OLG Celle, Urteil vom 19.01.2021 - 9 U 80/20
Fundstelle
openJur 2021, 21778
  • Rkr:

1. Die Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch eines Treuhandkommanditisten nach § 257 Abs. 1 BGB beginnt grundsätzlich frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem die Forderung fällig wird, von der zu befreien ist (Anschluss BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 271/08 –, juris Rn. 23).

2. An die Bejahung einer Ausnahme für den Fall, dass sich der Befreiungsanspruch bereits vor Fälligkeit der Drittforderung in einen Zahlungsanspruch umwandelt, weil die Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers durch den Drittgläubiger mit Sicherheit zu erwarten ist und feststeht, dass für die Erfüllung der Drittforderung auf Mittel des Befreiungsschuldners zurückgegriffen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – III ZR 495/16 –, juris), sind strenge Anforderungen zu stellen.

3. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme liegen bei einem Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft grundsätzlich erst dann vor, wenn die wesentlichen Teile des Fondsvermögens verwertet sind und die Möglichkeit zur Erhebung einer bezifferten Zahlungsklage des Treuhänders gegen den Treugeber besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2019 – III ZR 156/18 –, juris Rn. 5).

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. September 2020 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 36.566,70 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. August 2019 sowie weitere € 1.336,90 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. September 2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht aus wieder aufgelebter Kommanditistenhaftung auf Wiedereinzahlung erhaltener Ausschüttungen in Höhe von gut € 36.000,- in Anspruch.

Die Beklagte und ihr – 2011 verstorbener, von der Beklagten allein beerbter – Ehemann beteiligten sich im Jahr 2000 mit einer Einlage von DM 200.000,- (€ 102.258,38) mittelbar über die H. I. GmbH (inzwischen firmierend als R. E. A. M. GmbH) als Treuhandkommanditistin (im Folgenden nur: Treuhänderin) an einem Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, nämlich der „H. I. H. XIV GmbH & Co. KG“ (im Folgenden: Fondsgesellschaft; vgl. Beitrittserklärung vom 7. April 2000, Anlage K 10 [wie sämtliche von der Klägerin vorgelegten Anlagen, soweit nicht anders gekennzeichnet, im Anlagenband „Klägerin“]). Gemäß § 6 Abs. 1 des zwischen Treuhänderin und Beklagter abgeschlossenen Treuhandvertrages (Anlage K 9) war die Beklagte verpflichtet, die Treuhänderin von allen Verbindlichkeiten und Kosten freizuhalten, die der Treuhänderin im Zusammenhang mit der Beteiligung der Beklagten an der Fondsgesellschaft und deren Verwaltung entstehen.

Die Fondsgesellschaft investierte mit einem Volumen von DM 44,43 Millionen in vier Immobilienprojekte in Holland. Neben von den Anlegern aufzubringendem Kommanditkapital von gut DM 22 Millionen erhielt die Fondsgesellschaft ein Darlehen von der D1-Bank AG, Rechtsvorgängerin der D2-Bank AG (im Folgenden: finanzierende Bank), in Höhe von rund DM 22 Millionen.

In den Jahren 2000 bis 2005 erhielten die Beklagte und ihr Ehemann nicht durch entsprechende Gewinnanteile gedeckte Ausschüttungen auf ihren Fondsanteil in Höhe von insgesamt € 36.566,70 (vgl. Anlage K 31).

Ab dem Jahr 2006 zeichnete sich für die Fondsgesellschaft eine zunehmend negative Entwicklung ab. In den Jahren 2010 und 2013 wurden drei der vier Fondsimmobilien veräußert.

Im Jahr 2015 wurde sodann ein Konzept erarbeitet, durch das eine Insolvenz der Fondsgesellschaft vermieden und eine freihändige Verwertung der letzten verbliebenen Fondsimmobilie ermöglicht werden sollte. Mit Beschlussvorlage vom16. Oktober 2015 (Anlage K 15) wurde den an der Fondsgesellschaft beteiligten Anlegern empfohlen, einer Veräußerung der letzten verbliebenen Fondsimmobilie zuzustimmen; insoweit wurde mitgeteilt, der Fondsgeschäftsführung liege ein „Kaufinteresse zu einem Kaufpreis in Höhe von € 2.200.000 vor“, während sich die offene Darlehensschuld auf gut € 5,7 Millionen belaufe (Seite 2 der vorgenannten Beschlussvorlage). Dem Verkauf der verbliebenen Fondsimmobilie stimmten die Gesellschafter mehrheitlich zu (vgl. Protokoll der Gesellschafterbeschlüsse der Fondsgesellschaft vom 10. November 2015, Anlage K 18).

Unter dem 16. bzw. 17. Oktober 2015 wurde zwischen der finanzierenden Bank, der Fondsgesellschaft und der Treuhänderin eine Abwicklungs- und Haftungsbeschränkungsvereinbarung getroffen (Anlage K 17). Darin war u.a. unter Ziff. 3 vorgesehen, dass aus dem künftig zu erzielenden Veräußerungserlös für die letzte verbliebene Fondsimmobilie vorrangig die Verbindlichkeiten gegenüber der finanzierenden Bank zu bezahlen seien. Im Gegenzug verpflichtete sich die finanzierende Bank unter Ziff. 4 der Vereinbarung, verbleibende Restforderungen ausschließlich gegenüber den Anlegern (Direkt- sowie Treugeber-Kommanditisten) geltend zu machen, und verzichtete unter Ziff. 5 für den Fall der freiwilligen Wiedereinzahlung durch die Anleger diesen gegenüber (je nach Zeitpunkt der Wiedereinzahlung) auf 40 % bzw. 30 % des jeweils rückforderbaren Betrages. Die Beklagte leistete keine freiwillige Wiedereinzahlung.

Die finanzierende Bank prolongierte das von ihr gewährte Darlehen bis zum 30. Juni 2016. Anfang 2017 wurde die letzte Fondsimmobilie zu einem Kaufpreis von € 1,25 Millionen veräußert; die verbleibende Darlehensschuld belief sich anschließend per 8. Februar 2017 auf € 3.292.008,07 (vgl. Schreiben der Fondsgesellschaft an ihre Anleger vom 1. März 2017, Anlage K 26).

Mit Vereinbarung vom 18. Dezember 2018 (Anlage K 34) trat die finanzierende Bank die sich zu diesem Zeitpunkt auf gut € 3 Millionen belaufende restliche Darlehensforderung an die Klägerin ab. Mit Vereinbarung vom 27. Dezember 2018 trat des Weiteren die Treuhänderin ihre aus § 6 Abs. 1 des Treuhandvertrages resultierenden Freistellungsansprüche gegen die Treugeber-Kommanditisten (s.o.) ebenfalls an die Klägerin ab (vgl. Anlage K 28). Diese macht nunmehr gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wiedereinzahlung der erhaltenen Ausschüttungen in voller Höhe geltend.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 121 ff. d.A.), auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe verwiesen wird, mit der Begründung abgewiesen, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Wenn nämlich die Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers (hier der Treuhänderin) durch den Drittgläubiger (hier die finanzierende Bank) mit Sicherheit zu erwarten sei und feststehe, dass für die Erfüllung der Drittforderung auf Mittel des Befreiungsschuldners (hier der Beklagten) zurückgegriffen werden müsse, wandele sich der Befreiungsanspruch bereits vor Fälligkeit der Drittforderung, von der zu befreien sei, in einen Zahlungsanspruch um. Dies sei im Streitfall spätestens im Oktober 2015 der Fall gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit zu erwarten gestanden habe, dass eine Inanspruchnahme der (mittelbaren) Kommanditisten als Befreiungsschuldner erfolgen würde. Denn schon aus der Gegenüberstellung von erwartetem Verkaufserlös für die verbliebene Fondsimmobilie und Darlehensrestschuld zu diesem Zeitpunkt sei ersichtlich, dass der prognostizierte Kaufpreis auch aus damaliger Perspektive nicht habe ausreichen können, um die Darlehensforderung zu decken. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die verbleibende Deckungslücke durch (freiwillige) Wiedereinzahlungen von Anlegern zu schließen gewesen wäre. Mithin habe die dreijährige Frist der Regelverjährung mit Ende des Jahres 2015 zu laufen begonnen und sei zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage am 4. Oktober 2019 bereits abgelaufen gewesen.

Dem tritt die Klägerin mit ihrer Berufung entgegen. Sie meint, zum Zeitpunkt der Aufstellung des – von ihr so bezeichneten – Sanierungskonzepts im Jahr 2015 sei eine Inanspruchnahme der Anleger nicht mit Sicherheit zu erwarten gewesen. Dies sei vielmehr erst nach Verkauf der letzten verbliebenen Fondsimmobilie im Jahr 2017 der Fall gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 4. September 2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Stade die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 36.566,70 nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. August 2019 sowie weitere € 1.336,90 nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. September 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumentation zur Verjährungsfrage und hält die Klagforderung auch deshalb für verjährt, weil ihr die am 4. Oktober 2019 eingereichte Klage erst am 9. März 2020 zugestellt worden ist; Verjährung sei daher selbst dann eingetreten, wenn man von einem Verjährungsbeginn erst mit Schluss des Jahres 2016 ausgehe. Zudem beruft sie sich durch Verweis auf ihr erstinstanzliches Vorbringen auf eine bereits mit der Klagerwiderung vom 4. Mai 2020 (dort S. 26 = Bl. 28R Bd. I d.A.) hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem vermeintlichen Anspruch auf Ersatz ihr vorgerichtlich zur Abwehr der von ihr für nicht gegeben erachteten Ansprüche der Klägerin entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.808,21.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird neben der angefochtenen Entscheidung auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

B.

I. Die Berufung ist gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Sie hat auch in der Sache – mit lediglich marginalen Abstrichen im Bereich der Nebenforderungen – Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch aus abgetretenem Recht aus §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB, §§ 398 ff., 1922 BGB gegen die Beklagte auf Wiedereinzahlung der von ihr und ihrem verstorbenen Ehemann erhaltenen, nicht durch entsprechende Gewinne gedeckten Ausschüttungen zu.

1.) Die Beklagte haftet gegenüber der von der Klägerin nach Abtretung geltend gemachten Darlehensforderung als (mittelbare) Kommanditistin in dem Maße, wie ihre Einlage infolge der erfolgten Ausschüttungen die von ihr und ihrem verstorbenen Ehemann übernommene Haftsumme von € 102.258,38 (DM 200.000,-) unterschreitet. Das ist in voller Höhe der Ausschüttungen der Fall, weil diese sämtlich nicht durch entsprechende Gewinne gedeckt waren.

a) Die Höhe der Ausschüttungen und deren Erhalt durch die Beklagte und ihren verstorbenen Ehemann sind zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Klagerwiderung, S. 4 = Bl. 17R Bd. I d.A.).

b) Soweit die Beklagte mit ihrer Klagerwiderung (dort S. 25 = Bl. 28 Bd. I d.A.) in Abrede genommen hat, dass ihr Kapitalkonto bei Erhalt der Ausschüttungen unter den Betrag der Hafteinlage herabgemindert war, ist ihr diesbezügliches pauschales Bestreiten unbeachtlich, weil sie die volle Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die erfolgten Auszahlungen nicht haftungsschädlich waren, sondern es sich um ihr zustehenden Gewinn gehandelt hat (vgl. nur BGH, Urteil vom 29. September 2015 – II ZR 403/13 –, juris Rn. 30; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, § 172 Rn. 56). Entsprechenden Vortrag hält sie indes nicht.

2.) Die Klägerin hat das Bestehen der nach Abtretung von ihr geltend gemachten Darlehensforderung sowie ihre Gläubigerstellung hinreichend dargelegt.

a) Der Bestand der Darlehensforderung in Höhe einer Restschuld von € 3.052.887,52 ergibt sich aus der entsprechenden Saldenmitteilung der Klägerin an die Fondsgesellschaft vom 9. März 2020 (Anlage K 42). Dem ist die Beklagte nicht mit der zu fordernden Substanz entgegengetreten.

b) Die Klägerin ist auch Gläubigerin dieser Forderung. Soweit die Beklagte die Abtretung von der finanzierenden Bank an die Klägerin zunächst „vorsorglich bestritten“ hat (Klagerwiderung, S. 23 = Bl. 16R/17 Bd. I d.A.), hat die Klägerin die entsprechende Abtretungsvereinbarung mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 als Anlage K 34 vorgelegt.

3.) Die Inanspruchnahme der Beklagten ist – nach unstreitiger Verwertung des Vermögens der Fondsgesellschaft – auch erforderlich. Nach Mitteilung der Fondsgesellschaft vom 10. März 2020 an die Klägerin (Anlage K 43) beliefen sich die nach § 172 Abs. 4 HGB rückforderbaren Ausschüttungen per 31. Dezember 2018 insgesamt auf knapp € 2 Millionen. Damit verbleibt angesichts einer Darlehensrestschuld von gut € 3 Millionen (s.o.) selbst bei vollständiger Wiedereinzahlung der noch nicht wieder eingelegten Ausschüttungen an die Anleger eine Deckungslücke von etwa € 1 Million. Es steht daher im Streitfall fest, dass die an die Klägerin und ihren Ehe-

mann geflossenen Ausschüttungen in Höhe von € 36.566,70 für die Tilgung der Darlehensrestschuld benötigt werden.

4.) Die Klägerin kann sich somit im vorgenannten Umfang der wieder aufgelebten Haftung auch direkt an die Beklagte als bloße Treugeber-Kommanditistin halten, weil der entsprechende Freistellungsanspruch von der Treuhänderin (Direktkommanditistin) an sie abgetreten worden ist (vgl. Abtretungsvereinbarung vom 27. Dezember 2018, Anlage K 28).

Soweit die Beklagte diese Abtretung unter Hinweis auf Vortrag in der Klagschrift, wonach der Freistellungsanspruch an die finanzierende Bank abgetreten worden sei (Klagschrift, S. 2 = Bl. 2R Bd. I d.A.), bestritten hat (Klagerwiderung, S. 2 = Bl. 16R Bd. I d.A.), hat die Klägerin ihre Darstellung mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 (dort S. 1 = Bl. 36 Bd. I d.A.) dahin berichtigt, dass eine Abtretung an die finanzierende Bank nicht stattgefunden habe.

Spätestens mit Abtretung sowohl der Drittforderung als auch des Freistellungsanspruchs und der damit in der Person der Klägerin eingetretenen Identität von Dritt- und Befreiungsgläubiger hat sich der Freistellungs- auch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2017 – III ZR 495/16 –, juris Rn. 18 m.w.N.; Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, Neubearbeitung 2019, § 257 Rn. 12; MünchKomm/Krüger, BGB, 8. Aufl. 2019, § 257 Rn. 9).

5.) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann sich die Beklagte gegenüber dem gegen sie gerichteten Anspruch aus §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Kammer erkannt, dass die Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch eines Treuhänders nach § 257 Satz 1 BGB grundsätzlich frühestens mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem die Forderung fällig wird, von der zu befreien ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 271/08 –, juris Rn. 23). Da die finanzierende Bank ihr Darlehen im Streitfall bis Mitte 2016 prolongiert hatte, konnte die Verjährungsfrist mithin nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2016 beginnen.

b) Soweit nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von diesem Grundsatz eine Ausnahme dann gegeben ist, wenn sich der Befreiungsanspruch bereits vor Fälligkeit der Drittforderung in einen Zahlungsanspruch umwandelt, weil die Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers durch den Drittgläubiger mit Sicherheit zu erwarten ist und feststeht, dass für die Erfüllung der Drittforderung auf die Mittel des Befreiungsschuldners zurückgegriffen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2017 – III ZR 495/16 –, juris; BGH, Beschluss vom 30. Juli 2020 – III ZR 192/19 –, juris Rn. 3), kann das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahme im Streitfall nicht, wie das Landgericht meint, für das Jahr 2015 (oder einen früheren Zeitpunkt) festgestellt werden.

aa) Entsprechende Feststellungen lassen sich regelmäßig erst dann mit der zu fordernden Sicherheit treffen, wenn zum in Frage kommenden Zeitpunkt jenseits aller Prognosen bereits hinreichende Fakten geschaffen worden sind, was insbesondere die Verwertung wesentlicher Teile des Fondsvermögens – bei einem Immobilienfonds also der Immobilien, die im Eigentum der Fondsgesellschaft stehen – voraussetzt; vor Veräußerung sämtlicher Fondsimmobilien steht nämlich nicht hinreichend sicher fest, in welchem Umfang die Inanspruchnahme der Treugeber-Kommanditisten erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2019 – III ZR 156/18 –, juris Rn. 5, im Nachgang zu OLG Bremen, Urteil vom 21. Juni 2018 – 3 U 35/17 –, juris Rn. 57 ff.). Im Streitfall waren jedoch im Jahr 2015 noch nicht sämtliche Immobilien der Fondsgesellschaft veräußert.

bb) Hinzu kommt, dass mit der Abwicklungs- und Haftungsbeschränkungsvereinbarung vom 16. bzw. 17. Oktober 2015 (Anlage K 17) ausweislich deren Ziff. 5 eine Aufforderung an die Anleger verbunden war, erhaltene Ausschüttungen (zumindest teilweise) freiwillig wieder einzuzahlen. Das damit verbundene Angebot eines Teilnachlasses lief bis Mitte Dezember 2015. Zuvor war mithin nicht abzusehen, in welchem Umfang die Anleger der an sie gerichteten Aufforderung nachkommen würden.

cc) Dass die Mittelzuflüsse aus der Veräußerung der verbliebenen Fondsimmobilie und den Wiedereinzahlungen von Anlegern zumindest annähernd die Größenordnung der offenen Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft hätten erreichen können, vermag der Senat entgegen der Beklagten aus der insofern maßgeblichen Perspektive des Jahres 2015 im Übrigen nicht vollständig auszuschließen. Setzt man nämlich die insgesamt an die Anleger erfolgten Ausschüttungen gemäß den Angaben der Fondsgesellschaft in ihrer Beschlussvorlage vom 16. Oktober 2015 (Anlage K 15, dort unter Ziff. III) mit € 3.909.714,24 an und addiert den seinerzeit erwarteten Verkaufspreis für die verbliebene Fondsimmobilie von € 2,2 Millionen, übertrifft die Summe jedenfalls die zum damaligen Zeitpunkt mit etwa € 5,7 Millionen valutierende Darlehensforderung der finanzierenden Bank und erreicht auch unter Berücksichtigung der weiteren sich aus der Beschlussvorlage ergebenden Verbindlichkeiten (etwa € 800.000,-) jedenfalls eine Größenordnung, die die annähernde Abdeckung der offenen Verpflichtungen nicht mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit als ausgeschlossen erscheinen lässt. Der optimistische Ansatz des Verkaufspreises der verbliebenen Immobilie ist dabei angesichts der Volatilität des (Gewerbe-) Immobilienmarktes aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden.

dd) Jedenfalls aber hätte die Treuhänderin als seinerzeitige Inhaberin des Befreiungsanspruchs nach alldem in der zweiten Jahreshälfte 2015 noch keine bezifferten Zahlungsklagen gegen die Treugeber-Kommanditisten erheben können, was aber Voraussetzung für die Umwandlung des Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch in ihrer Person (und den mit dieser Umwandlung verknüpften Beginn der Verjährungsfrist) gewesen wäre (vgl. OLG Bremen, a.a.O., juris Rn. 59). Einer solchen Klage hätte die Beklagte vielmehr auf Grundlage der vorstehend aufgezeigten Unwägbarkeiten entgegenhalten können (und dies, da sie eine freiwillige Wiedereinlage nicht geleistet hat, zur Überzeugung des Senats auch getan), dass die Erforderlichkeit ihrer Inanspruchnahme weder dem Grunde noch der Höhe nach bereits feststehe.

ee) Kann nach alldem ein Verjährungsbeginn bereits im Jahr 2015 nicht angenommen werden, so ergibt sich daraus (entgegen der Berufungserwiderung, S. 19, Bl. 199 Bd. I d.A.) auch keine „zeitlich unbeschränkte Regressmöglichkeit durch Geltendmachung von Befreiungsansprüchen“, weil die Verjährung der gegen die Anleger gerichteten Ansprüche jedenfalls mit Fälligkeit der Forderung, von der die Anleger die Treuhänderin zu befreien hatten (also der Forderung der finanzierenden Bank), zu laufen begonnen hat.

ff) Schließlich ist die Annahme eines früheren Verjährungsbeginns entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. Berufungserwiderung, S. 12 f. = Bl. 192 f. Bd. I d.A.) auch nicht aus Gründen des Schuldnerschutzes geboten. Bei der von der Beklagten in Bezug genommenen Rechtsprechung zum vorzeitigen Beginn der Verjährung eines Freistellungsanspruchs handelt es sich vielmehr um eine Ausnahme, die schon im Grundsatz jedenfalls regelmäßig restriktiv zu handhaben ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. April 1965 – VIII ZR 200/63 –, juris Rn. 27; MünchKomm/Säcker, BGB, 8. Aufl. 2018, Einleitung Rn. 121 ff.).

Für eine solche restriktive Handhabung in Konstellationen wie der vorliegenden spricht dabei, dass jenseits von Sonderfällen kein sachlicher Grund dafür ersichtlich ist, Treugeber-Kommanditisten anders als Direktkommanditisten zu behandeln. Für Letztgenannte wäre der Verjährungsbeginn in vergleichbarer Konstellation stets durch die Fälligkeit der Drittforderung, von der zu befreien ist, definiert. Das zwischen Treugebern und Treuhändern bestehende Treuhandverhältnis aber verfolgt gerade das Ziel, die wirtschaftlichen Folgen der Kommanditbeteiligung den Treugeber treffen zu lassen; grundsätzlich sollen Anleger durch die Zwischenschaltung eines Treuhänders nicht besser stehen, als sie stünden, wenn sie selbst Kommanditisten wären (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 224/08 –, juris Rn. 27). Eben dies aber wäre der Fall, wenn in Fällen der Beteiligung über eine Treuhandkonstruktion vorschnell von einem vorgezogenen Verjährungsbeginn ausgegangen werden würde.

c) Nach alldem hat die Verjährung des von der Klägerin verfolgten Anspruchs im Streitfall nicht vor Schluss des Jahres 2016 zu laufen begonnen. Verjährung war mithin bei Einreichung der Klage am 4. Oktober 2019 nicht eingetreten.

Zu eben jenem Zeitpunkt ist auch die den Lauf der Verjährungsfrist hemmende Rechtshängigkeit des Anspruchs eingetreten (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 253, 261 ZPO). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die verzögerte, erst für den 9. März 2020 belegte Zustellung der Klage (Bl. 11 Bd. I d.A.) unschädlich, weil sie gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückwirkt. Denn auch ein zwischen Einreichung und Zustellung liegender längerer Zeitraum steht der Rückwirkung nicht entgegen, wenn sie nicht vom Kläger, sondern vom Gericht zu vertreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 – VIII ZR 4/87 –, BGHZ 103, 20; Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, § 204 Rn. 7). So liegt der Fall hier: Nach Eingang des mit Vorschusskostenrechnung vom 8. Oktober 2019 (Bl. 9 Bd. I d.A.) angeforderten und am 17. Oktober 2019 eingezahlten (Zahlungsanzeige I, Bd. I d.A.) Kostenvorschusses ist durch (am 24. Oktober 2019 ausgeführte) richterliche Verfügung vom 22. Oktober 2019 (Bl. 10 Bd. I d.A.) die Zustellung der Klage angeordnet worden. Die Überwachung des Eingangs des ausweislich des handschriftlichen Zusatzes („1 x EB“) zugleich mit der Klagschrift versandten, jedoch nicht zur Akte zurückgelangten Empfangsbekenntnisses fiel allein in die Zuständigkeit des Gerichts; der Kläger war nicht verpflichtet, die gerichtlichen Abläufe zu kontrollieren oder auf ihre Beschleunigung hinzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 – IV ZR 23/05 –, juris Rn. 20 ff.; Palandt/Ellenberger, a.a.O.).

6.) Die von der Klägerin geltend gemachten Nebenforderungen stehen ihr weit überwiegend ebenfalls zu.

a) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB; die Beklagte ist spätestens mit Verstreichen der ihr in dem Aufforderungsschreiben vom 17. Juli 2019 (Anlage K 32) gesetzten Frist zum 1. August 2019 in Verzug geraten.

b) Ebenfalls aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB folgt der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Nachdem auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin selbst vom 17. Juli 2019 keine Zahlung erfolgt war, durfte sich die Klägerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anwaltlicher Hilfe für den Versuch einer außergerichtlichen Regelung bedienen (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 2015 – IX ZR 280/14 –, juris Rn. 11). Die geltend gemachte Anspruchshöhe ergibt sich aus Nr. 2300, 7002 VV RVG und ist nicht zu beanstanden.

Auch dieser Anspruch ist wie erkannt gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB aus dem Gesichtspunkt des Verzuges zu verzinsen, nachdem die Beklagte die ihr im Aufforderungsschreiben vom 28. August 2019 (Anlage K 33) insofern gesetzte Zahlungsfrist hat verstreichen lassen; da diese Frist allerdings bis zum 18. September 2019 bemessen war, beginnt die Verzinsung nicht (wie beantragt) bereits mit diesem, sondern erst mit dem darauf folgenden Tag (§ 187 Abs. 1 BGB), so dass die Klage insoweit teilweise abzuweisen war.

7.) Die von der Beklagten mit ihrer Klageerwiderung (dort S. 26 = Bl. 28R Bd. I d.A.) hilfsweise erklärte Aufrechnung mit ihr vorgerichtlich zur Abwehr des geltend gemachten Zahlungsanspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten bleibt ohne Erfolg: Da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche wie ausgeführt zustehen, steht der Beklagten umgekehrt ein Ersatzanspruch für zur außergerichtlichen Abwehr des Anspruchs entstandene Kosten der Rechtsverteidigung nicht zu.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht (insbesondere beziehen sich die als Anlagen B 17 und B 18 [in gesonderter Heftung] vorgelegten Urteile des OLG Oldenburg auf eine andere Fondsgesellschaft), so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.