger Versicherung gegen Provision zu erbringen.

Ferner war seit dem Jahr 2009 das Versicherungsbüro P auf der Grundlage mündlicher Absprachen für die Nebenbetroffene tätig. Auch das Büro P führte Callcenterleistungen in Form von Werbeanrufen für die Nebenbetroffene auf Provisionsbasis durch.

Die Nebenbetroffene überließ die Art und Weise der Bewerbung der von ihr vertriebenen Produkte vollständig den vorgenannten Callcentern. Einer Kontrolle unterlagen lediglich die Auswahl der möglichen Werbekunden insoweit, als Bestandskunden oder aus den bestehenden Listen als nicht zuzurufend zu ersehende Personen aus den erworbenen Adresslisten entfernt wurden. Im Übrigen war das Augenmerk der Nebenbetroffenen auf die Qualität der Vertragsschlüsse selbst gerichtet, die wiederum durch Kontrollanrufe überprüft wurden. Die Einwilligung zu den Kontrollanrufen war jeweils von den Mitarbeitern der Callcenter nach Vertragsschluss am Ende des Werbegesprächs zu erfragen.

Zwischen dem 24.10.2014 und dem 07.09.2016 kam es zu folgenden 10 Werbeanrufen seitens der beauftragten Callcenter, ohne dass die betroffenen Verbraucher zuvor entsprechende Einwilligungserklärungen abgegeben hätten.

Name und Anschrift Rufnummer des Angerufenen Datum beworbenes Produkt

V. C- U ...# ... Versicherungsvertrag

C-str. ...

...# M P

L C3 ...# ... Versicherungsvertrag

C weg # und ...

...# F

P N ... ... Versicherungsvertrag

F L—Str #

...# X

G E 2 ... ... Versicherungsvertrag

N-weg ...

...# K

G C4 ... ... Versicherungsvertrag

G-str. #

...# C

N C ... ... Versicherungsvertrag

L ...

...# C

D E1 ...# ... Versicherungsvertrag

U Str. ...

...# S

C L ...# ... Versicherungsvertrag

F ...

...# T

G S ... ... Versicherungsvertrag

L weg ...

...# E

Die vorgenannten Anrufe erfolgen entweder durch das Versicherungsbüro P oder die Firma N im Auftrag der Nebenbetroffenen zur Bewerbung der von dieser vertriebenen Versicherungsprodukte. Den Adressaten der Telefonanrufe wurden bei den Telefonaten jeweils die von der Nebenbetroffenen vertriebenen Produkte der Versicherungsbranche werbend vorgestellt.

Zu den Zeitpunkten der jeweiligen Anrufe war den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen (im Folgenden: "Geschäftsführung") weder die Art der Werbemaßnahme bekannt noch der Umstand, ob die jeweiligen Verbraucher Einwilligungserklärungen abgegeben hatten bzw. welchen Inhalt oder welche Form etwa im Einzelfall erteilte Erklärungen hatten. Der Geschäftsführung war aufgrund ihrer mangelhaften Kenntnis der konkreten Werbemaßnahmen das Risiko bewusst, dass Anrufe trotz fehlenden Einverständnisses erfolgten. Sie nahmen dieses Risiko allerdings billigend in Kauf.

Schulungen bezüglich der Callcentermitarbeiter beider externer Callcenter hinsichtlich der Frage der Erteilung von Einwilligungserklärungen haben seitens der Nebenbetroffenen nicht stattgefunden und sind auch von dieser weder veranlasst worden noch hat sich die Geschäftsführung um das Stattfinden oder den konkreten Inhalt etwaiger dahingehender Schulungsmaßnahmen gekümmert. Dies war der Geschäftsführung ebenfalls bewusst.

Infolge der Anzeigen der betroffenen Verbraucher erließ die Bundesnetzagentur nach Anhörung der Nebenbetroffenen am 20.12.2018 einen Bußgeldbescheid und setzte eine Geldbuße von 25.000 € fest (Bl. 657 ff. d.A.). Dem Bußgeldbescheid lagen 13 Anlasstaten zugrunde.

Der ursprünglich erlassene Bußgeldbescheid vom 06.07.2018 (Bl. 545 ff. d.A.) ist nach Einspruch durch die Verwaltungsbehörde am 20.12.2018 zurückgenommen worden (Bl. 656 d.A.).

III.

1.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den Angaben der Bundesnetzagentur in C, den eigenen Angaben der Nebenbetroffenen sowie der ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere den Aussagen der Zeugen P, C1, C2, E1, C3, E2 und C4 sowie der durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden.

2.

Die Nebenbetroffene hat sich dahin eingelassen, ihr sei eine Aufsichtspflichtverletzung nicht vorzuwerfen. Sie habe ihren Kontrollpflichten genügt. Für Exzesstaten der Callcenter hafte sie hingegen nicht.

IV.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und aufgrund aller sonstigen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung stammenden Umstände steht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass die Nebenbetroffene die Tat so begangen hat, wie es in den getroffenen Feststellungen im Einzelnen dargelegt ist.

1.

Dass die vorstehend unter II. aufgeführten Anrufe als unerlaubte Werbeanrufe im Auftrag der Nebenbetroffenen seitens der beauftragten Callcenter erfolgten, folgt aus den Aussagen der Zeugen E2, E1, C4 und C3 sowie aus den durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Anzeigen der weiteren Adressaten der Werbeanrufe, nämlich der Zeugen C-U, N, C, L und S. Aus diesen ergab sich jeweils der Umstand der zu den jeweils angegebenen Zeiten erfolgten telefonischen Werbung für die von der Nebenbetroffenen vertriebenen Versicherungsprodukte.

Dass die Anrufe auch in den Fällen zu 4. und 5. für die Nebenbetroffene erfolgten, ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen E2 und C4. Der Zeuge E2 hat bekundet, der Anruf sei ausdrücklich für die Nebenbetroffene erfolgt. Der Zeuge C4 bekundete dagegen zwar nur, es sei für die Nürnberger Versicherung geworben worden. Da, wie von der Nebenbetroffenen erklärt, auch der diesbezügliche Anruf seitens der Fa. N erfolgte, diese aber gerade Produkte der Nürnberger Versicherung für die Nebenbetroffene bewirbt, während Eigenschäfte mit dieser Versicherung einer schriftlichen Zustimmung der Generalagentur bedarf, deren Vorliegen nicht festgestellt wurde, folgt hieraus, dass auch insoweit ein Anruf im Auftrag der Nebenbetroffenen gegeben ist.

Soweit der Bußgeldbescheid vom 20.12.2018 eine weitere Anlasstat zu Lasten des Zeugen E1 am 28.10.2016 (Anlasstat zu Ziff. 13 des Bußgeldbescheides) aufführte, lag dieser zwar ein Anruf eines der Callcenter zugrunde. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, dass es sich hierbei um einen Werbeanruf handelte. Vielmehr war dieser Anruf im Rahmen eines sogenannten Kontrollanrufes getätigt worden, bei dem es sich nicht um einen Werbeanruf im Sinne des § 7 UWG handelt. Der Kontrollanruf dient nach den unwiderleglichen Angaben des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen, die ihre Bestätigung durch die glaubhaften Angaben der Zeugin C2 finden, der Kontrolle eines neugeschlossenen Vertrages auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Ein Werbegespräch ist damit nicht verbunden. Werbung im Sinne des § 7 UWG ist zwar jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 75/06 -, Rn. 11, juris). Ist jedoch bereits ein Vertrag geschlossen worden und bezieht sich der Anruf - wie in diesem Fall - lediglich auf diesen, kann insoweit (weitere) Werbung nicht angenommen werden.

Hingegen konnte der Anruf zu Anlasstat Ziff. 11 - Zeuge C3 - nicht als Kontrollanruf angesehen werden. Vielmehr ergab sich hier zur Überzeugung des Gerichts ein Werbeanruf. Dies folgt aus den durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Anzeigen des Zeugen C3 hinsichtlich der Anrufe vom 24.02.2016 und vom 11.07.2016 (Bl. 34 f. und 412 f. d.A.), die inhaltlich auf die Werbung von Versicherungsprodukten abstellen und nicht auf eine bloße Datenkontrolle. Der erste Anruf endete zudem mit einer Absage des Zeugen C3 , so dass ein Kontrollanruf im vorgenannten Sinne nicht veranlasst war, während er sich bei dem zweiten Anruf die Zusendung von Unterlagen erbat. Hinzu kommt, dass nach Angabe der Nebenbetroffenen etwaige Kontrollanrufe innerhalb weniger Tage erfolgten, während zwischen den vorgenannten Anrufen ein Zeitraum von mehreren Monaten verstrich.

Die Anlasstat vom 07.09.2016 (Ziff. 14 des Bußgeldbescheides) konnte dagegen nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Der Zeuge C3 war ausdrücklich auf einen weiteren Vertrag angesprochen worden, vermochte allerdings eine dahingehende bestätigende Aussage nicht zu treffen. Der Zeuge selbst bekundete, nur ein- oder zweimal angerufen worden zu sein; er könne sich allenfalls an einen einzigen Vertrag erinnern, während ein weiterer Vertrag nicht geschlossen worden sei.

Der - undatierte - Anruf zu Anlasstat Ziff. 8 des Bußgeldbescheides bei dem Zeugen L konnte nicht festgestellt werden, da hierzu weder zur Rufnummer noch zum Zeitpunkt des Anrufes Feststellungen möglich waren.

2.

Keiner der unter II. aufgeführten Verbraucher hat eine wirksame Einwilligung in Werbeanrufe erteilt. Eine Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG setzt voraus, dass der Verbraucher konkret um einen Anruf zum Zweck der Werbung gebeten hat. Sie muss zudem für den konkreten Anruf erteilt worden sein. Dass dahingehende Einwilligungen nicht erteilt worden sind, folgt aus den Angaben der vernommenen Zeugen und den verlesenen Unterlagen.

3.

Die Voraussetzungen des § 130 OWiG liegen vor. Die Nebenbetroffene ist Adressatin der aus § 7 UWG folgenden Pflichten, die sich als betriebsbezogene darstellen. Betriebsbezogen ist eine Tat dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweist (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 71/11 -, BGHSt 57, 42-49, Rn. 13 - juris). Dies ist vorliegend der Fall, da dem Vertrieb von Versicherungsprodukten deren Bewerbung immanent ist. Dies gilt auch dann, wenn - wie vorliegend - ein Callcenter in eigenem Namen anruft, aber vereinbarungs- bzw. vertragsgemäß für die Produkte der Nebenbetroffenen wirbt.

Die Nebenbetroffene konnte sich dieser Pflichten nicht durch die Auslagerung der Callcentertätigkeiten auf die Fa. N sowie das Versicherungsbüro P entledigen. Vielmehr ist es dem Betriebsinhaber verwehrt, problematische Bereiche des Betriebes auf Externe zu übertragen und sich so einer Haftung zu entziehen (Graf in: Beck OWiG, 22. Ed. 15.03.2019, § 130 Rn. 88).

4.

Die Geschäftsführung hat die sich in Bezug auf die Einhaltung der an Werbeanrufe im Sinne des § 7 UWG erforderlichen Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen. Dies erfolgte unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

Der Geschäftsführung waren die aus § 7 UWG folgenden Pflichten bekannt. Dies folgt bereits daraus, dass nach den Angaben des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen im Hauptverhandlungstermin die Adresslisten insoweit auf"optins" überprüft wurden, als die neuen Listen mit den bei der Nebenbetroffenen vorhandenen abgeglichen wurden und diejenigen Adressen aussortiert wurden, bei denen ein fehlendes Einverständnis bereits bekannt war. Dahingehendes positives Wissen folgt auch aus § 3 des mit der Fa. N am 21.05.2015 abgeschlossenen Vertrages, der gerade die Einholung eines "Anrufeinverständnisses" seitens des Callcenters normiert.

Der Geschäftsführung hätte auch bekannt sein können, dass sich aus den Adresslisten, auf deren Grundlage die hier gegenständlichen Anrufe erfolgten, nicht mit möglichster Sicherheit das Vorliegen einer jeweiligen Einwilligung in konkrete Werbeanrufe ergab. Vielmehr unterließ sie geeignete Maßnahmen, um das Risiko fehlender Einwilligungserklärungen auszuschließen oder wesentlich zu vermindern.

Ihr war erkennbar, dass schon keine Gewähr dafür bestand, dass die gelieferten Adressen überhaupt mit Optins versehen waren. Die Geschäftsführung sah vielmehr von einer ausreichenden Kontrolle vorliegender Optins ab. Der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen ließ sich in der Hauptverhandlung dahin ein, schon der Text der jeweiligen Einwilligungserklärung sei nicht bekannt gewesen, dieser sei nicht geprüft worden. Hieraus ergibt sich aber, dass das Vorliegen einer korrekten Einwilligungserklärung schon gar nicht beurteilt werden konnte. Auch eine stichprobenweise Kontrolle fand nur unzureichend statt. Eine dahingehende Kontrolle der Callcenter erfolgte nicht. Dies findet seine Bestätigung bereits in der Aussage der Zeugin C2 , die bei der Nebenbetroffenen für Qualitäts- und Datenkontrolle zuständig ist. Denn dieser war gerade nicht einmal bekannt, dass Einwilligungserklärungen erteilt werden müssen. Des Weiteren enthielt der für die Zusammenarbeit mit dem Versicherungsbüro P entwickelte Gesprächsleitfaden für die Durchführung der Werbegespräche nach der Einlassung des Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen keine Maßgaben bezüglich der notwendigen Einwilligungserklärungen. Der mit der Fa. N abgeschlossene Vertrag beinhaltet ebenfalls lediglich (§ 2 aE, Bl. 759 d.A.) die von dem Handelsvertreter übernommene Verpflichtung, Anrufe ausschließlich auf der Grundlage eines dahingehenden Einverständnisses zu tätigen, ohne weitere Anforderungen insbesondere hinsichtlich etwaiger Kontrollen zu bestimmen. Vielmehr habe nach der Aussage des Zeugen C1 eine Kontrolle nur dahingehend stattgefunden, dass der Nebenbetroffenen im Falle einer Beschwerde das "optin" übermittelt wurde.

Auch die von den Callcentern selbst durchgeführten Kontrollen waren unzureichend. Dies wäre der Nebenbetroffenen ohne weiteres erkennbar gewesen, nachdem sie dahingehende Überprüfung der diesbezüglichen Callcentertätigkeiten weitgehend unterließ. Aus der Aussage des Zeugen P ergab sich dabei, dass von mehreren Tausend Adressen - bis zu 6.000 Adressen seien mitunter im Monat erworben worden - nur 2-3 Optins geprüft worden seien, im Übrigen erst nach erfolgten Beschwerden einzelner Adressaten. Auch der Zeuge C1 erklärte, sein Wissen um das Vorliegen von optins folge aus der bloßen dahingehenden Angabe der Adresshändler, während - wie dargestellt - eine Überprüfung ebenfalls erst nach einer eingelegten Beschwerde erfolgt sei.

Letztlich wäre eine Schulung der Callcenter-Mitarbeiter sowohl des Versicherungsbüros P als auch der Fa. N hinsichtlich des Vorliegens korrekter Einwilligungserklärungen erforderlich gewesen. Diese Schulungen wäre von der Nebenbetroffenen zu veranlassen oder jedenfalls - im Rahmen zumutbarer Organisation- zu kontrollieren gewesen. Dies ist nicht geschehen. Die seitens der Zeugen P und C1 dargestellten Schulungen bezogen sich vielmehr ebenfalls nur auf die Inhalte der Werbegespräche, nicht aber auf die hier interessierende Frage, ob die Angerufenen ihr Einverständnis in Werbeanrufe allgemein sowie in die konkreten Werbeanrufe erteilt haben. Dies war der Geschäftsführung auch bewusst.

5.

Die Verletzung der Aufsichtspflicht ist auch ursächlich für die erfolgten Zuwiderhandlungen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die Zuwiderhandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterblieben wäre. Vielmehr ist ausreichend, dass die Zuwiderhandlung bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht erschwert worden wäre (Gürtler in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 22 f.). So liegt es hier. Denn sowohl eine seitens der Nebenbetroffenen veranlasste oder durchgeführte engmaschigere Überprüfung der neu gelieferten Adressen auf korrekte Einwilligungserklärungen als auch die entsprechende Schulung sowie eine Kontrolle der Mitarbeiter der Callcenter hätte bereits zu einer wesentlichen Verminderung einer Zuwiderhandlungsgefahr beigetragen. Ein bewusstes Sich-Hinwegsetzen über die jeweiligen Pflichten durch die einzelnen Callcenter-Mitarbeiter hätte, wenn es überhaupt vorlag, ebenfalls durch entsprechende Beaufsichtigung und Kontrolle erfolgen können. Dies geschah indes nicht.

IV.

Die Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Nebenbetroffenen haben damit als Leitungspersonen fahrlässig eine Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 Abs. 1 OWiG begangen, so dass es in den unter obiger Ziff. II dargestellten 10 Fällen jeweils zu einem Verstoß gegen das Verbot der §§ 20 Abs. 1 iVm 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG kommen konnte, indem die Mitarbeiter der von der Nebenbetroffenen beauftragten Callcenter gegenüber Verbrauchern ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung mit einem Telefonanruf für Produkte der Nebenbetroffenen warben.

Der Nebenbetroffenen ist die Aufsichtspflichtverletzung der Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin auch zuzurechnen nach § 30 Abs. 1 OWiG, so dass ein Bußgeld gegen die juristische Person zu Recht festgesetzt worden ist.

V.

Das festgesetzte Bußgeld in Höhe von 17.500,00 € war angesichts der - gegenüber dem Bußgeldbescheid verminderten - Anzahl der Werbeanrufe, der Bonität und Größe der Nebenbetroffenen und des seit den Anrufen verstrichenen Zeitraumes von bis zu 5 Jahren sowie letztlich des Umstandes, dass keinem der angerufenen Verbraucher ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, erforderlich, aber auch ausreichend, § 17 OWiG.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.

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