LAG Nürnberg, Urteil vom 07.03.2019 - 5 Sa 230/18
Fundstelle
openJur 2021, 21013
  • Rkr:
Tenor

1.Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 08.05.2018, Aktenzeichen: 2 Ca 1248/17, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2.Die Revision wird zugelassen.   

Tatbestand

Die beiden Parteien streiten über Entgeltdifferenzansprüche der Klägerin wegen des Gleichstellungsgrundsatzes nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ("Equal-Pay"). Die Klägerin war vom 04.04.2016 bis 04.04.2017 als Hilfsarbeiterin ohne nähere Tätigkeitsangabe beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 01.04.2016 (Bl. 47 ff d.A.). Der Arbeitsvertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen

"...

§ 1 Bezugnahme auf den Tarifvertrag

(1) Die Rechte und Pflichten der Parteien dieses Arbeitsvertrages bestimmen sich nach den Tarifverträgen in ihrer jeweils gültigen Fassung, welche der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ) mit einer oder mehreren der Gewerkschaften IG BCE, NGG, IG Metall, GEW, ver.di, IG BAU, GdP, EVG geschlossen hat oder zukünftig schließen wird. Da insoweit mehrere Tarifverträge existieren oder zukünftig existieren können, gilt zur Ermittlung der jeweils anwendbaren Tarifverträge Folgendes:

- Bis zum Beginn des ersten Einsatzes finden die Tarifverträge Anwendung, an denen die Gewerkschaft ver.di als Vertragspartei beteiligt ist.

- Ab Beginn des jeweiligen Einsatzes finden ausschließlich diejenigen Tarifverträge Anwendung, an denen die Gewerkschaft als Vertragspartei beteiligt ist, aus deren Satzung sich die Zuständigkeit für den Einsatzbetrieb ergibt. Sind satzungsgemäß mehrere Gewerkschaften zuständig, ist von diesen ausschließlich diejenige maßgeblich, die in obiger Aufzählung vor der/den andere/n genannt ist. Ist satzungsgemäß keine der oben genannten Gewerkschaften für den Einsatzbetrieb zuständig, finden die Tarifverträge Anwendung, an denen die Gewerkschaft ver.di als Vertragspartei beteiligt ist.

- Die ermittelten Tarifverträge finden jeweils durchgängig bis zu dem Zeitpunkt Anwendung, ab dem ein neuer Einsatz beginnt.

(2) T... wird den Mitarbeiter schriftlich informieren, welche Tarifverträge gemäß Abs. 1 Anwendung finden. Die in Abs. 1 genannten Tarifverträge sind zur Einsichtnahme durch den Mitarbeiter in den Geschäftsräumen von T... ausgelegt.

...

§ 5 Eingruppierung; Entgelt

(1) Der Mitarbeiter wird aufgrund der notwendigen Qualifikation für die im Kundeneinsatz ausgeübte Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 entsprechend des gemäß § 1 Abs. 1 jeweils geltenden Entgeltrahmentarifvertrages in die Stammentgeltgruppe 1. Entgeltgruppe eingruppiert. Der Mitarbeiter erhält auf Grundlage dieser Eingruppierung

× ein tarifliches Entgelt, dessen Höhe sich jeweils nach den Bestimmungen der gemäß § 1 Abs. 1 anwendbaren Tarifverträge bemisst (tarifliches Entgelt), derzeit in Höhe von brutto 8,80 € je Stunde.

...

§ 18 Ausschlussfristen Tarifvertragliche Ausschlussfristen finden keine Anwendung. Stattdessen gilt folgendes:

(1) Verfall der Ansprüche des Mitarbeiters

a) Die Ansprüche des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten gegenüber T... schriftlich zumindest dem Grunde nach geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist beginnt, sobald der Anspruch fällig ist und der Mitarbeiter von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen müsste.

b) Lehnt T... den Anspruch schriftlich ab, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang der schriftlichen Ablehnung zumindest dem Grunde nach gerichtlich geltend gemacht wird.

c) Die Regelungen unter a) und b) gelten nicht für solche Ansprüche, die sich aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen von T... bzw. eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen von T... ergeben, nicht für Ansprüche aus unerlaubter Handlung sowie nicht für Ansprüche aus einem nach §§ 4 bis 6 AEntG für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag oder aus einer Rechtsverordnung nach §§ 7, 7a, 11 AEntG oder aus § 2 MiLoG. Die Regelung unter b) gilt ferner nicht für Ansprüche, die von dem Ausgang einer Kündigungsschutzklage abhängen.

(2) Verfall der Ansprüche von T...

Die Ansprüche von T... aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht von T... innerhalb von drei Monaten schriftlich gegenüber dem Mitarbeiter geltend gemacht werden. Die Ausschlussfrist beginnt, sobald der Anspruch fällig ist. Lehnt der Mitarbeiter den Anspruch schriftlich ab, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird.

(3) Fristlauf bei bereits entstandenen Ansprüchen

Die Ausschlussfristen gemäß Abs. 1 und 2 erfassen auch Ansprüche, die bereits vor Unterzeichnung dieses Vertrags entstanden sind. Die Ausschlussfristen gemäß Abs. 1 laufen in diesen Fällen jedoch frühestens ab Unterzeichnung dieses Vertrags.

(4) Rechtsfolge

Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind ausgeschlossen.

... Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 47 bis 54 d.A. verwiesen. Die Klägerin ist Mitglied der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Die Beklagte ist Mitglied im Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ e.V.) seit dem 01.01.2004 (Bl. 243 d.A.). Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses war die Klägerin von der Beklagten in der Zeit vom 04.04.2016 bis 26.01.2017 sowie vom 30.01.2017 bis zum 04.04.2017 an die H... Logistik AB & Co KG in G... in N... überlassen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die Monate Januar und Februar 2017 einen Stundenlohn in Höhe von 9,00 € brutto und für die Monate März und April 2017 einen Stundenlohn in Höhe von 9,23 € brutto. Mit Schreiben vom 07.07.2017 machte die Klägerin Vergütungsnachforderungen für den Zeitraum vom Januar 2017 bis April 2017 in Höhe von insgesamt 1.197,33 € geltend (Bl. 25 ff d.A.). Die Beklagte wies die Forderung mit Schreiben vom 11.07.2017, zugegangen bei der Gewerkschaft ver.di am 14.07.2017, zurück (Bl. 24 d.A.).

Mit ihrer Klage vom 13.10.2017 und der Beklagten am 20.10.2017 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Hinsichtlich des streitigen Sachvortrages der Parteien und der gestellten Anträge im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand im Endurteil des Arbeitsgerichts verwiesen.

Das Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Aschaffenburg - hat die Klage mit Endurteil vom 08.05.2018 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche für die Monate Januar und Februar 2017 gemäß § 18 des Arbeitsvertrages wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfristen verfallen seien. Im Übrigen fände der Gleichstellungsgrundsatz vorliegend keine Anwendung, weil eine zulässige Abweichung durch Tarifvertrag vorläge. Diese Abweichung sei europarechtskonform.

Gegen dieses der Klagepartei am 25.05.2018 zugestellte Urteil legten die Klägervertreter mit Schriftsatz vom 20.06.2018 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am gleichen Tag mit Telefax eingegangen, Berufung ein und begründeten diese mit Schriftsatz vom 28.09.2018, eingegangen mit Telefax am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht Nürnberg. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zu diesem Zeitpunkt auch verlängert worden.

Die Klägerin hält im Berufungsverfahren unter weiterer Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages daran fest, dass der Klage hätte stattgegeben werden müssen. Nach Auffassung der Klägerin ergäbe sich der Anspruch vor dem Hintergrund, dass nicht wirksam auf die Anwendung der DGB/IGZ-Tarifverträge im Arbeitsvertrag verwiesen worden sei. Eine Verbandszugehörigkeit der Beklagten zur IGZ im Zeitraum Januar bis April 2017 sei zu bestreiten und die arbeitsvertragliche Verweisung sei rechtsunwirksam. Die Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der in Art. 5 Abs. 3 der RL 2008/104/EG und der dort normierten Ausnahmen würden dafür sprechen, dass das Gestaltungsmittel der Verweisung auf einen Tarifvertrag von der Richtlinie nicht gedeckt sei. Im Übrigen verstoße die im Arbeitsvertrag verwendete Bezugnahmeregelung gegen das Transparenzgebot. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass Equal Pay und Equal Treatment nach § 9 Nr. 2 AÜG a.F. tarifdispositiv sei. Die Abweichung könne jedoch nur soweit gehen, als der tarifliche Schutz insgesamt gleichwertig sein müsse bzw. die Grundstruktur der Regelung, von der abgewichen werde, erhalten bleibe müsse. Dies bedeute, dass die in den einzelnen Branchen bestehenden unterschiedlichen Vergütungen berücksichtigt werden müssten. Nachdem vorliegend jedoch aufgrund des Einsatzes ausschließlich im Einzelhandel Branchenzuschläge nicht einschlägig seien, würde der Equal-Pay-Grundsatz ausgehöhlt. Der Einsatzbetrieb spiele keinerlei Rolle. Der Grundsatz wonach die Lohngleichheit gestaltet aber nicht verlassen werden dürfe, sei daher offensichtlich bei Gewährung eines Verdienstes von derzeit 9,00 € bzw. 9,23 € verletzt. Es läge daher ein gegen den in der RL 2008/104/EG vorgesehenen Gesamtschutz des Leiharbeitnehmers vor. Der Gesamtschutz sei nicht mehr gewahrt, wenn die Tarifverträge ausschließlich zu Lasten der Leiharbeitnehmer vom Gleichbehandlungsgrundsatz und von sonstigen gesetzlichen Regelungen abweichen würden. Dies sei vorliegend schon aufgrund des eklatanten Abweichens in Bezug auf den Lohn bei gleichzeitiger sachgrundloser Befristung des Arbeitsverhältnisses und fast ausschließlichem Einsatz beim Großkunden H... offensichtlich. Durch den fast ausschließlichen Einsatz beim Großkunden H... würden sich die in der Arbeitnehmerüberlassung spezifischen Belastungen des Verleihers nicht realisieren, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich vorliegend um ein Teilzeitbeschäftigungsverhältnis und der Möglichkeit des Stundenaufbaus für einsatzlose Zeiten auf einem Arbeitszeitkonto handeln würde bei gleichzeitiger Befristung. In einer solchen Fallkonstellation, in der sich die leiharbeitsspezifischen Risiken nicht realisieren könnten, betrage nach Ansicht der Klägerin die maximal zulässige Abweichung vom einschlägigen Tarifentgelt beim Entleiher lediglich 10%. Diese Abweichung sei jedoch vorliegend deutlich überschritten, da die Klägerin lediglich 65,98% bis 67,67% des einschlägigen Tariflohns vergleichbarer Mitarbeiter in der Stammbelegschaft erhalten habe. Auch bei Berücksichtigung eines niedrigeren Stundelohnes der Lohngruppe II 2a ergäbe sich ein Stundenlohn von lediglich von 70,9% bzw. 72,7%, so dass insgesamt der Gesamtschutz nicht gewahrt sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es für die Entscheidung des Gerichtes maßgeblich auf die Auslegung von Unionsrecht ankomme und regt daher die Vorlage an den EuGH an. Soweit das Arbeitsgericht die von der Klägerin verfolgten Ansprüche für die Monate Januar und Februar 2017 als verfallen angesehen habe, ist die Klägerin der Auffassung, dass die Klausel im Arbeitsvertrag unwirksam sei. Sie verstoße gegen das Transparenzgebot, da die Klausel nicht transparent zwischen Mindestlohnansprüchen und darüber hinaus gehenden Ansprüchen unterscheide und für die Klägerin nicht hinreichend erkennbar sei, dass Mindestlohnansprüche von der Ausschlussklausel jedenfalls nicht umfasst werden könnten.

Die Klägerin stellt im Berufungsverfahren folgende Anträge

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 08.05.2018, Az: 2 Ca 1248/17, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 265,41 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.02.2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 108,58 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.03.2017 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 263,72 € brutto abzüglich Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.04.2017 zu zahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 659,01 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.05.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Die an die Klägerin geleistete Vergütung entspreche der Regelung in § 8 Abs. 2 AÜG bzw. der entsprechenden Vorgängerregelung sowie den tarifvertraglichen Vorgaben. Aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit der Parteien kämen die Tarifverträge der Zeitarbeit, geschlossen zwischen dem IGZ sowie den DGB-Gewerkschaften, mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung. Im Übrigen stünde auch die Leiharbeitsrichtlinie einer vertraglichen Inbezugnahmeklausel nicht entgegen und die streitgegenständliche arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel genüge auch den Transparenzkriterien. Ein Verstoß gegen den in der Richtlinie postulierten "Gesamtschutz" läge nicht vor. In den Erwägungsgründen (Rn. 19) der Leiharbeitsrichtlinie stünde ausdrücklich, dass die Richtlinie die nationale Tarifautonomie nicht beeinträchtigen wolle und betone damit die Autonomie der Sozialpartner. Vor dem Hintergrund der in der Richtlinie postulierten Anforderungen habe der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen, eine Lohnuntergrenze festzusetzen, so dass dem angemessenen Schutzniveau der Leiharbeitnehmer und der Leiharbeitsrichtlinie Rechnung getragen worden sei. Die anwendbaren Zeitarbeitsverträge würden den in der Richtlinie postulierten "Gesamtschutz" wahren. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie als Zeitarbeitnehmerin auf dem Niveau der Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb zu vergüten sei. Insofern könne sie auch nicht mit dem Argument durchdringen, dass die Vergütung sittenwidrig sei. Vorliegend habe die Klägerin in jedem Fall, selbst unterstellt die Klägerin hätte bei der Entleiherin einen Anspruch auf einen Stundenlohn in Höhe von 13,64 € brutto gehabt mehr als 2/3 der behaupteten Vergütung der Stammbelegschaft erhalten. Ein sittenwidriger Lohn könne daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt angenommen werden. Die Klägerin irre, wenn sie meine, dass der Zeitarbeitstarifvertrag durchwegs für sie nachteilig sei. Ausweislich des vorgelegten angeblich bei der Entleiherin geltenden Entgelttarifvertrages habe die Klägerin dort alleine einen Anspruch auf einen Stundenlohn. Der auf sie anwendbare Zeitarbeitstarifvertrag sehe jedoch neben dem reinen Stundenlohn eine einsatzbezogene Zulage, sowie Zuschläge für Mehrarbeit, Nacht-, Sondersowie Feiertagsarbeit vor. Schließlich sei in § 8 des IGZ/DGB-Manteltarifvertrags eine Jahressonderzahlung in Form von zusätzlichen Urlaubs- und Weihnachtsgeld vereinbart. Diese Sonderzahlung sehe der vorgelegte Lohntarifvertrag nicht vor. Darüber hinaus seien die Angaben der Klägerin zu der Höhe des Vergleichsentgeltes, das die Klägerin im Falle eines unmittelbaren Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Entleiherfirma angeblich hätte erzielen können mit Nichtwissen zu bestreiten. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche für Januar und Februar 2017 seien verfallen. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstoße § 18 des Arbeitsvertrages nicht gegen das Transparenzgebot und es sei auch deutlich gemacht, dass die Ausschlussklausel nicht auf Mindestlohnansprüche zur Anwendung käme.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien und auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG statthaft, und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 5, 519 Abs. 5, 130 ZPO)

II. Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist in dem vom Gesetzgeber nach § 8 Abs. 2 AÜG bzw. §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Ziff. 2 AÜG a.F. eröffneten Rahmen aufgrund Anwendung eines Tarifvertrages zulässigerweise vom Gleichstellungsgrundsatz ("Equal-Pay") des § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a.F. abgewichen. Das Landesarbeitsgericht folgt den zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen im Urteil des Arbeitsgerichts und macht sich diese zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz sind noch folgende Ausführungen veranlasst:

1. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung der Differenz zwischen dem erhaltenen Entgelt und dem in dem Entleiherbetrieb für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlten Entgelts (§ 8 Abs. 1 AÜG bzw. §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG a.F.) sind nicht entstanden. Nach Behauptung der Klägerin erhielt sie in der Zeit ihres Einsatzes bei dem Entleiherbetrieb ein geringeres Entgelt als ein vergleichbarer Arbeitnehmer. Wobei die Beklagte bestritten hat, dass das von der Klägerin behauptete Entgelt dies eines vergleichbaren Arbeitnehmers sei, dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Beklagte nicht zur Zahlung des Differenzbetrages verpflichtet gewesen ist, da die Parteien in zulässiger Weise vom Ausnahmetatbestand des § 8 Abs. 2 Sätze 1 - 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. Gebrauch gemacht haben.

[20] a) Nach § 8 Abs. 2 Sätze 1 - 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. können die Arbeitsvertragsparteien vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, wenn ein für die Parteien anzuwendender Tarifvertrag gilt und dieser Tarifvertrag, die in einer Rechtsverordnung nach § 3a AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte nicht unterschreitet. Aufgrund des unstreitigen Sachvortrages der beiden Parteien war die Klägerin Mitglied in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Beklagte Mitglied im Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen - IGZ e.V. - (Bl. 243 d.A.). Aufgrund der beiderseitigen Tarifbindung kommen die Tarifverträge zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und den unterzeichnenden Mitgliedsgewerkschaften des DGB aufgrund beiderseitiger Mitgliedschaft zur Anwendung.

Darüber hinaus haben die beiden Parteien in § 1 des Arbeitsvertrags die Anwendung der jeweils geltenden Tarifverträge zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen mit einer oder mehreren der Gewerkschaften u.a., ver.di, vereinbart. Die damit geltenden Entgelttarifverträge unterschritten nicht das Mindestentgelt der für den Streitzeitraum einschlägigen Zweiten Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung (Zweite LohnUGAÜV, gültig vom 01.04.2014 bis 31.12.2016). Für die Zeit vom 01.01.2017 bis 31.05.2017 bestand keine entsprechende Mindestlohnregelung (hierzu Düwell, jurisPR-ArbR 32/2017 Anm. 1). Es bestehen keine Zweifel, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge wirksam zustande gekommen sind. Insbesondere sind die unterzeichnenden Gewerkschaften tariffähig.

b) Unabhängig von der Anwendbarkeit der Tarifverträge aufgrund beiderseitiger Mitgliedschaft ist die Bezugnahmeklausel in § 1 des Arbeitsvertrages auch wirksam. Sie ist insbesondere nicht intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

aa) § 1 des Arbeitsvertrags ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Klausel ist bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild unstreitig von der Beklagten für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorformuliert und den Arbeitnehmern einseitig gestellt worden. Anhaltspunkte dafür, die Klausel sei zwischen den Parteien "ausgehandelt" iSv § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen nicht vor. Die Beklagte hat selbst nicht vorgebracht, der Klägerin die Möglichkeit der Einflussnahme auf die streitgegenständliche Klausel eingeräumt zu haben.

bb) Verweist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, führt dies für sich genommen nicht zur Intransparenz. Insbesondere arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf tarifliche Regelwerke, auch wenn sie dynamisch ausgestaltet sind, entsprechen einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses. Dass bei Vertragsschluss noch nicht absehbar ist, welchen zukünftigen Inhalt die in Bezug genommenen Tarifregelungen haben werden, ist unerheblich. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung geltenden, in Bezug genommenen Regelungen sind bestimmbar. Das ist zur Wahrung des Transparenzgebots für Klauseln, die - wie im Regelfall - auf einen bestimmten bzw. bestimmbaren Tarifvertrag oder ein bestimmtes bzw. bestimmbares tarifliches Regelwerk im Sinne einer Einheit aus Mantel-, Entgelt- und sonstigen Einzeltarifverträgen verweisen, ausreichend (st. Rspr. z.B. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - Rn 30).

cc) Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht in Anwendung der zum mehrgliedrigen CGZP-Tarifwerk entwickelten Anforderungen (dazu BAG, Urt. v. 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 30) unwirksam.

Bildet der Tarifvertrag ein "einheitliches Tarifwerk”, eine "geschlossene Einheit” (sog. "Einheitstarifvertrag”), sind die Tarifvertragsparteien einer Seite bei der Ausübung von Rechten und der Erfüllung von Pflichten aus dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages in der Weise aneinandergebunden, dass sie im Verhältnis zur Gegenseite eine "Einheit” darstellen. Die Kündigung des Tarifvertrages kann in diesem Falle nur durch alle Tarifvertragsparteien einer Seite gemeinsam ausgesprochen werden. Davon zu unterscheiden ist derjenige mehrgliedrige Tarifvertrag, bei dem mehrere selbstständige Tarifverträge lediglich in einer Urkunde zusammengefasst sind ("mehrgliedriger Tarifvertrag im engeren Sinne”). Bei diesem sind die Tarifvertragsparteien selbstständig berechtigt und verpflichtet und bleiben deshalb in der Lage, unabhängig voneinander ("autonom”) den Tarifvertrag zu kündigen (zur Terminologie: BAG 08.11.2006 - 4 AZR 590/05 - Rn. 22).

Bei der Bezugnahme auf ein sog. Einheitstarifwerk hat das BAG keine weitergehenden Vorgaben gemacht, um dem Transparenzgebot Genüge zu tun. Bei der Bezugnahme auf ein mehrgliedriges Tarifwerk im engeren Sinne ist nach Ansicht des BAG hingegen eine Kollisionsregelung notwendig, der sich entnehmen lässt, welches der mehreren in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll. Andernfalls lasse sich nicht für jeden Zeitpunkt bestimmen, welches der in Bezug genommenen tariflichen Regelwerke sich jeweils durchsetzen und gelten solle. Fehle in der Bezugnahmeklausel eine Kollisionsregel, bestehe die Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen dieser Unklarheit seine Rechte nicht wahrnehme (BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 30). Im vorliegenden Fall enthält § 1 des Arbeitsvertrags eine entsprechende Kollisionsklausel, die darauf abstellt, in welchen Organisationsbereich einer DGB-Gewerkschaft der Kundenbetrieb fällt.

c) Eine Inhaltskontrolle der in Bezug genommenen tariflichen Regelungen findet nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt, da auf die Tarifverträge insgesamt verwiesen wurde (vgl. ErfK-Preis, 19. Aufl., 2019, §§ 305 - 310 BGB Rn 13). Es ist weder gerügt noch sonst ersichtlich, dass in den der allgemeinen Bezugnahmeklausel folgenden arbeitsvertraglichen Regelungen zu Lasten des Arbeitnehmers von den tariflichen Regelungen abgewichen wurde.

2. § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 3. Halbsatz AÜG a.F. steht mit Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL in Einklang. Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL verbietet nicht, dass vom Gleichstellungsgrundsatz abweichende Tarifverträge über eine arbeitsvertragliche Bezugnahme zur Anwendung kommen (siehe hierzu auch LAG Nürnberg vom 20.02.2019, Az. 2 Sa 402/18).

Nach Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL können die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrecht zu erhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten können, welche vom in Art. 5 Abs. 1 der EU-LeiharbeitsRL geregelten Gleichstellungsgrundsatz abweichen können.

Es ist zwar richtig, dass Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge nicht ausdrücklich gestattet. Der Richtliniengeber hat diese Möglichkeit jedoch auch nicht ausgeschlossen, obwohl er diese Abweichungsmöglichkeit im deutschen System kannte (ErfK-Wank, 19. Aufl., 2019, § 8 AÜG Rn 26). Indem Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL den Sozialpartnern die Möglichkeit einräumt, die Tarifverträge auf einer nicht weiter spezifizierten geeigneten Ebene nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen aufrechtzuerhalten oder zu schließen, wurde den Mitgliedstaaten ein großer Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL eingeräumt. Diese Zurückhaltung ist der Heterogenität der nationalen Tarifvertragsysteme und Vorschriften zur Leiharbeit geschuldet (Sansone in Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2. Aufl., 2019, Leiharbeit Rn 12.80 mwN). So gelten beispielsweise im englischen Tarifvertragsrecht die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nicht wie in Deutschland unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 TVG), sondern werden in der Regel durch eine individuelle Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag in das Arbeitsverhältnis einbezogen und erst damit für die Arbeitsvertragsparteien rechtlich bindend (Klauk/Klein, jurisPR-ArbR 40/2013 Anm. 1; vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cruz-Villalon v. 18.07.2013 - C-426/11 Rn. 34 ff., 56 "Alemo-Herron").

Da Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL keine Vorgabe dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen die Tarifverträge in den Leiharbeitsverhältnissen Anwendung finden, umfasst der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten auch die Einführung von so genannten Erstreckungsklauseln zur arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die abweichenden Tarifverträge, um eine Umsetzung entsprechend dem nationalen Recht und nationalen Gepflogenheiten zu ermöglichen (Sansone in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.81 mwN auch zur Gegenansicht).

Die Möglichkeit, Tarifverträge durch Bezugnahmeklausel ins Arbeitsverhältnis zu übernehmen, ist in Deutschland anerkannt. Gleichzeitig geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Tarifpartner selbst auf ein angemessenes Schutzniveau der Arbeitsvertragsparteien, die in den Geltungsbereich ihrer Regelungen fallen, achtet. Dieses Schutzniveau ist jedoch unabhängig davon, ob die Tarifverträge unmittelbar, kraft Fortgeltung, Nachwirkung, Allgemeinverbindlichkeitserklärung, Rechtsverordnung oder eben vertraglicher Bezugnahme anwendbar sind. Auch im Fall der Bezugnahme wird der Schutz durch die Ausgewogenheit der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerrechte und -pflichten, wie sie die Tarifparteien aushandeln, erreicht (LAG Nürnberg 20.05.2014 - 6 Sa 76/14 - Rn 34). Wäre die tarifschließende Koalition nicht ausreichend durchsetzungsfähig und damit nicht tariffähig, so läge schon kein wirksamer Tarifvertrag vor, auf den im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL, § 8 Abs. 2 AÜG bzw. § 9 Nr. 2 AÜG a.F. wirksam verwiesen werden könnte. Die Tariffähigkeit der in § 1 des Arbeitsvertrages genannten Gewerkschaften steht jedoch außer Frage.

3. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 8 Abs. 2 Satz 1 bis 3 AÜG bzw. die Vorgängerregelung der §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Nr. 2 AÜG a.F. die Vorgabe von Art. 5 Abs. 3 der EU-LeiharbeitsRL erfüllt, wonach Abweichungen nur "unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern" erfolgen dürfen. Denn jedenfalls erfüllt das Tarifwerk igz/DGB-Gewerkschaft die europarechtlichen Vorgaben an den Gesamtschutz für Leiharbeitnehmer.

a) Jedenfalls für die Zeit bis 31.03.2017 meinte der deutsche Gesetzgeber offenbar, dieser Anforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er nur solche Tarifverträge privilegierte, die bestimmte Mindestarbeitsentgelte vorsehen (§ 3a AÜG). Dadurch werden aber nur die Löhne gesichert, nicht aber - wie es Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL fordert - auch die sonstigen Arbeitsbedingungen (ErfK-Wank, 19 Aufl. 2019, § 8 AÜG Rn 33 mwN). Zum Gesamtschutz gehören aber jedenfalls auch die unter den Gleichstellungsgrundsatz fallenden wesentlichen Arbeitsbedingungen bezüglich Arbeitszeit und Urlaub (Art. 3 Abs. 1 lit. f EU-LeiharbeitsRL). Es spricht daher viel dafür, dass die §§ 10 Abs. 4 Satz 2, 9 Nr. 2 AÜG a.F. die EU-LeiharbeitsRL nicht vollständig umgesetzt haben (so ErfK-Wank a.a.O. mwN; offen gelassen vom ArbG Gießen 14.02.2018 - 7 Ca 246/17).

Ob die von der Richtlinie geforderte Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern ab 01.04.2017 durch das Zusammenspiel des § 8 Abs. 2 AÜG mit den neu eingeführten Wartezeitregelungen in § 8 Abs. 4 AÜG gewahrt ist, erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls zweifelhaft (dafür etwa ArbG Gießen 14.02.2018 - 7 Ca 246/17 - mwN; dagegen etwa Wank, BB 2018, 1909, 1915).

b) Sollte der Gesetzgeber die Richtlinie in Bezug auf den geforderten Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer nicht vollständig umgesetzt haben, wären § 8 Abs. 2 AÜG bzw. die Vorgängerregelung des § 9 Nr. 2 AÜG a.F. richtlinienkonform auszulegen. Dies hieße, dass vom Gleichstellungsgrundsatz nur durch solche Tarifverträge abgewichen werden darf, die den europarechtlich vorgegebenen Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer achten.

aa) Unter "Achtung des Gesamtschutzes der Leiharbeitnehmer" ist dabei nicht zu verstehen, dass tarifliche Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz nach unten (etwa beim Entgelt) an anderer Stelle (etwa beim Urlaub) wieder ausgeglichen werden müssten. Dies folgt schon daraus, dass Art. 5 Abs. 1 EU-LeiharbeitsRL ebenso wie § 8 Abs. 1 AÜG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG a.F. das Optimum für die Leiharbeitnehmer bieten. Die eröffneten Abweichungsmöglichkeiten in Art. 5 Abs. 2 - 4 EU-LeiharbeitsRL können daher nur Abweichungen nach unten meinen.

Darüber hinaus zeigt die Entstehungsgeschichte der EU-LeiharbeitsRL, dass der Richtliniengeber mit dieser Einschränkung - wie Erwägungsgrund 19 der EU-LeiharbeitsRL ausdrücklich betont - nicht die Tarifautonomie der Sozialpartner beeinträchtigen wollte und insbesondere keine weitreichende Kontrolle von Tarifverträgen durch den EuGH bezweckt hat (Sansone in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.77). Dennoch hat der Rat es "für zweckmäßig erachtet, speziell darauf hinzuweisen, dass die Sozialpartner in ihren Vereinbarungen den Gesamtschutz von Leiharbeitnehmern achten müssen, wenn sie Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern treffen, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen" (Begründung des Rates zum gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 24/2008, ABl. C 254 E vom 07.10.2008 S. 43, zitiert nach Sansone in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.77). Die Beachtung des Gesamtschutzes stellt daher zwar eine Schranke der tariflichen Gestaltungsmacht dar. Einer strengen Kontrolle tariflicher Regelungen steht jedoch Art. 28 GRC entgegen, der bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs heranzuziehen ist und sämtliche Handlungen schützt, die mit dem Aushandeln und dem Abschluss von Tarifverträgen zusammenhängen (Sasonne in Preis/Sagan a.a.O Rn 12.77). Deshalb verlangt die EU-LeiharbeitsRL lediglich die Prüfung, ob die Tarifverträge die äußersten Grenzen der Öffnungsklausel einhalten, wobei den Tarifvertragsparteien ein weiter Spielraum zukommt (ArbG Gießen 14.02.2018 - 7 Ca 246/17 - juris; Sasonne in Preis/Sagan a.a.O. Rn 12.77 mit zahlreichen Nachweisen zu der kaum übersehbaren Meinungsvielfalt in Fn 211; Riechert, NZA 2013, 303, 306 m.w.N.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Einhaltung des Gesamtschutzes auch durch die Überprüfung der Tariffähigkeit der die Tarifverträge abschließenden Koalitionen kontrolliert wird (ErfK-Wank, 19. Aufl., 2019, § 8 AÜG Rn 34).

Das Wort "Gesamtschutz" spricht zudem für die Annahme einer allgemeinen Untergrenze der Arbeitsbedingungen und damit gegen einen Vergleich mit den jeweiligen Arbeitsbedingungen im entleihenden Unternehmen (Rebhahn/Schörghofer, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2. Auflage 2018, Art. 5 RL 2008/104/EG Rn. 20.). Auch scheint angesichts der Unterschiedlichkeit der Einsatzbranchen und der dort jeweils geltenden Arbeits- und insbesondere Entgeltbedingungen und der Notwendigkeit für die Tarifvertragsparteien der Leiharbeitsbranche, unabhängig davon ihrer eigenen Branche gerecht werdende Entgelte und sonstige Arbeitsbedingungen festzulegen, ein Anknüpfen des Begriffs des "Gesamtschutzes" an den Arbeitsbedingungen von Entleiherbranchen eher nicht sachgerecht (ArbG Gießen 14.02.2018 - 7 Ca 246/17 - juris). Im Sinne der Einhaltung einer Untergrenze ist zu verlangen, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls Arbeitsbedingungen aufstellen, die über die für alle Arbeitnehmer geltenden Mindeststandards hinausgehen (ArbG Gießen 14.02.2018 - 7 Ca 246/17 - juris; ähnlich Rebhahn/Schörghofer, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2. Auflage 2018, Art. 5 RL 2008/104/EG Rn. 20).

bb) Das Tarifwerk IGZ/DGB unterschreitet die Grenzen des durch Art. 5 Abs. 3 EU-LeiharbeitsRL zu achtenden Gesamtschutzes für Leiharbeitnehmer nicht.

Das tarifliche Entgelt lag in der Entgeltgruppe 1 im streitgegenständlichen Zeitraum von Januar 2017 bis April 2017 nicht unter dem für Leiharbeitnehmer auf Vorschlag der Tarifpartner nach der Zweiten LohnUGAÜV festgesetzten Mindeststundenentgelte der Klägerin kommen noch hinzu die Zuschläge nach den jeweiligen Tarifverträgen über die Branchenzuschläge.

Die tariflichen Arbeitszeitregelungen lagen deutlich über dem öffentlich-rechtlichen Schutzniveau des ArbZG. Nach § 3.1 des Manteltarifvertrages IGZ/DGB beträgt die regelmäßige monatliche Arbeitszeit 151,67 Stunden (= durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden). Dies liegt deutlich unter den nach § 3 ArbZG zulässigen 48 Wochenstunden. Die tatsächliche Lage der Arbeitszeit einschließlich der Pausen richten sich dabei nach dem Entleiherbetrieb, so dass insoweit dem Gleichstellungsgrundsatz Genüge geleistet ist.

Auch die übrigen Regelungen im Tarifvertrag sind im Hinblick auf den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer nicht zu beanstanden. Der tarifliche Mindesturlaub beträgt nach § 6 MTV IGZ/DGB mindestens 24 Arbeitstage und steigert sich nach Betriebszugehörigkeit auf bis zu 30 Arbeitstage. Der Mitarbeiter hat Anspruch auf Arbeitsbefreiung entsprechend den dort vorgesehenen tariflichen Regelungen (§ 5 MTV)

Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist daher der in der Europarechtsrichtlinie vorgesehene Gesamtschutz aufgrund der tarifvertraglichen Regelung gewährleistet, auch wenn die Klägerin nach eigenem Sachvortrag nicht mehr als 2/3 der behaupteten Vergütung der Stammbelegschaft erhalten hat.

4. Nachdem ein klägerischer Anspruch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht besteht, konnte insoweit dahingestellt bleiben, inwieweit von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche für Januar bis einschließlich März 2017 aufgrund den §§ 18 des Arbeitsvertrags vereinbarten Ausschlussfristen verfallen sind.

Die Berufung war als unbegründet abzuweisen.

III. Die Klägerin hat als unterlegener Rechtsmittelführerin die Kosten der Berufung zu tragen, § 97 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG).