OLG Bamberg, Beschluss vom 30.06.2021 - 1 U 493/20
Fundstelle
openJur 2021, 22182
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 11.12.2020 (Az.: 41 O 123/20 Ver) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1) genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 78.516,54 € festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bamberg vom 11.12.2020 sowie den Hinweisbeschluss des Senats vom 10.05.2021 Bezug genommen.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:

Das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 11.12.2020, Az.: 41 O 123/20 Ver wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.05.2020 aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsnummer ... eine monatliche Rente in Höhe von 1.323,80 €, jeweils fällig monatlich im Voraus, längstens für die Dauer der Berufsunfähigkeit bis zum 31.03.2028 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.941,86 € samt Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ab dem 01.05.2020 von der Verpflichtung zur Beitragszahlung zur Lebensversicherung samt Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Versicherungsnummer ... zu befreien und zwar längstens für die Dauer der Berufsunfähigkeit bis zum 31.03.2018.

Zur Darstellung der Angriffe des Klägers im Berufungsverfahren wird vollumfänglich Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 31.01.2021 (Blatt 160 ff.).

II.

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 11.12.2020 (41 O 123/20 Ver) ist gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.

Die Ausführungen im Schriftsatz des Klägervertreters vom 15.05.2021 geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Der Klägervertreter vertritt weiter die Auffassung, es liege unstreitig eine "uno-actu Entscheidung" vor. Die Frage, ob in dem Schreiben der Beklagten vom 12.11.2019 (Anlage K 11) die Erst- und die Nachprüfung zusammengefasst wurden oder ob darin ein befristetes Anerkenntnis im Sinne des § 6 der Versicherungsbedingungen liegt, ist eine Rechtsfrage, die der erkennende Senat zu beurteilen hat.

1. Der Kläger meint, ein befristetes Anerkenntnis scheide aus, da die Bedingungen nur ein befristetes Anerkenntnis mit Verweisungsvorbehalt vorsähen. Dem kann nach Auffassung des Senats nicht gefolgt werden. Die Bestimmungen in § 5 der AVB sehen in Absatz 2 zwar die Möglichkeit eines Anerkenntnisses unter zeitweiliger Zurückstellung der Frage vor, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausübt. Nach § 5 Abs. 1 der AVB besteht daneben die Möglichkeit eines Anerkenntnisses ohne Verweisungsvorbehalt ("Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der beigezogenen Unterlagen erklären wir, ob und in welchem Umfang und für welchen Zeitraum wir eine Leistungspflicht anerkennen"). Nach § 5 Abs. 1 AVB besteht insbesondere die Möglichkeit eines zeitlich befristeten Anerkenntnisses. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte hier mit dem Schreiben vom 12.11.2019 (Anlage K 11) Gebrauch gemacht, indem sie dort ausführt:

"Vom 01.06.2019 bis zum 31.07.2019 erbringen wir die für den Fall der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit vertraglich vereinbarten Leistungen".

Schon nach dem Wortlaut liegt darin nicht ein Anerkenntnis und zugleich eine Nachprüfungsentscheidung, sondern es wird von vornherein ein befristetes Anerkenntnis der Leistungspflicht ausgesprochen.

Der Kläger weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Regelung in § 5 Abs. 1 AVB in dem Anschreiben Anlage K 11 nicht ausdrücklich erwähnt wird, dort vielmehr die Bestimmung in § 6 AVB über die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit zitiert wird (vgl. Seite 2 des Anschreibens Anlage K 11). Für die Auslegung, ob hier ein befristetes Anerkenntnis oder ein Anerkenntnis verbunden mit einer Nachprüfungsentscheidung vorliegt, kommt es aber nicht entscheidend auf die Bezeichnung, sondern darauf an, was - für den Versicherungsnehmer erkennbar - in der Sache gewollt war. Würde es sich hier um ein Anerkenntnis "uno actu" verbunden mit einer Nachprüfungsentscheidung handeln, würde der Versicherer frühestens nach Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung über die Nachprüfungsentscheidung beim Versicherungsnehmer leistungsfrei, § 174 Abs. 2 VVG. Danach würde die Leistungspflicht - Zugang des Schreibens vom 12.11.2019 (Anlage K 11) im November 2019 unterstellt - erst mit Ablauf des Monats Februar 2020 enden. Diese Rechtsfolge war aber von der Beklagten ersichtlich nicht gewollt. Die Beklagte wollte, dass die Leistungspficht mit Ablauf des Monats Juli 2019 endet.

2. Der Kläger meint, ein befristetes Anerkenntnis sei nicht für einen zurückliegenden Zeitraum möglich, sondern nur in die Zukunft gerichtet zulässig. Dem kann nicht gefolgt werden. Ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis für einen in der Vergangenheit liegenden abgeschlossenen Zeitraum ist zulässig. Der Versicherer darf seine Leistungspflicht auch für einen bestimmten, bereits abgeschlossenen (vergangenen) Zeitraum befristet anerkennen und sie im Übrigen verneinen, da dadurch das bedingungsgemäße Nachprüfungsverfahren nicht unterlaufen werden kann (Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap 12 Rdnr. 43 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Bei solchem auch nach dem neuen VVG zulässigen Vorgehen wird die Leistungspflicht für den Entscheidungszeitpunkt nach Ablauf der Befristung dann nicht anerkannt. Die Entscheidung des Versicherers über die befristete Gewährung von Leistungen aus der BUZ führt nicht zur Selbstbindung für die Zukunft, wenn bereits vor der Entscheidung vertragserhebliche Änderungen des Gesundheitszustands des Versicherungsnehmers eingetreten sind. Der Versicherungsnehmer ist hier nicht schützenswert, da das mit dem (unbefristeten) Anerkenntnis verbundene Nachprüfungsverfahren mit seiner Umkehr der Beweislast und den hohen formellen Anforderungen an die Einstellungsmitteilung bezweckt, dass der Versicherer sich der Leistungspflicht aus dem einmal eingetretenen, aber vertragsgemäß durch die vereinbarten, abschnittsweise zu erbringenden und damit "gedehnten" Versicherungsfall nicht "einfach so" wieder entledigen kann. Ist die Berufsunfähigkeit schon wieder weggefallen, ist dieser Schutz nicht mehr erforderlich; zudem werden dadurch auch solche - ansonsten eventuell über § 242 BGB lösbaren - Fälle erfasst, in denen der VN sich bewusst erst nach Ende der Berufsunfähigkeit beim Versicherer meldet, um dadurch die Leistungsdauer jedenfalls bis zur Durchführung einer Nachprüfung zu verlängern. Ansonsten hätte der VN es in der Hand, dem Versicherer die Befristungsmöglichkeit zu nehmen, indem er treuwidrig bei einem sich für ihn abzeichnenden Ende der Berufsunfähigkeit die Meldung beim Versicherer so lange verzögert, bis die Berufsunfähigkeit tatsächlich entfallen ist (Neuhaus, a.a.O.).

Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens war gemäß §§ 47 Abs. 1 GKG, 3, 9 ZPO auf 78.516,54 € festzusetzen.