OLG Köln, Urteil vom 01.09.2020 - 9 U 186/19
Fundstelle
openJur 2021, 22795
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 23 O 466/18
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das am 07.08.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 23 O 466/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.129,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.884,06 € ab dem 02.10.2018 und aus weiteren 1.245,75 € seit dem 06.02.2019 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte

a) dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 31.12.2018 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die unwirksamen Beitragserhöhungen in dem Tarif XL zum 01.04.2016 um monatlich 62,63 € und zum 01.04.2017 um monatlich 50,62 € jeweils in der Zeit vom 01.04.2016 bis zum 31.12.2018 zur Versicherung A gezahlt hat,

b) die zu a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.02.2019 zu verzinsen hat.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 255,85 € freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung. Streitig sind folgende Beitragserhöhungen:

im Tarif XL zum 01.04.2016 (62,63 €)

zum 01.04.2017 (50,62 €).

Der am xx.xx.1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Im Rahmen dieser Versicherung bestand Versicherungsschutz in dem genannten Tarif XL.

Auslöser der streitigen Beitragserhöhungen waren nach dem Vortrag der Beklagten die Entwicklungen der Leistungsausgaben. Die für die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen maßgeblichen Zustimmungen wurden für die genannten Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den jeweiligen Stichtagen von dem Treuhänder B erteilt.

Die Beklagte teilte dem Kläger die Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den jeweiligen Stichtagen des 1. April eines Jahres mit Schreiben aus Februar 2016 und Februar 2017 (vgl. im Einzelnen Anlagen K 3 Bl. 18 ff. und 24 ff., BLD 3 Anlagenhefter) mit. Auf den Inhalt der vorgenannten Schreiben nebst Anlagen wird Bezug genommen. Streitig ist zwischen den Parteien, ob der Kläger außer den von ihm vorgelegten Mitteilungsschreiben und Nachträgen auch die von der Beklagten vorgelegten Informationsunterlagen erhalten hat.

Mit Schreiben vom 12.02.2018 machte der Kläger gegen die Beklagte Rückforderungsansprüche wegen der Beitragserhöhungen im Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 wegen geleisteter Erhöhungsbeträge im Zeitraum von April 2017 bis Februar 2018 einschließlich in Höhe von insgesamt 1.884,06 € geltend und forderte diese zur Zahlung dieses Betrages bis zum 23.02.2018 auf. Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K 4 Bl. 30 f d.A. verwiesen.

Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 16.02.2018, dass nach ihrer Auffassung die strittigen Beitragsanpassungen wirksam vorgenommen worden seien (K 5 Bl. 32 d.A.).

Aufgrund dessen beauftragte der Kläger seine Prozessbevollmächtigte, die mit Schreiben vom 14.03.2018 die Beklagte zunächst unter Fristsetzung bis zum 29.03.2018 zur Mitteilung aufforderte, ob sie für die nächsten zwei Jahre nicht auf die Einrede der Verjährung verzichten und außerdem auch keine Zahlungen erbringen wolle (K 6 Bl. 34 d.A.).

Die Beklagte bestätigte daraufhin der Prozessbevollmächtigten des Klägers den Inhalt ihres Schreibens vom 16.02.2018 und erklärte, dass sie Rückzahlungsansprüche des Klägers abgelehnt habe sowie auf die Einrede der Verjährung nicht verzichtet werde (K 7 Bl. 35 d.A.).

Daraufhin forderte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte mit Schreiben vom 17.09.2018 letztmalig auf, die vom Kläger geforderten Zahlungen bis zum 01.10.2018 zu erbringen (K 8 Bl. 36 d.A.). Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 02.10.2018 ab (K 9 Bl.37 d.A.).

Die Zustellung der Klageschrift ist am 06.02.2019 erfolgt (Bl.41 d.A.). In der der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18.03.2019 (Bl. 75 d.A.) zugestellten Klageerwiderung vom 11.03.2018 (Bl. 45 ff. d.A.) hat die Beklagte die Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den jeweiligen Stichtagen mit einem Anstieg der Leistungsausgaben begründet und die auslösenden Faktoren mitgeteilt.

Das Landgericht hat durch das am 07.08.2019 verkündete Urteil - 23 O 466/18 -, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen und der Anträge Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Feststellungsantrag zu 1) sei unbegründet. Die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen seien formell nicht zu beanstanden und ihre materielle Rechtmäßigkeit sei im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen.

Auf den Einwand der fehlenden Unabhängigkeit der jeweils zustimmenden Treuhänder könne der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen, weil nach der Rechtsprechung des BGH die Unabhängigkeit des zustimmenden Treuhänders im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung in der Krankenversicherung gemäß § 203 II 1 VVG von den Zivilgerichten nicht gesondert zu überprüfen sei.

Nach § 203 V VVG werde eine Neufestsetzung der Prämie zu Beginn des 2. Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung und der dafür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folge. Die von der Beklagten übersandten Unterlagen reichten als Mitteilung der maßgeblichen Gründe i.S.v. § 203 V VVG aus. Diesen könne entnommen werden, dass die Prämienanpassungen durch eine Veränderung der Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" (§ 203 II S. 3 VVG) ausgelöst worden seien und dass sich auf die Prämienanpassungen neben der Veränderung der Leistungsausgaben auch die steigende Lebenserwartung, das Absenken des Rechnungszinses und die Entwicklung des Versichertenbestandes in Form der seltener gewordener Beendigung von Tarifen ausgewirkt habe. Damit seien die wesentlichen, die Prämienanpassung auslösenden Kriterien dargelegt. Die materielle Richtigkeit und Vollständigkeit der Begründung sei für die Wahrung des Begründungszwangs als formalem Kriterium unmaßgeblich.

Nach dem maßgeblichen Sach- und Streitstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung habe der Kläger die Änderungsmitteilungen im November 2016 bzw. November 2017 mit den im Anlagenkonvolut BLD 3 enthaltenen Unterlagen von der Beklagten erhalten. Soweit der Kläger pauschal in Abrede gestellt habe, nur die Beilagen zu den ihm unstreitig zugegangenen Änderungsmitteilungen nicht erhalten zu haben, sei er dem Vorbringen der Beklagten, ein Versand der Änderungsmitteilung ohne Anlagen sei technisch ausgeschlossen, nicht hinreichend entgegen getreten. Es hätte näherer Darlegung bedurft, aus welchem Grund der Kläger erstmals im Rechtsstreit das Fehlen der in den Änderungsmitteilungen ausdrücklich erwähnten Beilagen moniert habe.

Das pauschale Bestreiten der materiellen Rechtsmäßigkeit der Prämienanpassungen sei unbeachtlich. Nachdem die Beklagte mit der Klageerwiderung näheren Vortrag zu den auslösenden Faktoren sowie der Prämienkalkulation gehalten habe, habe der Kläger erkennen lassen, dass er die Anpassungen nunmehr für plausibel erachte.

Aus den vorstehenden Gründen seien auch der auf Zahlung überhöhter Prämien gerichtete Antrag zu 2) sowie die weiteren Klageanträge unbegründet.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Klagebegehren uneingeschränkt weiterverfolgt.

Der Kläger wendet ein, rechtsfehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, die von der Beklagten vermeintlich übersandten Unterlagen reichten als Mitteilung der Gründe i.S.v. § 203 V VVG aus. Es sei verkannt worden, dass erst § 203 V VVG n.F. ein Begründungserfordernis eingeführt habe. Die vorliegenden, nur pauschalen Begründungen erschienen nur als einfache Benachrichtigungen, nicht als individuell nachvollziehbare und wirklich notwendige Prämienerhöhung.

Die Angaben "Veränderung der Leistungsausgaben, steigende Lebenserwartung und durchschnittliche Vertragslaufzeit" sowie die "Entwicklung des Versichertenbestandes in Form der seltener gewordenen Beendigung von Tarifen" seien nur eine pauschale Begründung. Das Gesetz werde nur floskelhaft zitiert und steigende Gesundheitskosten als lediglich formelle Begründung angestellt, was eher der alten Gesetzeslage anstatt einer Erhöhungsmitteilung entspreche.

Das Landgericht sei auch aufgrund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anpassungen plausibel seien, nachdem die Beklagte mit der Klageerwiderung näheren Vortrag zu auslösenden Faktoren sowie der Prämienkalkulation gehalten habe. Der Kläger vertritt die Ansicht, sein pauschales Bestreiten der von der Beklagten erst im Prozess eingeführten tatsächlichen Begründungen reiche aus, da ein Versicherungsnehmer ohne sachverständige Hilfe nicht abschätzen könne, ob die Prämienerhöhung tatsächlich berechtigt sei, selbst wenn der auslösende Faktor oder andere Berechnungsgrundlagen konkret benannt würden. Sachverständige Kenntnisse könnten von ihm nicht verlangt werden. Abgesehen davon habe er dazu im Schriftsatz vom 15.05.2019 auf Seite 4 einen gerichtlichen Hinweis erbeten, der rechtsfehlerhaft nicht erteilt worden sei. Erstmals im Urteil habe das Landgericht sein - des Klägers - pauschales Bestreiten erwähnt und für ihn nachteilig ausgelegt. Er hätte Sachverständigenbeweis anbieten können. Die Unterlassung des erbetenen Hinweises ziehe eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach sich.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 07.08.2019 verkündeten Urteil des Landgerichts Köln, Aktenzeichen - 23 O 466/18 -

1. festzustellen, dass folgende Erhöhungen der Monatsbeiträge in der zwischen ihm und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer: A unwirksam sind und er nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeiträge verpflichtet ist:

a) Erhöhung ab April 2016 bis zum Dezember 2018 um insgesamt 2.066,79 €;

b) Erhöhung ab April 2017 bis zum Dezember 2018 um insgesamt 1.063,02 €;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.129,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus ab dem 02.10.2018 zu bezahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Nutzungen herauszugeben, die sie bis zum 31.12.2018 aus dem Prämienanteile gezogen hat, den der Kläger auf die Beitragserhöhungen ab dem 01.04.2016 bis zum 31.12.2018 zur Versicherung A gezahlt hat und die diesbezüglich herauszugebenden Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen;

4. ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Auslagen in Höhe von 255,85 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung des Klägers unter Verteidigung des angefochtenen Urteils und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 06.01.2020 (Bl. 217 ff. d.A.) verwiesen.

Ihre als Anlagekonvolut BLD 3 vorgelegten Mitteilungsschreiben aus Februar 2016 und Februar 2017 zu den vorgenommenen Beitragsanpassungen in der Krankenversicherung nach dem Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 genügten den Voraussetzungen des § 203 V VVG. Die Nennung des auslösenden Faktors sei nicht erforderlich.

Die materielle Rechtmäßigkeit greife der Kläger nach wie vor nicht substantiiert an, so dass die Zurückweisung seines pauschalen Bestreitens nicht zu beanstanden sei. Der Kläger stelle nicht einmal "Plausibilitätserwägungen" an, obwohl ihm die auslösenden Faktoren mitgeteilt und die jeweiligen Beitragsberechnungsbögen zur Kenntnis gereicht worden seien. Der Kläger habe die benannten auslösenden Faktoren für die streitgegenständlichen Anpassungen inklusive Anlagekonvolut BLD 4 nur pauschal bestritten, wobei offen bleibe, was genau eigentlich bestritten werden soll. Das Bestreiten der nach den Vorgaben ermittelten sachlichen Werte sei prozessual unbeachtlich, weil der Kläger die Plausibilität der statistischen Nachweise durch einen eigenen Sachverständigen überprüfen lassen könne. Insoweit trage der Kläger keine Anhaltspunkte vor, die auf eine fehlerhafte Datengrundlage hindeuteten, so dass sein Bestreiten der Richtigkeit dieser Daten ins Blaue hinein erfolgt und unbeachtlich sei.

Auch in der Berufungsbegründung habe der Kläger nichts zur vermeintlichen materiellen Unrechtmäßigkeit der streitigen Beitragsanpassungen vorgetragen und überdies keinen tauglichen Beweis angetreten.

Sie habe demgegenüber mit der Klageerwiderung substantiiert und unter Beweisantritt zur materiellen Berechtigung der streitig gestellten Anpassungen vorgetragen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Klageantrag zu 1): Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Beitragserhöhungen

Der Feststellungsantrag betreffend die Unwirksamkeit der streitigen Beitragserhöhungen im Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 ist unzulässig. Der Zulässigkeit steht der Vorrang der Leistungsklage entgegen, welche der Kläger mit dem Klageantrag zu 2) auch erhoben hat.

Ist die Klage auf Leistung möglich und zumutbar, wird im Interesse der endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess das abstrakte Feststellungsinteresse regelmäßig fehlen (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 256 Rn. 7a m.w.N.).

Der Feststellungsantrag ist nach der gewählten Formulierung ausdrücklich zeitlich begrenzt auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Erhöhungen ab April 2016 und ab April 2017 jeweils nur bis zum Dezember 2018. Der Kläger begehrt danach keine unbegrenzte Feststellung der Unwirksamkeit dieser o.g. Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den jeweiligen Stichtagen auch für die Zukunft. Die von ihm genannten Beträge von 2.066,79 € und 1.063,02 € ergeben addiert genau den Betrag, den er mit dem Klageantrag zu 2) als Zahlung verlangt (= 3.129,81 €). Aufgrund dessen sind der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Feststellungsantrag und der mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Zahlungsantrag insoweit inhaltlich identisch, als damit jeweils die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den genannten Stichtagen für den o.g. Zeitraum überprüft werden soll. Da diese Frage in dem Klageantrag zu 2) inzident vollumfänglich überprüft und festgestellt wird, bedarf es daneben nicht noch des mit dem Klageantrag zu 1) gestellten Feststellungsantrags. Es gilt vorliegend der Vorrang der Leistungsklage.

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers auf Seite 5 der Klageschrift (Bl. 7 unten d.A.). Dort wird zwar erklärt, dass die weitere Prämien- und Tarifentwicklung auch nach neuerlicher Beitragserhöhung - hier noch nicht streitgegenständlich - derzeit noch nicht abgeschlossen sei, weshalb der Feststellungsantrag und damit das Feststellungsinteresse begründet sei. Daraus kann aber nicht entnommen werden, dass der Kläger entgegen seinem insoweit ausdrücklich zeitlich begrenzten Feststellungsantrag zu 1) die Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den o.g Stichtagen auch für die Zukunft, also ab Januar 2019 festgestellt haben will.

2. Klageantrag zu 2): Zahlung von 3.129,81 €

Der Klageantrag zu 2) ist vollumfänglich begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der auf die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen im Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 im Zeitraum von April 2016 bis Dezember 2018 gezahlten Erhöhungsbeträge in Höhe von insgesamt 3.129,81 € aus § 812 I S. 1 1. Alt. BGB zu.

Die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen waren wegen unzureichender Begründung in den Mitteilungsschreiben der Beklagten aus Februar 2016 und Februar 2017 (Anlagen K 2 Bl. 18 ff., K 3 Bl. 24 ff. und BLD 3 Anlagenheft) in formeller Hinsicht unwirksam. Die unzureichenden Begründungen für diese Prämienerhöhungen zu den genannten Stichtagen konnten auch nicht - durch Zustellung der Klageerwiderung am 18.03.2019 (Bl. 75 d.A.) - nachträglich geheilt werden.

Die aufgrund der unwirksamen formellen Mitteilungen rechtsgrundlos gezahlten Erhöhungsbeträge im Zeitraum vom 01.04.2016 bis 31.12.2018 belaufen sich auf insgesamt 3.129,81 €, und setzen sich wie folgt zusammen:

Tarif

Erhöhung

1.4.2016 - 31.12.2018

insgesamt

XL

ab 01.04.2016 um 62,63 €

33 Monate

2.066,79 €

XL

ab 01.04.2017 um 50,62 €

21 Monate

1.063,02 €

a) Nach § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. Vorliegend genügten die von der Beklagten vorgelegten Begründungsschreiben nebst Anlagen aus Februar 2016 zum 01.04.2016 und aus Februar 2017 zum 01.04.2017 nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG.

Streitig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, was unter Mitteilung der "maßgeblichen Gründe" im Sinne von § 203 Abs. 5 VVG zu verstehen ist und welche Angaben die Mitteilung im Einzelnen enthalten muss. "Gründe" i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG sind jedenfalls die Umstände, die eine Neufestsetzung der Prämie inhaltlich rechtfertigen. Da das Anpassungsrecht eine nicht nur vorübergehende Veränderung der für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlagen im Sinne von § 203 Abs. 2 VVG, § 12 b Abs. 2 VAG bzw. § 155 Abs. 3 VAG 2016 voraussetzt, muss die Mitteilung daher zumindest irgendwelche Aussagen zu diesem Punkt enthalten. Zu den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansichten, welche Anforderungen an die Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zu stellen sind, und zu der vom Senat vertretenen Auffassung wird auf die Senatsurteile vom 29.10.2019 (9 U 127/18), vom 17.12.2019 (9 U 131/18), vom 28.01.2020 (9 U 138/19) sowie vom 21.04.2020 (9 U 174/18) verwiesen. Unter inhaltlicher Bezugnahme auf die betreffenden Ausführungen in den Senatsurteilen sind hiernach folgende Anforderungen und Grundsätze zu beachten:

aa) Zunächst ist erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen und/oder der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln, weil die Veränderung zumindest einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen oder ggf. auch beider in § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung genannt ist.

bb) Die Benennung der Rechnungsgrundlage muss auch bezogen auf die konkrete Prämienanpassung erfolgen. Nicht ausreichend ist insofern, dass in Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung einer der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die in Rede stehende konkrete Prämienerhöhung maßgeblich war. Eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen und tariflichen Grundlagen reicht nicht aus. Denn dem Gesetzeswortlaut in § 203 Abs. 5 VVG ist durch die Verwendung des Begriffs "maßgeblich" zu entnehmen, dass nicht eine allgemeine Information oder Belehrung über das Prämienanpassungsrecht ausreicht, sondern ein Bezug zu der konkreten Prämienanpassung hergestellt werden muss.

cc) Hingegen ist die Angabe der konkreten Höhe der Veränderung oder des sog. auslösenden Faktors nicht erforderlich. Denn für die Prämienerhöhung reicht es aus, dass die Veränderung den in den Versicherungsbedingungen oder im Gesetz festgelegten Schwellenwert über- oder unterschreitet.

dd) Nicht erforderlich ist zudem, dass in der Mitteilung konkret angegeben wird, welcher Schwellenwert über- oder unterschritten wurde, der gesetzliche Faktor gemäß § 155 VAG (Versicherungsleistungen über 10 % bzw. Sterbetafeln über 5 %) oder ein gegebenenfalls abweichender tariflich vereinbarter auslösender Faktor (z.B. § 8 b MB/KK: Versicherungsleistungen über 5 %). Es reicht aus, wenn der Versicherungsnehmer dem Gesamtzusammenhang des Begründungsschreibens klar entnehmen kann, dass der Versicherer seine Erhöhung mit einer Über- oder Unterschreitung des geltenden Faktors begründet.

ee) Nicht erforderlich ist die Angabe des Namens und der Anschrift des Treuhänders in der Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG durch den Versicherungsnehmer. Da die Unabhängigkeit des Treuhänders nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.12.2018 (- IV ZR 255/17 -, VersR 2018, 283 ff.) nicht gerichtlich zu überprüfen ist, ist der Name für den Versicherungsnehmer zunächst ohne Bedeutung. Bei Interesse kann er ihn im Rahmen des ihm zustehenden Auskunftsanspruchs beim Versicherer erfragen.

ff) Jedenfalls bei gestiegenen Leistungsausgaben ist ebenfalls nicht zwingend erforderlich die Nennung der Veränderung weiterer Kriterien, welche die Prämienhöhe zumindest auch noch beeinflusst haben, wie bspw. der Rechnungszins. Insbesondere muss ein konkreter Bezug zwischen der streitgegenständlichen Prämienerhöhung und den veränderten weiteren Faktoren in der Begründung nicht hergestellt werden. Denn dies führte zu einer erheblichen Erhöhung des Verwaltungsaufwands, der zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft ginge, ohne dass dem Aufwand ein nur ansatzweise entsprechender Nutzen für den einzelnen Versicherungsnehmer gegenüberstünde.

Genügt die Mitteilung des Versicherers gemäß § 203 Abs. 5 VVG diesen unter 2. a), aa) bis ff) genannten, grundsätzlichen Anforderungen, kann der Versicherungsnehmer die rechtlichen Voraussetzungen, mit denen der Versicherer die Prämienanpassung begründet, in hinreichendem Maße nachvollziehen.

b) Gemessen daran genügten bei den beiden streitgegenständlichen Prämienerhöhungen im Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 die Mitteilungsschreiben und die nach dem Beklagtenvortrag beigefügten Informationsunterlagen (K 2 Bl. 18 ff., K 3 Bl. 24 ff. und BLD 3 AH) den dargestellten Anforderungen an die Mitteilungen der maßgeblichen Gründe i.S.d. § 203 Abs. 5 VVG nicht. Es kann daher offen bleiben, ob der Kläger außer den von ihm vorgelegten Mitteilungsschreiben und Nachträgen auch die von der Beklagten als Anlage BLD 3 vorgelegten Informationsunterlagen erhalten hat.

In den beiden Mitteilungsschreiben ist schon nicht angegeben, welche der beiden gesetzlichen Rechnungsgrundlagen (Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeit) sich verändert und eine Prüfung der Prämienerhöhung ausgelöst haben. Außerdem fehlt die Angabe, dass bei der konkreten Prämienerhöhung der geltende Schwellenwert entweder gemäß Gesetz oder Tarifbedingungen über- oder unterschritten worden ist. Die Erwähnung von gestiegenen Gesundheitskosten reichte zur Erfüllung der dargestellten Anforderungen nicht aus. Dass aufgrund dessen auch die Leistungsausgaben der Beklagten gestiegen sind, wird gerade nicht mitgeteilt. Außerdem fehlt jeglicher Bezug zu dem erhöhten Tarif. Aus den jeweiligen Nachträgen kann nur der erhöhte Tarif und der Erhöhungsbeitrag entnommen werden, Gründe für die Prämienerhöhungen werden darin nicht mitgeteilt. Die beigefügten Informationsunterlagen enthalten nur allgemeine Informationen zur Beitragsanpassung ebenfalls ohne Bezug zur konkret vorgenommenen Prämienerhöhungen in dem Tarif XL, ferner die bloße Wiedergabe der für die Prämienerhöhung maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften, Informationen zur Pflegeversicherung sowie ein Praxisbeispiel zur Erläuterung der gestiegenen Gesundheitskosten (BLD 3).

Eine Heilung der formell unwirksamen Begründungen entsprechend der Grundsätze des BGH aufgrund der ergänzenden Ausführungen der Beklagten in der dem Kläger am 18.03.2019 zugestellten Klageerwiderung vom 11.03.2019 (Bl. 45 ff., 75 d.A.) kommt nicht in Betracht.

Da der Kläger sowohl mit dem Feststellungsantrag zu 1) als auch mit dem Zahlungsantrag zu 2) nur die Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen im Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 jeweils zeitlich begrenzt bis Dezember 2018 einschließlich geltend macht, also nicht für die Zukunft, eine Heilung aber erst zum 01.05.2019 eingetreten wäre, war diese mangels Rückwirkung für die streitgegenständlichen Prämienerhöhungen im Tarif XL zu den genannten Stichtagen nicht mehr möglich.

c) Die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs aus Bereicherungsrecht greifen nicht durch.

aa) Entgegen der Ansicht der Beklagten muss sich der Kläger auf der Rechtsfolgenseite des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen nicht anrechnen lassen, weil die Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Bereicherungsrecht grundsätzlich keine Anwendung finden. Der Bereicherte - hier die Beklagte - kann sich nicht darauf berufen, dass der Entreicherte - hier der Versicherte - durch den Bereicherungsvorgang - hier Zahlung der erhöhten Prämienbeiträge - auch Vorteile gehabt hat. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf die nur auf objektiven Ausgleich gerichteten Ansprüche aus unberechtigter Bereicherung nicht anwendbar (Palandt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 2020, § 812 Rdnr. 72; BGH, Urteil vom 05.11.2002, - XI ZR 381/01 -, NJW 2003, 582 ff. in juris Rn. 26 m.w.N.; BGH, Kartellsenat, Urteil vom 22.07.2014, - KZR 27/23 -, NJW 2014, 3089 ff. in juris Rn. 43). Zwar können nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Einzelfall Ausnahmen in Betracht kommen (BGH, Kartellsenat, Urteil vom 22.07.2014, - KZR 27/23 -, NJW 2014, 3089 ff. in juris Rn. 43), den der Bundesgerichtshof beim Rückforderungsanspruch nach § 3 HWiG angenommen und eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleich in entsprechender Anwendung der dafür geltenden Grundsätze vorgenommen hat (BGH, Urteil vom 24.04.2007, - XI ZR 17/06 -,NJW 2007, 2401 ff. in juris Rn. 24). Ein solcher Ausnahmefall ist allerdings vorliegend nicht gegeben.

bb) Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergibt sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Fällen, in denen Lebens- oder Rentenversicherungen nach § 5 a VVG a.F. nach einem wirksamen Widerspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB rückgewickelt werden mussten. Zwar hat der Bundesgerichtshof in diesen Fällen entschieden, dass die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken sind, sondern nur eine Rückwirkung dem Effektivitätsgebot entspreche (BGH, Urteil vom 11.11.2015, - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33 ff. in juris Rn. 29) und dass der Anspruch auf Prämienrückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB der Höhe nach nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien umfasse und dem Kläger bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der jedenfalls faktisch bis zum Widerspruch genossene Versicherungsschutz anzurechnen sei (BGH, Urteil vom 11.11.2015, - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33 ff. in juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 07.05.2014, - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, 817 ff. in juris Rn. 45).

Diese Fälle sind mit den vorliegenden Fällen eines Rückgewähranspruchs des Versicherten nach unwirksamer Prämienerhöhung insoweit nicht vergleichbar, als eine etwaige Unwirksamkeit einer Prämienerhöhung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit und den Fortbestand des Krankenversicherungsschutzes sowie die Höhe der vereinbarten Prämien bis zum Zeitpunkt der unwirksamen Prämienerhöhung hat. Infolge dessen erfolgt bei Unwirksamkeit einer Prämienerhöhung - anders als in den Widerspruchsfällen gem. § 5a VVG a.F. - keine Rückabwicklung des Krankenversicherungsvertrags mit Rückwirkung. Vielmehr bleibt die beklagte Versicherung nach wie vor zur Versicherungsleistung bei Vorliegen eines Versicherungsfalles verpflichtet und der Versicherte hat jedenfalls die Prämien in der bisherigen Höhe zu zahlen.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die sog. Saldotheorie nicht anzuwenden. Die Saldotheorie findet dogmatisch nur bei rechtsunwirksamen Verträgen Anwendung, was bei einer unwirksamen Prämienerhöhung nicht der Fall ist. Der Krankenversicherungsvertrag bleibt im Übrigen mit der bisherigen, geringeren Prämie wirksam. Der vertraglich zugesagte Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers erhöht sich nicht aufgrund einer Prämienanpassung.

dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind als anzurechnende Vermögensvorteile des Versicherungsnehmers nicht in Abzug zu bringen die Sparprämie (= zur Bildung von Rückstellungen für die im Alter steigenden Versicherungsleistungen), die Risikoprämie und der gesetzliche Beitragszuschlag (= Erhebung gem. § 149 VAG und Zuführung zur Alterungsrückstellung), die anteilig aus den Prämienbeiträgen gebildet werden. Denn es ist keineswegs sicher und auch nicht absehbar, ob und ggf. in welchem Umfang der jeweilige Versicherte überhaupt in den Genuss dieser Leistungen kommt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherte die dafür geltende Altersgrenze noch nicht erreicht hat. Insofern erscheint es angemessen, dass allein das Versicherungsunternehmen das rechtliche Risiko trägt, eine Prämienanpassung rechtswirksam durchzusetzen (Ossyra, VuR 2018, 373/380 Ziff. II.).

Aus den zuvor dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, scheitert auch die von der Beklagten in erster Instanz erklärte und in der Berufungsinstanz weiterverfolgte Hilfsaufrechnung, mit der sie die bereits auf den Bereicherungsanspruch des Klägers angerechneten, vermeintlichen Vermögensvorteile des Klägers in Höhe von insgesamt 2.850,41 € geltend gemacht hat (Bl. 68/69 d.A.). Die nach der Rechtsprechung bei den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen nicht anwendbaren Grundsätze der Vorteilsausgleichung würden anderenfalls im Wege der Hilfsaufrechnung zur Anwendung gelangen.

ee) Die Beklagte kann sich gegenüber dem bereicherungsrechtlichen Rückerstattungsanspruch der Klägerin wegen erhöhter Prämien nicht mit Erfolg auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen.

Soweit die Beklagte die vereinnahmten erhöhten Prämien zur Erbringung von Versicherungsleistungen verwendet hat, ist sie schon deswegen nicht entreichert, weil sie durch diese Leistung die ihr aufgrund der jeweiligen Krankenversicherungsverträge obliegende Verpflichtung zur Erstattung der versicherten Krankheitskosten erfüllt hat und sie damit von einer Verbindlichkeit befreit worden ist. Diese Leistungsverpflichtung der Beklagten bei Vorliegen eines Versicherungsfalles besteht unabhängig davon, ob die Prämienanpassung wirksam ist oder nicht, denn der Krankenversicherungsvertrag besteht fort. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit mit Hilfe des rechtsgrundlos Erlangten durch den Bereicherungsschuldner stellt eine fortbestehende Bereicherung dar, der Bereicherungsschuldner kann sich grundsätzlich nicht auf § 818 Abs. 3 BGB berufen (Palandt/Sprau a.a.O. § 818 Rdnr.45, BGH NJW 1985, 2700).

Soweit die Beklagte nach ihrem Vortrag aus den eingenommenen erhöhten Prämien anteilig Sparprämien, Risikoprämien und den gesetzlichen Beitragszuschlag gebildet haben will, entspricht auch dies ihrer Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag. Dabei verkennt der Senat nicht, dass ein Unterschied zu der Verwendung der erhöhten Prämien zur Erbringung der versicherungsvertraglich geschuldeten Leistungen insofern bestehen dürfte, als eine Verpflichtung zur Bildung entsprechender anteiliger Sparprämien, Risikoprämien und des gesetzlichen Beitragszuschlags erst aufgrund der Prämienerhöhung entstanden sein wird. Indes hat die Beklagte trotz ihres umfangreichen Vortrages bisher nicht konkret dargetan, dass es ihr bei einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der erhöhten Prämien nicht möglich wäre, die zur Bildung von Sparprämien und gesetzlichen Beitragszuschlägen verwendeten erhöhten Prämienanteile wieder zurück zu buchen oder mit späteren auf diese Prämienanteile zu erbringenden Aufwendungen zu verrechnen. Bei der Möglichkeit einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung scheidet eine Entreicherung der Beklagten von vornherein aus. Hierzu verhält sich der Vortrag der Beklagten nicht.

e) Der Anspruch des Klägers auf Verzugszinsen in erkanntem Umfang folgt aus einem Teilbetrag von 1.884,06 € in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes aus §§ 286 I, 288 I BGB. Nachdem die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben vom 17.09.2018 (K 8, Bl. 36 d.A.) zur Rückzahlung der schon zuvor vom Kläger geforderten Erhöhungsbeträge in Höhe von 1.884,06 € bis zum 01.10.2018 erfolglos aufgefordert hat, befand sich die Beklagte damit spätestens ab dem 02.10.2018 in Verzug. Hinsichtlich des weiteren Betrages von 1.245,75 € fehlt es an einer vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung des Klägers oder seiner Prozessbevollmächtigten, so dass ihm insoweit nur ein Zinsanspruch in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 288 I, 291 BGB zusteht.

3. Klageantrag zu 3): Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen

Der Feststellungsantrag zu 3) ist im tenorierten Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen aufgrund der nicht wirksam begründeten Prämienerhöhungen im Tarif XL zum 01.04.2016 und zum 01.04.2017 im Zeitraum von April 2016 bis Dezember 2018 einschließlich. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

4. Klageantrag zu 4): Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 €

Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € zu.

Diese sind dadurch entstanden, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben vom 17.09.2018 (K 8, Bl. 36 d.A.) zur Rückzahlung der Erhöhungsbeträge in Höhe von 1.884,06 € bis zum 01.10.2018 erfolglos aufgefordert hat, nachdem der Kläger bereits zuvor diese Beträge mit Schreiben vom 12.02.2018 (K 4 Bl. 30 f. d.A.) erfolglos unter Fristsetzung bis zum 23.02.2018 von der Beklagten zurückgefordert und diese sich damit bereits seit dem 24.02.2018 damit in Verzug befunden hatte.

Die Kosten der Rechtsverfolgung sind zu erstatten, wenn sie nach Eintritt des Verzugs aus Sicht des Forderungsgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW 2015, 3782; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl. 2020, § 286 Rn. 44). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere handelt es sich bei dem vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.09.2018 nicht um eine verzugsbegründende Mahnung.

Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden und von der Beklagten zu erstatten.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von einem Gegenstandswert in Höhe der vorgerichtlich geltend gemachten Rückforderungsansprüche von 1.884,06 € abgerechnet, die sich auf 195,- € beläuft. Zuzüglich einer Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,- € und 19 % MWSt in Höhe von 40,85 € aus einem Betrag von 215,- € ergeben sich erstattungsfähige vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 255,85 €.

III.

1. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

2. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

3. Der Streitwert wird für die 1. Instanz und das Berufungsverfahren auf 3.129,81 € festgesetzt (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG).

Neben dem Zahlungsantrag in Höhe von insgesamt 3.129,81 € ist für den inhaltlich identischen Feststellungsantrag zu 1) kein eigener Gegenstandswert festzusetzen.

Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist die Hilfsaufrechnung der Beklagten in der Klageerwiderung vom 11.03.2019 in Höhe von 2.850,41 € (Bl. 63 ff., 69 d.A.), da der damit geltend gemachten Forderung der Beklagten eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung fehlt, sodass auch insoweit eine Streitwerterhöhung nicht in Betracht kommt; der Gegenanspruch darf nicht schon wirtschaftlich in der Klageforderung "stecken" (vgl. OLG Stuttgart BeckRS 2012, 07030; Zöller-Herget, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 3, Rdnr.16.26 "Aufrechnung", BeckOK KostR/Schindler, GKG, 29. Edition, 01.03.2020, § 45, Rdnr. 23-25). Diese Voraussetzungen für eine Streitwerterhöhung sind hier nicht gegeben. Die von der Beklagten behaupteten und hilfsweise zur Aufrechnung gestellten (angeblichen) Vermögensvorteile der Klägerseite über 2.850,41 € (Bl. 63 ff., 69 GA) betreffen vielmehr Positionen, die bereits in der Klageforderung zu berücksichtigen sind, und zwar im Rahmen der von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen die Höhe des geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs. Die Beantwortung der Fragen, ob sich der Kläger auf der Rechtsfolgenseite des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen (namentlich die Sparprämie und der gesetzliche Beitragszuschlag) anrechnen lassen muss, inwieweit die Grundsätze der Vorteilsausgleichung im Bereicherungsrecht Anwendung finden, ob die Beklagte sich auf den Entreicherungseinwand berufen kann etc. (vgl. Ausführungen unter 2. c)), sind bereits Gegenstand der Klageforderung und wirken sich daher nicht streitwerterhöhend aus.

Der Feststellungsantrag zu 2. sowie der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz.