LG Deggendorf, Endurteil vom 08.06.2021 - 31 O 753/20
Fundstelle
openJur 2021, 22562
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert beträgt 20.964,53 €.

Tatbestand

Der Kläger macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten bestehenden Betriebsschließungsversicherung wegen einer durch die Corona-Pandemie veranlassten Betriebsschließung geltend.

Der Kläger ist Betreiber der Gaststätte "C." in Deggendorf. Er unterhält bei der Beklagten im Rahmen einer Betriebshaftpflichtversicherung (auf die Anlage K1 "Nachtrag zum Versicherungsschein" wird verwiesen; Versicherungsbeginn 01.01.2018 / Ablauf 01.01.2021) inklusive Umwelthaftpflicht- und Umweltschadensversicherung, Inhaltsversicherung, Ertragsausfallversicherung und Elektronikversicherung, Maschinen- und Transportversicherung eine "Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung)", der die als Bestandteil des Anlagenkonvoluts K 2 vorgelegten Zusatzbedingungen 2008 (ZBSV 08) zugrunde liegen, und die ihm gemäß § 3 Nr. 1 a ZBSV 08 im Falle einer Schließung einen Ertragsausfallschaden bis zu einer Haftzeit von 30 Tagen ersetzen soll.

Die Bedingungen lauten auszugsweise:

§ 2 Versicherte Gefahren

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;

(...)

2. Meldepflichtige Krankheiten und im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger 

a) (es folgt eine Liste einzelner Krankheiten; durch das Corona-Virus verursachte Krankheiten sind dort nicht genannt)

b) (es folgt eine Liste einzelner Krankheitserreger; das Corona-Virus ist dort nicht genannt)

Im Übrigen wird zur Vervollständigung der Darstellung des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages in vollem Umfang auf die Anlagen K1 und K2 verwiesen.

Aufgrund von im Zuge der Corona-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen vom 16.03.2020 und vom 20.03.2020 sowie von Verordnungen vom 24.03.2020 und 27.03.2020, die durch diverse Folgeverordnungen bis Mitte Mai 2020 fortgeschrieben wurden, des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege stellte der Kläger wegen dieser Verbote den Geschäftsbetrieb des versicherten Cafés nach seiner Darstellung vom 23.03.2020 bis Mai 2020 für mehr als 30 Tage vollständig ein.

Die von ihm angemeldeten Entschädigungsansprüche wies die Beklagte mit Schreiben vom 18.05.2020, Anlage K3, zurück; ein darin unterbreitetes Angebot einer Einmalzahlung von 4.847 € (geschätzte 15% der Tagesentschädigung) nahm der Kläger nicht an. Mit seiner im November 2020 erhobenen Klage auf Feststellung, dass die Beklagte ihm zur Zahlung von Entschädigung aus der Versicherung verpflichtet sei, hat der Kläger geltend gemacht, die Beklagte sei schon dann eintrittspflichtig, wenn aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten ein Betrieb geschlossen werde; die Klausel erwähne gerade nicht, dass die meldepflichtige Krankheit im Betrieb des Versicherungsnehmers selbst aufgetreten sein müsse. Unerheblich sei, dass in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 das Corona-Virus nicht ausdrücklich aufgeführt sei; den Bedingungen sei nicht zu entnehmen, dass spätere Änderungen des IfSG nicht unter den Versicherungsschutz fallen sollten; der Ausdruck "namentlich" in Nr. 2 könne auch im Sinne von "insbesondere" verstanden werden. Dies folge jedenfalls aus der AGB-rechtlich gebotenen zutreffenden Auslegung der Versicherungsbedingungen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte aus der zwischen den Parteien bestehenden Betriebsschließungsversicherung mit dem Versicherungsschein - Nummer ... verpflichtet ist, dem Kläger für eine Haftzeit von 30 Tagen seinen Ertragsausfallschaden zu ersetzen, der dadurch entstanden ist, dass der Kläger sein Café ... im März und April 2020 wegen der zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erlassenen Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen des Freistaats Bayern schließen musste,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.348,27 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Feststellungsklage sei unzulässig, weil der Kläger seinen Schaden beziffern könne. Auch liege kein Versicherungsfall vor. Der Katalog des § 2 Nr. 2 ZBSV 08 sei abschließend, und auch im IfSG sei das Coronavirus in den §§ 6, 7 erst seit dem 23. Mai 2020 zu finden. Auch fehle es an einer bedingungsgemäßen Schließung des versicherten Betriebes; diese sei nicht vom Gesundheitsamt veranlasst worden, auch nicht etwa aufgrund eines Virus im Betrieb.

Zum sonstigen Vorbringen der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug genommen

Gründe

I.

Die Klage hat keinen Erfolg.

II.

Zwar ist die Klage zulässig.

Der hier erhobenen Feststellungsklage steht der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage nicht entgegen, ohne dass es darauf ankäme, ob der Kläger bereits in der Lage ist, den ihm entstandenen Ertragsausfall vollumfänglich zu berechnen. Denn der vorgenannte Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage gilt dann nicht, wenn erwartet werden kann, dass der Beklagte bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird, was typischerweise bei Versicherungsgesellschaften (wie der Beklagten) anzunehmen ist (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 256 Rn. 8 mit Hinweisen zur einschlägigen Rechtsprechung des BGH). Außerdem ist im vorliegenden Fall in dem gleichfalls unstreitig Vertragsbestandteil gewordenen § 15 VFS 2008 vorgesehen, dass zur verbindlichen Feststellung der Schadenshöhe ein Sachverständigengutachten eingeholt werden kann; auch in diesem Fall ist, selbst bei Bezifferbarkeit der Schadenshöhe durch den Versicherungsnehmer, die Erhebung der Feststellungsklage zulässig (Greger, a.a.O., Rn. 7a mit Hinweisen zur einschlägigen Rechtsprechung des BGH).

III.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Der Kläger kann aus der bei der Beklagten unterhaltenen Versicherung Entschädigungszahlung nicht verlangen. Es liegt - in Gestalt der Corona-Pandemie und der in ihrer Folge ergangenen Allgemeinverfügungen und Verordnungen - kein Versicherungsfall vor. Das Gericht schließt sich in vollem Umfang der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG Schleswig, Urteil vom 10.05.2021 - 16 U 25/21) und des OLG Stuttgart (Urteil vom 15.02.2021 - 7 U 351/20) an.

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

Nach einer solchen Auslegung sind in der Betriebsschließungsversicherung Ansprüche aufgrund einer Schließung infolge des Corona-Virus in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht versichert.

1. Wenn es in § 2 Nr. 1 a) ZBSV 08 heißt, dass der Versicherer Entschädigung leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des IfSG den versicherten Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von Krankheiten oder Krankheitserregern schließt, so ist damit vorausgesetzt, dass eine konkrete, einzelfallbezogene Maßnahme zur Bekämpfung einer gerade aus dem konkreten Betrieb erwachsenden Infektionsgefahr erfolgt.

a) Der Bezug auf den konkreten Einzelfall ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer schon daraus, dass ein Handeln der zuständigen Behörde vorausgesetzt ist.

Dass es um eine von dieser Behörde konkret festgestellte Gefahr gehen muss, die von dem einzelnen Betrieb (hier: des Klägers) selbst ausgeht, erschließt sich aus dem Umstand, dass schon in Nr. 1 a) die Verhängung von Tätigkeitsverboten gegen sämtliche Betriebsangehörige gleichgestellt wird mit der Schließung zur Verhinderung und Verbreitung von Erregern; diese Gleichstellung ergibt nur dann einen Sinn, wenn eine Gefahr von diesen Betriebsangehörigen ausgeht.

b) Dass von dem Betrieb selbst die Gefahr ausgehen muss, ergibt sich mit Blick aus den weiteren Versicherungsfällen gem. Nr. 1 lit. b) bis c):

Die Anordnungen oder Empfehlungen der Desinfektion von Betriebsräumen und/oder - einrichtungen sowie der Desinfektion, Brauchbarmachung oder Vernichtung von Vorräten und Waren sind offensichtlich betriebsbezogen gemeint, wie sich schon aus dem jeweils abschließenden Halbsatz ergibt - "weil anzunehmen ist, dass der Betrieb / die Vorräte ... mit meldepflichtigen Krankheitserregern behaftet ist / sind". Es handelt sich, wie der Versicherungsnehmer erkennen wird, um Maßnahmen unterhalb des Niveaus einer kompletten Schließung. Nichts anderes gilt für lit d), der die konkrete Infektion von im Betrieb beschäftigten Personen betrifft. Auch lit e), der Ermittlungs- oder Beobachtungmaßnahmen für den Fall betrifft, dass jemand krank usw. ist, bezieht sich offenbar auf Betriebsangehörige.

Wenn all diese Unterfälle der lit b) bis e) und auch der in lit a) Hs. 2 dem "Grundfall" in lit a) Hs. 1 gleichgestellte Fall auf eine aus dem einzelnen Betrieb selbst hervorgehende Gefahr gemünzt sind, so kann auch für den Grundfall in lit a) Hs. 1 nichts anderes gelten.

Der Versicherungsnehmer wird berücksichtigen müssen, dass er selbst als Angehöriger einer Branche, die in ihren Betriebsstätten zubereitete Lebensmittel anbietet, die Versicherung zum Zweck der Absicherung gegen die Gefahr abgeschlossen hat, dass das Gesundheitsamt sein Lokal wegen eines dort aufgetretenen Erregers schließt. Diese Versicherung ist abgeschlossen worden zu einer Zeit, da an einen zu einem praktisch allgemeinen Lockdown führenden pandemischen Virus nicht auch nur entfernt zu denken war. Auch unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Interesses des Versicherungsnehmers an einem möglichst weitgehenden Schutz gegen die Folgen der Corona-Pandemie ist die Folgerung zwingend, dass ein solcher Schutz nicht gemeint ist und dass die auf den ersten Blick womöglich etwas weitergehende Formulierung im Grundfall lediglich dem Umstand geschuldet ist, dass auch der Versicherer bei der Abfassung der Bedingungen den Fall eines pandemiebedingten Lockdowns nicht in seine Überlegungen einbezogen hat.

Diese Auslegung wird durch die Überlegungen bestätigt, dass die Versicherung nach § 3 Nr. 1 a) ZBSV 08 Ertragsausfälle lediglich für einen Zeitraum von 30 Tagen ersetzt, also für einen Zeitraum, in dem für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar nach einer Schließung ein im Betrieb oder bei seinen Mitarbeitern aufgetretener Erreger regelmäßig hinreichend bekämpft worden sein wird.

c) Daher ist eine Auslegung des § 2 Nr. 1 a) ZBSV 08 dahingehend, diese Bedingung solle ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse des Betriebes auch faktische Betriebsschließungen aufgrund genereller gesellschafts- und gesundheitspolitischer Maßnahmen in einer pandemischen Ausnahmesituation erfassen, abzulehnen. Grundidee der Betriebsschließungsversicherung ist es nach Auffassung des erkennenden Gerichts, bestimmten Branchen einen Schutz vor Ertragsausfällen durch behördliche Betriebsschließungen wegen eines intern entstandenen Infektionsrisikos zu bieten. In den Bestimmungen zur Beschreibung der versicherten Gefahren ist gerade nicht allgemein von einer behördlichen Betriebsschließung auf Grundlage des IfSG die Rede, sondern von einzelnen konkreten Maßnahmen, die sämtlich einen verständigerweise nicht zu übersehenden Bezug auf aus dem Betrieb selbst herrührende Risiken aufweisen.

2. Unabhängig davon greift die Betriebsschließungsversicherung im Falle des Corona-Virus auch deshalb nicht, weil dieses Virus von § 2 Nr. 2 ZBSV 08 nicht erfasst wird. In dem Infektionsschutzgesetz in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung vom 20.07.2000 (gültig von 01.01.2001 bis 27.03.2020) sind die "Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)", die mit Geltung ab dem 23.05.2020 bei § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. t IfSG aufgeführt ist, oder das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und das Severe-Acut-Respiratory-Syndrome Coronavirus-2 (SARS-CoV-2), die nunmehr in § 7 Abs. 1 Nr. 44 a IfSG angeführt sind, nicht genannt.

Diese unterbliebene Benennung der "Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)" bzw. von SARS-CoV und von SARS-CoV-2 in den Vertragsbedingungen führt dazu, dass ein Versicherungsschutz nicht besteht.

a) Maßgebend ist insofern der Inhalt des Versicherungsvertrages und damit dessen Auslegung nach allgemeinen, oben genannten Grundsätzen. Bei der hier in Rede stehenden Betriebsschließungsversicherung ist überdies zu berücksichtigen, dass der typische Adressaten- und Versichertenkreis nicht in Verbraucherkreisen zu suchen ist, sondern vielmehr geschäftserfahren und mit AGB vertraut ist, nachdem die Versicherung ihrem Zweck und Inhalt nach auf Gewerbebetriebe abzielt.

b) Hiervon ausgehend wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht annehmen können, dass auch Corona dem von der Beklagten versprochenen Versicherungsschutz im Falle einer Betriebsschließung unterfällt.

aa) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes zwar nicht von vornherein kennen. Von einem um Verständnis bemühten, nicht geschäftsunerfahrenen Versicherungsnehmer kann indes erwartet werden, dass er sich beim Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung Kenntnis von den maßgeblichen Regelungen verschafft. Das liegt umso näher, nachdem in den Bestimmungen der Betriebsschließungsversicherung mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz und auch auf einzelne dortige Bestimmungen verwiesen wird. Das trifft insbesondere für die hier in Rede stehende, einer AGB-Kontrolle nicht entzogene Bestimmung zu. Dort wird ausdrücklich auf in §§ 6 f. IfSG "namentlich" genannte Krankheiten und Krankheitserreger Bezug genommen. Dabei wird ein verständiger Versicherungsnehmer erkennen, dass die Vertragsbedingungen einen Stand von 2008 aufweisen, während der Vertrag den Zeitraum ab 01.01.2018 betrifft. Daher wird er bereits von vornherein damit zu rechnen haben, nicht zwingend einen Versicherungsvertrag abzuschließen, der in jedem Fall den aktuellen Stand der §§ 6 f. IfSG berücksichtigt.

Das gilt erst recht für eine künftige Erweiterung des Katalogs in §§ 6 f. IfSG, zumal eine öffnende Regelung, wie sie in § 6 IfSG zu finden ist und die andere bedrohliche Krankheiten umfasst (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG), in den Versicherungsbedingungen nicht enthalten ist, so dass insofern aus der Motivation des Gesetzgebers des Infektionsschutzgesetzes nichts für das Verständnis der hier zur Anwendung kommenden AVB abgeleitet werden kann. Daher sind die Vertragsbedingungen, was ohne weiteres erkennbar ist, nicht als offener, sondern vielmehr als geschlossener Katalog ausgestaltet, zumal der auf der Hand liegende Sinn und Zweck einer derart umfassenden Aufzählung letztlich lediglich darin liegen können, genau - nur - diese Krankheiten und Krankheitserreger als vom Versicherungsschutz umfasst anzusehen.

bb) Darüber hinaus weist der Wortlaut darauf hin, dass der in Anspruch genommene Versicherer nur für Fälle ganz bestimmter, also "namentlich" aufgeführter Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz gewähren will. Die Formulierung "namentlich", die im Übrigen schon allein angesichts ihrer Stellung im Satz nicht als "beispielhaft", "insbes.", "hauptsächlich" o. ä. verstanden werden kann, wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer im Regelungszusammenhang zwanglos als "mit Namen benannte" verstehen, ohne insofern auch einen Zusammenhang mit der namentlichen Meldung im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes herzustellen.

Damit sind aber nur diejenigen Krankheiten und Krankheitserreger gemeint, die der Versicherer in den Versicherungsbedingungen "benannt", also im Einzelnen aufgeführt hat. Nicht "namentlich benannte", insbesondere noch nicht bekannte Krankheiten und Krankheitserreger sind daher ohne weiteres nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Das wird zusätzlich durch das Adjektiv "folgende" verstärkt. Denn der Versicherungsschutz soll sich nur auf "die folgenden" Krankheiten und Krankheitserreger beziehen. Damit ist ein klarer und unzweideutiger Bezug auf die nachfolgend zu findende Aufzählung bestimmter Krankheiten und Krankheitserreger hergestellt.

cc) Anderes ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht aus dem für ihn erkennbaren Zweck des Leistungsversprechens des Versicherers.

Sicherlich verspricht die Beklagte in der Betriebsschließungsversicherung für zahlreiche Fälle von Krankheiten und Krankheitserregern, die dem Versicherungsnehmer mehrheitlich nicht bekannt sein werden, eine Leistung. Das beinhaltet jedoch nicht zwangsläufig die Annahme, es werde damit ein allgemeines Risiko für jegliche Betriebsschließung aufgrund einer Krankheit oder eines Krankheitserregers i. S. von §§ 6 f. IfSG übernommen. Der Versicherungsnehmer wird erwarten können, dass die Versicherung Risiken für bekannte Krankheiten übernimmt, die in ihren möglichen Auswirkungen abschätzbar sind. Dagegen ist eine berechtigte Erwartung dahin, die Versicherung werde ohne Unterschied und ohne die Möglichkeit, eine Gefahrträchtigkeit einer Krankheit abschätzen zu können, Versicherungsschutz gewähren wollen, nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen nicht begründbar. Auch ansonsten fehlt es an jedwedem Anhaltspunkt dafür, dass ein verständiger Versicherungsnehmer trotz des Zwecks des Versicherungsvertrages, ihn vor den Folgen von Betriebsschließungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes zu schützen, annehmen könnte, sein Vertragspartner wolle ein unkalkulierbares Risiko eingehen. Denn "namentlich" in den Versicherungsbedingungen benannte Bedrohungen durch bestimmte Krankheiten und Krankheitserreger sind bekannt, in ihren Folgen grundsätzlich überschaubar und damit versicherungsmathematisch kalkulierbar. Eine Analogie zu allen vergleichbar hochriskanten Viren würde diese Einschätzung finanzieller Belastungen aus den Angeln heben. Als am Geschäftsleben Teilnehmender wird der Versicherungsnehmer der Betriebsschließungsversicherung auch wissen, dass der Versicherer bestrebt ist, seine Haftung auf bekannte und daher vorhersehbare Fälle zu begrenzen, um sein Risiko kalkulieren zu können.

Mehr wird und darf ein nicht geschäftsunerfahrener Betriebsinhaber redlicherweise nicht erwarten können.

dd) Das vorstehend dargelegte Verständnis zugrunde gelegt, bedarf es auch nicht eines (klarstellenden) Hinweises, dass nicht aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger nicht dem Versicherungsschutz unterfallen. An einem solchen Verständnis ändert auch der Umstand nichts, dass nicht versichert sind Schäden ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen aufgrund von Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf.

Damit wird nicht der Eindruck erweckt, der Versichter verstehe den genannten Katalog nicht als abschließend. Es wird vielmehr lediglich darauf hingewiesen, dass eine Mitursächlichkeit einer anderen Erkrankung ebenso wie die Mitursächlichkeit anderer, äußerer Faktoren den Versicherungsschutz entfallen lässt. Ein Rückschluss von dieser Ausnahme auf den Umfang der Leistungspflicht liegt für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer gerade nicht nahe, schon gar nicht kann hieraus bei verständiger Betrachtung der Schluss gezogen werden, der erkennbar abschließend formulierte Katalog solle wieder geöffnet werden.

ee) Mit einem solchen Verständnis der hier anzuwendenden Vertragsbestimmungen können auch eine objektive Mehrdeutigkeit und das Bestehen für den VN nicht behebbarer Zweifel nicht angenommen werden, so dass der Kläger auch § 305 c Abs. 2 BGB für sich nicht in Anspruch nehmen kann. Insbesondere bedarf es zur Kenntlichmachung des Umstandes, dass die Beklagte nur die ausdrücklich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sehen will, keiner zusätzlichen Einfügung des Wortes "nur" o. ä.

c) Darüber hinaus führt die so, wie dargelegt, verstandene Vertragsbestimmung nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das wäre anzunehmen, wenn ein Corona nicht umfassender Versicherungsschutz mit wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren wäre. Das Leistungsversprechen des Versicherers in der Betriebsschließungsversicherung aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzgesetzes hat aber keine gesetzlichen Regelungen zur Grundlage. Der Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes liegt nicht darin, einen Unternehmer vor Schäden durch eine Unterbrechung des Betriebs aufgrund von Maßnahmen des Infektionsschutzes zu bewahren; die Zielrichtung ist eine gänzlich andere. Daher läuft ein Verständnis dahin, dass nur die aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst sein sollten, von vornherein nicht dem Schutzzweck des Infektionsschutzgesetzes zuwider. Insofern lässt auch nichts aus dem Rechtsgedanken des § 1 a VVG ableiten. Diese Regelung betrifft die Art und Weise des Vertriebs von Versicherungen durch einen Versicherer und deren Bewerbung sowie die Verwaltung und Erfüllung des Versicherungsvertrages. Daraus lässt indes nicht schließen, dass ein Versicherungsvertrag derart ausgestaltet sein müsste, dass er sich dynamisch an etwaige Änderungen von tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten anpassen müsste. Auch wenn der Versicherer nach § 1 a VVG im "bestmöglichen" Interesse des Versicherungsnehmers zu handeln verpflichtet ist, ergibt sich daraus keine Pflicht zur Anpassung eigener Produkte oder zu deren Neugestaltung, um dem Versicherungsnehmer einen weitergehenden - gegebenenfalls besseren - Schutz gegenüber versicherten Gefahren zu bieten. Allenfalls könnte sich für den Versicherer insofern eine Pflicht ergeben, aus seinem Portfolio ein Produkt auszuwählen, das den individuellen Kundenwünschen und -bedürfnissen am besten entspricht.

d) Auch eine Gefährdung des Vertragszwecks der Betriebsschließungsversicherung ist offenkundig nicht anzunehmen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Das hier zugrunde gelegte Verständnis begrenzt lediglich den Leistungsumfang des Versicherers auf diejenigen Fälle, die dort benannt sind. Der von der Beklagten versprochene Versicherungsschutz wird damit mitnichten ausgehöhlt, denn es werden weiterhin Einwirkungen auf den Geschäftsbetrieb infolge einer großen Anzahl von Krankheiten und Krankheitserregern versichert. Der Versicherungsschutz ist und bleibt z. B. derselbe, wie er Ende des Jahres 2019 gewesen ist, als es noch keine gesetzgeberischen bzw. behördlichen Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie gegeben hat. e) Die so verstandene Vertragsbestimmung, die eine statische Verweisung auf einen früheren Rechtszustand beinhaltet, verdeutlicht ausreichend, dass der Versicherungsschutz vor dem Hintergrund etwaiger Erweiterungen der Kataloge des Infektionsschutzgesetzes ein teils lückenhafter ist. Die Regelung ist daher nicht intransparent und folglich auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB als unwirksam anzusehen.

aa) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann.

bb) Mit ihrem Hauptleistungsversprechen nach § 2 Nr. 1 ZBSV 08 sagt die Beklagte die Leistung einer Entschädigung zu, wenn die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger eine Schließungsanordnung o. ä. trifft. Mit der weiteren Vertragsbestimmung in Nr. 2 knüpft die Beklagte an das allgemeine Leistungsversprechen an, verbindet dies aber mit einem bestimmten Katalog von Krankheiten oder Krankheitserregern. Durch die Benennung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger wird zugleich das Leistungsversprechen auf bestimmte Fälle beschränkt, nachdem der Katalog hinter demjenigen der §§ 6 f. IfSG zurückbleibt und vor allem (noch) nicht benannte Krankheiten bzw. Krankheitserreger - anders als z. B. § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG - ausschließt.

Damit hat die Beklagte ein Regelungsgefüge geschaffen, das dem Versicherungsnehmer, der den tatsächlichen Umfang des versprochenen Versicherungsschutzes im Vergleich zu einer potentiellen Bedrohungslage, die durch die im Infektionsschutzgesetz beschriebenen Krankheiten und Krankheitserregern gefolgert werden kann, erfassen will, eine Interpretation der vertraglichen Regelung unter gleichzeitigem Vergleich mit den gesetzlichen Regelungen der §§ 6 f. IfSG abverlangt. Nur so wird er erkennen können, dass bereits bei Vertragsschluss nicht alle Fälle einer behördlichen Anordnung im Rahmen von §§ 6 f. IfSG erfasst sein werden. Indes ist diese Bewertung von einem geschäftserfahrenen Betriebsinhaber als Versicherungsnehmer, der sich tatsächlich mit den Bestimmungen der §§ 6 f. IfSG befasst, unschwer und letztlich mit wenigen Blicken vorzunehmen. Es bedarf keiner aufwändigen Analyse der Bedingungsstruktur. Es bleibt zudem nicht unklar, was der Versicherer tatsächlich versichern will; dies ergibt sich vielmehr aus dem Katalog.

Was er nicht versichern will, lässt sich bei einem letztlich nicht sonderlich aufwändigen Blick in das einzig maßgebliche Gesetz feststellen bzw. ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Katalog, in dem eine Auffangregelung nicht vorgesehen ist, notwendigerweise nicht Genanntes ausschließt. Für eine neuartige, nicht bekannte Krankheit usw., mit deren möglichem Auftreten ein nicht geschäftsunerfahrener Versicherungsnehmer im Grundsatz auch rechnen muss, liegt das ohne weiteres auf der Hand, sogar ohne dass das Infektionsschutzgesetz einer näheren Betrachtung unterzogen wird. Angesichts dessen kann man nach Auffassung des Gerichts - nicht zuletzt mit Blick auf den Umstand, dass sich die hier in Rede stehende Versicherung an Gewerbetreibende richtet - nicht annehmen, dass die Beklagte den Umfang des Versicherungsschutzes bzw. vielmehr seiner möglichen Lücken im Vergleich zu den vom Infektionsschutzgesetz umfassten Krankheiten und Krankheitserregern im Dunkeln gelassen oder in irgendeiner Form verschleiert hätte. Aus dem Vorstehenden ergibt sich vielmehr, dass auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung die Reichweite des Versicherungsschutzes und die Beschränkung auf in den Versicherungsbedingungen genannte Krankheiten und Krankheitserreger ohne weiteres erkennbar waren.

3. Die Klage hat daher keinen Erfolg.

IV.

Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO

Bei der Streitwertfestsetzung folgt das Gericht dem bedenkenfreien Vorschlag der Klägerseite.

Verkündet am 08.06.2021