AG Naumburg, Beschluss vom 08.02.2021 - 10 Ds 113 Js 1/20
Fundstelle
openJur 2021, 22752
  • Rkr:
Tenor

In der Strafsache

... wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wirft dem Angeschuldigten mit der Anklage vom 17.08.2020 ein vermeintlich zwischen dem 20. und 22. Januar 2020 begangenes Vergehen des Verbreitens und öffentlichen Verwendens von Kennzeichen, die Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation zum Verwechseln ähnlich sind, strafbar gemäß §§ 86 Abs. 1 Nr. 4, 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 StGB, vor.

Dem Angeschuldigten wird zur Last gelegt, er habe als Inhaber der Firma ... in der ... in ... im oben genannten Zeitraum in den zu den Geschäftszeiten öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen 80 Kästen mit jeweils 20 Flaschen Bier mit für die Flaschen eigens hergestellten weißen Etiketten mit schwarzem Aufdruck zum Kauf angeboten. Oberhalb des Fraktur-Schriftzuges "Deutsches Reichsbräu" habe das Etikett einen nach rechts blickenden Reichsadler mit ausgebreiteten Schwingen gezeigt, der in seinen Krallen einen Eichenkranz mit einem eisernen Kreuz gehalten habe; im Hintergrund sei in hellerer Farbe und als Schattierung wirkend ein weiteres Eisernes Kreuz abgebildet gewesen, das das Etikett vollumfänglich ausgefüllt und sich leicht nach rechts geneigt habe.

Das Emblem stimme in dieser Gestaltung in großen Teilen überein mit - verbotenen - Hoheitszeichen des Deutschen Reiches zwischen 1933 und 1945 mit der Abweichung, dass bei diesem ein Hakenkreuz im Eichenkranz abgebildet war, und auch mit dem - ebenfalls verbotenen - Hoheitszeichen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) ebenfalls mit der Abweichung, dass dort ein Hakenkreuz abgebildet war und der Reichsadler nach links blickte.

Der Angeschuldigte habe gewusst, dass zwischen den von ihm genutzten Etiketten und den Originalhoheitszeichen in wesentlichen Vergleichspunkten eine derartige Übereinstimmung herrsche, dass für die Kunden seines Getränkemarktes als nicht im Detail prüfende, in einiger Entfernung vorbeigehende Betrachter gerade unter dem Eindruck des im Hintergrund leicht schräg dargestellten Eisernen Kreuzes eine konkrete Verwechslungsgefahr bestand und sich der Eindruck der Darstellung der Originale mit Hakenkreuz aufdrängt. Es sei ihm gerade hierauf angekommen, um die öffentliche Aufmerksamkeit zu Verkaufszwecken zu nutzen.

Um den nationalsozialistischen Gesamteindruck des Emblems auf der Flasche noch zu bekräftigen und so eine erhöhte Aufmerksamkeit zu erhalten, habe er in deren unmittelbarer Nähe gut sichtbar zwei Preistafeln mit folgender Preisgestaltung unter dem nach rechts blickenden Reichsadler mit Eichenkranz und Eisernem Kreuz und der Fraktur-Überschrift "Deutsches Reichsbräu" aufgestellt: "Kasten 18,88, 6 Flaschen: 7,18, 1 Flasche: 2,88". Diese Preisgestaltungen habe er allenfalls nachrangig aus kaufmännischen Erwägungen vorgenommen; vor allem sei es ihm darauf angekommen, auf die Ziffernfolge der Preise Bezug zu nehmen und darauf, dass diese als Buchstaben des Alphabetes die Anfangsbuchstaben der Worte "Adolf Hitler", "Heil Hitler" (18,88 €) "Gruß Adolf Hitler" (7,18 €) in Anlehnung an die strafbare Formulierung "Mit deutschen Gruß" und letztlich "Blood and Honour" (2,88 €) als Anleihe an das seit dem Jahre 2000 verbotene gleichnamige rechtsextreme Netzwerk und das nationalsozialistische strafbare Schlagwort "Blut und Ehre" u.a. der Hitlerjugend und erneut "Heil Hitler" präsentierten.

Das öffentlichkeitswirksame Angebot des Angeschuldigten habe reißenden Absatz gefunden, das Bier sei am 22. Januar 2020 gegen 13.30 Uhr ausverkauft gewesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft zitiert in der Anklage sodann im Rahmen des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen die Verordnung über das Hoheitszeichen des Reiches vom 5. November 1935, wonach um der Einheit von Partei und Staat auch in ihren Sinnbildern Ausdruck zu verleihen, in Artikel 1 bestimmt wurde, dass das Reich als Sinnbild seiner Hoheit das Hoheitszeichen der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und mithin das Hakenkreuz trage. Die Verordnung über die Gestaltung des Hoheitszeichens des Reiches vom 7. März 1936 wird dahingehend zitiert, dass das Hoheitszeichen des Reiches, das Hakenkreuz, von einem Eichenkranz umgeben, auf dem Eichenkranz einen Adler mit geöffneten Flügeln zeige, wonach der Kopf des Adlers nach rechts gewendet sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt im weiteren wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aus, dass das Hakenkreuz ausdrücklich auch in seiner Verwendung im Hoheitszeichen des Deutschen Reiches im Sinne des § 86 a Abs. 1 StGB strafbewährt sei. Zwar sei das Deutsche Reich keine ehemalige nationalsozialistische Organisation, mit der Folge, dass rein staatliche Hoheitszeichen vom Wortlaut der § 86, 86a Abs. 2 StGB nicht erfasst würden. Allerdings stellte der nach rechts gewandte Reichsadler mit Hakenkreuz im Eichenkranz kein rein staatliches Kennzeichen dar, da nach der genannten Verordnung vom 5. November 1935 das Reich als Sinnbild seiner Hoheit das Hoheitszeichen gerade der NSDAP führte und zwar unabhängig von der Blickrichtung des Adlers. § 86, 86a StGB erfasse auch Symbole nationalsozialistischer Organisationen, wie die der NSDAP, welche zugleich im staatlichen Bereich verwendet wurden (BGB vom 25.04.1979 - 3 StR 89/7; vom 18.10.1972 - 3 StR 5/71 I; vom 09.08.1965 - StE 1/65; AG Weinheim vom 20.12.1993 - 5 Ds 29/93, NJW 1994, 1545; Fischer StGB 67. Auflage, § 86a Rn. 5; Lackner/Kühl, 29 Aufl., StGB, § 86 Rn. 2)

Zwar sei hier kein Originalkennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation verwendet worden, denn bei dem nach rechts schauenden Reichsadler mit Eisernem Kreuz und Eichenkranz handele es sich weder um ein Symbol des Deutschen Reiches noch der NSDAP. Es sei aber das Tatbestandsmerkmal "zum Verwechseln ähnlich" gemäß § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB mit hinreichender Sicherheit erfüllt, "Zum Verwechseln ähnlich" sei in diesem Sinne ein Kennzeichen, wenn einer gesteigerter Grad sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeit gegeben sei. Erforderlich ist eine objektiv vorhandene Übereinstimmung in wesentlichen Vergleichspunkten. Es muss nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, unbefangenen, nicht genau, vielmehr nur flüchtig prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem verbotenen Original möglich sein, weil das ähnliche Kennzeichen die typischen Merkmale des Originalkennzeichens aufweist und damit dessen Symbolgehalt vermittelt (st. Rspr., etwa BGH vom 28.07.2005 - 3 StR 60/05, Rn, 5ff.; vom 31.07.2002 - 3 StR 495/01, Rn. 14).

Die Generalstaatsanwaltschaft führt u.a. weiter aus, dass es der Gesetzgeber selbst gewesen sei, der mit der Strafbewährung namentlich auch solche Symbole erfassen wollte, die nur geringfügig von den Originalkennzeichen verfassungswidriger Organisationen abweichen, zugleich aber nach ihrem Eindruck auf einen verständigen Beobachter deutlich an jene Kennzeichen erinnern. Er habe deshalb den gesetzlichen Tatbestand des § 86a Abs. 2 StGB im Jahre 1994 ausgeweitet (BTDrucks. 12/7960 S.4).

Die Generalstaatsanwaltschaft führt in der Anklage ferner aus, dass die von dem Angeschuldigten auf dem Flaschenetikett bewusst gewählte Darstellung des nach rechts schauenden Reichsadlers mit dem Eisernen Kreuz in einem Eichenkranz vor dem weiteren, nach rechts abfallenden schattierten Eisernen Kreuz in ihrer Gesamtbetrachtung dem Hoheitszeichen des Deutschen Reiches und dem Parteiemblem der NSDAP und damit Kennzeichen einer ehemaligen Nationalsozialistischen Organisation zum Verwechseln ähnlich sei. Ein um die Existenz und die Hintergründe des National- und Parteiwappens der NSDAP wissender, nur flüchtig prüfender Beobachter, werde die konkrete Gestaltung in den Gesamtkontext "Reichs- und Parteiemblem der Nazi-Diktatur" einordnen, sodass nach einer Gesamtbetrachtung die Gefahr der Wiederbelebung nationalsozialistischer Bestrebungen bestünde. Dies sei ausreichend, um das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB zu erfüllen. Ob sich dem sorgfältigen Betrachter bei intensiver Prüfung erschließe, dass es sich zwar um den Reichsadler des Dritten Reiches mit dem Eichenkranz, nicht aber um das Hakenkreuz, sondern um ein Eisernes Kreuz handele, sei vor diesem Hintergrund unerheblich. Nur bei dieser Sichtweise könne der Zweck des Gesetzes, bereits jeden Anschein zu vermeiden, in der Bundesrepublik gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung, in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden, gesichert werden (BVerfG vom 18.05.2009 - 2 BvR 2202/08, Rn. 14ff., 17)

Der Verteidiger beantragte mit Schriftsatz vom 14.09.2020, die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft nicht zur Hauptverhandlung zuzulassen. Die vorgeworfene Handlung sei nicht tatbestandsmäßig. Das Tatbestandsmerkmal des "zum Verwechseln ähnlich sehen", müsste sich auf das Hakenkreuz beziehen, nicht auf anderweitige Symbole oder Symbolteile, welche im Original ein Hakenkreuz enthalten und allein deswegen strafbar sind. Der vorliegend verwendete Adler sei von der Wehrmacht verwendet worden, welche keine verbotene Organisation sei. Schon aus diesem Grund sei die Verwendung des Adlers als solches keinesfalls strafbar.

Die Generalstaatsanwaltschaft replizierte hierauf, dass ein unbefangener flüchtiger Beobachter, wie ein sich nähernder und wieder entfernender Kunde eines Getränkemarktes, aufgrund des im Hintergrund hinzugefügten Eisernen Kreuzes dem Gesamteindruck unterliege, die Gestalt des Eiserenen Kreuzes im Vordergrund werde derart ergänzt, dass ein Hakenkreuz zu erkennen sei.

Das Gericht merkt noch an, dass auch gegen den Bierverleger aus Kloster Veßra ein Ermittlungsverfahren wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet worden war. Ihm wurde die Vermarktung der hier in Rede stehenden Biersorte "Deutsches Reichsbräu" zum Preis von 18,88 € pro Kasten zur Last gelegt. Die zuständige Staatsanwaltschaft Meiningen stellte das dort unter dem Aktenzeichen 402 Js 4879/20 geführte Ermittlungsverfahren unter dem Datum des 15.06.2020 gem. § 170 Abs. 2 StPO ein und sah zugleich von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gem. § 152 Abs. 2 StPO mit der Begründung ab, die Bezeichnung "Deutsches Reichsbräu" und die Verwendung des Symbols des Reichsadlers und des Eisernen Kreuzes könnten nicht ausschließlich mit der Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden. Zudem erfasse § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht offenkundige Ersetzungen zentraler, strafbarkeitsbegründender Teile eines Kennzeichens durch strafrechtlich nicht relevante Elemente. Die bloße Referenz zu einem verbotenen Kennzeichen sei nicht strafbewährt.

Auch sei durch den ausgewiesenen Bierpreis von 18,88 Euro pro Kasten der Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 und 4 StGB nicht verwirklicht. Die mittlerweile auch außerhalb der rechten Szene bekannte Symbolik der Zahlenfolgen reiche allein für eine festzustellende "Verherrlichung" des Regimes nicht aus, auch wenn im Übrigen eine deutlich deutschnationale Gesinnung aus der gesamten Etikettierung sprechen.

II.

Die Eröffnung des Hauptverfahrens war aus rechtlichen Gründen abzulehnen, da der zur Anklage gebrachte Sachverhalt keinen Straftatbestand erfüllt. Die Darstellung des Reichsadlers mit Eisernem Kreuz auf der Vorderseite des Etikettes der zum Kauf angebotenen Bierflaschen ist auch in der Gesamtbetrachtung mit den weiteren auf den Flaschen und auf den Preistafeln sich befindenden Darstellungen keinem Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation "zum Verwechseln ähnlich" i.S. von § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB.

In Ergänzung zu den diesbezüglichen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft sei angemerkt, dass es für die Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschrift nicht genügt, dass sich lediglich einzelne Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung wiederfinden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermittelt wird (BGH, Urteil vom 13.08.2009 -3 StR 228/09-, BGH St 54, 61 (64) Rn. 11 m. w. Nw.).

Die Beantwortung der Frage, ob Verwechslungsfähigkeit i.S. von § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB besteht, erfordert einen Gesamtvergleich der ursprünglichen Kennzeichen mit dem neu geschaffenen. Zu berücksichtigen sind hierbei alle wechselnden Merkmale, die das Original prägen. Ergibt dieser Vergleich, dass das Vorbild in Folge der vorgenommenen Veränderungen oder Ergänzungen eine so starke Verfremdung erfahren hat, dass sein ursprüngliches Erscheinungsbild in den Hintergrund tritt oder dass es dadurch sogar seinen Bedeutungsgehalt verliert, besteht die Gefahr einer Verwechslung nicht. Dies entspricht der Intension des Gesetzgebers, der durch die Einführung des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB lediglich die Strafbarkeit leicht abgewandelter Symbole nationalsozialistischer Organisationen sicherstellen wollte (BGH a.a.O., Rn. 13; BT-Drucks. 12/6853 S.23).

Die Vorschrift dient nicht dazu, jedwedes Bekenntnis zu einer verfassungsfeindlichen oder nationalsozialistischen Organisation (das hier erkennbar von dem Angeklagten abgegeben wurde) unter Strafe zu stellen, sondern tabuisiert lediglich tatsächlich existierende oder diesen "zum Verwechseln ähnliche" Symbole dieser Organisation. Dafür reicht es nicht aus, dass das neue Kennzeichen lediglich einen Bezug zu dem Originalkennzeichen herstellt, aber nicht mehr dessen typischen Symbolcharakter vermittelt. (BGH a.a.O. Rn. 17; BGH, Urteil vom 28.07.2005-3 StR 60/05- juris, Rn. 11, 16). § 86a Abs. Satz 2 StGB kann nicht den Gebrauch von Zeichen erfassen, die von keiner NS-Organisation je verwendet wurden und tatsächlich verwendeten nur im Gestus "nachempfunden" sind (Fischer, StGB 68. Auflage, § 86a, Rn. 7.)

Das Gericht kommt unter Anwendung dieser Grundsätze zu dem Ergebnis, dass die erforderliche Verwechslungsgefahr hier gerade nicht besteht. Wie die Staatsanwaltschaft durch das Zitat der Verordnung über Hoheitszeichen des Reiches vom 5. November 1935 und derjenigen vom 7. März 1936 aufgezeigt hat, soll der Reichsadler mit Hakenkreuz in seinen Fängen die Einheit der nationalsozialistischen Arbeiterpartei und des Staates versinnbildlichen. Eine solche Versinnbildlichung fehlt aber mangels jeglichem Bezug zur NSDAP einem Adler, der in seinen Fängen ein Eisernes Kreuz in der Ausprägung trägt, in der es auf den hier in Rede stehenden Bierflaschen und den Preistafeln abgebildet ist. Durch die Verwendung des Eisernen Kreuzes anstelle des Hakenkreuzen ist nicht ein "zum Verwechseln ähnliches" Symbol, sondern ein völlig neues Symbol mit einem völlig neuen, hier allerdings ins Leere gehenden Symbolinhalt geworden. Daran ändert auch eine noch so extreme Flüchtigkeit des Blicks auf das Objekt, eine noch so große Entfernung oder Kurzsichtigkeit der Betrachter von diesem oder deren noch so große Assoziationsfähigkeit nichts. Derart umgestaltete Symbole unterfallen eben gerade nicht dem Schutzwerk des § 86a StGB. Wo schon ansatzweise nichts ist, kann man auch nichts verwechseln.

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der "Deutsche Orden" als eine der höchsten Auszeichnungen der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei, der zur Gruppe der Ehrenzeichen der NSDAP zählt, aus einem schwarz emaillierten goldumrandeten Eisernen Kreuz bestand. In dessen Mitte war aber das Parteiabzeichen der NSDAP und mithin ein schwarzes Hakenkreuz auf weißem Grund mit roter Umrandung angebracht. Das Eiserne Kreuz in der hier abgebildeten Form war dagegen nie Symbol einer nationalsozialistischen oder einer sonstigen verbotenen Organisation.

An der Einordnung des Adlers mit einem Eisernen Kreuz in seinen Fängen als neuem oder Fantasiesymbol ändert auch der Umstand nichts, dass auf dem Etikett im Hintergrund ein schräg gestelltes Eisernes Kreuz zu sehen ist. Das Gericht vermag der Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft, wonach durch dieses im Hintergrund hinzugefügte Eiserne Kreuz der Gesamteindruck verstärkt werde, im Vordergrund sei ein Hakenkreuz zu erkennen, nicht zu folgen. Denn das unverwechselbare Wesensmerkmal des Hakenkreuzes ist das rechtwinklige Kreuz mit Querbalken, unabhängig davon, ob es ruht oder auf der Spitze steht oder ob die Querbalken verkürzt oder abgerundet sind oder entgegen dem Uhrzeigersinn laufen (MüKo StGB/Steinmetz. 3. Aufl.2017, StGB § 86a, Rn. 16 3.) Selbst einem leicht schräg gestellten Eisernen Kreuz fehlen dagegen die rechtwinklig angeordneten Querbalken. Das Hinzufügen eines großen Eisernen Kreuzes im Hintergrund zu einem kleineren Eisernen Kreuz im Vordergrund verstärkt nach Ansicht des Gerichts vielmehr den Eindruck, dass es sich auch bei dem Kreuz im Vordergrund um ein Eisernes Kreuz und nicht um ein Hakenkreuz handelt.

Diese Eisernen Kreuze nebst dem Reichsadler führen auch in der Gesamtschau mit den Zifferfolgen "18,88", "7,18" und "2,88" auf den beiden Preistafeln nicht zu einem anderen Gesamteindruck. Denn die oft abstrus erscheinenden Geheimzeichen, die von Anhängern verbotener Organisationen zur pseudo-heimlichen Demonstration ihrer Gesinnung ersonnen werden wie etwa der bei NS-Anhängern verbreitete Zahlen- und Buchstabenfetischismus wird vom Wortsinn des § 86a Abs. 2 StGB ebenfalls nicht umfasst (Fischer a.a.O.) Die Addition mehrerer, nicht tatbestandsmäßiger Kennzeichen kann aber nicht zu einem Gesamteindruck führen, der den Tatbestand des § 86a Abs. 2 Satz 2. StGB erfüllt. Null plus Null ergibt Null.

Das Gericht verkennt nicht, dass die an die an der zitierten Rechtsprechung und Kommentarliteratur orientierte Gesetzesauslegung, wonach Kennzeichen mit verändertem Symbolgehalt oder Fantasiekennzeichen nicht vom nicht vom Tatbestand des § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB erfasst werden, dazu führt, dass der Angeklagte hier nicht nur für den Kauf von Bier, sondern unter Missbrauch dieser Auslegungsregeln auch für eine verfassungsfeindliche Gesinnung straffrei werben konnte. Diese nie ausschließbare Missbrauchsmöglichkeit kann es aber nicht rechtfertigen, dass bei der Auslegung des § 86a Abs. 2 StGB unter Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Artikel 193 Abs. 2 GG die äußerste Wortlautgrenze der Vorschrift überschritten wird (BHG St 54, 61 (68), Rn. 25).

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