OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.06.2021 - 4 A 1236/20
Fundstelle
openJur 2021, 20571
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 K 1965/18
Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 13.3.2020 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Minden wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Das Zulassungsvorbringen begründet nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angegriffenen Urteils (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,

den Bescheid der Beklagten vom 9.4.2018 (Ziff. 1 bis 3) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle im Gebäude I. Str. 1-3 in C. zu erteilen,

hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung von Ziff. 1 des Bescheids vom 9.4.2018 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden,

abgewiesen. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis noch auf Neubescheidung ihres Antrags. Der Betrieb ihrer Spielhalle verstoße gegen das Verbot der Mehrfachkonzessionen nach § 16 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AG GlüStV NRW sowie § 25 Abs. 2 GlüStV. Die Beklagte habe von den drei im Gebäude I. Straße 1-3 befindlichen Verbundspielhallen ‒ der Klägerin, der B. D. GmbH und der D. Q. Spielhallen GmbH, die alle über die N. D. GmbH rechtlich und wirtschaftlich verbunden seien ‒ die Spielhalle der D. Q. Spielhallen GmbH ausgewählt. Die Auswahl per Losentscheid sei mangels Benennung einer Spielhalle durch die Betreiber und wegen fehlender Unterscheidbarkeit der Spielhallen anhand sachlicher Auswahlkriterien rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erteilung der begehrten glücksspielrechtlichen Erlaubnis auch im Wege der Härtefallbefreiung nicht zu. Eine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV sei nicht gegeben, weil im Falle der Klägerin kein atypischer Einzelfall vorliege. Unabhängig davon habe die Klägerin nicht dargelegt, dass sie die fünfjährige Übergangsfrist zu einer Umstrukturierung oder schonenden Abwicklung ihres Geschäftsbetriebs genutzt habe.

Die gegen diese Wertung erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei fälschlich davon ausgegangen, dass bei der Prüfung, ob eine unbillige Härte vorliege, eine standortbezogene Betrachtung nur dann vorzunehmen sei, wenn es sich bei der Spielhalle um die einzige Spielhalle des Betreibers handle, führt nicht zur Berufungszulassung. Das Verwaltungsgericht hat nicht ausschließlich die wirtschaftlichen Belastungen des Gesamtunternehmens, der N. D. GmbH, sondern ebenso die wirtschaftlichen Belastungen der Klägerin (standortbezogen) in den Blick genommen (Urteilsabdruck, Seite 20, zweiter bis vorletzter Absatz, sowie Seite 22, letzter Absatz, bis Seite 24, vorletzter Absatz). Dabei ist es zu der Ansicht gelangt, dass (auch) bezogen allein auf den Standort der Klägerin keine unbillige Härte vorliege. Dieser Einschätzung ist das Zulassungsvorbringen nicht durchgreifend entgegengetreten.

Es gibt nichts Durchgreifendes dafür her, dass im Falle der Klägerin eine unbillige Härte für den Standort vorliegen könnte. Wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat (Urteilsabdruck, Seite 20, zweiter bis vorletzter Absatz), fehlt bereits in Bezug auf die vorgebrachten Investitionen jeglicher Vortrag dazu, inwieweit die angefallenen Investitionen und sonstigen Aufwendungen während des Betriebs mit dem entsprechenden Betriebsgewinn ausgeglichen worden sein könnten. Die weitere Behauptung der Klägerin, die Verkleinerung des Standorts von drei auf eine Spielhalle sei wirtschaftlich untragbar, stellt die Wirtschaftlichkeit der ihrer Wirtschaftlichkeitsberechnung zu Grunde gelegten Geschäftsführung generell in Frage, ist aber kein Argument für die Einräumung einer über die Übergangsfrist hinausgehenden Abwicklungsfrist. Die Härtefallklausel, die ohnehin nur noch bis Ende Juni 2021 gilt,

vgl. § 29 GlüStV 2021, GV. NRW. 2021, S. 459, sowie die Begründung hierzu in LT-Drs. 17/11683, S. 216,

ermöglicht es nicht, darüber hinaus bestehenden wirtschaftlichen Belangen von Spielhallenbetreibern dauerhaft oder auch nur langfristig Rechnung zu tragen, sondern lediglich vorübergehend bis zu einer, wenn auch im Einzelfall nur verzögert möglichen, Anpassung an die neue Rechtslage, längstens bis zum 30.6.2021. Selbst bei unzumutbaren Belastungen können Bestands- und Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV eine Erlaubniserteilung nur für einen angemessenen (begrenzten) Zeitraum rechtfertigen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.10.2019 ‒ 4 A 1826/19 ‒, DVBl. 2020, 453 = juris, Rn. 55.

Ebenso wenig greift der weitere Einwand der Klägerin durch, sie habe hinreichend dargelegt, dass erhebliche Anstrengungen unternommen worden seien, um die möglichen Folgen eines Härtefalls abzuwenden.

Spätestens nachdem der Gesetzgeber im Glücksspielstaatsvertrag mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren - von Härtefällen abgesehen - ein Verbot von Mehrfachkonzessionen bestimmt hatte, oblag es der Klägerin bzw. ihrer Muttergesellschaft, die Übergangsfrist zu nutzen, um die voraussehbare Schließung jedenfalls von zwei der drei Spielhallen möglichst wirtschaftlich tragfähig vorzubereiten. Dazu hätte gehört, von Möglichkeiten zur Beendigung der Mietverhältnisse für diese Spielhallen, auch im Verhandlungsweg oder im Wege der außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen, möglichst frühzeitig im Wege der üblichen Fluktuation die Gelegenheit zur Personalreduktion zu nutzen und Geräteverträge nach und nach auslaufen zu lassen, um die Betriebskosten frühzeitig zu reduzieren und Abfindungen zu vermeiden. Auch hätte sie Möglichkeiten nutzen können, ihre Investitionskosten in kürzerer Zeit zu amortisieren als ursprünglich im Wege der Abschreibung geplant.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.3.2021 ‒ 4 A 4700/19 ‒, juris, Rn. 93 ff., m. w. N., und Beschluss vom 24.2.2021 - 4 B 932/19 -, juris, Rn. 15 ff., m. w. N.

Vorliegend fehlt es an substantiiertem Vortrag und Nachweisen, dass die Klägerin während der fünfjährigen Übergangsfrist versucht hat, Möglichkeiten zur Abwendung des Härtefalls zu ergreifen. Insbesondere hat sie nicht einmal vorgetragen, dass sie den Vermieter der in Rede stehenden Räumlichkeiten hinsichtlich einer Umnutzung oder aber (Teil-)Kündigung angesprochen habe. Aus ihrem Verweis auf die andernorts erfolgte Erprobung neuer Konzepte zu einer Umnutzung von Spielhallenflächen ergibt sich ebenfalls kein Anhalt dafür, ob und wie die Klägerin die gesetzlich eingeräumte Übergangfrist zu einer der neuen Rechtslage Rechnung tragenden Umstrukturierung des Geschäftsbetriebs am konkreten Standort genutzt hat.

Schließlich greift das Vorbringen der Klägerin nicht durch, die Beklagte habe nicht im Wege eines Losverfahrens bestimmen dürfen, welche Betreibergesellschaft künftig an dem Standort eine Spielhalle betreiben dürfe. Wie bereits oben ausgeführt, oblag es vielmehr der Klägerin bzw. ihrer Muttergesellschaft, die Übergangsfrist zu nutzen, um die absehbare Schließung von zwei ihrer drei Spielhallen möglichst wirtschaftlich tragfähig vorzubereiten. Da sie sich mithin darauf einstellen musste, dass nach Ablauf der für sie geltenden Übergangsfrist ausschließlich eine der drei Spielhallen an ihrem Standort betrieben werden darf, ist die Versagung einer Erlaubnis für zwei der drei Spielhallen durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte die Beklagte die Bestimmung der Spielhalle, die bestehen bleiben darf, ermessensfehlerfrei vornehmen, weil die Klägerin bzw. ihre Muttergesellschaft trotz entsprechender Aufforderung durch die Beklagte nicht mitgeteilt hatte, welche Spielhalle allein fortgeführt werden soll. Vielmehr hatte sich die Klägerin in ihrer Antwort darauf versteift, dass alle drei Spielhallen weiterbetrieben werden sollen, was gesetzlich nicht vorgesehen ist. Angesichts dessen war es im konkreten Einzelfall rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte, nachdem eine Bestimmung anhand qualitativer oder standortbezogener Kriterien wegen fehlender Unterscheidbarkeit der drei Spielhallenbetriebe nicht möglich war, durch Losentscheid die Spielhalle ermittelt hat, die bestehen bleiben durfte.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.1.2018 ‒ 4 B 1376/17 ‒, juris, Rn. 10 f., unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 16.12.2016 ‒ 8 C 6.15 ‒, BVerwGE 157, 126 = juris, Rn. 55.

Die Rechtssache hat auch nicht die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.2.2021 - 4 A 968/20 -, juris, Rn. 24 f., m. w. N.

Daran fehlt es hier. Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfenen Fragen,

ob bei der Prüfung einer unbilligen Härte eine standortbezogene Betrachtung nur dann vorzunehmen sei, wenn es sich bei der Spielhalle um die einzige Spielhalle des Betreibers handele,

und

ob die Beklagte auf Grund der gemeinsamen Muttergesellschaft der Betreiber (unechte Konkurrenzsituation) eine Auswahl per Los habe treffen dürfen,

sind nicht klärungsbedürftig. Sie würden sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Die Frage, auf welchen Betreiber es bei der Prüfung einer unbilligen Härte ankommt, stellt sich bereits deshalb nicht, weil die Klägerin selbst bei standortbezogener Betrachtung schon nicht dargelegt hat, dass und wie sie die fünfjährige Übergangsfrist zu einer Umstrukturierung ihres Geschäftsbetriebs genutzt hat. Die zweite einzelfallbezogene Frage bedarf keiner grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren, weil die Klägerin bzw. ihre Muttergesellschaft unabhängig von und lange vor einer Bestimmung durch die Beklagte eine eigene Entscheidung treffen konnte.

Abgesehen davon kommt eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache bezogen auf die streitgegenständliche Übergangsregelung in § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV, die ohnehin in Kürze geändert werden soll, nicht in Betracht, weil Rechtsfragen zu auslaufendem oder ausgelaufenem Recht oder zu Übergangsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung haben. In Fällen dieser Art kann in einem Berufungs- oder Revisionsverfahren keine für die Zukunft richtungsweisende Klärung erreicht werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2021 - 6 BN 2.20 -, juris, Rn. 6, m. w. N.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

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