VG Minden, Urteil vom 26.05.2021 - 3 K 95/18
Fundstelle
openJur 2021, 20569
  • Rkr:

1. Welche Kostenpositionen dem Benutzer einer Einrichtung über Benutzungsgebühren auferlegt werden dürfen, unterliegt voller verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Soweit Kostengruppen bereits dem Grunde nach nicht in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden dürfen, kommt dem Satzungsgeber nämlich kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Prognosespielraum zu.2. Der Veranstalter eines Volksfestes i. S. d. § 60b GewO (hier: eine Gemeinde) ist bei der Erhebung von öffentlichrechtlichen Benutzungsgebühren gegenüber Beschickern an die Vorgaben von § 71 GewO gebunden. § 71 Satz 3 GewO schließt eine Anwendung dieser Vorschrift im landesrechtlichen Kommunalabgabenrecht nicht aus.3. Zur Frage des Zusammenwirkens von § 71 GewO und nordrheinwestfälischem Benutzungsgebührenrecht hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit bestimmter Kostenpositionen in der Gebührenkalkulation (hier: Berücksichtigungsfähigkeit verneint hinsichtlich der Kosten für die Aufstellung und den Betrieb sanitärer Anlagen, für den Sanitätsdienst, für das Bühnenprogramm und für ein vergünstigtes Nahverkehrsticket).VG Minden, Urteil vom 26.05.2021 - 3 K 95/18 -.

Tenor

Der Gebührenbescheid Nr. 116 bezüglich des Betriebs "L. -F1. -S1. " vom 07.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 05.12.2017 wird aufgehoben, soweit durch diesen Gebühren festgesetzt wurden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Überlassung von Raum auf einem Volksfest.

Der Kläger ist Schausteller. Mit seinem Geschäft "L. -F1. -S1. " bewarb er sich auf die Teilnahme an dem von der beklagten Gebietskörperschaft selbst veranstalteten M. 2017.

Mit ihrem "Zulassungs- und Gebührenbescheid" vom 07.03.2017 ließ die Beklagte den Kläger zu der M. -Kirmes 2017 zu und setzte ihm gegenüber Gebühren in Höhe von 1.957,55 Euro fest. Die Gebührenerhebung stützte die Beklagte auf ihre Satzung über die Erhebung von Gebühren bei Märkten in der Stadt Q. vom 24.11.2017, die rückwirkend ab dem 01.02.2017 in Kraft trat (im Weiteren: "Gebührensatzung").

Der Gebührensatzung lag eine Gesamtkalkulation für die Kosten der vier Veranstaltungen M1. , M. , I. und Weihnachtsmarkt sowie der drei Q1. Wochenmärkte zu Grunde. Hierfür wurden insgesamt 956.468,85 Euro an Ausgaben kalkuliert, denen 88.100,00 Euro kalkulierte Einnahmen für Sponsoring, Verkaufserlöse aus Glasverkäufen, Mieterträgen für die Überlassung von Weihnachtsmarkthütten und die Erstattung von Bewirtschaftungskosten gegenüberstanden. Zudem sah die Beklagte einen Kostenanteil aus dem allgemeinen Haushalt in Höhe von 33.000,00 Euro vor.

Hieraus ermittelte die Beklagte im nächsten Schritt die Kosten der einzelnen Veranstaltungen. Die Kosten des M. betrugen auf dieser Grundlage 440.845,70 Euro. Berücksichtigt wurden hierbei Kosten in Höhe von 22.000,00 Euro für den Sanitätsdienst, in Höhe von 27.650,00 Euro für die Aufstellung sanitärer Anlagen, in Höhe von 68.500,00 Euro für das Bühnenprogramm und in Höhe von 23.000,00 Euro für den Sondertarif "M. -Ticket". Aus diesen Beträgen bildete die Beklagte unter Berücksichtigung von Äquivalenzziffern für Sonderkosten und je nach dem konkreten Standort konkrete Quadratmetergebührensätze.

Gegen den Zulassungs- und Gebührenbescheid erhob der Kläger am 04.04.2017 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2017 zurückwies.

Der Kläger hat am 08.01.2018 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die dem Bescheid zu Grunde liegende Gebührensatzung sei rechtswidrig und nichtig. Der in der Gebührensatzung vorgesehene Gebührensatz sei unwirksam, da die zugrundeliegende Kalkulation Kostenansätze enthalte, die für die Ermittlung von Benutzungsgebühren nicht hätten einbezogen werden dürfen.

Die Umlage der Kosten des "M. -Tickets" sei unzulässig, weil sie in keinem Zusammenhang mit den in § 71 GewO vorgesehenen Leistungen stehe und es sich insbesondere nicht um Werbung handele. So sei das Angebot eines vergünstigten Bustickets zur Vermeidung von zu viel Verkehr in der verkehrlich stark in Anspruch genommenen Innenstadt geschaffen worden und sei dazu gedacht, den Besuchern Parkplatzsuche und Parkgebühren zu ersparen. Insbesondere sei das Ticket nicht vergleichbar mit Werbemaßnahmen wie Plakat- oder Radiowerbung, weil es nicht über den Charakter der Veranstaltung informiere und nicht einmal dazu animiere, das Fest zu besuchen, sondern lediglich die Anfahrt erleichtern solle.

Auch die Einbeziehung der Kosten für die unentgeltliche Bereitstellung öffentlicher Sanitäranlagen auf die Schausteller sei unzulässig, weil es sich hierbei nicht um Versorgungseinrichtungen oder Versorgungsleistungen im Sinne von § 71 Satz 1 GewO handele. Hierzu zähle nämlich ausschließlich der Anschluss an eine Versorgungseinrichtung, nicht hingegen ihre Herstellung selbst. Zudem handele es sich um Einrichtungen, die vorrangig von den Besuchern und nicht von den Schaustellern in Anspruch genommen würden. Die Aufstellung von öffentlichen Toiletten sei insofern dem allgemeinen Ordnungsrecht zuzuordnen und diene der Gefahrenabwehr.

Auch die Einbeziehung von Kosten für den Einsatz von Sanitätern sei unzulässig. Es handele sich hierbei nämlich gerade nicht um eine "Versorgung" der Schausteller, sondern um nicht ansatzfähige Gemeinkosten.

Ebenfalls unzulässig sei die Berücksichtigung der Kosten im Zusammenhang mit dem Bühnenprogramm am Rathausplatz. Die Sachkosten umfassten hierfür die Miete für die Bühne, die Kosten für deren Auf- und Abbau sowie das Entgelt und die Verpflegung für die Künstler. Die hierdurch verursachten Kosten seien ohne Abschläge auf alle Schausteller des M. -Festes umgelegt worden. Dies sei unzulässig, weil § 71 GewO eine entsprechende Umlage ausschließe. Es handele sich insbesondere nicht um Werbung.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Satzung sei es auch unerheblich, ob die bereits im Ansatz nicht zu berücksichtigenden Kosten die Höhe von 3 % der voraussichtlichen Kosten der gebührenpflichtigen Einrichtung insgesamt überschritten. Die Unerheblichkeitsgrenze sei nämlich nur aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt, die sich aus den Unwägbarkeiten der Prognose des Satzungsgebers ergäben. Dieser Gedanke sei auf bereits dem Grunde nach nicht zu berücksichtigende Kostenansätze nicht übertragbar.

Der Kläger beantragt,

den Gebührenbescheid Nr. 116 bezüglich des Betriebs "L. -F1. -S1. " vom 07.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2017 aufzuheben, soweit durch diesen Gebühren festgesetzt wurden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das M. -Ticket könne in der Gebührenkalkulation berücksichtigt werden. Nach § 71 Satz 2 GewO könne der Veranstalter nämlich eine Beteiligung an den Kosten für die Werbung verlangen. Das M. -Ticket stelle eine solche Werbemaßnahme zur Attraktivitätssteigerung der Gesamtveranstaltung dar. Im Rahmen des M. -Tickets würden vergünstigte Fahrpreise angeboten und das ÖPNV-Angebot massiv ausgeweitet. Es trage auch erheblich dazu bei, dass Besucher das M. -Fest bis weit in die Nacht annehmen würden. Das Ticket sei eng mit dem M. -Fest verquickt und werde auch in Werbeanzeigen verwendet.

Auch die Kosten für die aufgestellten Toiletten seien in der Kostenkalkulation berücksichtigungsfähig. Vor dem Hintergrund der Bedeutsamkeit des M. mit seinem religiösen Ursprung als einmalige Mischung aus kirchlichen Feierlichkeiten und weltlichem Fest entspreche es dem Veranstaltungskonzept der Beklagten, Besuchern des M. -Festes eine niveauvolle und qualitativ ansprechende Veranstaltungsumgebung zu bieten. Um darauf aufbauend das wilde Urinieren in den anliegenden Straßen und Gassen zu vermeiden und um eine größtmögliche Akzeptanz zu erwirken, stelle die Beklagte in ausreichender Anzahl öffentliche Toilettenwagen zur unentgeltlichen Nutzung als Serviceleistung bereit. Die öffentlichen Toilettenwagen mit kostenloser Benutzung stellten ein besonderes Qualitätsmerkmal der Veranstaltung M. dar. Sie lägen hinsichtlich Größe und Ausstattung sowie mit personeller Betreuung über einem "Standard-Toilettenwagen". Durch diesen gehobenen Standard werde natürlich auch ein Wohlfühleffekt bei den Besuchern erzielt.

Die Kosten für den Sanitätsdienst seien ebenfalls ansatzfähig. Sie stünden nämlich im unmittelbar adäquat kausalen Zusammenhang mit dem Volksfest. Zwar bestehe keine rechtliche Verpflichtung zur Vorhaltung eines Sanitätsdienstes, die Beklagte habe jedoch ein Sicherheitskonzept erstellt, in dem der Sanitätsdienst vorgesehen sei.

Auch das Bühnenprogramm am Rathaus sei zu Recht in die Gebührenkalkulation eingestellt worden. Hierbei handele es sich nämlich um eine Werbemaßnahme zur Attraktivitätssteigerung der Gesamtveranstaltung M. . Die Schausteller profitierten insbesondere von der einzigartigen Mischung an kulturellen Angeboten, die dazu führe, dass die Besucher sämtliche Teile des M. besuchten.

Soweit im Übrigen doch eine Kostenüberschreitung wegen einer nicht ansatzfähigen Kostenposition angenommen würde, sei jedenfalls zu berücksichtigen, dass sich dies nur dann auf die Rechtmäßigkeit der Satzung insgesamt auswirke, wenn die Kostenüberschreitung mehr als 3 % betrage, da eine missbräuchliche Ausnutzung des Prognosespielraumes nicht vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge zum Verfahren 3 K 3472/18 sowie auf die weiteren Unterlagen, die von der Beklagten zum Verfahren 3 K 3471/18 gereicht wurden, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 07.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2017 ist im angegriffenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dem angegriffenen Bescheid fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Gebührensatzung unterliegt hinsichtlich der Frage der rechtlichen Ansatzfähigkeit von Kostenpositionen der vollen gerichtlichen Kontrolle (I.). Sie ist hinsichtlich des Kostentarifs des § 3 Gebührensatzung nichtig (II.).

I. Die rechtliche Fragestellung, welche Kostenpositionen dem Benutzer einer Einrichtung über Benutzungsgebühren dem Grunde nach auferlegt werden dürfen, unterliegt voller verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Hierbei kommt der Beklagten kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Prognosespielraum zu.

Das Gericht verkennt mithin nicht, dass bei Aufstellung einer Gebührenkalkulation, sofern die in der Einrichtung in dem jeweiligen Erhebungszeitraum anfallenden Kosten noch nicht definitiv feststehen, eine Prognoseentscheidung zu treffen ist, die entsprechend § 114 VwGO nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.

Vgl. hinsichtlich Abfallgebühren OVG NRW, Beschluss vom 23.10.2002 - 9 A 3834/02 -, juris Rn. 4 f. mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 09.08.1999 - 9 A 3133/97 -, n. v.

Dieser Maßstab entbindet das Gericht indes nicht von der Verpflichtung, die vom Kläger substantiiert angegriffene Berücksichtigung konkreter einzelner Positionen in der Gebührenkalkulation auf ihre Berücksichtigungsfähigkeit für die Ermittlung der Gebührenhöhe zu überprüfen. Denn soweit Kostengruppen bereits dem Grunde nach nicht für die Gebührenkalkulation berücksichtigt werden dürfen, kommt dem Satzungsgeber kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Prognosespielraum hinsichtlich der Höhe der einzustellenden Kosten zu.

II. Die Gebührensatzung ist hinsichtlich des Kostentarifs für den M. gemäß § 3 Gebührensatzung nichtig, denn sie verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit für die ihr zu Grunde liegende Gebührenkalkulation auch Kosten für die sanitären Anlagen (1.), den Sanitätsdienst (2), das Bühnenprogramm (3.) und für das M. -Ticket (4.) berücksichtigt wurden. Diese Kosten dürfen gemäß § 71 Sätze 1 und 2 GewO nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt werden, weil sie weder Kosten für die Überlassung von Raum und Ständen bzw. für die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen und Versorgungsleistungen noch eine Beteiligung an den Kosten der Werbung darstellen.

1. Die Kosten für die sanitären Anlagen können gemäß § 71 Sätze 1 und 2 GewO nicht auf die Beschicker umgelegt werden, denn sie stellen weder Kosten für die Überlassung von Raum und Ständen noch für die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen und Versorgungsleistungen i. S. v. § 71 Satz 1 GewO dar noch können die Kosten als Beteiligung an der Werbung gemäß § 71 Satz 2 GewO verlangt werden.

§ 71 GewO ist vorliegend tatbestandlich anwendbar, weil es sich bei der M. -Kirmes um ein festgesetztes Volksfest i. S. v. § 60b GewO handelt.

Die Anwendbarkeit des § 71 GewO und die bindenden Vorgaben von § 71 Sätze 1 und 2 GewO auch für das landesrechtliche Abgabenrecht werden nicht durch § 71 Satz 3 GewO ausgeschlossen. § 71 Satz 3 GewO regelt, dass landesrechtliche Bestimmungen über die Erhebung von Benutzungsgebühren durch Gemeinden und Gemeindeverbände unberührt bleiben.

Dies ist dahingehend auszulegen, dass das Bundesrecht mit § 71 Sätze 1 und 2 GewO dem Gebührensatzungsgeber Grenzen hinsichtlich der dem Grunde nach ansatzfähigen Kosten auferlegt, d. h. die in die Gebührenkalkulation einzustellenden Kosten dem Grunde nach beschränkt und nur die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Volksfest stehenden Kosten (auch der Gemeinkosten) eingestellt werden dürfen.

Vgl. VG Münster, Urteil vom 07.12.2012 - 7 K 2010/10 -, juris Rn. 22.

Die Bestimmungen in § 71 Sätze 1 und 2 GewO sagen jedoch nichts über die Höhe der Gebührensätze aus, die sich nach den Gebührenvorschriften der Länder richtet, was § 71 Satz 3 GewO klarstellend feststellt.

Vgl. BT-Drs. 7/3859, S. 17.

Gemäß § 71 Satz 1 GewO darf der Veranstalter bei Volksfesten, Wochenmärkten und Jahrmärkten eine Vergütung nur für die Überlassung von Raum und Ständen und für die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen und Versorgungsleistungen einschließlich der Abfallbeseitigung fordern.

Ziel des § 71 GewO ist es, zu "verhindern, daß z. B. der Veranstalter den Wochenmarkt dadurch zum Erliegen bringt, daß er durch die Forderung eines Eintrittsgeldes Besucher und Beschicker fernhält".

Vgl. BT-Drs. 7/3859, S. 17.

Die in der Gesetzesbegründung noch erkennbare Beschränkung auf Wochenmärkte hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens insbesondere auch auf Jahrmärkte und Volksfeste erweitert.

Vgl. BT-Drs. 7/4846, S. 11.

Aus der historischgenetischen Auslegung ergeben sich Grenzen für die Geltendmachung der Vergütung für die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen, sodass "eine Vergütung für [...] für die anteilige Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen, d. h. für den Anschluß an solche Einrichtungen (z. B. Wasser- und Kanalanschluß), nicht aber für die Herstellung der Versorgungseinrichtung selbst verlangt werden" kann.

Vgl. BT-Drs. 7/3859, S. 17.

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass § 71 Satz 1 GewO sowohl für private wie auch für öffentlichrechtliche Veranstalter eine abgabenbegrenzende Wirkung entfalten soll, die jedoch in begrenztem Maße einer Berücksichtigung von Gemeinkosten nicht entgegensteht. So hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass "auch die dem Veranstalter durch die Veranstaltung entstehenden Gemeinkosten (z. B. anteilige Gehälter und Vergütungen für Marktmeister und Marktverwalter) sowie Abschreibungskosten berücksichtigt werden [können]. Darüber hinaus darf nach dieser Vorschrift bei Wochenmärkten eine Vergütung nicht gefordert werden. Von den Besuchern darf auch künftig Eintrittsgeld nicht erhoben werden."

Vgl. BT-Drs. 7/3859, S. 17.

Insbesondere hinsichtlich der in der Gesetzesbegründung angesprochenen Gemeinkosten hat der Gesetzgebers hierbei Wert auf eine restriktive Auslegung gelegt, wonach zu vermeiden sei, das alle Gemeinkosten einer Verwaltung in die Gebührenkalkulation eingingen, insofern sollten diese nur soweit berücksichtigt werden, "als sie im unmittelbaren Zusammenhang mit der jeweiligen Veranstaltung stehen."

Vgl. BT-Drs. 7/4846, S. 11.

Der Begriff der Gemeinkosten ist zusätzlich vor dem Hintergrund des Wortlautes des § 71 Satz 1 GewO eingeschränkt zu verstehen, da die Gemeinkosten begrifflich im Gesetzestext keine Andeutung gefunden haben, sondern sich lediglich aus der Gesetzesbegründung ergeben. Gemeinkosten können vor diesem Hintergrund nur insoweit Berücksichtigung finden, wie sie an die Tatbestandsmerkmale des § 71 Satz 1 GewO anknüpfen, d. h. im Zusammenhang mit der Überlassung von Raum und Ständen oder der Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen und Versorgungsleistungen einschließlich der Abfallbeseitigung stehen.

Eine eigene Definition der Gemeinkosten enthält die Gewerbeordnung hierzu nicht. Unter Rückgriff auf die steuerrechtliche Einordnung sind Gemeinkosten "Aufwendungen für Güter, Leistungen und Dienste, die nicht unmittelbar in das Produkt eingehen, sondern nur über eine Schlüsselung oder Umlage zu dem hergestellten Vermögensgegenstand [...] in Beziehung gebracht werden können".

Vgl. Stobbe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 303. Lieferung 04.2021, § 6 EStG, Rn. 238.

Als Gemeinkosten kommen auf dieser Grundlage Kostenpositionen in Betracht, die nicht unmittelbar in die Veranstaltung eingehen, sondern ihr lediglich - nach der Gesetzesbegründung durch einen unmittelbaren Zusammenhang - zugeordnet werden können, was insbesondere für Personalkosten, z. B. hinsichtlich des Marktmeisters, gilt.

Das restriktive Verständnis der Gemeinkosten wird außerdem durch das Telos der Norm gestützt, da § 71 Satz 1 GewO gerade zu verhindern sucht, dass der Veranstalter beliebig Kosten in die Vergütung einstellen kann und eine weite Auslegung des Begriffs der Gemeinkosten dann auch gegen den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz verstoßen könnte.

Vgl. Pielow, GewArch 2019, 288, 288.

Auf dieser Grundlage steht § 71 Satz 1 GewO einer Umlage der Kosten für die Bereitstellung von Sanitäranlagen auf die Beschicker entgegen.

Soweit die Beklagte hinsichtlich der Sanitäranlagen die Bedeutung von den von ihr errichteten Toilettenwagen hervorhebt, die erheblich zu einer niveauvollen und qualitativ ansprechenden Veranstaltungsumgebung führten und das wilde Urinieren in Straßen und Gassen vermieden, rechtfertigt dies nicht die Berücksichtigung dieser Kosten in der Gebührenkalkulation. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass eine "Inanspruchnahme" seitens der Beschicker vorliegt. Durch den Betrieb eines Geschäftes nehmen die Beschicker - wie vorliegend der Kläger - die sanitären Einrichtungen indes gerade nicht in Anspruch. Selbst soweit die Beschicker selbst auch die sanitären Anlagen nutzen, stellt dies einen verschwindend geringen Anteil an der gesamten Inanspruchnahme der sanitären Anlage - vorrangig durch die Besucher der Veranstaltung - dar. Unabhängig von den Vorgaben durch § 71 GewO ist daher eine Umlage der Kosten nur auf die Beschicker auch als Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG NRW rechtswidrig, weil Benutzungsgebühren nach der Inanspruchnahme der Einrichtung zu bemessen sind, was hinsichtlich der Kosten für die sanitären Anlagen erkennbar nicht berücksichtigt wurde.

Daneben handelt es sich bei der Bereitstellung von den Toilettenwagen um die Herstellung einer Versorgungseinrichtung, die gerade - anders als die Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen - nicht in die Gebührenbemessung einfließen kann.

Die Kosten für die sanitären Anlagen stellen auch keine Beteiligung an den Kosten der Werbung i. S. v. § 71 Satz 2 GewO dar.

Neben den in § 71 Satz 1 GewO festgelegten Aufwänden wird die Möglichkeit zur Beteiligung der Beschicker an den Kosten des Marktes lediglich durch § 71 Satz 2 GewO erweitert. Gemäß § 71 Satz 2 GewO kann der Veranstalter bei Volksfesten eine Beteiligung an den Kosten für die Werbung verlangen. Hintergrund der Regelung war die gesetzgeberische Erwägung, dass "Veranstalter von Volksfesten und Jahrmärkten das Recht haben sollten, die Beschicker an den Kosten der Werbung für die Veranstaltung zu beteiligen. Die Werbung für solche Veranstaltungen liegt im gemeinsamen Interesse von Veranstaltern und Beschickern, so daß eine Kostenteilung zwischen ihnen gerechtfertigt ist."

Vgl. BT-Drs. 8/2314, S. 12

Maßgeblich für die Berücksichtigung von Kosten für Werbung in der Gebührenkalkulation ist zunächst die Begriffsbestimmung von Werbung im Sinne des § 71 GewO. Die Gewerbeordnung selbst enthält keine eigene Definition der Werbung.

Ausgehend vom Wortlaut ist im allgemeinen Sprachgebrauch die "Werbung" synonym für das "Werben" zu verstehen, worunter "eine bestimmte Zielgruppe für etwas (besonders eine Ware, Dienstleistung) zu interessieren suchen, seine Vorzüge lobend hervorheben; (für etwas) Reklame machen",

vgl. Definition im DUDEN, abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/werben#Bedeutung-1,

zu verstehen ist.

Ergänzend können systematisch vergleichend die Definitionen von Werbung in anderen Normen der Rechtsordnung hinzugezogen werden.

So ist die Werbung in Art. 2 der Richtlinie 2006/114/EG als "jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern" definiert.

Auf diese Definition wird teilweise auch im deutschen Recht zurückgegriffen, dies gilt namentlich für das Lauterkeitsrecht zur Auslegung des Begriffs der Werbung in §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 UWG.

Vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2009 - I ZR 218/07 -, juris Rn. 13; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 39. Aufl. 2021, UWG § 7 Rn. 129.

Die deutsche Rechtsordnung definiert oder verwendet auch an anderer Stelle den Begriff der Werbung, wobei sie sich hierbei häufig mindestens in Teilen an die Definition der Werberichtline anlehnt, etwa in § 2 Abs. 2 Nr. 7 MStV:

"Werbung ist jede Äußerung, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, oder des Erscheinungsbilds natürlicher oder juristischer Personen, die einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dient und gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung im Rundfunk oder in einem Telemedium aufgenommen ist. Werbung ist insbesondere Rundfunkwerbung, Sponsoring, Teleshopping und Produktplatzierung".

Weitere Regelungen zur Werbung finden sich insbesondere dort, wo Akteure in ihrem "Werben" um Nachfrager aus verschiedenen Motiven reguliert werden sollen, beispielhaft im Bereich des anwaltlichen Berufsrechts (§ 6 BORA i. V. m. § 43b BRAO), im Arzneimittelrecht (Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG) sowie im Bereich des Glücksspiel- (§ 5 Glücksspielstaatsvertrag) und Tabakerzeugnisrechts (Art. 2 lit. b) der Richtlinie 2003/33/EG).

Regelmäßig ist dem Begriff der Werbung in den vorgenannten Kontexten eine Offenheit des Werbemediums eigen, das grundsätzlich nicht auf herkömmliche Formen der Werbung, etwa der Plakat-, Zeitungs- oder Flugblattwerbung begrenzt ist.

Den Werbebegriffen - auch soweit sie aus rechtspolitischen Erwägungen sehr weit gezogen sind - gemein ist jedoch ein irgendwie geartetes, in der Regel kommunikatives, Einwirken auf die Entscheidungsfindung von Menschen, das diese mittelbar oder unmittelbar veranlassen soll, eine Dienstleistung oder ein Produkt in Anspruch zu nehmen bzw. zu erwerben. Daraus folgt, dass das beworbene Produkt oder die beworbene Dienstleistung selbst grundsätzlich keine Werbung darstellt.

Auf dieser Grundlage stellen die sanitären Anlagen keine Werbung dar. Selbst soweit die Toilettenwagen, wie von der Beklagten vorgetragen, ein besonderes Qualitätsmerkmal des M. darstellen, durch das die Besucher länger auf der Veranstaltung verweilen, sind sie dennoch Teil der Veranstaltung selbst und können damit für sich betrachtet keine Werbung i. S. v. § 71 Satz 2 GewO darstellen.

2. Die Berücksichtigung der Kosten für den Sanitätsdienst in der Gebührenkalkulation ist ebenfalls nicht mit § 71 GewO vereinbar. Insbesondere stellt die bloße Vorhaltung eines Sanitätsdienstes keine umlagefähige Inanspruchnahme von Versorgungseinrichtungen oder Versorgungsleistungen dar. Insofern fehlt es nämlich ebenfalls an einer Inanspruchnahme durch die Beschicker. Allein der von der Beklagten vorgetragene unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Sanitätsdienstes und der Veranstaltung ist für die Berücksichtigungsfähigkeit der damit einhergehenden Kosten nicht hinreichend. Insbesondere ist es hinsichtlich des Sanitätsdienstes nicht möglich, diese Kosten als Gemeinkosten geltend zu machen, da es jedenfalls an einer Anknüpfung dieser Kosten an die Tatbestandsmerkmale des § 71 Satz 1 GewO fehlt. Insofern kann die Geltendmachung eines - wie von der Beklagten selbst ausgeführt - rechtlich nicht zwingenden Sanitätsdienstes nicht als Vergütung für die Überlassung von Raum und Ständen verlangt werden. Denn die Überlassung von Raum und Ständen wäre ohne Weiteres auch ohne die Vorhaltung eines Sanitätsdienstes möglich.

3. Die Kosten für das durch verschiedene Künstler gestaltete Bühnenprogramm auf dem M. können ebenso wenig auf die Beschicker umgelegt werden. Das Bühnenprogramm erfüllt nämlich keines der Tatbestandsmerkmale des § 71 Sätze 1 und 2 GewO und stellt insbesondere keine Werbung im Sinne des § 71 Satz 2 GewO dar. Denn allein aus dem tatsächlichen Auftritt von Künstlern auf der Bühne geht für sich betrachtet keine Werbung aus. Der Bühnenauftritt ist vielmehr Teil der Veranstaltung selbst und kann daher schon begrifflich keine Werbung für die Veranstaltung sein. Werbung wäre vielmehr ausschließlich die Information über das beabsichtigte Bühnenprogramm. Soweit die Beklagte vorträgt, das Bühnenprogramm am Rathaus stelle eine "Attraktivitätssteigerung" dar, will das Gericht dies nicht in Zweifel ziehen. Eine Attraktivitätssteigerung stellt für sich betrachtet jedoch noch keine Werbemaßnahme dar, weil anderenfalls schlechterdings jede Maßnahme im Veranstaltungsbereich, die die Attraktivität der Veranstaltung mittelbar oder unmittelbar steigert, als Werbung verstanden werden müsste und eine Kostenbeteiligung der Beschicker möglich wäre, sogar - zirkelschlüssig - für die Ausstattung des Marktes mit Beschickern selbst. Dies ist jedoch weder mit dem Wortlaut der "Werbung" noch mit dem systematischen Kontext von § 71 Satz 1 GewO vereinbar. Würde der Werbebegriff in dieser Weite verstanden, liefen die in § 71 GewO vorgesehenen Beschränkungen faktisch in weiten Teilen leer.

4. Schließlich können auch die Kosten für den Sondertarif "M. -Ticket" nach § 71 GewO nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt und auf die Beschicker umgelegt werden. Das Angebot des Sondertarifs stellt keine Werbung i. S. v. § 71 Satz 2 GewO dar. Wie der Kläger zurecht ausführt, ist in dem - vorliegend mit dem Zuschuss finanzierten - schlichten Angebot von zusätzlichen Verbindungen und günstigen Tarifen, die im Übrigen maßgeblich der verkehrlichen Entlastung der Innenstadt dienen, keine Werbung im gewerberechtlichen Sinne zu sehen. Allein ein günstiger oder ausgeweiteter öffentlicher Personennahverkehr stellt keine werbende Einwirkung auf potenzielle Besucher der Veranstaltung dar. Auch insoweit würde dies allenfalls hinsichtlich einer werbenden Information angenommen werden können.

Nach alledem hat die Beklagte zu Unrecht Kosten in Höhe von 22.000,00 Euro für den Sanitätsdienst, in Höhe von 27.650,00 Euro für die Aufstellung sanitärer Anlagen, in Höhe von 68.500,00 Euro für das Bühnenprogramm und in Höhe von 23.000,00 Euro für das M. -Ticket in der Gebührenkalkulation berücksichtigt.

Dies führt dazu, dass die auf Grundlage dieser Kalkulation ermittelten Gebührensätze, die gegenüber dem Kläger mit dem streitgegenständlichen Bescheid festgesetzt wurden, rechtswidrig und nichtig sind.

Es kann dabei dahinstehen, ob auch im Fall von rechtlich bereits dem Grunde nach nicht ansatzfähigen Kostenpositionen hierdurch verursachte Kostenüberschreitungen unerheblich sind, soweit sie nicht mehr als 3 % der Gesamtkosten ausmachen. Grundsätzlich führt nicht jeder Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot zur Ungültigkeit des Gebührensatzes. Unerheblich sind Kostenüberschreitungen von nicht mehr als 3 %, wenn sie nicht auf bewusst oder schwer und offenkundig fehlerhaften Kostenansätzen beruhen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.04.2015 - 9 A 2813/12 -, juris Rn. 35 mit Verweis auf OVG NRW, Urteil vom 05.08.1994 - 9 A 1248/92 -,juris Rn. 92; Beschluss vom 25.11.2010 - 9 A 94/09 -, juris Rn. 27.

Die vorliegend unrechtmäßig berücksichtigten Kostenpositionen in einer Gesamthöhe von 141.150,00 Euro im Verhältnis zu den in der Gesamtkalkulation berücksichtigten Gesamtkosten in Höhe von 868.368,85 Euro (insgesamt 956.468,85 Euro Ausgaben, denen 88.100,00 Euro Einnahmen gegenüberstehen) machen jedoch mehr als 10% der Kosten aus. Dies gilt umso mehr, wenn man zudem den städtischen Zuschuss in Höhe von 33.000 Euro berücksichtigt, der in der Kalkulation enthalten ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.