Saarländisches OLG, Urteil vom 16.06.2021 - 5 U 57/20
Fundstelle
openJur 2021, 23052
  • Rkr:

Einem Krankentagegeldversicherer, der seine zunächst vorbehaltlos erbrachten Leistungen auf Grundlage einer späteren Begutachtung des Versicherungsnehmers wegen hierbei festgestellter Berufsunfähigkeit nach Ablauf der vereinbarten Karenzfrist eingestellt hat, kann es nach Treu und Glauben versagt sein, sich zur Begründung einer Rückforderung im Nachhinein auf das seinerzeitige Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit zu berufen.

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. Juli 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 156/15 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.600,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2015 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits sind zu 2/5 von der Klägerin und zu 3/5 von der Beklagten zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.800,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrer am 9. Juli 2015 zum Landgericht Saarbrücken eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 9. Februar 2012 in Anspruch genommen. Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin ihres am 12. Dezember 2013 verstorbenen Ehemannes. Dieser war von Beruf selbständiger Türen- und Fenstermonteur, seine Tätigkeit umfasste die Montage, die Wartung und den Service von Automatiktüren. Er unterhielt bei der Klägerin eine Krankentagegeldversicherung im Tarif T29/80 auf der Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung, Musterbedingungen 2009 (MB/KT 2009) mit Tarifbedingungen 2009 (TB/KT 2009), Bl. 41 ff. d.A. 14 O 327/12; danach hatte die Klägerin ab dem 29. Tag bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankentagegeld in Höhe von 80,- Euro zu leisten. Im September 2009 wurde bei dem Versicherungsnehmer ein Rektumkarzinom festgestellt, das operativ entfernt und mittels Chemotherapie sowie Bestrahlung behandelt wurde. Die Klägerin erbrachte, ausgehend von einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. September 2009, vertragsgemäße Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung. Am 5. April 2011 wurde bei dem Versicherungsnehmer ein Lokalrezidiv diagnostiziert, des Weiteren eine Lebermetastase sowie ein Prostatakarzinom; daraufhin erfolgten im Juni 2011 zwei Operationen und daran anschließend eine erneute Chemotherapie. Im Rahmen einer von der Klägerin veranlassten Nachuntersuchung durch Dr. med. B. C. stellte dieser ab dem 10. November 2011 Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers aufgrund der vorbeschriebenen Erkrankungen fest (BI. 152 GA). Die Klägerin erklärte daraufhin mit Schreiben vom 30. November 2011, dass das Versicherungsverhältnis - mit Blick auf die "aktuelle Arbeitsunfähigkeit" des Versicherungsnehmers nach Ablauf einer bedingungsgemäßen Karenzfrist - zum 10. Februar 2012 beendet sei und sie die Leistungen ab diesem Zeitpunkt einstellen werde (BI. 25 GA). Die Beklagte hat gegenüber den geltend gemachten Rückzahlungsansprüchen die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 72 GA).

Im Zuge eines Rechtsstreits gegen einen anderen Versicherer - 14 O 187/11 LG Saarbrücken, bei dem der Versicherungsnehmer eine weitere Krankentagegeldversicherung unterhielt, die er auf Leistungen für den Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 31. Oktober 2011 in Anspruch nahm, wurde ein Gutachten des Sachverständigen Dr. K. zur Frage der Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers eingeholt (Anlage K5 = BI. 111 GA). Darin stellte der Sachverständige fest, dass sich der Versicherungsnehmer im Februar 2011 klinisch in Remission befunden habe. Mit Urteil des Senats vom 2. März 2016 - 5 U 46/13 - wurden der hiesigen Beklagten als Rechtsnachfolgerin des Versicherungsnehmers unter Klageabweisung im Übrigen Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Oktober 2011 zugesprochen, weil nur für diesen Zeitraum der Nachweis einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit erbracht, der Nachweis einer Berufsunfähigkeit hingegen für diesen Zeitraum nicht geführt worden sei (BI. 73 GA). In einem weiteren Rechtsstreit gegen die hiesige Klägerin - 14 O 327/12 LG Saarbrücken - machte der Versicherungsnehmer nach der Einstellung der Zahlungen weitere Leistungen aus dem streitgegenständlichen Vertrag ab dem 10. Februar 2012 geltend. Der dort erneut zum Sachverständigen bestellte Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 31. Januar 2014 fest, dass die Arbeitsfähigkeit des Versicherungsnehmers nach Auftreten des Rezidivs im April 2011 als aufgehoben zu bewerten sei und jegliche Tätigkeiten ausschließlich zu Lasten der Restgesundheit des Versicherungsnehmers gingen (Anlage K6 = BI. 122 GA). Daraufhin wurde die Klage mit Urteil vom 29. Januar 2015 abgewiesen, eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung von der hiesigen Klägerin erhobene Widerklage auf Rückzahlung von Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 28.800,- Euro, die sich aus Teilbeträgen von 3.920,- Euro für den Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 4. April 2011 und von 24.880,- Euro für den Zeitraum vom 5. April 2011 bis zum 9. Februar 2012 zusammensetzte, wurde als unzulässig abgewiesen. Die von der hiesigen Beklagten gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 15. Februar 2017 - 5 U 12/15 - unter Hinweis auf die ab dem 10. November 2011 eingetretene Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers zurückgewiesen (BI. 55 GA).

Die Klägerin, die die Beklagte vorgerichtlich mit Anwaltsschreiben vom 2. Juni 2015 vergeblich zur Rückzahlung des Betrages von 28.800,- Euro aufgefordert hatte, hat wegen dieses Betrages zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten am 31. Juli 2015 (Bl. 29 GA) Klage zum Landgericht erhoben; dieses hat im Einvernehmen mit den Parteien (Bl. 52, 53 GA) den Rechtsstreit mit Blick auf das beim Senat anhängige Berufungsverfahren 5 U 12/15 zunächst nicht terminiert, bis die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2017 unter Beifügung des Senatsurteils vom 15. Februar 2017 auf den Abschluss dieses Verfahrens hinwies (Bl. 54 GA). In der Sache hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass ihre Leistungen an den Versicherungsnehmer in der Zeit ab dem 15. Februar 2011 ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. K. in dem Rechtsstreit 14 O 187/11 (= Senat, 5 U 46/13) sei der Versicherungsnehmer bis zum 4. April 2011 noch zumindest teilweise arbeitsfähig gewesen. Aus dem weiteren Gutachten dieses Sachverständigen in dem Rechtsstreit 14 O 327/12 (= Senat, 5 U 12/15) ergebe sich, dass der Versicherungsnehmer ab dem 5. April 2011 berufsunfähig gewesen sei. Die Beklagte hat die Klage für den Zeitraum ab dem 5. April 2011 für unschlüssig gehalten, da eine rückwirkende Feststellung von Berufsunfähigkeit unzulässig sei; dessen unbeschadet, sei die Klägerin aber selbst bei unterstellter Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ab diesem Zeitpunkt wegen § 15 Abs. 1 b) MB/KT jedenfalls bis zum 4. Juli 2011 zur Leistung verpflichtet gewesen. Im Übrigen sei sie entreichert, da sie von den Leistungen der Klägerin ihren Lebensunterhalt habe bestreiten müssen. Da die Klägerin bereits aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. C. vom 16. November 2011 Kenntnis von allen Umständen gehabt habe, aus denen sich die vermeintliche Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers ab dem 5. April 2011 ergebe, seien etwaige Ansprüche bereits vor Klageerhebung am 31. Dezember 2014 verjährt gewesen; zudem sei das gerichtliche Verfahren von der Klägerin zwischen Februar 2016 und Mai 2017 auch nicht betrieben worden.

Das Landgericht Saarbrücken hat die Akten der beiden Vorprozesse beigezogen und Beweis erhoben durch Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens (Bl. 205 ff., 316 ff.). Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat es die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen dazu verurteilt, an die Klägerin 25.833,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2015 zu zahlen (Bl. 365 ff. GA). Wegen der im Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 4. April 2011 erbrachten Leistungen bestehe ein Rückzahlungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, weil der Versicherungsnehmer nicht vollständig arbeitsunfähig gewesen sei und die vertraglichen Leistungsvoraussetzungen damit nicht vorgelegen hätten; die Beklagte habe aber nachgewiesen, dass sie bis auf einen Restbetrag in Höhe von 953,60 Euro entreichert sei, weil die Leistungen im Übrigen ausweislich von ihr vorgelegter Kontoauszüge für den Lebensbedarf verbraucht worden seien. Für den weiteren Zeitraum ab 5. April 2011 bis zum 9. Februar 2012 bestehe ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch in voller Höhe, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dann Berufsunfähigkeit bei dem Versicherungsnehmer vorgelegen habe.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 10. August 2020 zum Senat eingelegten Berufung, der sich die Klägerin in ihrer Berufungserwiderung vom 26. November 2020 angeschlossen hat. Die Beklagte hält angesichts des seinerzeitigen Gesundheitszustandes des Versicherungsnehmers den Nachweis einer fehlenden vollständigen Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 15. Februar bis zum 4. April 2011 nicht für erbracht. Auch könne aus diesem Zustand, weil Heilungschancen durchaus bestanden hätten, richtigerweise nicht auf eine Berufsunfähigkeit ab dem 5. April 2011 geschlossen werden; ohnehin verbiete sich insoweit eine rückschauende Betrachtung. Auch hinsichtlich dieses weiteren Zeitraumes habe der Entreicherungseinwand zu greifen, richtigerweise seien die Ansprüche aber auch verjährt, weil die Klägerin seit Einholung des Gutachtens durch Dr. C. im November 2011 Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von einer Berufsunfähigkeit gehabt habe.

Die Beklagte beantragt (Bl. 431 GA):

Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Juli 2020 - 14 O 156/15 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt (Bl. 447 GA),

die Berufung zurückzuweisen

und im Wege der Anschlussberufung

das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Juli 2020 - 14 O 156/15 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 2.966,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 462 GA),

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist. Mit der Anschlussberufung wendet sie sich gegen die Einschätzung des Landgerichts, wonach die Beklagte in Ansehung des Zeitraumes vom 15. Februar bis 4. April 2011 teilweise entreichert sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 13. September 2017 und 1. Juli 2020 (Bl. 101 f., 354 ff. GA) sowie des Senats vom 21. April 2021 (BI. 480 ff. GA) verwiesen. Der Senat hat die Akten des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 187/11 und 14 O 327/12 - zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet, wohingegen die nach § 524 Abs. 1 ZPO zulässige Anschlussberufung der Klägerin ohne Erfolg bleibt. Die von der Klägerin gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin des Versicherungsnehmers (§§ 1922, 1967 BGB) geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung geleisteten Krankentagegeldes bestehen lediglich für die Zeit ab dem 5. Juli 2011, drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner bis dahin bestehenden Arbeitsunfähigkeit, und bis zum Einstellen ihrer Leistungen am 9. Februar 2012. Die weitergehende, den Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 4. Juli 2011 betreffende Rückzahlungsklage ist dagegen unbegründet.

1.

Soweit die Klägerin Ansprüche auf Rückzahlung gezahlten Krankentagegeldes für die Zeit vom 15. Februar 2011 bis zum 4. April 2011 mit der Begründung geltend gemacht hat, der Versicherungsnehmer sei in diesem Zeitraum nicht bedingungsgemäß arbeitsunfähig gewesen, kann sich ein solcher Anspruch, wie das Landgericht richtig gesehen hat, nur aus ungerechtfertigter Bereicherung ergeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, sog. Leistungskondiktion; zur Rückforderung von Versicherungsleistungen allgemein Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., Vor § 74 Rn. 129 ff.). Voraussetzung dafür wäre, dass die Klägerin Krankentagegeld an den Versicherungsnehmer ohne Rechtsgrund geleistet hätte; davon kann indes nicht ausgegangen werden. Unbeschadet verbleibender Zweifel an der Annahme des Landgerichts, wonach im hier gegenständlichen Zeitraum keine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit (mehr) bestanden habe, hält der Senat die Klägerin, die den laufenden Versicherungsfall anhand des zeitlich letzten Gutachtens Dr. C. mit Schreiben vom 30. November 2011 abgerechnet hat, aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nach Treu und Glauben nicht für berechtigt, sich nunmehr gegenüber der Beklagten auf das Fehlen dieser vertraglichen Voraussetzung zu berufen, von deren Bestehen sie seinerzeit ausging und die - wie der Eintritt und die Fortdauer des Versicherungsfalles - die Grundlage ihrer Regulierungsentscheidung bildete (§ 242 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2019 - IV ZR 20/18, VersR 2019, 1412; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., Vor § 74 Rn. 143; noch weitergehend für die Annahme eines deklaratorischen Anerkenntnisses zuletzt auch OLG Köln, VersR 2019, 411):

a)

Das Landgericht hat die vertraglichen Voraussetzungen der Leistungspflicht der Beklagten in dem angefochtenen Urteil zutreffend wiedergegeben. Gemäß § 1 Abs. 2 MB/KT 2009 ist der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. Eine während der Behandlung neu eingetretene und behandelte Krankheit oder Unfallfolge, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, begründet nur dann einen neuen Versicherungsfall, wenn sie mit der ersten Krankheit oder Unfallfolge in keinem ursächlichen Zusammenhang steht. Wird Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig durch mehrere Krankheiten oder Unfallfolgen hervorgerufen, so wird das Krankentagegeld nur einmal gezahlt. Gemäß § 1 Abs. 3 MB/KT 2009 liegt Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Deshalb ist es im Ansatz zutreffend, wenn die Klägerin annimmt, dass bereits eine nur zum Teil gegebene Arbeitsfähigkeit genügt, um den Anspruch auf Krankentagegeld auszuschließen. Diese setzt aber voraus, dass der Versicherungsnehmer in der Lage ist, dem ausgeübten Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung mindestens teilweise nachzugehen, d.h. es genügt nicht, dass der Versicherte lediglich zu einzelnen Tätigkeiten in der Lage ist, die im Rahmen seiner Berufstätigkeit zwar auch anfallen, isoliert aber keinen Sinn ergeben (BGH, Urteil vom 3. April 2013 - IV ZR 239/11, VersR 2013, 615; Senat, Urteil vom 2. März 2016 - 5 U 46/13 = Bl. 73, ff. GA). Geht es - wie hier - um die Rückforderung bereits erbrachter Versicherungsleistungen, d.h. um das Fehlen des Rechtsgrundes im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, muss der Versicherer das Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit voll beweisen; bloße Zweifel genügen nicht (§ 286 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 - IV ZR 179/92, BGHZ 123, 217; Schauer, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 55 Rn. 47).

b)

Im Streitfall scheitert die Rückforderungsklage aus ungerechtfertigter Bereicherung aber, unbeschadet des fehlenden Nachweises einer rechtsgrundlosen Leistung, jedenfalls daran, dass die Klägerin, die mit Schreiben vom 30. November 2011 den Versicherungsfall abgerechnet hat und dabei, sachverständig beraten, noch erkennbar vom Vorliegen seiner tatbestandlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, sich jetzt nicht mehr auf das Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit berufen darf (§ 242 BGB).

aa)

Es ist anerkannten Rechts, dass das Versicherungsverhältnis in ganz besonderem Maße von Treu und Glauben beherrscht wird (BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 - IV ZR 43/14, VersR 2015, 230; RG, Urteil vom 23. August 1935 - VII 24/35, RGZ 148, 298, 301), und dass sich der Versicherungsnehmer in Anwendung dieses Grundsatzes, aufgrund der überlegenen Sach- und Rechtskunde des Versicherers, in gesteigerter Weise auf dessen Auskünfte und Erklärungen verlassen können muss (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2019 - IV ZR 20/18, VersR 2019, 1412, zur Erstbemessung in der Unfallversicherung). Die Grundsätze von Treu und Glauben beanspruchen gerade im Bereicherungsrecht unter dem Blickpunkt der Billigkeit in besonderem Maße Geltung (BGH, Urteil vom 8. Juli 2003 - VI ZR 274/02, BGHZ 155, 342, 354). So kann der Umstand, dass Leistungen erkennbar abschließend abgerechnet wurden, einen Vertrauenstatbestand schaffen, der das spätere Berufen des Versicherers auf die fehlende Leistungspflicht ausschließt (BGH, Urteil vom 11. September 2019 - IV ZR 20/18, VersR 2019, 1412; OLG Frankfurt, NJW-RR 2009, 452). Insoweit können jenseits der gesetzlichen Vorschrift des § 814 BGB, die erst bei positiver Kenntnis von der Nichtschuld zur Anwendung gelangt, auch schon bloße Zweifel des Leistenden am Bestehen der Schuld eine Rückforderung ausschließen, wenn der Leistende dem Empfänger zu erkennen gegeben hatte, dass diesem das Geleistete selbst im Falle des Nichtbestehens der Verpflichtung verbleiben soll (OLG Koblenz, NJW 1984, 134; OLG Köln, RuS 1998, 273; vgl. allgemein RG, Urteil vom 8. März 1934 - IV 5/34, RGZ 144, 89; BGH, Urteil vom 9. Mai 1960 - III ZR 32/59, BGHZ 32, 273; Urteil vom 24. April 2009 - XI ZR 227/08, WM 2009, 1271). Noch weitergehend wird teilweise angenommen, dass die fortlautenden Zahlungen des vertraglich vereinbarten Krankentagegeldes, ohne die medizinisch notwendige Heilbehandlung der versicherten Person in Abrede zu stellen, als Anerkenntnis des Versicherungsfalls zu werten sein können (vgl. OLG Köln, VersR 2019, 411).

bb)

In Anwendung dieser Grundsätze ist es der Klägerin im Streitfall verwehrt, sich gegenüber der Beklagten - jetzt - auf das Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit - als Grundlage ihrer bis zur Einstellungsentscheidung vom 30. November 2011 erbrachten Leistungen - zu berufen. Denn bis dahin hatte sie das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld fortlaufend ohne Einschränkungen gezahlt; auch ließ sie den Versicherungsnehmer ärztlich begutachten, und selbst das zuletzt für sie angefertigte Gutachten des Dr. C. vom 16. November 2011 (Bl. 56 d.A. 14 O 327/12 = Bl. 152 ff. GA), das ausweislich dessen Seite 1 im Anschluss an eine "Erstbegutachtung" vom 10. Februar 2011 erstattet wurde, ging weiterhin von vollständiger Arbeitsunfähigkeit sowie - erstmals - von Berufsunfähigkeit ab 10. November 2011 aus. Indem die Klägerin daraufhin schriftlich die Einstellung ihrer Leistungen - wegen der "aktuellen Arbeitsunfähigkeit" des Versicherungsnehmers aber erst zum 9. Februar 2012 - ankündigte (Bl. 25 GA) und sich dabei auf diese gutachterlichen Feststellungen stützte, brachte sie erkennbar zum Ausdruck, dass sie nach wie vor von bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit ausging: Ihre abschließende, ohne jede Einschränkung in Bezug auf geleistete Zahlungen verfasste Mitteilung über die beabsichtigte Einstellung der Leistungen konnte der Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben nur dahin verstehen, dass für vergangene Zeiträume gezahltes Krankentragegeld keiner erneuten Überprüfung hinsichtlich der vertraglichen Leistungsvoraussetzungen unterliegen sollte. Insoweit verhält es sich auch anders, als bei der - von der Beklagten in ihrer nachgelassenen Stellungnahme vom 12. Mai 2021 erwähnten - Rückforderung wegen später erkannter Berufsunfähigkeit: Denn dieser - spezielle - Fall ist in den Versicherungsbedingungen ausdrücklich geregelt, insoweit besteht kein Vertrauensschutz; gerade jedoch, weil die Bedingungen dafür einen ausdrücklichen Rückforderungsvorbehalt vorsehen (vgl. § 11 Satz 2 MB/KT 2009 i.V.m. § 15 Buchst. b MB/KT 2009), durfte der Versicherungsnehmer hier nach Erhalt der Mitteilung vom 30. November 2011 darauf vertrauen, dass andere Leistungsvoraussetzungen, die Gegenstand der Begutachtungen waren, nicht mehr in Frage gestellt werden würden. Der so geschaffene Vertrauenstatbestand ist angesichts der überlegenen Sach- und Rechtskunde der Klägerin und der einkommensersetzenden Funktion des Krankentagegeldes (vgl. Voit, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 1 MB/KT Rn. 1) von ähnlich hohem Gewicht, wie es für vergleichbare leistungsbezogene Aussagen des Berufsunfähigkeitsversicherers oder des Unfallversicherers anerkannt ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. September 2019 - IV ZR 20/18, VersR 2019, 1412). Deshalb verbleibt der Senat auch unter Berücksichtigung der weiteren Stellungnahme der Klägerin dabei, dass es dieser jetzt versagt ist, sich für vergangene Zeiträume auf das Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit zu berufen, um damit einen - nicht vertraglich vorbehaltenen - Anspruch auf Rückzahlung vermeintlich rechtsgrundloser Versicherungsleistungen zu begründen. Diese Sicht ist im Übrigen auch notwendiges Korrelat zu den - eng gefassten - Voraussetzungen der Eintrittspflicht der Beklagten, der eine zeitnahe Überprüfung ohne weiteres möglich war, die davon wiederholt Gebrauch gemacht hat und die das Risiko einer diesbezüglichen Fehleinschätzung jetzt nicht ihrem Versicherungsnehmer bzw. dessen Rechtsnachfolgerin überantworten darf: An ihrer damaligen Aussage, die von der Fortdauer des Versicherungsfalles ausging und auf die sich der Versicherungsnehmer verlassen durfte, muss sie sich festhalten lassen.

c)

Dahinstehen kann deshalb, dass die Annahme des Landgerichts, wonach die Klägerin das Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum bewiesen habe (§ 286 ZPO; zur Beweislast im Rückforderungsprozess BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09, BGHZ 186, 115; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., Vor § 74 Rn. 136 und Einl. Rn. 365 f.), durchgreifenden Bedenken begegnet, auf die der Senat in der mündlichen Verhandlung aufmerksam gemacht hat. Denn die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil gründen sich insoweit allein auf das vom Landgericht eingeholte rechtsmedizinische Gutachten, das diesen Schluss zwar für sich genommen rechtfertigt, was auch der Senat gar nicht anders verstehen oder in Zweifel ziehen will (zur fehlenden Notwendigkeit einer erneuten Anhörung des Sachverständigen in diesen Fällen BGH, Beschluss vom 6. März 2019 - IV ZR 128/18, VersR 2019, 506; Beschluss vom 21. April 2010 - IV ZR 172/09, VRR 2010, 242); sie sind aber lückenhaft, weil weitere, maßgebliche und durch Beiziehung der Akten der beiden Vorprozesse ordnungsgemäß in den Rechtsstreit eingeführte Umstände ausgeblendet werden, die, weil der Versicherer das Fehlen des Rechtsgrundes voll beweisen muss und bloße Zweifel dafür nicht ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 - IV ZR 179/92, BGHZ 123, 217; Schauer, in: Berliner Kommentar zum VVG, § 55 Rn. 47), bei der gebotenen Gesamtwürdigung diesen Schluss nicht rechtfertigen. So folgt aus dem in zeitlicher Nähe für einen anderen Krankentagegeldversicherer gefertigten Gutachten des Dr. Dr. K. vom 17. November 2010 (Bl. 37 ff. d.A. 14 O 187/11), dass der Versicherungsnehmer seinerzeit an Beschwerden litt, die von einer chemotherapeutisch induzierten Polyneuropathie ausgehen, insbes. an Taubheitsgefühlen und einer Gefühllosigkeit der Füße mit strumpfförmiger Ausbreitung bis zu den Knöcheln, sowie einer Taubheit der Fingerspitzen, die sich in der kälter werdenden Jahreszeit verschlimmert hätten. Außerdem konstatierte der Gutachter eine verminderte körperliche Belastbarkeit und befand in der Summe weiterhin eine 100 prozentige Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres für gegeben. Im Rahmen der von ihm angeregten Nachuntersuchung nach 6 bis 8 Wochen bescheinigte er dem Versicherungsnehmer mit Gutachten vom 4. Februar 2011 (Bl. 49 ff. d.A. 14 O 187/11) eine unveränderte Fortdauer dieses Zustandes bis auf weiteres; aufgrund seines Zustandes seien dem Versicherten schwere körperliche Tätigkeiten, so auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, nicht mehr möglich. In dieselbe Richtung geht auch die vom Senat eingeholte Aussage der (sachverständigen) Zeugin A. S. (Praxis Dr. R.) vom 25. August 2015 (Bl. 312 d.A. 14 O 187/11), in der diese die Beschwerden des Versicherungsnehmers im vorgenannten Zeitraum beschreibt und dazu ausführt, in der Zusammenschau aller Befunde und Einschränkungen habe dieser im Zeitraum vom 15. Februar 2011 bis zum 31. Oktober 2011 seinen Beruf in keiner Weise ausüben können. Letztlich findet sich in dem für die Klägerin gefertigten Gutachten des Dr. C. vom 16. November 2011 (Bl. 56 d.A. 14 O 327/12 = Bl. 152 ff. GA) auf Seite 2 (= Bl. 152 Rs. GA) der Hinweis, dass bereits im "Februar/März 2011" eine CT-Kontrolle im Krankenhaus Neunkirchen zur Diagnose zweier Tumoren im Stumpfbereich und zur anschließenden Überweisung an die Universitätsklinik Heidelberg geführt habe. Soweit andererseits der Sachverständige Dr. K. in seinem Gutachten vom 20 Dezember 2012 den Versicherungsnehmer im Februar 2011 als "klinisch in Remission" befindlich ansah, "d.h., die vorliegenden Untersuchungsergebnisse hatten zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis auf ein Lokalrezidiv oder eine Metastasierung der Erkrankung" (Bl. 121 GA), finden sich keine Ausführungen zu den weiteren Auswirkungen der Therapie und daraus resultierenden Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit, obgleich diese nach der schlüssigen Darstellung des Versicherungsnehmers erheblich gewesen sein sollen. Bei dieser Sachlage ist der erforderliche Nachweis fehlender vollständiger Arbeitsunfähigkeit im fraglichen Zeitraum nicht geführt; auch deshalb muss der Bereicherungsanspruch scheitern, unbeschadet der Tatsache, dass es darauf nicht mehr entscheidend ankommt, weil - wie ausgeführt - das Berufen der Klägerin auf das Fehlen dieser Voraussetzung nach Treu und Glauben unbeachtlich ist.

2.

Der von der Klägerin weiterhin geltend gemachte, richtigerweise - nur - auf die vertragliche Regelung des § 11 Satz 2 MB/KT 2009 i.V.m. § 15 Buchst. b MB/KT 2009 gestützte Rückzahlungsanspruch wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09, BGHZ 186, 115) ist dagegen teilweise begründet. Zu Recht geht das Landgericht auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme vom Eintritt der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers bereits ab dem 5. April 2011 aus; infolgedessen entfiel die Leistungspflicht der Beklagten hier rückwirkend mit Ablauf von weiteren drei Monaten bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit, von der nach dem oben Gesagten auszugehen ist, mithin ab dem 5. Juli 2011:

a)

§ 11 Satz 2 MB/KT 2009 enthält - rechtswirksam, vgl. nur KG, RuS 2017, 362 - die Verpflichtung zur Rückgewähr erhaltener Versicherungsleistungen für den Fall, dass der Versicherer von dem Wegfall einer im Tarif bestimmten Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit oder dem Eintritt von Berufsunfähigkeit einer versicherten Person (vgl. § 15 Abs. 1 Buchst. a und b MB/KT 2009) erst später Kenntnis erlangt, weil dieser Umstand ihm - entgegen § 11 Satz 1 MB/KT 2009 - nicht unverzüglich angezeigt wurde. Dieser vertragliche Rückgewähranspruch lässt keinen Raum für einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung des Versicherungsnehmers (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - IV ZR 339/90, VersR 1992, 479; Tschersich, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl., § 5 Rn. 59). Gemäß § 15 Abs. 1 Buchstabe b MB/KT 2009 endet das Versicherungsverhältnis hinsichtlich der betroffenen versicherten Person mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 Prozent erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit. Auch diese Regelung ist wirksam, soweit dem berechtigten Interesse des Versicherungsnehmers, bei einer späteren Besserung des Gesundheitszustandes, die unvorhergesehen eintritt und die Berufsunfähigkeit beendet, wieder den Schutz der Krankentagegeldversicherung im Krankheitsfall zu benötigen, durch die Möglichkeit zum Abschluss einer Anwartschaftsversicherung angemessen Rechnung getragen wird (zum selben Versicherungsvertrag auch schon Senat, Urteil vom 15. Februar 2017 - 5 U 12/15 = Bl. 55 ff. GA; ebenso KG, RuS 2017, 362; OLG Celle, VersR 2008, 526; OLG Karlsruhe, VersR 2007, 51; vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1992 - IV ZR 59/91, BGHZ 117, 92). Hier räumt § 15 Abs. 2 MB/KT 2009 dem Versicherungsnehmer und der versicherten Personen das Recht ein, einen wegen Eintritts der Berufsunfähigkeit gemäß Absatz 1 Buchstabe b beendeten Vertrag nach Maßgabe des Tarifs in Form einer Anwartschaftsversicherung fortzusetzen, sofern mit einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zu rechnen ist.

b)

Die Klägerin hat bewiesen, dass der Versicherungsnehmer, ihrer Behauptung entsprechend, am 5. April 2011 berufsunfähig im Sinne ihrer Versicherungsbedingungen gewesen ist; infolgedessen erlosch ihre Leistungspflicht drei Monate später zum 5. Juli 2011 (zur Fristberechnung Senat, Urteil vom 28. November 1990 - 5 U 29/90, VersR 1991, 650):

aa)

Nach § 15 Buchst. b Satz 2 MB/KT liegt Berufsunfähigkeit vor, "wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 Prozent erwerbsunfähig ist". Es geht nach dieser Begriffsbestimmung um einen Zustand (Erwerbsunfähigkeit), dessen Fortbestand aus sachkundiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann. Denn es lässt sich eine ins Gewicht fallende Besserung zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nicht selten weder zuverlässig voraussagen noch ausschließen. Die erforderliche Prognose kann nur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen gestellt werden; sie ist abhängig von individuellen Umständen, wie etwa dem Alter des Versicherten, der Art und Schwere seiner Erkrankung und den Anforderungen der von ihm zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Ein bestimmter Zeitraum, für den die Prognose zu stellen ist, im Sinne einer festen zeitlichen Grenze - etwa von drei Jahren - für die Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit "auf nicht absehbare Zeit" lässt sich dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht entnehmen; sie ist daher der Prognose auch nicht zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09, BGHZ 186, 115). Anders als die Beklagte mit ihrer Berufung meint, ist die Prognose durchaus - gegebenenfalls rückschauend - für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet; für die sachverständige Beurteilung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit sind die "medizinischen Befunde", d.h. alle ärztlichen Berichte und sonstigen Untersuchungsergebnisse, heranzuziehen und auszuwerten, die der darlegungs- und beweisbelastete Versicherer für die maßgeblichen Zeitpunkte vorlegen kann. Dabei ist es gleich, wann und zu welchem Zweck die medizinischen Befunde erhoben wurden; auch müssen sie keine - ausdrückliche oder wenigstens stillschweigende - ärztliche Feststellung der Berufsunfähigkeit enthalten (BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - IV ZR 163/09, BGHZ 186, 115).

bb)

Das Landgericht hat diese vertraglichen Voraussetzungen zutreffend gewürdigt und nach Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Berücksichtigung auch der weiteren Umstände des Falles mit Recht für gegeben erachtet; der Senat sieht auch unter Berücksichtigung der weiteren Einwände der Beklagten keinen Anlass für durchgreifende Zweifel an den erstinstanzlichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 ZPO), zumal solche mit der Berufung auch nicht aufgezeigt werden. Das von der Erstrichterin in erster Linie herangezogene Sachverständigengutachten gelangt nachvollziehbar und eindeutig zu dem Schluss, dass jedenfalls mit der definitiven Diagnose eines Rezidivs nicht nur eine vollschichtige Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers vorlag, sondern dass angesichts dieses Zustandes ex ante nicht mehr davon auszugehen war, dass er in einer absehbaren Zeit wieder in seinem handwerklichen Beruf würde tätig sein können (Bl. 274 ff. GA). Ihre eingehende Begründung, die von einer nicht mehr kurativen Situation einer nicht mehr aufzuhaltenden Grunderkrankung ausgeht und, daraus resultierend, unzureichende körperliche Ressourcen und die fehlende Möglichkeit, psychischen und organisatorischen Anforderungen einer selbständigen Tätigkeit standzuhalten, feststellt, erweist sich in jeder Hinsicht als verständlich; auch deckt sie sich in der Sache mit den Einschätzungen aus den anderen aktenkundigen, den maßgeblichen Zeitraum betreffenden Gutachten und Stellungnahmen, so geht insbesondere der Sachverständige Dr. Dr. K. bereits am 4. Februar 2011 (Bl. 49 ff. d.A. 14 O 187/11) von einem dauerhaften Zustand aus, entsprechendes wird, für spätere Zeiträume, auch durch die Sachverständigen Dr. C. (Gutachten vom 16. November 2011, Bl. 56 d.A. 14 O 327/12 = Bl. 152 ff. GA) und Dr. K. (Gutachten vom 31. Januar 2014 (Bl. 121 ff. d.A. 14 O 327/12 = Bl. 122 ff. GA) bescheinigt. Bei dieser Sachlage durfte sich das Landgericht die Feststellungen der von ihm beauftragten Sachverständigen zu eigen machen und auf dieser Grundlage das Vorliegen von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ab dem 5. April 2011 für erwiesen erachten.

c)

Erhebliche Gründe, die den vertraglichen Rückforderungsanspruch der Klägerin in Zweifel ziehen könnten, zeigt die Berufung nicht auf; solche sind auch nicht erkennbar. Das Beharren der Beklagten auf dem Einwand der Entreicherung (§ 818 Abs. BGB) geht fehl, weil dieser nur gesetzliche Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 ff. BGB) betrifft und nicht den - hier einschlägigen - vertraglichen Rückgewähranspruch aus § 11 Satz 2 MB/KT 2009 (OLG Karlsruhe VersR 2007, 51; Tschersich, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O., § 45 Rn. 59). Dessen unbeschadet, wären die Voraussetzungen dieses Einwandes hier auch nicht dargetan; denn eine Entreicherung kann nur durch Ausgaben eintreten, die der Versicherungsnehmer nicht auch ohne die Bereicherung getätigt hätte, dafür ist er darlegungs- und ggf. beweisbelastet (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., Vor § 74 Rn. 134; vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1989 - IVa ZR 201/88, VersR 1989, 943). Verwendet er jedoch das Erlangte dazu, um anderweitige Vermögensvorteile zu erzielen, insbesondere weil er - wie hier nach ergänzender Darlegung der Beklagten - damit seinen Lebensunterhalt bestreitet und dadurch anderweitige Aufwendungen erspart, so ist er nicht entreichert (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1982 - IVb ZR 657/80, BGHZ 83, 278, 283). Auch Treu und Glauben (§ 242 BGB) untersagen die Rückforderung insoweit nicht; denn anders als im Falle des auf das Fehlen der bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit gestützten Bereicherungsanspruchs hat sich die Beklagte die Möglichkeit, das Geleistete wegen zwischenzeitlich eingetretener Berufsunfähigkeit zurückzufordern, ausdrücklich im Vertrag vorbehalten.

d)

Mit Recht hat das Landgericht den Rückforderungsanspruch der Klägerin auch nicht als verjährt angesehen. Die - insoweit maßgebliche - dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB begann hier nach § 199 Abs. 1 BGB nicht schon mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem auch die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB - Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners - vorlagen; dafür ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576). Von der Möglichkeit, dass der Versicherungsnehmer auch schon am 5. April 2011 berufsunfähig war, musste die Klägerin jedoch erwiesenermaßen nachvollziehbar erst im Laufe des Vorprozesses - 14 O 327/12 - ausgehen, nachdem die Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. aus dessen Gutachten vom 31. Januar 2014 (Bl. 122 ff. GA) dies erstmals für sie erkennbar nahelegten. Der vorliegende, im Juli 2015 eingeleitete Rechtsstreit hat deshalb - unbeschadet eines etwaigen Nichtbetriebes zwischen Februar 2016 und Mai 2017 - zweifelsfrei rechtzeitig zu einer Hemmung der laufenden Verjährung geführt, die weiterhin andauert (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, auch i.V.m. § 204 Abs. 2 Satz 3 und 4 BGB). Zu einem noch früheren Zeitpunkt für eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin ist dagegen nichts ausreichendes ersichtlich; insbesondere bescheinigte das von ihr im Vorfeld beauftragte Gutachten des Dr. C. vom 16. November 2011 eine Berufsunfähigkeit ausdrücklich erst "ab dem 10. November 2011", worauf das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht hinweist. Die abweichende Würdigung der Beklagten in der Berufungsbegründung und in ihrer nachgelassenen Stellungnahme vom 12. Mai 2021 vermag diese zutreffenden Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen.

e)

Hiervon ausgehend, besteht ein Rückforderungsanspruch der Klägerin wegen des durch Berufsunfähigkeit bedingten Fortfalls der Leistungspflicht für die Zeit vom 5. Juli 2011 bis zum 9. Februar 2012, d.h. für 220 Tage à 80,- Euro. Denn nach dem oben Gesagten war der Versicherungsnehmer am 5. April 2011 bedingungsgemäß berufsunfähig mit der Folge, dass das Versicherungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt endete (§ 15 Abs. 1 Buchstabe b Satz 1 MB/KT 2009). Allerdings hatte die Klägerin - entgegen der Einschätzung des Landgerichts - auch danach und für die Dauer von drei Monaten noch Tagegeldzahlungen zu erbringen; denn gemäß § 15 Abs. 1 Buchstabe b Satz 3 MB/KT 2009 obliegt ihr eine Nachleistungspflicht für den Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Eintritt der Berufsunfähigkeit, wenn zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit besteht, und dass dies hier am 5. April 2011 noch der Fall war, darf die Klägerin aus den oben im Einzelnen dargelegten Gründen im vorliegenden Rechtsstreit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr rechtswirksam in Abrede stellen. Daraus folgt ein berechtigter Rückzahlungsbetrag in Höhe von 17.600,- Euro, der mit Wirkung ab 9. Juni 2015 gesetzlich zu verzinsen ist, weil sich die Beklagte aufgrund der mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten erklärten Leistungsablehnung ab diesem Zeitpunkt mit der berechtigten Forderung im Verzug befand (§§ 288 Abs. 1, 286 BGB). Die weitergehende Klage ist dagegen mangels Rückzahlungsanspruchs unbegründet, insoweit hat die Berufung der Beklagten Erfolg und ist die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 3, 4 ZPO, §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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