Hessisches LAG, Beschluss vom 21.05.2021 - 16 TaBVGa 79/21
Fundstelle
openJur 2021, 22279
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2021 - 11 BVGa 3/21 - abgeändert:

Der Beteiligten zu 2 wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, dem Antragsteller drei funktionsfähige, handelsübliche, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechende Tablets oder Notebooks mit Internetzugang bis zum 30. Juni 2021 unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, den Arbeitgeber zu verpflichten, dem Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen als Videokonferenz für die Zeit bis zum 30. Juni 2021 entsprechend der Anzahl der Betriebsratsmitglieder Tablets oder Notebooks mit Internetzugang zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber (Beteiligte zu 2) ist ein Textileinzelhandelsunternehmen mit 70 Filialen in Deutschland und insgesamt etwa 3500 Mitarbeitern. Antragsteller ist der für die Filiale A (B) gebildete, aus 3 Mitgliedern bestehende, Betriebsrat.

Dem Betriebsrat steht in den Betriebsräumen ein eigenes Büro (4,66 m x 3,12 m), das Dachschrägen aufweist und über ein Fenster belüftet werden kann, für Betriebsratsarbeit zur Verfügung. Es verfügt über eine Klimaanlage. Ferner ist es mit einem Computer sowie einem Multifunktionsgerät mit Drucker, Fax und Scanner sowie einem Festnetztelefon ausgestattet.

Die Filiale A war in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie zeitweise vollständig geschlossen. Teilweise war sie im Rahmen eingeschränkten Kundenbetriebs ("Click und Collect" oder "Click und meet") geöffnet. Seit 12. Mai 2021 ist die Filiale im eingeschränkten Kundenbetrieb "Click und meet" geöffnet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Filiale (einschließlich der Betriebsratsmitglieder) sind als Verkäufer angestellt und erbringen ihre Arbeitsleistung ausschließlich im Betrieb. Die in der Filiale vor Ort erfolgende Verkaufstätigkeit schließt ein Arbeiten im Home-Office aus.

Im Betrieb gelten umfangreiche Gesundheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen betreffend Covid 19; insoweit wird auf die Anlage AG 1, Bl. 206 ff. der Akte, Bezug genommen. Ferner haben die Betriebspartner für die Filiale A eine Betriebsvereinbarung zu Gesundheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen in Zusammenhang mit der Virusepidemie Covid 19 geschlossen (Bl. 126 ff. der Akte).

Die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben erfolgt während der Arbeitszeit vor Ort in der Filiale. Die Betriebsratsmitglieder melden sich hierzu bei der Filialleitung ab und verrichten Betriebsratsaufgaben im Betriebsratsbüro. Nach deren Erledigung melden Sie sich bei der Filialleitung wieder an und fahren mit ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit als Verkäuferinnen und Verkäufer fort.

In seiner Betriebsratssitzung vom 28. April 2021 beschloss der Betriebsrat Rechtsanwältin C zu beauftragen, eine einstweilige Verfügung im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden einzureichen mit dem Ziel, den Mitgliedern des Betriebsrats 3 funktionsfähige, handelsübliche, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechende iPads, hilfsweise ein anderes gleichwertiges Tablett mit Internetzugang, hilfsweise ein anderes gleichwertiges Laptop/Notebook mit Internetzugang unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Erforderlichkeit ergebe sich daraus, dass aufgrund der Situation um Covid19 Präsenzsitzungen des Betriebsrats nicht immer möglich seien; wegen der Ladung zu dieser Betriebsratssitzung, dem Beschluss sowie des Sitzungsprotokolls wird auf Bl. 140 ff. der Akte verwiesen.

Mit seinem am 29. April 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Betriebsrat diesen Anspruch gerichtlich geltend gemacht.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 240-243 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 243-245 der Akte) verwiesen.

Gegen den am 12. Mai 2021 verkündeten Beschluss hat der Betriebsrat am selben Tag Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 14. Mai 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung fehlerhaft damit begründet, die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzverordnung könne den streitgegenständlichen Anspruch nicht rechtfertigen, da sie nicht mit einem objektiven Klagerecht von Beschäftigten verbunden sei. Vielmehr müssten sich die betroffenen Arbeitnehmer an die Arbeitsschutzbehörden der Länder sowie die Unfallversicherungsträger wenden. Diese Begründung sei unzutreffend. Das Arbeitsgericht habe der Rechtslage nach dem Betriebsverfassungsrecht nicht hinreichend Rechnung getragen. Danach entscheide der Betriebsratsvorsitzende über die Einberufung der Sitzung und damit den Sitzungsort. Hieraus folge, dass auch zu einer virtuellen Sitzung bzw. einer hybriden Sitzung eingeladen werden könne. Im Übrigen sei es nicht das Ziel des Betriebsrats, dass der Arbeitgeber durch das Regierungspräsidium Darmstadt, Abteilung Arbeitsschutz, sanktioniert werde. Vielmehr gehe es darum, dass aufgrund der freien Ermessensentscheidung der Betriebsratsmitglieder über die Art der Sitzungsteilnahme es ihnen nicht verwehrt werden könne, von der Möglichkeit der Teilnahme per Videokonferenz gemäß § 129 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz auch von zu Hause aus Gebrauch zu machen. Hierfür seien dem Betriebsrat die erforderlichen technischen Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Bei seiner Entscheidung habe der Betriebsrat die sich ihm stellenden Aufgaben sowie die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, insbesondere, dass nach § 2 Abs. 5 Corona-Arbeitsschutzverordnung eine Mindestfläche von 10 m² für jede im Raum befindliche Person nicht unterschritten werden dürfe, wenn die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen erforderlich ist. Derzeit befänden sich die Betriebsparteien in Verhandlungen über den Abschluss einer Gefährdungsbeurteilung. Die nächsten betriebsinternen Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite fänden am 11. Juni 2021 statt. Um sich hierauf vorzubereiten sei es erforderlich, dass die Betriebsratsmitglieder im Rahmen von Videokonferenzen den Austausch pflegen. Dafür würden Tablets oder Laptops benötigt. Der im Betriebsratsbüro vorhandene stationäre Rechner verfüge nicht über eine Kamera. Mit den vorhandenen Sachmitteln des Betriebsrats sei eine Videotelefonie nicht möglich. Soweit in der Vergangenheit vom Betriebsrat Videokonferenzen durchgeführt worden seien, habe sich die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats mit ihrem Laptop in das Betriebsratsbüro begeben. Bislang habe der Arbeitgeber für keine Einigungsstelle technische Mittel für eine Videokonferenz zur Verfügung gestellt. Bei den mit dem Antrag begehrten Tablets oder Notebooks handele sich um nach § 40 Abs. 2 BetrVG erforderliche Sachmittel.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 12. Mai 2021 -11 BVGa 3/21- abzuändern und

dem Arbeitgeber im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, dem Betriebsrat 3 funktionsfähige, handelsübliche, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechende Tablets oder Notebooks mit Internetzugang bis zum 30. Juni 2021 unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber ist der Auffassung, die Zurverfügungstellung von Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sei für die Betriebsratstätigkeit nicht erforderlich. Die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben erfolge während der Arbeitszeit der Betriebsratsmitglieder vor Ort in der Filiale. Dort fänden auch die Betriebsratssitzungen statt. Zudem fielen während der Kurzarbeit weniger Betriebsratsaufgaben an. Der Arbeitgeber könne - was in der Vergangenheit bereits geschehen sei - auch künftig dem Betriebsrat im Einzelfall die gewünschte Technik für die Teilnahme an Schulungen oder virtuellen Einigungsstellensitzungen oder sonstigen virtuellen Verhandlungen zur Verfügung stellen. Auch sei der Arbeitgeber bereit, dem Betriebsrat kostenlos Einwahldaten für eine geschützte Telefonkonferenz zur Verfügung zu stellen, in die sich jedes Betriebsratsmitglied bzw jeder Teilnehmer der Telefonkonferenz einwählen könne. Die Überlassung eines Tablets oder Notebooks für die Arbeit des Betriebsrats sei jedoch nicht erforderlich und gehöre im Betrieb des Arbeitgebers auch nicht zur üblichen Ausstattung der Mitarbeiter.

In rechtlicher Hinsicht wendet der Arbeitgeber ein, der Antrag sei bereits unzulässig, weil unbestimmt. Es sei unklar, was mit einem handelsüblichen, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechenden Tablet oder Notebook gemeint sei. Der Arbeitgeber könne nicht erkennen, was für ein Tablet oder Notebook mit welchen technischen Funktionen und Eckdaten er zur Verfügung stellen müsse. Schon gar nicht sei erkennbar, was mit "handelsüblich" gemeint sei. Die Beschreibung "gegenwärtiger technischer Standard" sei ungenau. Es erschließe sich nicht, ob damit ein fabrikneues Tablet des neuesten Modells gemeint sei oder ob auch eines der letzten oder vorletzten Modelle ausreiche. Welche konkreten Softwarevoraussetzungen, welche Displaygröße, welche Speicherkapazität, welchen Prozessor müsse das Gerät aufweisen und welche Akkulaufzeit haben? Wäre es ausreichend, dem Betriebsrat ein Gerät, das 6 Monate, ein Jahr oder 2 Jahre alt ist, zur Verfügung zu stellen? Muss es ein neues, originalverpacktes Gerät sein oder reiche ein gebrauchtes Gerät aus. Dies alles lasse der Antrag nicht erkennen.

Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Es handele sich nicht um erforderliche Sachmittel im Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat habe keinen Anspruch darauf, Betriebsratssitzungen aus dem Home-Office wahrzunehmen. Selbst wenn dies der Fall sei, wäre hierzu kein Tablet oder Notebook erforderlich, da der Betriebsrat keinen Anspruch auf die Durchführung seiner Betriebsratssitzungen via Videokonferenz habe. Es reiche aus, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat Einwahldaten für eine geschützte Telefonkonferenz zur Verfügung stelle. § 129 Betriebsverfassungsgesetz räume lediglich die Möglichkeit virtueller Sitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz ein, schließe jedoch Präsenzsitzungen nicht aus. Der Arbeitgeber habe alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um die Arbeitnehmer der Filiale bestmöglich zu schützen. Im Betriebsratsbüro gebe es Fenster, durch die der Raum gut gelüftet werden könne. Außerdem sei auch im Betriebsratsbüro ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz zu tragen und der Mindestabstand einzuhalten. Schließlich führe der Betriebsrat selbst aus, dass er so genannte hybride Sitzungen durchführt, bei denen sich ein Betriebsratsmitglied vor Ort im Betriebsratsbüro befindet und die beiden anderen virtuell zugeschaltet werden. Von daher sei nicht nachvollziehbar, warum allen Betriebsratsmitgliedern die gewünschte Technik zur Verfügung gestellt werden sollte, zumal sich im Betriebsratsbüro ein voll funktionsfähiger Computer befindet.

Jedenfalls fehle es am erforderlichen Verfügungsgrund. Es sei weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, zur Abwendung welcher konkreten Nachteile der Erlass der einstweiligen Verfügung notwendig sein solle. Im Übrigen habe der Betriebsrat die Eilbedürftigkeit durch sein langes Zuwarten selbst widerlegt. Es erschließe sich nicht, warum der Betriebsrat erst Ende April 2021 und damit ca. 6 Monate nach Beginn des zweiten Lockdowns seinen angeblichen Anspruch geltend mache. Schließlich würde eine Anschaffung der Technik Kosten in Höhe von etwa 2000 € verursachen und eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten, die sich nicht wieder rückgängig machen ließe. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Anspruch in zeitlicher Hinsicht auf den 30. Juni 2021 begrenzt sei. Es sei jedoch unverhältnismäßig, für einen Zeitraum von lediglich 5 Wochen diese teure Technik anzuschaffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO.

2. Die Beschwerde des Betriebsrats ist begründet.

Der erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben, §§ 935, 940 ZPO.

Zwar handelt es sich um eine für die Zeit bis 30. Juni 2021 geltende Befriedigungsverfügung. Diese trägt jedoch gemäß §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO dem auch im Beschlussverfahren geltenden Verfassungsgebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung. Eine Befriedigungsverfügung ist trotz ihrer nicht nur sichernden, sondern befriedenden Wirkung und der damit verbundenen Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren ausnahmsweise zulässig, wenn sie zur Erfüllung des rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs auf effektiven Rechtsschutz erforderlich ist. Entscheidend für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung ist in den Fällen der Dringlichkeit wegen der Gefahr eines irreversiblen Rechtsverlustes eine Abwägung der Interessen der Beteiligten im jeweils gegebenen Einzelfall (Hessisches Landesarbeitsgericht 14. Februar 2019 -16 TaBVGa 24/19).

Das Interesse des Betriebsrats an der Befriedigungsverfügung ist darin zu sehen, von der ihm in § 129 BetrVG eingeräumten Möglichkeit Beschlüsse des Gremiums mittels Videokonferenz zu fassen, Gebrauch zu machen. Demgegenüber liegt das Interesse des Arbeitgebers darin, dass nicht im Eilverfahren ohne hinreichend sichere Feststellung der Erforderlichkeit der gewünschten Sachmittel (§ 40 Abs. 2 BetrVG) endgültige und irreparable Zustände geschaffen werden. Dies insbesondere deshalb, weil die Geltung von § 129 Betriebsverfassungsgesetz bis 30. Juni 2021 befristet ist und es unverhältnismäßig sei, für diesen kurzen Zeitraum die technische Ausstattung für die Durchführung von Videokonferenzen für sämtliche Betriebsratsmitglieder anzuschaffen. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Anschaffung dieser Technik im Sinne eines dauerhaften Erwerbs der Geräte seitens des Betriebsrats nicht verlangt wird. Ausreichend wäre etwa, wenn der Arbeitgeber die Geräte für die Zeit bis 30. Juni 2021 anmietet. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung fällt entscheidend ins Gewicht, dass im Falle der Vorenthaltung einstweiligen Rechtsschutzes für den Betriebsrat er bis zum Ende der Befristung der Norm (30. Juni 2021) von der ihm gesetzlich eingeräumten Möglichkeit der Beschlussfassung mittels Videokonferenz keinen Gebrauch machen könnte, denn ein Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren käme zu spät. Aus diesem Grund muss auch das Argument der Arbeitgeberseite, der Betriebsrat habe während der gesamten Pandemie bislang von der Beschlussfassung mittels Videokonferenz abgesehen, zurücktreten. Entscheidend ist, dass der Betriebsrat nunmehr von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen möchte und die Technik insbesondere im Hinblick auf die am 11. Juni 2021 anstehenden Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine Betriebsvereinbarung zur Gefährdungsbeurteilung benötigt werde. Dass er diese Technik bislang in der Pandemie nicht für erforderlich gehalten hat, steht der Eilbedürftigkeit nicht entgegen, führt insbesondere nicht zu einer Selbstwiderlegung der Eilbedürftigkeit. Ob der Betriebsrat von der Möglichkeit der Beschlussfassung mittels Videokonferenz nach § 129 Betriebserfassungsgesetz Gebrauch macht, liegt in seinem Ermessen. Es mag sein, dass er bislang hierfür keine Veranlassung gesehen und Präsenzsitzungen abgehalten hat. Nunmehr sieht er dies jedoch anders und möchte von den in § 129 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Rechten Gebrauch machen. Daraus folgt die Eilbedürftigkeit.

Auch der erforderliche Verfügungsanspruch ist gegeben.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 80 Abs. 2, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar trifft es zu, dass im Beschlussverfahren an die Bestimmtheit der Anträge dieselben Anforderungen wie im Urteilsverfahren zu stellen sind. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass bei der Zurverfügungstellung von Sachmitteln für den Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 BetrVG dieser nicht einen bestimmten Gerätetyp verlangen kann. Der Betriebsrat kann nur eine Ausstattung im Rahmen des erforderlichen beanspruchen. Aus diesem Grund reicht es für § 40 Abs. 2 BetrVG aus, das Gerät allgemein zu umschreiben und es sodann dem Arbeitgeber überlassen bleibt, welches Gerät er dem Betriebsrat zur Verfügung stellt. Darüber, was gemeint ist, besteht zwischen den Beteiligten auch letztlich kein Streit: Es geht um insgesamt 3 Tablets oder Notebooks, die die technische Eignung für die in § 129 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat garantierten Möglichkeit, Beschlüsse mittels Videokonferenz zu fassen, aufweisen. Soweit der Arbeitgeber in der Beschwerdeerwiderung rügt, die Beantragung eines handelsüblichen, dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechenden Geräts mit Internetzugang sei nicht hinreichend bestimmt, trifft dies nicht zu. Mit "handelsüblich" ist gemeint, dass das Gerät am Markt erhältlich ist, es sich also nicht um einen Eigenbau oder eine unverkäufliche Werbebeigabe (etwa eines Schulungsveranstalters für Betriebsratsschulungen) handelt. Mit "dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechend" ist gemeint, dass das Gerät die aktuellen Anforderungen für die Durchführung von Videokonferenzen aufweisen muss, wozu insbesondere das Vorhandensein einer Kamera gehört. Es muss sich weder um ein fabrikneues Gerät handeln (auch ein gebrauchtes Gerät wäre zumutbar), noch um ein solches der allerneuesten Baureihe. Es soll nur nicht bereits technisch überholt sein. Auch unter Berücksichtigung der rasanten technischen Entwicklung im Bereich elektronischer Medien dürfte ein bis zu 2 Jahre altes Gerät noch als dem gegenwärtigen technischen Standard entsprechend angesehen werden. Alles Weitere (d.h. die konkrete Auswahl des betreffenden Geräts) stellt der Betriebsrat mit seinem Antrag in das Auswahlermessen des Arbeitgebers.

Der Antrag ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, dass die Sars-Cov-2-Arbeitsschutzverordnung kein subjektives Klagerecht von Beschäftigten vorsieht. Der Betriebsrat macht keine Rechte aus dieser Verordnung geltend, sondern sein Recht aus § 40 Abs. 2 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts obliegt dem Betriebsrat die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Die Entscheidung hierüber darf er nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Vielmehr wird von ihm verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen. Diese Grundsätze gelten auch für das Verlangen des Betriebsrats auf Überlassung von Informations- und Kommunikationstechnik. Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen (Bundesarbeitsgericht 18. Juli 2012 -7 ABR 23/11- Rn. 20).

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Betriebsrat die Überlassung von 3 Tablets oder Notebooks mit Internetzugang bis 30. Juni 2021 vom Arbeitgeber verlangen. § 129 Abs. 1 BetrVG sieht vor, dass die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats sowie die Beschlussfassung mittels Video-und Telefonkonferenz erfolgen kann, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Der Betriebsrat benötigt die streitgegenständliche Technik, um von dieser Regelung Gebrauch machen zu können. Hierbei unterliegt es dem Beurteilungsspielraum des Betriebsrats, ob er seine Sitzungen (wie bisher) als Präsenzsitzungen oder mittels Videokonferenz durchführen möchte. Ein Vorrang von Präsenzsitzungen gegenüber Videokonferenzen besteht nicht. Vielmehr enthält § 129 BetrVG eine zusätzliche Option für den Betriebsrat (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 13. Oktober 2020 -26 TaBVGa 1281/20- Rn. 51; Arbeitsgericht Köln 24. März 2021 -18 BVGa 11/21- Rn. 26). Bei seiner Abwägung geht es dem Betriebsrat erkennbar darum, das nach wie vor bestehende Ansteckungsrisiko mit Covid-19 so gering wie möglich zu halten und deshalb Betriebsratssitzungen (auch) mittels Videokonferenzen abzuhalten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Betriebsratsbüro, selbst wenn es mittels vorhandener Fenster belüftet werden kann, und während der Betriebsratssitzungen medizinische Mund-Nasen-Masken zu tragen sowie die Hände zu desinfizieren sind, sehr klein ist (4,66 m x 3,12 m für 3 Personen), was das Infektionsrisiko gerade bei einer längeren Anwesenheit von mehreren Stunden, wie sie bei Betriebsratssitzungen häufig gegeben ist, steigert. Hierbei handelt es sich gerade um die Verwirklichung des Normzwecks von § 129 BetrVG, wenn Betriebsratssitzungen sowie die entsprechenden Beschlussfassungen nicht als Präsenzsitzungen sondern mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen. Wie sich aus der Überschrift der Norm ergibt, ist § 129 BetrVG aus Anlass der Covid-19-Pandemie geschaffen worden. Wenn der Betriebsrat diese Norm umsetzen möchte, verhält er sich in jeder Hinsicht vorbildlich: Zum einen macht er von den gesetzlichen Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes Gebrauch. Zum anderen tut er das in seiner Macht Stehende, um das Infektionsrisiko für die Mitglieder des Gremiums zu minimieren. Dass für die Zurverfügungstellung der für Videokonferenzen erforderlichen Technik vom Arbeitgeber gewisse finanzielle Aufwendungen zu tätigen sind, ist unvermeidlich und im Rahmen des dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraums vom Arbeitgeber hinzunehmen.

Der Betriebsrat braucht sich nicht auf die Durchführung von Telefonkonferenzen verweisen zu lassen. Auch hinsichtlich seiner Entscheidung zwischen der Durchführung von Videokonferenzen im Vergleich zu reinen Telefonkonferenzen hat der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum. Beide Möglichkeiten sind nicht annähernd gleichwertig. Über die rein akustische Wahrnehmung per Telefon geht die non-verbale Kommunikation verloren. Zusätzlich bieten die verschiedenen Videokonferenzanbieter den Austausch privater Nachrichten oder die Nutzung von Gruppenräumen an, so dass auf diesem Weg erleichtert Nebengespräche oder Einzeldiskussionen möglich sind. Hinsichtlich der Wahrung der Vertraulichkeit sind Telefonsitzungen nicht besser als Videokonferenzen. Wer Misstrauen gegenüber unberechtigt Zuhörenden bei Videokonferenzen hat, muss erst recht Bedenken gegenüber Telefonsitzungen haben. Insofern vertreten Winzer/Baeck/Hilgers, NZA 2021, 620,623f zutreffend die Auffassung, dass Videokonferenzen vorrangig gegenüber Telefonkonferenzen sind. Als weiteres Argument zu Gunsten von Videokonferenzen kann gelten, dass hierbei auch audiovisuell Dokumente eingestellt und von den Teilnehmern bearbeitet werden können. Deshalb ist auch der vom Arbeitgeber herangezogenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2021 -25 BVGa 6/20- nicht zu folgen. Jedenfalls muss sich der Betriebsrat nicht vom Arbeitgeber aus Kostengründen auf die Durchführung von Telefonkonferenzen verweisen lassen, wenn er Videokonferenzen für besser geeignet hält. Hierfür gibt es -wie oben ausgeführt- sachliche Gründe.

Es ist auch erforderlich, dass dem Betriebsrat drei Tablets oder Notebooks mit Internetzugang zur Verfügung gestellt werden, denn für jedes Betriebsratsmitglied wird diese Sachausstattung benötigt. Um dem Normzweck des § 129 BetrVG Rechnung zu tragen, müssen alle Betriebsratsmitglieder von zuhause aus an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenzen teilnehmen können.

Die für die Bereitstellung der Technik dem Arbeitgeber entstehenden Kosten sind diesem zumutbar. Es geht um die Zurverfügungstellung von 3 Tablets oder Notebooks. Der Betriebsrat verlangt nicht, dass der Arbeitgeber diese käuflich erwirbt. Im Hinblick auf die zeitlich befristete Geltung von § 129 BetrVG bis 30. Juni 2021 (ob das Betriebsrätemodernisierungsgesetz rechtzeitig zum 1. Juli 2021 in Kraft tritt, steht noch nicht fest) bietet es sich an, zunächst entsprechende Geräte anzumieten, wofür nur ein Bruchteil des Kaufpreises derselben anfallen dürfte. Aber selbst im Falle eines Kaufs muss der Arbeitgeber nicht -wie von ihm auf Seite 12 der Beschwerdeerwiderung befürchtet- 2000 € für die 3 Geräte aufwenden. Zum einen kann er gebrauchte Geräte anschaffen. Zum anderen werden auch neue Tablets, z.B. das Samsung Galaxy Tab A7, im Internet für weniger als 200 € angeboten, so dass selbst im Falle eines Kaufs von 3 Geräten insgesamt Kosten von weniger als 600 € anfallen. Dies erscheint im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers zumutbar.

Die weiteren Argumente des Arbeitgebers sind nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob die Betriebsratsmitglieder (generell, d.h. unabhängig von der Coronapandemie) berechtigt sind Betriebsratstätigkeiten und insbesondere Betriebsratssitzungen aus dem Home-Office wahrzunehmen. Soweit die vom Arbeitgeber zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zurecht) davon ausgeht, dass Betriebsratstätigkeiten im Betrieb zu leisten sind, sieht § 129 BetrVG Sonderregelungen aus Anlass der Covid-19-Pandemie vor. Wenn danach Betriebsratssitzungen sowie die Beschlussfassung mittels Videokonferenz erfolgen können, folgt hieraus zugleich, dass die Betriebsratsmitglieder von zu Hause aus an diesen teilnehmen dürfen. Anderenfalls ergäbe die Norm keinen Sinn.

Die vom Arbeitgeber angeführten Bedenken hinsichtlich der praktischen Durchführbarkeit der Wahrnehmung von Betriebsratstätigkeiten vom Home-Office aus, treffen nicht zu. Es ist vielmehr lediglich eine Frage der Planung der Betriebsratstätigkeit, ob diese von zu Hause aus ermöglicht werden kann. Wenn beispielsweise eine 4-stündige Betriebsratssitzung ansteht, kann die Vorsitzende diese entweder auf den Vor- oder den Nachmittag eines bestimmten Tages legen, mit der Folge, dass sich die Betriebsratsmitglieder in der verbleibenden Zeit in den Betrieb begeben, um dort ihre arbeitsvertragliche Tätigkeit als Verkäuferin zu erbringen. Hierbei ist die Wegezeit keine vom Arbeitgeber zu vergütende Arbeitszeit. Insofern gilt nichts anderes als sonst auch.

III.

Gegen diese Entscheidung ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, § 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG.

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