VG Ansbach, Urteil vom 09.06.2021 - AN 17 K 18.50600
Fundstelle
openJur 2021, 22318
  • Rkr:
Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juli 2018 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), durch den ihr Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihr die Abschiebung nach Griechenland angedroht wurde, wo sie bereits internationalen Schutz genießt.

Die am ...1978 in ..., Iran, geborene Klägerin ist iranische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Sie stellte in der Bundesrepublik Deutschland erstmals am 17. März 2015 einen Asylantrag.

In der damaligen Befragung durch das Bundesamt gab die Klägerin im Wesentlichen an, ihr Heimatland habe sie letztmals im April 2014 verlassen. Den Schengenraum habe sie Ende Juli 2014 in Griechenland erstmals betreten. Nach Deutschland sei sie am 26. Dezember 2014 eingereist. Von Griechenland nach Deutschland sei sie über Mazedonien und Serbien gereist. Ihr seien in Griechenland und in Ungarn Fingerabdrücke genommen worden. Internationalen Schutz habe sie dort nicht beantragt. In Griechenland wurde ihr mit Entscheidung vom 22. Januar 2015 der Flüchtlingsstatus zuerkannt.

Mit Bescheid der Beklagten vom 30. März 2015 wurde der Asylantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. Dieser Bescheid wurde durch die Klägerin in der Folge zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach beklagt (Verfahren AN 14 K 15.50179). Einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung hatte die Klägerin seinerzeit nicht bei Gericht angebracht. Mit Beschluss vom 23. Juli 2015 (zum nunmehr neuen Az. AN 3 K 15.50179) stellte das Gericht nach Klagerücknahme das Verfahren ein.

Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2015 beantragte der damalige Klägerbevollmächtigte die Erteilung einer Duldung wegen Reiseunfähigkeit der Klägerin. Das Bundesamt veranlasste daraufhin die amtsärztliche Einschätzung der Reiseunfähigkeit über die Ausländerbehörde. Nach Mitteilung der Ausländerbehörde vom 31. August 2015 bestätigte der Medizinische Dienst des Gesundheitsamtes der Stadt ..., dass eine Reisefähigkeit der Klägerin auf absehbare Zeit nicht gegeben sei. Unter dem 10. September 2015 vermerkte die Beklagte, dass die Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren abgelaufen sei und eine Entscheidung im nationalen Verfahren ergehen werde. Den Bescheid vom 30. März 2015 hob die Beklagte auf.

Am 14. November 2016 wurde die Klägerin erneut durch das Bundesamt angehört. Dort gab sie an, sich nach ihrer Ausreise aus dem Iran in der Türkei für drei Monate und in Griechenland für die Dauer von vier Monaten aufgehalten zu haben. Im Weiteren machte die Klägerin Angaben zu ihren Asylgründen.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2017 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und subsidiären Schutz ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen ab Bekanntgabe des Bescheids, im Falle der Klageerhebung binnen 30 Tagen nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, anderenfalls werde sie in den Iran abgeschoben. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin wiederum Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach (Verfahren AN 1 K 17.30663). Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2018 hob die Beklagte den Bescheid vom 26. Januar 2017 insgesamt auf, nachdem eine Mitteilung der griechischen Behörden vom 22. Mai 2018 ergeben hatte, dass der Klägerin bereits am 22. Januar 2015 in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden war. Die Beklagte stellte das Verfahren auf ein Drittstaatenverfahren um. Mit Beschluss vom 5. Juni 2018 wurde das Verfahren AN 1 K 17.30663 nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt.

Erneut wurde die Klägerin durch das Bundesamt am 12. Juli 2018 angehört. Sie erklärte dabei, körperlich gesund zu sein und an der Anhörung teilnehmen zu können. Geistig und seelisch habe sie großen Stress, aber sie glaube, so etwas sei normal bei so einem Gespräch. Beim ersten Interview habe sie wegen der Aufregung am gleichen Tag ihr Kind verloren. Beim zweiten Interview habe sie viele Haare verloren. Die Klägerin bestätigte wiederum die Angaben zum Reiseweg. Sie sei nicht mehr verheiratet. In Griechenland habe sie eine Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut. Sie habe die Nachricht erhalten, dass ihr Asylantrag abgelehnt worden sei. Das Verfahren in Griechenland habe sie nicht weiter verfolgt, da sie ausgereist sei. Nach ihrer damaligen Ankunft in Griechenland sei sie in ein Flüchtlingscamp gekommen, in welchem sie viele Iraner getroffen habe, die bereits seit Jahren auf eine Entscheidung im Asylverfahren gewartet hätten. Das habe sie nicht gewollt. Einen Asylantrag habe sie zwangsweise in Griechenland stellen müssen. Auch habe sie im Hinblick auf näher dargelegte Spannungen mit ihrer Familie Angst gehabt, ihr Bruder könne sie in Griechenland finden. Sie habe davon in einem Hotel in Athen erfahren und sich dann zur Ausreise entschlossen. Ihre griechische Anwältin habe sie darüber nicht informiert. Auch sei die Polizei in Griechenland sehr schlimm mit ihr umgegangen, die hygienischen Verhältnisse im Camp seien nicht gut gewesen. Sie leide jetzt noch an Depressionen und nehme Medikamente ein. Zum Zeitpunkt der Anhörung verneinte die Klägerin eine Schwangerschaft.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2018 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Klägerin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.), forderte die Klägerin zur Ausreise binnen Wochenfrist nach Bekanntgabe des Bescheides auf und drohte anderenfalls - in erster Linie - die Abschiebung nach Griechenland an (Ziffer 3.). Schließlich befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die den Bescheid tragenden Gründe Bezug genommen.

Der Bescheid wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen des zuzustellenden Schriftstückes in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten an der Wohnanschrift der Klägerin am 25. Juli 2018 zugestellt.

Mit bei Gericht am 26. Juli 2018 eingegangenem Schriftsatz ihrer damaligen Bevollmächtigten vom selben Tag erhob die Klägerin gegen den Bescheid Klage und stellte zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der mit Beschluss des Einzelrichters vom 18. Februar 2020 abgelehnt wurde (AN 17 S 18.50599).

Zur Begründung führte die damalige Prozessbevollmächtigte aus, dass die Klägerin gesundheitlich in psychischer Hinsicht eingeschränkt sei und ihr am 3. Oktober 1999 geborener Sohn, mit dem sie in Nürnberg lebe und für den sie unterhaltsverpflichtet sei, sich zwischenzeitlich in Ausbildung befinde. Dem Sohn drohe auch die Kündigung seiner Wohnung im Falle der Abschiebung der Antragstellerin. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Klägerin wird ein Arztbrief der Frau Dr. med. ... ..., ..., vom 10. Juli 2018 vorgelegt, in dem bescheinigt wird, dass sich die Klägerin seit dem 2. Juni 2015 regelmäßig in ambulanter Behandlung wegen einer ausgeprägten Depression befinde. Wegen der drohenden Abschiebung sei sie verzweifelt, extrem depressiv und äußere Suizidgedanken. Sie spreche gut Deutsch, sei motiviert, und strebe eine Ausbildung zur Krankenschwester oder Altenpflegerin an. Psychiatrischerseits werde befürwortet, dass man der Klägerin und ihrem Sohn einen weiteren Aufenthalt in Deutschland genehmige.

Mit Schriftsatz vom 3. September 2018 zeigte sich die neue Bevollmächtigte der Klägerin an und ergänzte das Klage- und Antragsvorbringen. Die Beklagte dürfe nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG keine Unzulässigkeitsentscheidung in Bezug auf Griechenland treffen, da die Klägerin dort nicht einmal ihre elementarsten Bedürfnisse besorgen könne. Insbesondere drohe ihr dort akute Obdachlosigkeit. Der Zugang zur griechischen Gesundheitsversorgung sei ineffizient und völlig unzureichend. All dies verschlimmere sich noch zusätzlich durch die Auswirkungen der weltweiten Covid-19-Pandemie. Die Klägerin würde bei einer Rückkehr nach Griechenland einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt. Weiter wird ein Attest der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums ... vom 16. Juni 2020 vorgelegt, in dem als Diagnosen eine "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, F33.2" und eine "posttraumatische Belastungsstörung, F43.1" genannt sind. Die Klägerin befinde sich seit dem 29. August 2018 in der ambulanten psychiatrischen Behandlung in der Psychiatrischen Institutsambulanz des Klinikums ..., vor allem mittels ärztlicher Gespräche und zur Medikamentenoptimierung. Weiter nehme sie beratende Gespräche bei der Sozialpädagogin sowie das Gruppentherapie-Angebot wahr. Insgesamt sei die Patientin bereits dreimal in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen, vom 9. April 2015 bis 12. Mai 2015 wegen einer Anpassungstörung (F43.2), vom 27. Juli 2018 bis zum 21. August 2018 und vom 4. Mai bis 7. Mai 2019 jeweils aufgrund der Diagnosen "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, F33.2". Am 3. Februar 2019 sei die Klägerin zur Überprüfung der Suizidalität nach einem Suizidversuch in Behandlung gewesen. Die therapeutische Empfehlung bestehe in einer Weiterbehandlung mit Psychotherapie, antidepressiver Medikation und ärztlichen sowie sozialpädagogischen Einzelterminen und Gruppentherapie. Die Aktuelle Medikation sei zum einen "Venlafaxin ret. 112,5-0-0 mg" und "Quetiapin 0-0-25 ret. mg".

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juli 2018 aufzuheben, hilfsweise wird die Erteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG in Bezug auf Griechenland beantragt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe und teilt im Übrigen auf gerichtliche Anfrage mit, dass der Schutzstatus der Klägerin Griechenland weiterhin bestehe.

In der mündlichen Verhandlung übergab die Klägerseite weitere ärztliche Atteste: Ein ärztliches Attest vom 8. Juni 2021 der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums ..., worin die Diagnosen "Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)" und "Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere Episode ohne psychotische Symptome (F33.1)" festgehalten sind. Die Klägerin sei seit 29. August 2018 in ambulanter psychiatrischer Behandlung in der Psychiatrischen Institutsambulanz. Die genannten stationären Aufenthalte entsprechen denen aus dem bereits zu den Gerichtsakten eingereichten Attest des Klinikums ... vom 16. Juni 2020. In der psychiatrischen Institutsambulanz werde sie zu ärztlich stützenden Gesprächen und zur Medikamentenoptimierung gesehen, auch nehme sie stützend Gespräche bei der Sozialpädagogin wahr. Am Gruppentherapie-Angebot nehme sie derzeit aufgrund ihrer Ausbildung zur Pflegefachfrau nicht teil. Im aktuellen psychopathologischen Befund ist ausgeführt, dass die Patientin wach, bewusstseinsklar, vollorientiert und gemindert schwingungsfähig sei. Die Auffassung sei gut, Konzentration und Merkfähigkeit unauffällig, der Antrieb ausreichend. Allerdings habe die Patientin massive Ängste, ihre Stimmung sei deutlich gedrückt, die Anspannung hoch, sie weise eine starke innere Unruhe auf, fühle sich getrieben, gereizt und nicht belastbar. Sie leide an Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit, fehlendem Selbstwert, Schuld- und Schamgefühlen und sei formalgedanklich eingeengt auf ihre schwierige Situation mit drohender Abschiebung; es bestehe eine Grübelneigung. Eine inhaltliche Denkstörung weise sie nicht auf, ebenso wenig Zwänge oder Phobien und keine Ich-Störungen, keinen Wahn, keine Wahrnehmungsstörungen. Suizidalität sei vorhanden, aber aktuell ausreichend distanziert und absprachefähig. Es bestehe keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung. Empfohlen werde eine Weiterbehandlung mit Psychotherapie, antidepressiver Medikation sowie ärztliche und sozialpädagogische Einzeltermine. Die aktuelle Medikation bestehe aus Venlafaxin ret. 112,5 - 0 - 0 mg, Quetiapin 0-0-25 ret. mg und seit Ende Mai zusätzlich bei verstärkten Ängsten, Suizidgedanken und Schlafverschlechterung Lorazepam 1 mg zur Nacht als Bedarf.

Weiter eine "Bestätigung" des Gesundheitsamtes, Medizinische Dienste - Asyl, Medizinische- und Traumafachstelle für Flüchtlinge der Stadt ... vom 8. Juni 2021, unterzeichnet durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. (* ... ...) ... ... Darin wird bestätigt, dass die Klägerin seit dem 14. Juni 2019 an die medizinische und Traumafachstelle des Gesundheitsamts ... angebunden sei. Als aktuelle Diagnosen sind genannt eine "Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)" und eine "rezidividerende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode (F33.2)". Die Dauer der Erhebung der Anamnese und der Planung einer Behandlung könne derzeit nicht adäquat zeitlich eingegrenzt werden. Bis auf Weiteres liege keine Reisefähigkeit vor.

Schließlich ein ärztliches Attest vom 27. Februar 2020 der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums ..., auf dessen Inhalt verwiesen wird.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte des Bundesamtes verwiesen, hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift.

Gründe

Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig und begründet. Über den Hilfsantrag war daher nicht mehr zu befinden.

1. Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die allein statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 - 1 C 34.19 - juris, U.v. 1.6.2017 - 1 C 9.17 - NVwZ 2017, 1625; BayVGH, U.v. 13.10.2016 - 20 B 14.30212 - juris) oder gar ein Antrag auf ein "Durchentscheiden" des Gerichts in Betracht. Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung zur weiteren Prüfung der Anträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel. Dabei bleibt es auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris), der lediglich inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz für international Anerkannte im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL macht, aber keine prozessualen oder verfahrensrechtlichen Vorgaben, die dem nationalen Recht überlassen sind.

2. Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 17. Juli 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er ist daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

a) Das Bundesamt hat den Asylantrag der Klägerin zu Unrecht gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Der Klägerin wurde am 22. Januar 2015 durch Griechenland der Flüchtlingsstatus zuerkannt, der bis heute fortbesteht.

Gleichwohl ist die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG rechtswidrig. Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der RL 2013/32/EU (Verfahrens-RL) in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.

Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 - Jawo, C-163/17 - juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).

Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 - Jawo, C-163/17 - juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 86 ff.).

Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Einzelfalles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C -297/17 u.a. - juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der RL 2011/95/EU (Qualifikations-RL) entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an "Bett, Brot und Seife" zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 - A 4 S 1329/19 - juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 91).

Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedsstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn die Schutzberechtigten sich aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befänden. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedsstaat, in dem ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Jawo, C-163/17 - juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat im Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 -Jawo, C-163/17 - juris Rn. 94, 96).

Bei dem so definierten Maßstab ist also weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (sog. Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 - Jawo, C-163/17 - juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel, 29217/12 - NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.

Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Schutzberechtigten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr ("real risk") des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 - 7 A 10903/18.OVG - BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 - A 11 S 1704/17 - juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).

b) Dabei legt das Gericht hinsichtlich der in Griechenland herrschenden Lebensverhältnisse für zurückkehrende, anerkannt Schutzberechtigte folgende Lage zugrunde:

Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; anders, aber nur "nach bisheriger Kenntnis": Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 5). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels geht jedoch nach jüngeren Berichten mit bürokratischen Hindernissen und zeitlichen Verzögerungen einher. So genügt ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der griechischen Behörden, mit dem internationaler Schutz zuerkannt wird, für sich genommen nicht, um eine Aufenthaltserlaubnis beantragen zu können. Zusätzlich erforderlich ist ein sogenannter "ADET-Bescheid", der häufig, aber nicht immer zusammen mit dem Anerkennungsbescheid zugestellt wird. Verfügt der Anerkannte über keinen ADET-Bescheid muss er ihn beim zuständigen Regionalbüro der Asylbehörde zuerst beantragen und kann erst nach Erhalt beim regional zuständigen Passamt der griechischen Polizei einen Termin zur Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis vereinbaren (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 11 ff.). Zwischen der Beantragung und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vergehen in der Praxis mehrere Wochen, Monate oder gar ein Jahr (Erkenntnisquellen insoweit uneinheitlich, s. Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 14 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2019, S. 104 ff.). Der Grund für die langen Wartezeiten liegt nach Auskunft der griechischen Polizei in behördlichen Zuständigkeitsverschiebungen im Januar und Juli 2020 und einem damit einhergehenden Bearbeitungsrückstau (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 14).

Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).

Eine funktionierende nationale Integrationspolitik bzw. Integrationsstrategie für anerkannte Flüchtlinge existiert, v.a. aufgrund fehlender Geldmittel, in Griechenland aktuell kaum (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Griechenland, aktualisierte Gesamtausgabe vom 4.10.2019 mit Informationsstand vom 19.3.2020, S. 27 f.). Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild unklar (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Die Integrationsprogramme sind von der Finanzierung durch die EU abhängig, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).

In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, Hilfsorganisationen - Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; OVG SH, U.v. 6.9.2019 - 4 LB 17/18 - BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Greece 2020 Human Rights Report, S. 15; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).

Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1), entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2020 vom 7.4.2021). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).

Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren; diese können über die Anerkennung hinaus für einen Übergangszeitraum von 30 Tagen dort verbleiben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte haben insbesondere keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Der UNHCR stellte - Stand Anfang Januar 2021 - ca. 11.550 Plätze, das griechische Migrationsministerium ca. 16.600 Plätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Dezember 2020), aber nur für Asylsuchende und für anerkannte Schutzberechtigte in den ersten 30 Tagen nach ihrer Anerkennung (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f., an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f., an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2). Das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, und eine weitere Gesetzesänderung von März 2020 haben die früheren Bedingungen, die ein Verbleiben in der Flüchtlingsunterkunft für sechs Monate ermöglicht haben, verschärft (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Seit Juni 2020 wird die Verpflichtung zum Auszug, von der ca. 11.500 Personen betroffen sind, auch umgesetzt. Allerdings kann die Zahl der Personen, die die Unterkünfte für Asylbewerber tatsächlich verlassen mussten, nicht sicher eingeschätzt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 2).

Das Programm Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection (Helios II-Programm), ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von NGOs und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm richtet sich aber nur an international Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, die im Zeitpunkt der Unterrichtung über ihre Anerkennung in einer Flüchtlingsunterkunft (insbesondere im ESTIA-Programm) untergebracht waren und innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Anerkennung einen entsprechenden Antrag gestellt haben (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 2 f. und an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 2). Ob Rückkehrern aus dem Ausland diese Möglichkeit offensteht, ist unklar, einen solchen Fall hat es bislang jedenfalls noch nicht gegeben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 3). Seit September 2020 kann über das Helios - Programm auch eine zweimonatige Unterkunft von Anerkannten in Hotels sichergestellt werden. Zusätzlich sollen Notfallkapazitäten in einem Lager in Athen zur Verfügung gestellt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 3). Neueren Quellen nach läuft das Helios II-Programm zunächst bis Juni 2021 (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 7).

Auch eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Griechenland, Stand 19.3.2020, S.30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Ein Rechtsanspruch auf Obdachlosenunterbringung besteht nicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020). Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen oder nicht am Helios II-Programm teilnehmen können, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (Pro Asyl, Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 5 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Allerdings deuten jüngere Berichte an, dass durchaus anerkannte Flüchtlinge auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Athen schlafen (Wölfl, "Anerkannte Flüchtlinge auf griechischem Festland obdachlos", Der Standard, 22.1.2021).

Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2). Für besonders Vulnerable können zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Mietsubventionierungen gezahlt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2). Das soziale Wohngeld bzw. die Mietsubventionierung setzen allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2), wobei bei international Schutzberechtigten die Aufenthaltsdauer ab Asylantragstellung angerechnet wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1). Auch ist der legale Voraufenthalt von fünf Jahren durch fristgerecht eingereichte Steuererklärungen für die einzelnen Jahre nachzuweisen (vgl. Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 19). Die Einzelheiten regeln zahlreiche Erlasse. Der tatsächliche Versorgungsumfang ist unklar (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2).

Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen - unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr - wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f. und an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr). Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29).

Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Aussichten auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes im Allgemeinen als eher schwierig einzustufen, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31), in deren Folge zahlreiche Beschäftigte insbesondere der Dienstleistungsbranche, im Verkauf und in haushaltsnahen Tätigkeiten arbeitslos wurden, wobei Frauen noch stärker betroffen sind als Männer (Eures, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt, S. 1. u. 3). Dazu tritt derzeit noch der wirtschaftliche Einbruch in Folge der Corona-Pandemie: Das Corona-Virus und der staatlich angeordnete Lockdown haben zu einem Einbruch der griechischen Wirtschaft im dritten Quartal 2020 von 11,7% geführt. Im wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Sektor, der im Jahr 2019 noch ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes beigetragen hatte, gingen die Urlauberzahlen 2020 um 80% zurück. Im Jahr 2021 erwartet die Regierung jedoch statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% immerhin noch ein Plus von 4,8%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Höhler, "Corona wirft Griechenland weit zurück", Redaktionsnetzwerk Deutschland, 25.12.2020). Auch sind Anzeichen für eine weitere Erholung der griechischen Wirtschaft erkennbar: Die Einreise nach Griechenland zu touristischen Zwecken ist unter Auflagen wieder möglich und es wird seitens griechischer und ausländischer Investoren vermehrt in Hotel- und Energieprojekte investiert (Germany Trade and Invest [GTAI], Griechenland: Zurück zur Normalität, Stand 28.5.2021). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind allerdings meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden beim Eintritt in den legalen Arbeitsmarkt wie die Beantragung der Steueridentifikationsnummer (Tax Registration Number - AFM) und der Sozialversicherungsnummer. Die Ausstellung einer Steueridentifikationsnummer setzt einen Wohnsitznachweis voraus und nimmt in etwa zwei Monate in Anspruch (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 15 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2019, S. 219 f.; Respond, Working Papers, Integration - Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 25: zusätzlich "residence permit" erforderlich). Hinsichtlich der Ausstellung der Sozialversicherungsnummer - Social Security Number (AMKA) - wird vereinzelt berichtet, dass diese seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsbürger nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration - Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26). Andere Quellen berichten zwar von Schwierigkeiten, nehmen aber keine Unmöglichkeit an (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 16 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2019, S. 222 f.). Jedenfalls erfordert die Beantragung einer Sozialversicherungsnummer wiederum u.a. eine gültige Aufenthaltserlaubnis mit den damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen (s.o.) sowie eine Steueridentifikationsnummer (Stiftung Pro Asyl/RSA a.a.O.). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 31).

Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Es besteht Zugang zum regulären öffentlichen Gesundheitssystem. Für Medikamente besteht eine Zuzahlungspflicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9). Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 - 4 LB 17/18 -BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.). Von der im Grundsatz kostenfreien staatlichen Gesundheitsfürsorge ist auch die Hilfe bei psychischen Erkrankungen umfasst (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5). Auch beim Zugang zum Gesundheitssystem sind - vergleichbar mit dem Zugang zum legalen Arbeitsmarkt - bürokratische Hindernisse zu überwinden. Insbesondere muss vor Inanspruchnahme des Gesundheitssystems die Sozialversicherungsnummer (AMKA) ausgestellt sein, was mit den bereits beschriebenen Schwierigkeiten und Wartezeiten verbunden ist (s.o. und Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 20; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5; AIDA, Country Report Greece, Update 2019, S. 222 f.). Eine Notfallversorgung wird jedoch stets und unabhängig vom Rechtsstatus gewährleistet (BFA a.a.O., S. 25).

Hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie ist nach den aktuellen Zahlen der Johns-Hopkins University für Griechenland festzustellen, dass die Anzahl der Neuinfektionen seit einem Hoch im April 2021 mit über 4.000 Infektionen an einem Tag kontinuierlich gesunken ist. Parallel zum Abfallen der Neuinfektionen verläuft auch die Kurve der am Coronavirus SARS-CoV-2 Verstorbenen. Überdies steigt die Zahl der verabreichten Impfdosen stetig an. Davon abgesehen ist davon auszugehen, dass der griechische Staat bei ansteigenden Infektionszahlen wie in der Vergangenheit adäquate Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung, wie etwa die Verhängung eines Lockdowns, ergreift (s. Höhler, "Corona wirft Griechenland weit zurück", Redaktionsnetzwerk Deutschland, 25.12.2020).

c) Unter Zugrundelegung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes (2. a)) und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannte Schutzberechtigte (2. b)) ergibt sich für die psychisch erkrankte Klägerin unter Berücksichtigung der derzeit noch verschärften wirtschaftlichen Lage infolge der Corona-Pandemie eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bei einer Rückkehr nach Griechenland. Es ist davon auszugehen, dass sie in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten wird und ihre Grundbedürfnisse "Bett, Brot und Seife" nicht wird befriedigen können.

Als Rückkehrperspektive ist von einer alleinigen Rückkehr der Klägerin auszugehen. Ihr nicht verfahrensbeteiligter, ebenfalls in Deutschland lebender Sohn wird nicht in die Betrachtung eingestellt, da er bereits volljährig ist (geb. 3.10.1999). Eine gemeinsame Rückkehrperspektive kann nur für die Kernfamilie, also Eltern plus minderjährige Kinder angenommen werden (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45/18 - NVwZ 2020, 158 Ls. 2, 3, Rn. 15 ff., allerdings für § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK).

Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland stellen sich nach Auffassung des Einzelrichters, der sich der Kammerrechtsprechung anschließt (etwa VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 - AN 17 K 18.50449), nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh dar. Zwar haben international Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch und für einen längeren Zeitraum unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt von Sozialleistungen zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist die Abdeckung der Grundbedürfnisse "Bett, Brot und Seife" für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und die Hilfestellung von NGOs geprägt, die im Bereich der sozialen Unterstützung, Nahrungsmittelhilfe, Bildung, medizinischen Versorgung und teils auch der Unterbringung aktiv sind (eine Übersicht der zahlreichen in der Flüchtlingshilfe engagierten Organisationen in Griechenland bietet: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Athen, Hilfsorganisationen - Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019).

Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte, damit ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr droht, nach Überzeugung des Einzelrichters grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative und unter Inanspruchnahme von Hilfsangeboten selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 - 5 L 581/18.A - juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 - 12 L 1326/19.A - juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 - 6 L 50/19 - BeckRS 2020, 2228 Rn. 15; anders insbesondere OVG NW, U.v. 21.1.2021 - 11 A 1564/20.A - juris). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art.4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh gewähren grundsätzlich keinen Anspruch auf den Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 - 12 L 1326/19.A - juris Rn. 39).

Im Falle der Klägerin als alleinstehender und psychisch erkrankter Frau liegen allerdings solche außergewöhnlichen humanitären Gründe, die einer Rückführung nach Griechenland entgegenstehen, vor. Zunächst steht ihr weder eine Unterkunft im Rahmen des ESTIA-Programms noch des Helios II-Programms zur Verfügung. Auch ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Anmietung einer Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt nicht möglich sein wird. Einerseits wegen der dort bestehenden Hürden wie einer Bevorzugung von Familienmitgliedern oder Studenten als Mietern, zum anderen wegen des zumindest in den ersten fünf Jahren bestehenden Ausschlusses wohnungsbezogener Sozialleistungen und des Ausschlusses vom Sozialgeld in den ersten zwei Jahren.

Die selbstständige Erwirtschaftung wenigstens des eigenen Existenzminimums erscheint angesichts des für die Klägerin als zurückkehrende, anerkannte Schutzberechtigte nur schwer zugänglichen Arbeitsmarktes äußerst unwahrscheinlich. Das folgt zum einen daraus, dass die in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise steigende Arbeitslosigkeit Frauen stärker betrifft als Männer (s.o. und Eures, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt, S. 1. u. 3., BFA a.a.O., S. 31). Da der größte Teil der Beschäftigten Mitarbeiter im Dienstleistungsgewerbe und im Verkauf sind (23,8%), erscheint die Annahme einer geringen Erwerbswahrscheinlichkeit plausibel und dürfte sich im Zuge der Corona-Krise und des damit einhergehenden Einbruchs im Tourismussektor, der für ein Fünftel des griechischen Bruttoinlandsproduktes steht, verschärft haben. Zudem steht Frauen im Vergleich zu Männern nur ein schmalerer Arbeitsmarkt offen, da etwa schwere körperliche Tätigkeiten in der Land- und Bauwirtschaft typischerweise und mehrheitlich von Männern wahrgenommen werden. Die Klägerin ist zwar vergleichsweise gut qualifiziert, so hat sie im Iran drei Jahre Englisch studiert und absolviert derzeit in Deutschland eine Ausbildung zur Pflegefachkraft, die regulär im Jahr 2023 beendet sein wird. Allerdings trägt dies keine derart abweichende Einschätzung der Chancen der Klägerin auf dem griechischen Arbeitsmarkt, dass sich die Aufnahme einer existenzsichernden Arbeit als hinreichend wahrscheinlich darstellt. Dazu treten die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin, die sich ausweislich der vorliegenden ärztlichen Atteste seit August 2018 in ambulanter und teilweise stationärer psychiatrischer Behandlung im Klinikum ... befindet und nach wie vor Medikamente v.a. zur Behandlung von Depressionen einnimmt, wenn auch für die Annahme einer Posttraumatischen Belastungsstörung die eingereichten Atteste allein nicht genügen, da es an der darüber hinaus erforderlichen Darlegung eines traumatischen Lebensereignisses als Auslöser für die Symptomatik fehlt (s. BayVGH, B.v. 23.5.2017 - 9 ZB 13.30236 - juris Rn. 8 ff.). Bei einer Rückkehr nach Griechenland wäre aufgrund der nach wie vor bestehenden depressiven Erkrankung der nach dem persönlichen Eindruck des Gerichts labil wirkenden Klägerin nicht damit zu rechnen, dass sie die erforderliche robuste Eigeninitiative entfalten würde, um sich ohne nennenswerte Hilfe auf dem äußerst angespannten und schwer zugänglichen griechischen Arbeitsmarkt durchzusetzen.

In Folge wird es der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit jeweils an der Möglichkeit fehlen, Miete und Lebensunterhaltskosten selbst zu erwirtschaften. Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften ist angesichts der limitierten Kapazitäten und der teils bestehenden Aufnahmebeschränkungen, wie etwa psychischer Gesundheit, eine nur vage und unwahrscheinliche Möglichkeit, die die tatsächliche Gefahr der drohenden Obdachlosigkeit nicht zu beseitigen vermag. Daran ändert auch die Tatsache, dass es etwa auf den Straßen Athens keine augenscheinliche Massenobdachlosigkeit gibt, nichts. Dies ist vor allem auf informelle Möglichkeiten zur Unterkunft, wie leerstehende oder besetzte Gebäude, meist ohne Wasser und Strom, zurückzuführen. Jedoch besteht für alleinstehende Frauen in diesem Zusammenhang im Allgemeinen eine größere Gefahr als dies für alleinstehende Männer der Fall ist, Opfer von (sexuellen) Übergriffen zu werden. Entsprechende Berichte gibt es bislang zwar nur aus Flüchtlingscamps (United States Department of State, Greece 2019 Human Rights Report, S. 3, 13 f.), in die die Klägerin als Anerkannte nicht zurückkehren müsste, gleichwohl lässt sich aus ihnen ableiten, dass, wenn Übergriffe bereits in staatlich oder durch NGOs organisierten Camps auftreten, diese Gefahr in unregulierten Behelfsunterkünften, wilden Camps oder gar auf der Straße erst recht besteht. Da wie eben ausgeführt die Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin auf dem Arbeitsmarkt Fuß fässt gegenüber alleinstehenden Männern derzeit deutlich reduziert ist, ist umgekehrt mangels eines Erwerbseinkommens auf absehbare Zeit nur ein Aufenthalt in informellen Unterkünften zu erwarten, der mit den geschilderten Gefahren behaftet ist. Die Kombination beider Risiken führt dazu, dass sich alleinstehende Frauen - anders als nach der Rechtsprechung der Kammer alleinstehende Männer, denen eine Rückkehr nach Griechenland grundsätzlich zugemutet wird (VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 - AN 17 K 18.50449 - juris) - nicht auf einen längerfristigen Aufenthalt in besagten informellen Unterkünften verweisen lassen müssen.

Angesichts dessen und wegen des beschriebenen temporären Ausschlusses von Sozialleistungen in den ersten zwei bzw. für das Wohngeld fünf Jahren des (legalen) Aufenthalts in Griechenland sowie der äußerst problematischen, insbesondere durch die Corona-Krise derzeit noch verschärften Arbeitsmarktsituation für alleinstehende Frauen droht trotz rechtlicher Inländergleichbehandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung der Klägerin, da innerhalb einer nicht unerheblichen Zeitspanne nach Rückkehr keine Änderung in Hinblick auf Obdach und Sozialleistungen absehbar ist. Die Einzelrichter geht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylG) nach dem eben Ausgeführten davon aus, dass die Klägerin in Griechenland durch jedes soziale Netz fallen würde und sich auch nicht aus eigener Kraft und eigenem Engagement heraus ein menschenwürdiges Existenzminimum erwirtschaften könnte.

Die zu erwartenden Lebensumstände in Griechenland beruhen zwar nicht auf der Gleichgültigkeit (so die Formulierung des EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 90) des griechischen Staates, aber auf dessen massiver Überforderung, die trotz Unterstützung des UNHCR und der EU weiterhin besteht. Im europäischen Vergleich muss Griechenland gemessen an seiner Größe überproportionale Lasten bei der Aufnahme von Flüchtlingen schultern und ist mit diesem Ausmaß, insbesondere was die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung anbelangt, überfordert. Für die Betroffenen wirkt sich die Überforderung des griechischen Staates im Ergebnis genauso wie Gleichgültigkeit, worauf der Europäische Gerichtshof abgestellt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 90), aus. Rechtlich maßgeblich ist letztlich allein, ob wegen der Defizite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK droht, was sich auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ergibt, da dieser an anderer Stelle den "allgemeinen und absoluten Charakter des Verbots in Art. 4 der Charta, das eng mit der Achtung der Würde des Menschen verbunden ist und ausnahmslos jede Form unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbietet", betont (EuGH, B.v. 13.11.2019 - Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 - NVwZ 2020, 137 Rn. 37).

Schließlich vermag auch das allgemeine Schreiben des griechischen Ministeriums für Migrationspolitik vom 8. Januar 2018 bezüglich zurückkehrender anerkannter Flüchtlinge nach Griechenland eine drohende unmenschliche Behandlung nicht auszuschließen. In diesem wird zugesichert, dass Griechenland die Qualifikations-RL 2011/95/EU rechtzeitig in griechisches Recht umgesetzt hat und basierend hierauf allen international Schutzberechtigten die Rechte aus der Richtlinie gewährt werden unter Beachtung der Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention. Eine Zusicherung, die die Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen Behandlung ausschließen soll, muss nach der Rechtsprechung des EGMR hinreichend konkret und individualisiert, etwa durch detaillierte und zuverlässige Informationen über die materiellen Bedingungen in der Unterkunft mit Bezug zu den Klägern, ausgestaltet sein (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel, 29217/12 - NVwZ 2015, 127 Rn. 120 ff.). Das Bundesverfassungsgericht betont hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK die Notwendigkeit einer "hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage" (BVerfG [2. Senat, 1. Kammer], B.v. 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 - juris Rn. 15 f., wo auch auf die Tarakhel-Entscheidung des EGMR Bezug genommen wird). Gemessen an diesem Maßstab bleibt die Mitteilung Griechenlands vom 8. Januar 2018 zu ab-strakt und damit nicht ausreichend.

Nach alldem ist die Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Ziffer 1 des Bescheids vom 17. Juli 2018 rechtswidrig, verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist damit aufzuheben.

d) Nachdem Ziffer 1 des Bescheides vom 17. Juli 2018 aufzuheben ist, sind in deren Folge auch die Ziffern 2 bis 4 aufzuheben.

Die unter Ziffer 2 getroffene Feststellung der Beklagten, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ist im Falle der Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin ebenfalls aufzuheben, weil sie verfrüht ergangen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris Rn. 21). Es steht dann nämlich noch nicht fest, hinsichtlich welches Ziellandes ein etwaiges Abschiebungsverbot zu prüfen ist (BayVGH, B.v. 8.3.2019 - 10 B 18.50031 - juris Rn. 21; a.A., jedoch im Ergebnis gleich: VG Aachen, U.v. 16.3.2020 - 10 K 157/19.A - BeckRS 2020, 4700 Rn. 98, das eine verfrühte Entscheidung damit begründet, dass etwaige Abschiebungsverbote bezüglich des Herkunftslandes erst nach der materiellen Prüfung der Asylanträge festgestellt werden könnten).

Weiter ist die in Ziffer 3 getroffene Abschiebungsandrohung gemäß §§ 35, 38 AsylG aufzuheben. Nach § 35 AsylG droht das Bundesamt in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher ist. Ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegt nach Aufhebung der Ziffer 1 nicht vor, s.o., § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist ebenso wenig einschlägig. Da die Abschiebungsandrohung insgesamt aufzuheben ist, erübrigen sich Ausführungen zu Fragen im Zusammenhang mit der "Gnandi" - Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs (EuGH, U.v. 19.6.2018 - Gnandi, C-181/16 - NVwZ 2018, 1625; BVerwG, U.v. 20.2.2020 - 1 C 1.19 - BeckRS 2020, 8202).

Die in Ziffer 4 festgelegte Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ist mit dem Wegfall der Abschiebungsandrohung gegenstandslos geworden und ebenfalls aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11 ZPO, 711 ZPO.

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