OLG Bamberg, Beschluss vom 14.06.2021 - 2 UF 80/21
Fundstelle
openJur 2021, 21003
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 10.05.2021, Aktenzeichen 0217 F 580/21, wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 05.05.2021 die Eröffnung eines einstweiligen Anordnungsverfahrens gemäß §§ 1666 Abs. 1, Abs. 4 BGB, 49 ff. FamFG angeregt. Seiner Auffassung nach sei durch die Anordnung des Tragens eines Mund- und Nasenschutzes während und außerhalb des Unterrichts am ...-Gymnasium in ... sowie die Zulassung von Testverfahren zur Erfassung einer möglichen COVID-19-Infektion das körperliche und seelische Wohl der die Schule besuchenden Kinder beeinträchtigt. Er sei Vater eines von den Maßnahmen betroffenen Schulkindes. Aufgrund besonderer Dringlichkeit seien entsprechende Anordnungen mit sofortiger Wirkung zu untersagen. Hinsichtlich der Einzelheiten des in weiten Teilen formularmäßig gehaltenen und nicht näher auf die individuellen Verhältnisse innerhalb der bezeichneten Schule eingehenden Schreibens wird auf dessen Inhalt Bezug genommen.

2. Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 10.05.2021 der Anregung des Beschwerdeführers keine Folge geleistet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in erster Linie die Überprüfung von Maßnahmen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung anstrebe. Dieses sei jedoch als öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht zulässiger Gegenstand eines Verfahrens gemäß § 1666 BGB. Überdies fehle es an jedweden Angaben zu einer konkret bezeichneten Gefährdung eines individualisierbaren Kindes. Auch die gerichtsbekannten Maßnahmen im Schulbetrieb rechtfertigten nicht die Einleitung eines Verfahrens wegen Kindeswohlgefährdung.

3. Der Beschwerdeführer hat mit am 17.05.2021 eingegangenem Schreiben vom 15.05.2021 gegen den "Beschluss des Amtsgerichts" Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist er auf eine durch die angegriffene Verfügung erfolgte unzulässige Verweisung an das Verwaltungsgericht.

Mit Verfügung vom 26.05.2021 hat der Senat dem Beschwerdeführer den Hinweis erteilt, dass Bedenken hinsichtlich seiner Beschwerdeberechtigung bestehen, da sich aus dem Elternrecht im Rahmen von § 1666 BGB kein Anspruch auf hoheitliches Einschreiten zur Abwehr einer etwaigen Gefahr ergibt. Hierauf hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.06.2021 lediglich auf einen (anders gelagerten) Zurückverweisungsbeschluss des 7. Familiensenats beim OLG Bamberg vom 17.05.2021 (Az. 7 WF 124/21) verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 57, 58 Abs. 1, 24 FamFG bereits unstatthaft (1.). Darüber hinaus fehlt es dem Beschwerdeführer an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung, § 59 Abs. 1 FamFG (2.). Die Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen fehlt es an der sachlichen Zuständigkeit des Familiengerichts für die angeregten Maßnahmen (3.).

1. Im Rahmen der Anregung eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens nach § 24 FamFG ist eine Beschwerde grundsätzlich nicht statthaft. § 24 FamFG eröffnet die Möglichkeit einer gerichtlichen Vorprüfung, wobei sich deren Ergebnis als rein interner Akt ohne Außenwirkung darstellt. Diese Außenwirkung wird erst durch die Einleitung des Verfahrens hergestellt (vgl. MüKo/FamFG-Ulrici, 3. Aufl., § 24 Rn. 13 ff.; Keidel-Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 24 Rn. 9). Dies gilt auch für entsprechende einstweilige Anordnungsverfahren.

Demgegenüber ist eine Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG dann ausnahmsweise statthaft, wenn das Gericht aufgrund der Anregung eine abschließende Endentscheidung als eine den Verfahrensgegenstand erledigende ablehnende Sachentscheidung trifft, durch die der jeweilige Beteiligte in eigenen Rechten betroffen wird (vgl. BGH, Beschluss v. 24.04.2012, Az. II ZB 8/10; OLG Koblenz, Beschluss v. 14.11.2016, Az. 7 UF 611/16; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 01.03.2016; OLG Brandenburg, Beschluss v. 06.05.2015, Az. 15 WF 91/15). Daran fehlt es vorliegend.

Einerseits hat das Amtsgericht bereits ausdrücklich eine inhaltliche Befassung mit der Frage des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 Abs. 1, Abs. 4 FamFG abgelehnt, so dass es an einer Sachentscheidung fehlt. Dieses erfolgte sowohl aufgrund der nicht gegebenen Zuständigkeit für die vom Beschwerdeführer primär angestrebte Überprüfung landesrechtlicher Normen zum Infektionsschutz als auch wegen fehlender Angaben zur konkreten Betroffenheit und Gefährdung einzelner Kinder im Rahmen des Schulbetriebs.

Andererseits liegt durch die Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens offensichtlich keine Beeinträchtigung des Beschwerdeführers in eigenen Rechten vor. In Betracht käme allein das Elternrecht gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Die organisatorische Gliederung der Schule und die strukturellen Festlegungen des Ausbildungssystems gehören indes zu dem der elterlichen Bestimmung grundsätzlich entzogenen staatlichen Gestaltungsbereich gemäß Art. 7 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss v. 19.08.2015, Az. 1 BvR 2388/11). Ferner ergeben sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers keinerlei Anhaltspunkte für Art und Umfang der persönlichen Betroffenheit durch gegenüber seinem Kind angeordnete und wirkende Maßnahmen des Hygieneschutzes im Schulbetrieb.

Schließlich ist im vom Beschwerdeführer angeregten Verfahren der einstweiligen Anordnung auch keine Entscheidung des Amtsgerichts aufgrund mündlicher Erörterung gemäß § 32 Abs. 1 FamFG ergangenen. Dieses führt ebenfalls zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Amtsgerichts (§ 57 Satz 1, Satz 2 FamFG) und somit zur Unzulässigkeit der Beschwerde.

2. Es fehlt überdies an der Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers, § 59 Abs. 1 FamFG. Diese setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Endentscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Erforderlich ist eine materielle Beschwer durch unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts des Beschwerdeführers.

a) Werden Maßnahmen zum Schutz des Kindes abgelehnt, so kann dadurch der Schutzanspruch des Kindes gegenüber dem Staat berührt werden. Das staatliche Wächteramt besteht indes allein zum Schutz des Kindes. Der Staat ist dem Kind verpflichtet, es vor schweren Beeinträchtigungen seines Wohlergehens zu schützen. Er ist nicht den Eltern verpflichtet, das Kind zu schützen. Ein Elternteil hat deshalb keinen Anspruch auf hoheitliches Einschreiten zur Gefahrenabwehr gegenüber Dritten (OLG Brandenburg, Beschluss v. 31.03.2014, Az. 13 UF 50/14).

Ein unmittelbarer Eingriff in das Recht der elterlichen Sorge durch deren Entzug oder zumindest teilweise Beeinträchtigung ist vorliegend nicht erkennbar. Überdies ist im Rahmen des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers im Verfahren bereits nicht dargelegt, dass ihm das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht für ein betroffenes minderjähriges Kind zusteht. Dass er womöglich meint, ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung zu haben, genügt nicht, um eine materiellrechtliche, subjektive Berechtigung und damit eine Beschwerdebefugnis zu begründen (vgl. BGH, Beschluss v. 13.04.2005, Az. XII ZB 54/03).

b) Hingegen ist das Kind selbst bei Ablehnung der angeregten Maßnahmen nach § 1666 BGB beschwerdebefugt (Prütting/Helms-Abramenko, FamFG, 5. Aufl., § 59 Rn. 29; MüKo-FamFG/Fischer, 3. Aufl., § 59 Rn. 41). Der Beschwerdeführer hat vorliegend jedoch ausdrücklich in eigenem Namen und nicht in Vertretung des nach Name, Alter oder Geschlecht nicht näher bezeichneten Kindes gehandelt.

3. Der Senat teilt im Übrigen die Auffassung des Amtsgerichts, dass hinsichtlich einer Überprüfung der in Bezug genommenen hygiene- und infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen, Anordnungen und Regelungen der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG und damit die sachliche Entscheidungsbefugnis des Familiengerichts nicht gegeben ist (so überzeugend auch OLG Nürnberg, Beschluss v. 28.04.2021, Az. 9 WF 343/21; OLG Frankfurt, Beschluss v. 05.05.2021, Az. 4 UF 90/21).

Der Beschwerdeführer strebt die Überprüfung organisatorischer Maßnahmen im von Art. 7 Abs. 1 GG geschützten staatlichen Schulwesen sowie von Rechtsetzungsakten des staatlichen Verordnungsgebers an. Behördliche Anordnungen, die an Schulträger oder Beteiligte des Schullebens gerichtet sind und gegenständlich den schulischen Bereich betreffen (z.B. infektionsschutzrechtliche Verpflichtung von Schülern zum Tragen von Mund-Nasenschutz, Abstandsgebote und Testanordnungen in der Schule) sind ebenso wie Normsetzungstätigkeit öffentlich-rechtlicher Natur (BeckOK-VwGO/Reimer, Stand 01.04.2021, § 40 Rn. 71a). Es fehlt an einer Anordnungskompetenz des Familiengerichts gegenüber Hoheitsträgern wie Schulträgern oder einzelnen Lehrkräften (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 29.07.2015, Az. 1 BvR 1468/15 bzgl. Jugendamt). Daher ist vorliegend gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Diesen will der Beschwerdeführer aber nach seinen Erklärungen ausdrücklich nicht beschreiten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 42 Abs. 2, 41, 40 FamGKG.

Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt, § 70 Abs. 4 FamFG.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte