LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.02.2021 - 6 Sa 478/17
Fundstelle
openJur 2021, 22665
  • Rkr:

Der Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung des Anspruchs auf vertragsgemäße Beschäftigung umfasst auch den Ausgleich des dadurch verzögerten Stufenaufstiegs.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom - 1 Ca 1771/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a. Es wird festgestellt, dass der Kläger die Stufe 4 der EG 14 TvöD-V Bund ab dem 1.12.2015 erreicht hat.

b. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.157,29 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 373,94 € seit dem 1.9.2016 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 373,94 € seit dem 1.10.2016 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 373,94 € seit dem 1.11.2016 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 373,94 € seit dem 1.12.2016 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 373,94 € seit dem 1.1.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 373,94 € seit dem 1.2.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten auf einen Betrag in Höhe von 382,73 seit dem 1.3.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz einen Betrag in Höhe von 382,73 € seit dem 1.4.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz einen Betrag in Höhe von 382,73 € seit dem sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 382,73 € seit dem 1.6.2017 sowie weitere Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von 382,73 € seit dem 1.7.2017 zu zahlen.

c. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1.376,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2016 zu zahlen.

d. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere bis zum Ablauf des 29.2.2016 aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 349,33 € zu zahlen.

e. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 86%, der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 14 %.

3. Die Revision wird für die Beklagte wegen des Feststellungsantrags sowie soweit sie zur Zahlung von 4.157,29 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt wurde, zugelassen, im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die korrekte Stufeneinordnung des Klägers und sich daraus ergebende (Differenz-)Entgeltansprüche für den Zeitraum von Dezember 2015 bis Juni 2017 und Zinsansprüche sowie Restzahlungsansprüche hinsichtlich bereits gezahlten Verzugslohns.

Der Kläger war zunächst auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages vom 10.11.2009 (Bl. 19 ff. der Akte) ab dem 05.01.2009 bis zum 31.12.2011 bei der Beklagten im Rahmen einer Tätigkeit entsprechend der Entgeltgruppe 14 TVöD-V (Bund) tätig. Am 05.12.2011 (Bl. 21 ff. der Akte) schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag, der bis zum 31.12.2012 wegen eines Sachgrundes gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG befristet war.

Während des Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger im Jahr 2010 einen Monat Elternzeit.

Am 15.01.2013 erhob der Kläger eine Entfristungsklage, der mit Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 19.8.2013 zum Akz. 4 Ca 165/13 stattgegeben wurde, weil das Projekt, in dem der Kläger beschäftigt wurde, mit Ablauf der Befristung weder abgeschlossen war noch bei Vertragsschluss eine tragfähige Prognose darüber angestellt wurde, dass dies zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses der Fall sein wird. Die gegen dieses Urteil von der Beklagten eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.01.2015 (6 Sa 443/13) zurückgewiesen. Wegen des Inhalts der Entscheidungen im Einzelnen wird auf Bl. 26 ff. der Akte ergänzend Bezug genommen. Nach Rechtskraft dieses Urteils und Gewährung des Resturlaubs setzte der Kläger ab dem 03.06.2015 seine Tätigkeit bei der Beklagten fort.

Der Kläger hatte basierend auf einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 14 Stufe 3 für den o.g. Zeitraum insgesamt einen Verzugslohnanspruch i.H.v. 54.751,60 € netto für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2015 erworben und während dieser Zeit Leistungen der Agentur für Arbeit in Höhe von 21.193,71 € erhalten.

Der Kläger war aufgrund einer längeren psychischen Erkrankung im o.g. Zeitraum arbeitsunfähig, wobei die Erkrankung durch die lange Dauer der Bestandsschutzstreitigkeit und die damit einhergehenden Problematiken verursacht wurde.

Im TVöD-V (Bund) finden sich, soweit hier entscheidungsrelevant, folgende Vorschriften:

§ 16 Stufen der Entgelttabelle

(...)

(4) Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs.2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

-Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

-Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

-Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3,

-Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4

(...)

§ 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen

(1)

Die Beschäftigten erhalten vom Beginn des Monats an, in dem die nächste Stufe erreicht wird, das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe.

(2)

Bei Leistungen der/des Beschäftigten, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 jeweils verkürzt werden.

Bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 jeweils verlängert werden.

Bei einer Verlängerung der Stufenlaufzeit hat der Arbeitgeber jährlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verlängerung noch vorliegen.

Für die Beratung von schriftlich begründeten Beschwerden von Beschäftigten gegen eine Verlängerung nach Satz 2 bzw. 3 ist eine betriebliche Kommission zuständig.

Die Mitglieder der betrieblichen Kommission werden je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Betriebs-/Personalrat benannt; sie müssen dem Betrieb/der Dienststelle angehören.

Der Arbeitgeber entscheidet auf Vorschlag der Kommission darüber, ob und in welchem Umfang der Beschwerde abgeholfen werden soll.

(...)

Protokollerklärung zu Absatz 2 Satz 2:

Bei Leistungsminderungen, die auf einem anerkannten Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit gemäß §§ 8 und 9 SGB VII beruhen, ist diese Ursache in geeigneter Weise zu berücksichtigen.

(3)

Den Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit im Sinne des § 16 (Bund) Abs. 4

und des § 16 (VKA) Abs. 3 Satz 1 stehen gleich:

a) Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,

b) Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 22 bis zu 39 Wochen,

c) Zeiten eines bezahlten Urlaubs,

d) Zeiten eines Sonderurlaubs, bei denen der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse anerkannt hat,

e) Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr,

Zeiten der Unterbrechung bis zu einer Dauer von jeweils drei Jahren, die nicht von Satz 1 erfasst werden, und Elternzeit bis zu jeweils fünf Jahren sind unschädlich, werden aber nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet.

Bei einer Unterbrechung von mehr als drei Jahren, bei Elternzeit von mehr als fünf Jahren, erfolgt eine Zuordnung zu der Stufe, die der vor der Unterbrechung erreichten Stufe vorangeht, jedoch nicht niedriger als bei einer Neueinstellung; die Stufenlaufzeit beginnt mit dem Tag der Arbeitsaufnahme.

Zeiten, in denen Beschäftigte mit einer kürzeren als der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten beschäftigt waren, werden voll angerechnet.

(...)

§ 24 Berechnung und Auszahlung des Entgelts

(1) Bemessungszeitraum für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile ist der Kalendermonat, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas Abweichendes geregelt ist. Die Zahlung erfolgt am letzten Tag des Monats (Zahltag) für den laufenden Kalendermonat auf ein von der/dem Beschäftigten benanntes Konto innerhalb eines Mitgliedstaats der Europäischen Union

(...)

§ 37 Ausschlussfrist

(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber in Textform geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

(2) Absatz 1 gilt nicht für Ansprüche aus einem Sozialplan sowie für Ansprüche, soweit sie kraft Gesetzes einer Ausschlussfrist entzogen sind.

(...)"

Die Differenz zwischen der dem Kläger ausgezahlten Vergütung gemäß der EG 14 Stufe 3 und der vom Kläger begehrten Vergütung der EG 14 Stufe 4 beträgt für die Monate Dezember 15 bis Juni 2016 monatlich 365,17 € brutto, danach bis Januar 2017 monatlich 373,94 € brutto und den darauffolgenden Zeitraum bis Juni 2017 monatlich 382,73 € brutto.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass er unter Berücksichtigung der einmonatigen Elternzeit ab dem 01.12.2015 einen Anspruch auf Vergütung der Entgeltgruppe 14 Stufe 4 TV- V (Bund) erworben habe, da er am 15.12.2015 eine 3-jährige Beschäftigungszeit in der Stufe 3 erreicht habe. Dies ergebe sich, auch wenn er zwischenzeitlich keine Tätigkeit geleistet habe, zumindest als Schadensersatzanspruch wegen seiner Nichtbeschäftigung nach dem 31.12.2013.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass der Kläger seit dem 01.12.2015 entsprechend der Entgeltgruppe 14 Stufe 4 TVöD-V des Bundes zu vergüten ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.087,42 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 365,17 € seit dem 01.01.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 365,17 € seit dem 01.02.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 365,17 € seit dem 01.03.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 365,17 € seit dem 01.04.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 365,17 € seit dem 01.05.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 365,17 € seit dem 01.06.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 365,17 € seit dem 01.07.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.08.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.09.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.10.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.11.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.12.2016 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.01.2017 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 373,94 € seit dem 01.02.2017 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 382,73 € seit dem 01.03.2017 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 382,73 € seit dem 01.04.2017 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 382,73 € seit dem 01.05.2017 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 382,73 € seit dem 01.06.2017 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag i.H.v. 382,73 € seit dem 01.07.2017 zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.376,90 € netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere bis zum Ablauf des 29.02.2016 aufgelaufene Zinsen i.H.v. 349,33 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass dem Kläger zwar Verzugslohnansprüche für den Zeitraum nach dem 31.12.2012 zustünden, aber der Stufenaufstieg davon abhänge, ob der Kläger tatsächlich gearbeitet habe oder nicht. Dies ergebe sich bereits daraus, dass einerseits die Regelungen im TVöD zu den anrechenbaren Zeiten abschließend seien, und weil sich aus der im Tarifvertrag vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeit ergebe, dass eine Erreichung der Stufe nur bei entsprechenden Leistungen vorgesehen sei.

Des Weiteren stünden dem Kläger die geltend gemachten Verzugszinsen erst ab dem 01.01.2016 zu, da erst nach Abschluss des Steuerjahres 2015 die maßgeblichen Steuerdaten für die Ermittlung der jeweiligen Nettobeträge festgestanden hätten.

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Es hat zur Feststellungsklage im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger ab dem Dezember 2015 eine Vergütung nach der Stufe 4 Entgeltgruppe 14 TVöD (Bund) zustehe, weil der Kläger aufgrund des in Rechtskraft erwachsenen Urteils des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt in der Entfristungsklage ab dem 01.01.2013 so zu stellen war, als ob er ohne Unterbrechung in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten gestanden hätte. Dabei käme es nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger während dieser Zeit auch ununterbrochen für die Beklagte tätig gewesen sei. Dies ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass der alleinige Grund für die tatsächliche Nichtbeschäftigung des Klägers in der nicht Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes durch die Beklagte und der Verweigerung der Annahme der vom Kläger angebotenen Tätigkeit gelegen habe und die Ursache damit ausschließlich in der Sphäre der Beklagten gelegen habe. Auch die Erkrankung des Klägers stehe der Anrechnung nicht entgegen, da für den hier vorliegenden Fall einer psychischen Erkrankung, die auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen ist, der Tarifvertrag insoweit lückenhaft ist und diese Lücke durch das Gericht ausgefüllt werden konnte.

Im unstreitigen Tatbestand dieses Urteils heißt es dazu ausdrücklich:

"Während des Zeitraums vom 10.01.2014 bis 29.01.2015 litt der Kläger an einer längeren psychischen Erkrankung, die durch die lange Zeit der Bestandsschutzstreitigkeiten und die damit einhergehenden Problematiken verursacht wurde."

Das Gericht hat weiter neben dem sich daraus ergebenden Differenzlohnanspruch dem Kläger auch die begehrten Restverzugslohnansprüche sowie die Zinsansprüche für den Verzugszeitraum zugesprochen. Insbesondere seien diese auch unter Berücksichtigung der tariflichen Ausschlussfrist durch § 37 TVöD nicht verfallen.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils im Einzelnen wird auf Bl.99 ff. Akte ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin hat gegen das Urteil des ersten Rechtszuges, das ihr am 11.12.2017 (Bl.114 d.A.) zugestellt worden ist, mit am 20.12.2017 beim Landesarbeitsgericht per Fax (Bl.115 f. d.A.) und am 27.12.2017 im Original (Bl.117 f. d.A.) eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 01.03.2018 (Bl.126 d.A.) - mit einem Schriftsatz, der an diesem Tag per Fax (Bl.128 ff. d.A.) und in der Folge auch im Original (Bl.135 ff. d.A.) beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet.

Die Berufungsklägerin ist weiter der Ansicht, dass das Erreichen der Stufe 4 der EG 14 durch den Kläger eine ununterbrochene Beschäftigung voraussetze, da der Stufenaufstieg einen Gewinn an Erfahrung voraussetze. Dies sei hier nicht gegeben, da der Kläger tatsächlich nicht tätig war. Insoweit sei auch der Katalog der Ausnahmen zu anrechenbaren Zeiten ohne Beschäftigung in § 17 TVöD abschließend. Nicht berücksichtigt worden sei durch das Arbeitsgericht insbesondere auch die in § 17 TVöD liegende Leistungskomponente. Überprüfungswürdig sei insbesondere auch die Ansicht des Arbeitsgerichtes, dass die Regelung in § 17 Abs. 3b TVöD hier keine Anwendung finde, weil die Ursache der Erkrankung des Klägers der Sphäre der Beklagten zuzurechnen sei. Sie habe keine eigene Kenntnis von der Diagnose und soweit das Arbeitsgericht dies als unstreitig dargestellt habe, sei dies nicht zutreffend. Nunmehr wird ausdrücklich bestritten, dass der Kläger an einer längeren psychischen Erkrankung gelitten habe und insbesondere, dass diese auch durch die lange Dauer der Bestandsschutzstreitigkeit und die damit einhergehenden Problematiken ausgelöst wurde. Des Weiteren wird pauschal auf die Schriftsätze in 1. Instanz Bezug genommen und diese zum Sachvortrag auch in 2. Instanz erklärt.

Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.11.2017 - 1 Ca 1771/17 E -

abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Berufungsbeklagte und Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertieft sein Sachvortrag aus der 1. Instanz. Neben dem Angebot eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Erkrankung des Klägers und ihrer Ursachen legt er nunmehr auch eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. K vor, aus dem sich eine Arbeitsunfähigkeit in dem Zeitraum vom 02.12.2013 bis zum 29.01.2015 ergibt und als Ursache für die auf Arbeitsunfähigkeit "F 41.2 seelische Erkrankung im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber" angegeben ist. Wegen des Inhalts im Einzelnen wird auf Bl. 152 d.A. ergänzend Bezug genommen.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung ergänzend Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Berufung ist nur teilweise zulässig und, soweit sie zulässig ist, auch nur zum Teil begründet.

I.

Die Berufung ist, soweit sie sich gegen die Aussprüche des erstinstanzlichen Urteils zu 3. und 4. richtet, mit denen dem Kläger ein Restverzugslohnanspruch und ein Restzinsanspruch zugesprochen wurde, unzulässig.

Eine Berufungsbegründung muss nach § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der angegriffenen Entscheidung ergibt. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte der angefochtenen Entscheidung bekämpft und welche Argumente geltend gemacht werden sollen. Ist dies nicht der Fall ist die Berufung unzulässig. Die Berufungsbegründung muss sich dazu mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen (BAG 8.10.2008 - 5 AZR 526/07, NZA 2008, 1429 (1430); GMP/Schleusener, 9. Aufl. 2017, ArbGG § 64 Rn.74 m.w.Nachw.). Bei einem teilbaren Streitgegenstand müssen die Berufungsgründe sich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt ist; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig. Werden mehrere selbstständige prozessuale Ansprüche zu- oder aberkannt, so muss das Rechtsmittel grundsätzlich hinsichtlich jedes Anspruchs, über den zu Lasten des Rechtsmittelführers entschieden worden ist, begründet werden (Musielak/Voit/Ball, 17. Aufl. 2020, ZPO § 520 Rn. 38 m.w.Nachw.).

Die Berufungsklägerin greift mit ihrem Antrag zwar das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21.11.2017 insgesamt an, lässt aber in der Berufungsbegründung auch nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung nicht erkennen, warum der Ausspruch zu 3. und 4. nicht richtig sein soll. Es finden sich weder Ausführungen dazu, aus welchen Rechtsgründen dieser Ausspruch falsch sein soll, noch dazu, ob und inwieweit hier, z.B. durch Rechenfehler o.ä., eine falsche Würdigung des Sachverhalts erfolgt sein soll. Diese Aussprüche betreffen mit den unterschiedlichen Auffassungen zur richtigen Berechnung und Verzinsung der Verzugslohnansprüche für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 20.01.2015 auch einen anderen, abtrennbaren Lebenssachverhalt als die Frage der richtigen Stufeneinordnung und den Vergütungsansprüchen des Klägers in der Zeit nach dem 01.12.2015, die im übrigen Streitgegenstand des Rechtsstreits sind.

II.

Im Übrigen ist die Berufung zulässig.

Sie ist insoweit insbesondere gemäß § 64 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs.1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

B.

Die Berufung ist aber nur teilweise begründet.

I.

1.

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

a. Der Antrag zu 1. ist insbesondere auch als Feststellungsklage zulässig.

Wie auch die Eingruppierungsfeststellungsklage ist der Antrag zu 1. auch als Stufenfeststellungsklage zulässig (vgl. z.B. LAG Hamm, Urteil vom 01.08.2018 - 6 Sa 336/18, BeckRS 2018, 23298).

Die hier in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Klarstellung mit der Umstellung des ursprünglich auf eine Feststellung der Vergütungspflicht abzielenden Antrags auf einen Antrag zur Feststellung des Beginns der Stufenzuordnung stellt keine unzulässige Klageänderung dar (vgl. z.B. zum umgekehrten Fall BAG, Urteil vom 27.01.2011 - 6 AZR 578/09, AP TVG § 1 Tarifverträge: Versorgungsbetriebe Nr. 2).

Da im vorliegenden Fall an den Beginn der Stufenzuordnung gemäß § 16, 17 TVöD-V (Bund) neben der Vergütungspflicht auch weitere Rechtsfolgen für die Zukunft, nämlich der Zeitpunkt für einen weiteren Stufenaufstieg verknüpft ist, geht die Kammer davon aus, dass der Antrag auch in der hier gewählten Formulierung zulässig ist.

b. Die Klage ist, soweit sie sich auf die Feststellung richtet, dass der Kläger die Stufe 4 der EG 14 TVöD-V (Bund) ab dem 1.12.2015 erreicht hat, auch begründet.

aa. Dabei kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob sich die vom Kläger begehrte Stufeneinordnung des Klägers bereits unmittelbar in Anwendung des TVöD-V (Bund) ergibt, weil sich diese zumindest als Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Beschäftigungspflicht, die die Beklagte gegenüber dem Kläger auch nach dem 31.12.2012 traf, ergibt.

bb. Dabei geht die Kammer davon aus, dass, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt, dies eine rechtswidrige Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt, die einen Schadensersatzanspruch zur Folge haben kann (LAG Hamburg, Urteil vom 13.09.2007, 8 Sa 35/07, BeckRS 2008, 56418; BAG Urteil vom 16.03.2016 4 AZR 461/14; BAG Urteil vom 16.03.2016 - 4 AZR 461/14, BeckRS 2016, 70254, Rn. 27; BAG Urteil vom 11.12.2018 - 9 AZR 298/18, BeckRS 2018, 41780 Rn.21).

Dem steht auch nicht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.06.2015 (5 AZR 462/14, NZA 2016, 108) entgegen, weil sich dieses lediglich mit der Frage auseinandersetzt, ob ggf. neben dem Vergütungsanspruch während des Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe der geschuldeten Vergütung besteht, nicht aber mit der Frage, ob ggf. auch ein Anspruch auf den Ersatz weiterer Schäden besteht.

Dabei kann es im hier vorliegenden Fall auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Beschäftigungspflicht um eine Nebenpflicht des Arbeitgebers handelt oder eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag, weil der Arbeitgeber hier in beiden Fällen bei einer schuldhaften Verletzung schadensersatzpflichtig ist.

Der Arbeitnehmer kann bei einer vom Arbeitgeber verschuldeten Nichtbeschäftigung den sog. Integritätsschaden nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen einer Nebenpflichtverletzung verlangen. Ist die Beschäftigungspflicht vertragliche Hauptpflicht des Arbeitgebers, kann der Arbeitnehmer bei verschuldeter Unmöglichkeit der Beschäftigung (z.B. bei einer Beschäftigungsverweigerung) Schadensersatz statt der Leistung wegen des Ausschlusses der Leistungspflicht verlangen (§§ 280 Abs. 1, 3, 283, 275 BGB) (MHdB ArbR, § 92 Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers Rn.16 m.w.Nachw. beck-online).

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kläger, weil sich die Befristung des Arbeitsverhältnisses als unwirksam erwiesen hat, wie mit dem Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 29.08.2013 zum Az. 4 Ca 165/13 nach Zurückweisung der Berufung des LAG Sachsen-Anhalt vom 20.01.2015 zum Az. 6 Sa 443/13 rechtskräftig festgestellt wurde, auch nach Ablauf des 31.12.2012 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Beschäftigung mit einer der EG 14 des TvöD-V (Bund) entsprechenden Tätigkeit hatte.

cc. Diese Beschäftigungspflicht hat die Beklagte, dadurch, dass sie den Kläger nach dem 31.12.2012 keinen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat und ihn nicht beschäftigt hat, rechtswidrig verletzt. Die Beschäftigungspflicht kann auch nicht nachträglich erfüllt werden.

Ohne diese Pflichtverletzung hätte der Kläger die Stufe 4 der EG 14 des TVöD-V (Bund) am 01.12.2015 erreicht, so dass die Pflichtverletzung auch kausal für den Schaden ist. Dieser, besteht in dem späteren Erreichen dieser Stufe und dem damit verbundenem späteren Eintritt der daraus resultierenden Rechtsfolgen, wie einem höheren Entgeltanspruch und dem späteren Beginn des Zeitraums zum Erreichen der nächsten Stufe.

dd. Die Beklagte kann sich im vorliegenden Fall auch nicht darauf berufen, dass sie gemäß § 280 Abs.1 S.2 BGB diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

Aus der Formulierung des § 280 Abs.1 S. 2 BGB ergibt sich, dass, wenn die Pflichtverletzung des Schuldners und die Kausalität für den Schaden feststehen, sich der Schuldner hinsichtlich der subjektiven Seite der Fahrlässigkeit entlasten muss (MüKoBGB/Ernst, 8. Aufl. 2019, BGB § 280 Rn. 154, 159; BAG, Urteil vom 16.12.2008 - 9 AZR 164/08, NZA 2009, 689).

Insoweit ist der Maßstab im vorliegenden Fall nach Ansicht der Kammer nicht anders zu beurteilen als beim Annahmeverzug des Arbeitgebers: Dieser hat die Pflichtverletzung dann zu vertreten, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam war. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf (BAG, Urteil vom 13.06.2002 - 2 AZR 391/01, NZA 2003, 44, beck-online).

Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, wie und ob die Beklagte, bevor sie sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Ablaufs der Frist berufen hat, sorgfältig geprüft hat, ob die Befristung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften wirksam war oder nicht. Es war vielmehr, wie sich aus den Entscheidungsgründen sowohl der erstinstanzlichen Entscheidung zur Entfristungsklage ergibt, vielmehr naheliegend, dass diese unwirksam war, weil der Sachgrund für die Befristung weiter fortbestanden hat und die Umsetzung des Projekts, in dem der Kläger beschäftigt war, noch nicht abgeschlossen war. Ob und wie die Beklagte die Wirksamkeit der Befristung mit der gebotenen Sorgfalt geprüft hat, um einen Schadenseintritt auch im eigenen Interesse zu vermeiden, ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

ee. Der Schadensersatzanspruch ist auf Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) gerichtet, d.h. auf die Herstellung des Zustandes, der ohne die Nichtbeschäftigung bestanden hätte (MHdB ArbR, § 92 Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers Rn.17, beck-online).

Das heißt im Ergebnis, dass die Beklagte den Kläger so stellen muss, wie er ohne die Pflichtverletzung stünde. Bei der Berechnung des Zeitpunkts, wann der Kläger die nächste Stufe gemäß §§ 16, 17 TVöD erreicht hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger ohne die pflichtwidrige Nichtbeschäftigung auch in dem Zeitraum nach dem 01.01.2013 durchgehend entsprechend seinem Arbeitsvertrag tätig gewesen wäre, so dass bei einer durchgehenden Beschäftigung auch nach dem 31.12.2012 dies zum 01.12.2015 der Fall gewesen wäre.

ff. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in dieser Zeit über das Maß des § 17 Abs. 3 b TVöD hinaus erkrankt war, denn auch diese Arbeitsunfähigkeit des Klägers hat die Beklagte zu vertreten.

Im unstreitigen Teil des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils heißt es insoweit ausdrücklich, dass der Kläger in der Zeit vom 10.01.2014 bis zum 29.01.2015 an einer längeren psychischen Erkrankung litt, die durch die lange Zeit der Bestandsschutzstreitigkeit und die damit einhergehenden Problematiken verursacht wurde.

Das Landesarbeitsgericht ist an diese Feststellung des Arbeitsgerichts Magdeburg gebunden, so dass es auf das erstmalige Bestreiten der Ursache der Erkrankung in der zweiten Instanz nicht mehr ankommt und über diese Frage auch kein Beweis zu erheben ist.

Gemäß § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Gerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit begründen. Der Tatbestand eines Urteils hat eine Dokumentationsfunktion und eine Beweisfunktion. Bewiesen ist unter anderem, dass eine im Tatbestand enthaltene Tatsache von den Parteien vorgetragen worden ist. Die Beweiswirkung umfasst aber insbesondere auch die Feststellung eines Vorbringens als streitig oder unstreitig.

Dafür, welche Tatsachen in erster Instanz vorgetragen, welche bestritten worden und welche unbestritten geblieben sind, erbringt der Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, zu welchem auch die Wiedergabe von Tatsachenvortrag in den Entscheidungsgründen gehört, gemäß § 314 S. 1 ZPO Beweis. Das gilt auch für vermeintlich unrichtig wiedergegebenen Tatsachenvortrag. Die Unrichtigkeit des Tatbestandes kann nur mithilfe eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO geltend gemacht werden. Ist dies versäumt worden, so muss das Berufungsgericht wegen der Beweiskraft des Tatbestandes von dem dort wiedergegebenen Tatsachenvortrag als zutreffend ausgehen (vgl. Musielak/Voit - Ball, ZPO, 16. Aufl., § 529 Rz. 6).

Eine im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig ausgewiesene Tatsache ist somit als unstreitig für das Berufungsgericht bindend, wenn eine (Tatbestands-)Berichtigung nicht durchgeführt worden ist.

Schon wegen der positiven Beweiskraft des Tatbestandes kann der Berufungsführer die tatbestandlichen Feststellungen des Erstgerichts im Berufungsverfahren nicht einfach bestreiten oder, unter Hinweis auf in erster Instanz vermeintlich abweichend geleisteten Sachvortrag, angreifen (vgl. hierzu im Einzelnen: Schultzky, MDR 2016, 968 (970); Gruber/Stöbe, NZA 2018, 826 (829/830); BGH, Urteil vom 03.11.2004 - VIII ZR 344/03 - juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.02.2003 - 12 U 210/02 - juris; Zöller - Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rz. 2). Für das arbeitsgerichtliche Verfahren ergeben sich insoweit (außer den Sonderregelungen des § 67 ArbGG im Hinblick auf § 531 ZPO) keine Besonderheiten (vgl. Gruber/Stöbe, NZA 2018, 826 (831).

Eine Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO hat die Beklagte seinerzeit nicht beantragt, so dass die Kammer bei ihrer Entscheidung grundsätzlich die erstinstanzlichen Feststellungen zugrunde zu legen hat. Letztlich ist es auch so, dass nach dem Akteninhalt die Behauptung des Klägers, seine Erkrankung habe auf der Dauer des Rechtsstreits und den damit einhergehenden Umständen beruht, in der ersten Instanz auch tatsächlich unbestritten geblieben ist, so dass ein Tatbestandsberichtigungsantrag wohl auch keinen Erfolg gehabt hätte. Konkrete Anhaltspunkte, die im Sinne von § 520 Abs. 3 Ziff. 3 ZPO Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen, sind nicht ersichtlich und wurden nicht vorgetragen. Hierzu reicht das nunmehr lediglich einfache Bestreiten seitens der Beklagten in der Berufungsinstanz dementsprechend nicht aus.

Vor diesem Hintergrund hat die Kammer davon auszugehen, dass auch die Unterbrechung aufgrund der Erkrankung des Klägers durch die Beklagte zu vertreten ist und dieser Zeitraum nicht bei der Frage der Stufenzuordnung herauszurechnen ist.

Hätte die Beklagte den Kläger nach dem 31.12.2012 weiterbeschäftigt und sich nicht auf die unwirksame Befristung berufen, wäre der vorgängige Rechtsstreit vermieden worden und der Kläger auch nicht erkrankt.

gg. Dem steht auch nicht entgegen, dass gemäß § 17 Abs. 2 S.2 TVöD-V (Bund) bei Leistungen, die erheblich unter dem Durchschnitt liegen, die erforderliche Zeit für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 jeweils verlängert werden kann.

Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen dafür beim Kläger vorlagen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Eine unterdurchschnittliche Leistung wurde durch die Beklagte weder in der Zeit vor dem 31.12.2012 noch in dem Zeitraum, als der Kläger nach Abschluss der Bestandsstreitigkeit wieder tätig war, nicht festgestellt.

hh. Die Beklagte kann sich bezüglich des Zeitpunkts des Erreichens der Stufenzuordnung auch nicht auf die Ausschlussfrist des § 37 TVöD berufen, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von dem Beschäftigten in Textform geltend gemacht werden.

Die Ausschlussfrist des § 37 TVöD bezieht sich auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, d.h. soweit es sich um laufende Ansprüche handelt, auf die monatlich neu entstehenden Ansprüche. Das dem laufend neu entstehenden Anspruch zu Grunde liegende Recht, unterliegt dagegen nicht der Ausschlussfrist. Nicht dem Verfall unterliegt deshalb das Recht, sich auf eine höhere oder gegebenenfalls auch niedrigere als die vom Arbeitgeber zunächst anerkannte Eingruppierung zu berufen (BAG, Urteil vom 25.06.2009 - 6 AZR 384/08, NJOZ 2009, 3586, beck-online Rn. 20). Nur Ansprüche, nicht Rechtspositionen als solche, unterliegen dem Verfall. Deshalb verfallen zwar Ansprüche auf Zahlung eines höheren Tarifentgelts als des tatsächlich gezahlten, es verfällt aber jedenfalls im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht durch Zeitablauf auf Dauer das Recht, sich auf eine höhere als die vom Arbeitgeber anerkannte Eingruppierung zu berufen (BeckOK TVöD/Bepler, 55. Ed. 01.12.2020, TVöD-AT § 37 Rn. 36).

Gründe dafür, dies beim hier vorliegenden Fall der Stufenzuordnung anders zu handhaben, sind für die Kammer nicht ersichtlich.

2.

Der Kläger hat gegen die Beklagte dementsprechend auch die hier geltend gemachten Vergütungsansprüche in Höhe von 4.157,29 € brutto nebst Zinsen.

Die Höhe der Differenzvergütung für die Monate August 2016 bis Januar 2017 (373,94 € brutto) und den darauffolgenden Zeitraum Februar bis Juni 2017 (382,73 € brutto), zwischen der dem Kläger ausgezahlten Vergütung entsprechend der EG 14 Stufe 3 und der geschuldeten Vergütung der Stufe 4, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Zinsanspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286, 288 BGB), weil die monatliche Vergütung gemäß § 24 TVöD (Bund) jeweils zum letzten des Monats fällig geworden ist.

II.

Soweit der Kläger darüber hinaus Zahlungen begehrt, ist die Klage unbegründet.

Anders als bei der Frage des Beginns der Stufenzuordnung und des Stammverhältnisses, unterliegen die monatlich neu entstehenden Vergütungsansprüche der Verfallsfrist des § 37 TVöD (s.a. BAG, Urteil vom 25.06.2009 aaO.).

Der hier vorliegende Fall ist auch nicht mit der Konstellation vergleichbar, dass Ansprüche während eines laufenden Bestandsschutzverfahrens fällig werden und in der Bestandsschutzklage gleichzeitig auch die Geltendmachung der Verzugslohnansprüche gesehen wird. Unabhängig davon, dass die Zeiträume für die der Kläger hier eine höhere Vergütung begehrt bereits nicht in den Zeitraum fallen, in denen er aufgrund des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses nicht beschäftigt wurde, sind über den Verzugslohn hinausgehende Zahlungsansprüche, die zusätzlich auf eine unrichtige Eingruppierung gestützt werden, generell nicht von der fristwahrenden Wirkung der Kündigungsschutzklage erfasst. Sie müssen zur Wahrung der Ausschlussfrist gemäß § 16 Nr. 1 BRTV gesondert und unter Berufung auf die unrichtige Eingruppierung geltend gemacht werden (BAG, Urteil vom 14.12.2005 - 10 AZR 70/05 NZA 2006, 998, beck-online).

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass hier nicht der originäre tarifliche Vergütungsanspruch Streitgegenstand ist, sondern ein Schadensersatzanspruch.

Neben den typischen Ansprüchen von Arbeitgebern wie von Arbeitnehmern aus Arbeitsvertrag und Tarifvertrag unterfallen § 37 auch deliktische Ansprüche beider Arbeitsvertragsparteien, einschließlich solcher aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (BeckOK TVöD/Bepler, 55. Ed. 1.12.2020, TVöD-AT § 37 Rn. 31).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger seine Ansprüche soweit sie sich auf die Vergütung nach der Stufe 4 der EG 14 richten, erstmalig mit Schreiben vom 28.02.2017 geltend gemacht. Dass dieses Schreiben der Beklagten erst nach diesem Termin zugegangen ist, ist hier nicht ersichtlich. Dementsprechend sind unter Berücksichtigung der Regelung des § 24 Abs. 1 S. 2 TVöD Ansprüche, die vor dem letzten 28. August 2016 fällig wurden, gemäß § 37 TVöD verfallen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 ZPO.

D.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.

I.

Nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG hat eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (BAG 11. April 2019 - 3 AZN 720/18, Rn. 3). Das kann auch eine Tarifnorm sein (Düwell in Düwell/Lipke, Arbeitsgerichtgerichtsgesetz, 5. Aufl., § 72 ArbGG Rn. 19). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. nur: BVerfG 4. November 2008 - 1 BvR 2587/06, Rn. 19; BAG 11. April 2019 - 3 AZN 720/18, Rn. 3).

II.

Die Fragen der Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Verletzung der Beschäftigungspflicht und inwieweit ein dadurch verzögerter Stufenaufstieg gemäß §§ 16, 17 TVöD von einem daraus resultierenden Schadensersatzanspruch umfasst ist, betreffen nicht nur den hier vorliegenden Einzelfall, sondern können sich bei der Nichtbeschäftigung von Arbeitnehmern während Kündigungsschutz-, bzw. Entfristungsklagen bei einer Vielzahl von Fällen, nicht allein im öffentlichen Dienst sondern auch bei anderen Tarifverträgen stellen, die einen Stufenaufstieg, der an die Beschäftigungsdauer anknüpft, vorsehen.

Die übrigen entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt oder beruhen auf einzelfallbezogenen Besonderheiten dieses Rechtsstreits.