LG Mönchengladbach, Urteil vom 29.04.2021 - 12 O 157/20
Fundstelle
openJur 2021, 20556
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 47.024,44 Euro zuzüglich Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2020 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der Versicherung aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 30.10.2019 entstanden sind und entstehen werden.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 Euro durch Zahlung an die Anwaltskanzlei X freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend.

Am 30.10.2019 gegen 17.27 Uhr befuhr der Zeuge K, der Sohn der Klägerin, mit dem Fahrzeug des Typs Ferrari F 12 Berlinetta mit dem amtlichen Kennzeichen X die Straße in S. Unmittelbar vor dem Zeugen fuhr die Beklagte zu 2) mit dem bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeug des Typs Ford Focus, amtliches Kennzeichen X. Vor der Beklagten zu 2) fuhr ein Traktor mit Anhänger (einem Güllefass) mit geringem Tempo. Der Zeuge K entschloss sich, sowohl das Fahrzeug der Beklagten zu 2) als auch den Traktor zu überholen. Auch die Beklagte zu 2) entschied, den unmittelbar vor ihr fahrenden Traktor zu überholen. Bei den Überholvorgängen der beiden Fahrzeuge kam es zu einer Kollision der Fahrzeuge, wobei die Einzelheiten streitig sind.

Die Klägerin macht folgende Beträge geltend (sie hatte in ihrer Tabelle auf Bl. 6 d.A. (= S. 6 der Klageschrift) offensichtlich vergessen, die Rechtsanwaltskosten zu addieren, so dass sich richtigerweise eine Klageforderung in Höhe von 49.504,88 Euro ergibt):

(i) Selbstbeteiligung Vollkasko 5.000,00 Euro

(ii) Sachverständigenkosten 7.335,28 Euro

(iii) Abschleppkosten 416,50 Euro

(iv) Standgebühr 357,00 Euro

(v) Standgebühr 1.040,66 Euro

(vi) Mietwagenkosten 14.875,00 Euro

(vii) Wertminderung 18.000,00 Euro

Insgesamt 47.024,44 Euro

(viii) Rechtsanwaltskosten für die Vollkaskoabwicklung 2.480,44 Euro

Insgesamt (Klageforderung) 49.504,88 Euro

Die Klägerin verlangt darüber hinaus die Freistellung bzgl. des Rückstufungsschadens aufgrund der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung.

Die Klägerin behauptet, der Zeuge K habe den Überholvorgang vor der Beklagten zu 2) begonnen und habe sich bereits auf der Gegenfahrbahn befunden, als die Beklagte zu 2) ihrerseits den Überholvorgang eingeleitet habe. Er habe den linken Blinker gesetzt, bevor er zum Überholen angesetzt habe. Die Beklagte zu 2) habe völlig unerwartet zum Überholen angesetzt, ohne zu blinken. Der Schaden sei daher zu 100 Prozent von den Beklagten zu tragen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 49.504,88 Euro [statt 47.024,44 Euro sind richtig: 49.504,88 Euro = 47.024,44 Euro + 2.480,44 Euro geltend gemachte Rechtsanwaltskosten für die Vollkaskoabwicklung] zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.01.2020 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der Versicherung aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 30.10.2019 entstanden sind und entstehen werden,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Klägerin von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.243,23 Euro durch Zahlung an die Anwaltskanzlei X freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, dass die Beklagte zu 2) den Überholvorgang vor dem Zeugen begonnen habe. Die Kollision sei erfolgt, als sich die Beklagte zu 2) bereits auf der Hälfte der Höhe des Anhängers des Traktors befunden habe. Es sei daher davon auszugehen, dass der Zeuge K das Fahrzeug der Klägerin mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gesteuert habe, bevor es zur Kollision kam.

Die Beklagten bestreiten der Höhe nach sowohl die von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten als auch die geltend gemachte Wertminderung. Die Wertminderung betrage entsprechend dem Gutachten des Privatgutachters H vom 14.01.2020 (Anlage B2) lediglich 7.000,00 Euro. Die übrigen Positionen greifen die Beklagten ausdrücklich nicht an (S. 18 des Protokolls = Bl. 58 d.A.).

Die Kammer hat im Termin am 21.09.2020 die Beklagte zu 2) informatorisch angehört und den Zeugen K, den Sohn der Klägerin, sowie die unbeteiligten Zeugen M, K und Ml vernommen. Mit Beweisbeschluss vom 21.09.2020 (Bl. 61 ff. d.A.) hat die Kammer ein schriftliches Sachverständigengutachten zum Unfallhergang und den beiden von den Beklagten angegriffenen Schadenspositionen, die Wertminderung und die Höhe der Mietwagenkosten, eingeholt. Zum Gutachter hat die Kammer H bestellt. Das Gutachten haben die Parteien nicht angegriffen.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch in Höhe von 47.024,44 Euro, §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG.

a) Dem Grunde nach besteht eine Haftung der Beklagten.

aa) Die Beklagte zu 2) hat bei dem Betrieb ihres Fahrzeugs, das bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist, das Fahrzeug des Klägers beschädigt.

bb) Die Haftung der Beklagten ist nicht gemäß § 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 StVG ausgeschlossen. Sie haben den Unabwendbarkeitsbeweis nicht geführt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines unabwendbaren Ereignisses trägt derjenige, der sich darauf beruft (BeckOGK/Walter, 1.9.2019, StVG § 17 Rn. 26). Der Unfall wäre für die Beklagte zu 2) als Fahrerin vermeidbar gewesen, wenn sie nicht zum Überholen in der Kolonne ausgeschert wäre. Für die Klägerin wäre der Unfall vermeidbar gewesen, wenn der Zeuge K nicht in der Kolonne überholt hätte.

cc) Die Klägerin trifft eine Haftungsquote von 0 Prozent und die Beklagten eine solche von 100 Prozent.

(1) Nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG hängt im Verhältnis der Kfz-Halter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

In einem ersten Schritt ist das Gewicht des Verursachungsbeitrags des einen und des anderen Kfz-Halters zu bestimmen. Es kommt danach für die Haftungsverteilung entscheidend darauf an, ob das Verhalten des Schädigers oder das des Geschädigten - unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge - den Eintritt des Schadens in wesentlich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. Daneben bildet ein etwaiges Verschulden des Geschädigten und dessen Schwere nur einen Faktor der Abwägung (BGH, Urteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 -, Rn. 23, juris; BGH, Urteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 -, Rn. 8, juris; BeckOGK/Walter, 1.12.2018, StVG § 17 Rn. 45). Dabei ist zu beachten, dass insoweit zum Nachteil der einen oder der anderen Seite nur feststehende Umstände berücksichtigt werden dürfen, und zwar nur solche Umstände, die sich auch nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben, entweder auf den Unfallhergang oder auf den Schadensumfang (BGH, Urteil vom 21. November 2006 - VI ZR 115/05 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94 -, Rn. 9, juris; OLG Düsseldorf r+s 2020, 101, Rn. 37; BHHJ/Heß, 26. Aufl. 2020, StVG § 17 Rn. 12). Ein nur gesetzlich vermutetes Verschulden darf nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 20. März 2012 - VI ZR 3/11 -, Rn. 12, juris). Sodann sind in einem zweiten Schritt die beiden Verursachungsanteile, die notwendigerweise immer zusammen 100% ergeben müssen, gegeneinander abzuwägen (BHHJ/Heß, 26. Aufl. 2020, StVG § 17 Rn. 13; Zeycan, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, StVG § 17 Rn. 19).

Für den Beweis ist die volle richterliche Überzeugung erforderlich, § 286 ZPO. Diese kann nicht mit mathematischen Methoden ermittelt und darf deshalb nicht allein auf mathematische Wahrscheinlichkeitsberechnungen gestützt werden (BeckOK ZPO/Bacher, 37. Ed. 1.7.2020, ZPO § 286 Rn. 2 m.w.N.). Es bedarf auch keiner absoluten Gewissheit oder "an Sicherheit grenzender" Wahrscheinlichkeit. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 2019, 3147 Rn. 27).

(2) Hiernach ergibt sich Folgendes:

(a) Zu Lasten der Beklagten ist Folgendes zu berücksichtigen.

(i) Die Klägerin hat bewiesen, dass die Beklagte zu 2) gegen § 5 Abs. 4 S. 1 StVO verstoßen hat, wonach derjenige, der zum Überholen ausscheren will, sich so verhalten muss, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

Zwar hat die Beklagte zu 2) - informatorisch angehört - angegeben, dass sie bereits zum Überholen auf die Gegenfahrbahn ausgeschert sei und es erst in Höhe des Güllefasses, einem Anhänger des Traktors, zum Unfall gekommen sei. Der Anhänger mit dem Güllefass habe zwei Achsen gehabt; sie habe sich in Höhe der hinteren Achse befunden. Wegen eines früheren Beinaheunfalls beim Überholen achte sie sehr genau darauf, dass sie beim Überholen immer sehr genau Rückschau halte.

Diese Einlassung ist widerlegt durch die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H . Aufgrund der Beschädigungen der beiden Fahrzeuge - das Fahrzeug der Klägerin war in der rechten Hälfte der Frontpartie und das Fahrzeug der Beklagten zu 2) an der linke Hälfte des Fahrzeughecks beschädigt - lässt sich unter technischen Gesichtspunkten eine längsachsenparallele Kollision, wie die Beklagte zu 2) sie schildert, ausschließen. Ihr Spurwechselvorgang war erst zu 60 Prozent abgeschlossen. Sie befand sich noch im Spurwechselvorgang von links nach rechts. Die Fahrbahnmittenmarkierung hatte sie gerade erst überfahren.

Die Feststellungen des Sachverständigen decken sich mit den Aussagen der Zeugen M, M und K.

Die unbeteiligte Zeugin M, die das Geschehen von hinten aus ihrem Fahrzeug beobachten konnte, schilderte glaubhaft, dass sich die Beklagte zu 2) (erst) etwa zur Hälfte mit ihrem Fahrzeug auf der Überholspur befunden habe, woraus ebenfalls folgt, dass eine längsachsenparallele Kollision in Höhe der hinteren Achse des Güllefasses, wie die Beklagte zu 2) sie schildert, unmöglich ist, was bereits der Sachverständige überzeugend festgestellt hat.

Die weitere unbeteiligte Zeugin Mühle bestätigt ebenfalls die Feststellungen des Sachverständigen und die Wahrnehmung der Zeugin M, was in der Gesamtschau auch für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage spricht. Die Beklagte zu 2) sei mit ihrem Fahrzeug erst halb auf die linke Spur gefahren, als sich die Kollision ereignet habe.

Schließlich deckt sich all dies mit der Aussage des Zeugen K, dessen eigenes mögliches Interesse am Ausgang des Prozesses aufgrund der familiären Verbundenheit die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt hat. Auch der Zeuge K hat angegeben, dass sich die Beklagte zu 2) mit ihrem Fahrzeug noch teilweise auf der rechten Fahrspur befunden habe, als es zur Kollision kam, also eine längsachsenparallele Kollision, wie die Beklagte zu 2) sie schildert auch hiernach ausgeschlossen ist.

Die Aussage des Zeugen K war insoweit unergiebig.

(ii) Die Beklagte zu 2) hat ebenfalls gegen § 7 Abs. 5 S. 1 StVO verstoßen, wonach in allen Fällen ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Inwieweit § 5 Abs. 4 S. 1 StVO spezieller ist (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 26. Aufl. 2020, StVO § 7 Rn. 21 m.w.N.), kann hier dahinstehen. Denn den Verkehrsteilnehmer treffen in beiden Fällen gesteigerte Sorgfaltspflichten (OLG Koblenz Hinweisbeschluss v. 19.6.2020 - 12 U 817/19, BeckRS 2020, 20965 Rn. 17; OLG Rostock, Beschluss vom 10. Juli 2015 - 5 U 67/14 -, Rn. 6, juris).

(iii) Die Beklagte zu 2) hat ebenfalls gegen § 7 Abs. 5 S. 2 StVO verstoßen, weil sie beim Fahrstreifenwechsel nicht geblinkt hat. Dies steht fest aufgrund der glaubhaften Aussage der Zeugin M (näher dazu sogleich unter (b)).

(iv) Dass die Beklagte zu 2) gegen weitere spezielle straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hat, lässt sich nicht feststellen.

(b) Zu Lasten der Klägerin ist lediglich die Betriebsgefahr zu berücksichtigen, die hier nicht erhöht war. Die Beklagten haben nicht bewiesen, dass der Kläger zum Unfall beigetragen hat, weshalb zu seinen Lasten darüber hinaus kein Verursachungsbeitrag zu berücksichtigen ist.

(i) Insbesondere haben die Beklagte nicht bewiesen, dass der Zeuge K als Fahrer des Fahrzeugs der Klägerin bei unklarer Verkehrslage gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO überholt hat.

Allein der Umstand, dass ein Fahrer eine Kolonne von mehreren Fahrzeugen überholt, begründet keinen Verstoß gegen das Verbot des Überholens bei unklarer Verkehrslage (KG Berlin, Urteil vom 30. Januar 1995 - 12 U 2820/93 -, Rn. 8, juris). Denn ein in einer Kolonne an dritter Stelle fahrender Fahrer ist auch nach dem strengen Maßstab, der bei der Gefährdungshaftung des § 7 StVG an den "Idealfahrer" zu stellen ist, nicht in jedem Fall verpflichtet, dem Vorausfahrenden den "Überholvortritt" einzuräumen. Auch ein "Idealfahrer" wird sich im allgemeinen darauf verlassen dürfen, dass sein Vordermann nicht seinerseits zum Überholen ausschert, ohne vorher ein Blinkzeichen gegeben zu haben (BGH, Urteil vom 23. September 1986 - VI ZR 46/85 -, Rn. 12, juris; OLG München, Urteil vom 24. Februar 2017 - 10 U 4448/16 -, Rn. 7, juris).

Von einem "Idealfahrer" ist allerdings zu verlangen, die konkrete Verkehrssituation auch auf andere Umstände hin zu beobachten, die es nahelegen können, dass der Vorausfahrende seinerseits überholen will (BGH, Urteil vom 23. September 1986 - VI ZR 46/85 -, Rn. 12, juris; OLG München, Urteil vom 24. Februar 2017 - 10 U 4448/16 -, Rn. 7, juris). Solche Umstände liegen beispielsweise vor, wenn für die hintereinander fahrenden Fahrzeuge über eine längere Strecke ein Überholverbot bestanden hat (BGH, Urteil vom 23. September 1986 - VI ZR 46/85 -, Rn. 12, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Juli 2001 - 9 U 195/00 -, Rn. 19, juris) oder wenn nach dem Durchfahren einer Ortschaft das erste Mal die Möglichkeit zum Überholen bestand (OLG Rostock, Urteil vom 23. Februar 2007 - 8 U 39/06 -, Rn. 16, juris) oder die vorausfahrenden Fahrzeuge langsamer werden und/oder nach links blinken (OLG München, Urteil vom 24. Februar 2017 - 10 U 4448/16 -, Rn. 7, juris). In derartigen Situationen ist von einem Fahrer, der die gesteigerte Sorgfalt eines "Idealfahrers" beachten will, zu verlangen, dass er unmittelbar danach zunächst seinem Vordermann die Chance eines Überholens einräumt (BGH, Urteil vom 23. September 1986 - VI ZR 46/85 -, Rn. 12, juris). In solchen Situationen hätte sich ein "Idealfahrer" im Übrigen erst versichert, was die vorausgehenden Fahrzeuge vorhaben oder durch Lichtzeichen oder Hupen (§§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 5 StVO) sichergestellt, dass die vorausfahrenden Fahrzeugführer seine Überholabsicht sicher und rechtzeitig bemerken (OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Juli 2001 - 9 U 195/00 -, Rn. 19, juris).

Dass diese vorgenannten Ausnahmekonstellationen hier vorliegen, haben die Beklagten indes nicht dargelegt, jedenfalls nicht bewiesen.

Insbesondere haben die Beklagten hier nicht vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass ein Überholverbot vorlag; der Sachverständige hat etwa festgestellt, dass die Fahrspuren nur durch eine unterbrochene Linie voneinander getrennt sind.

Die Beklagten haben auch nicht vorgetragen, dass an dieser Stelle die erste Möglichkeit zum Überholen bestand, was auch sonst nicht ersichtlich ist. Denn der Sachverständige hat nachvollziehbar dargelegt, dass es von der Kreuzung Am Wasserturm / Leloh / Ungerather Straße bis zur Unfallstelle ca. 315 Metern sind und die Straße die letzten 250 Meter schurgeradeaus verläuft.

Die Beklagte zu 2) hat auch nicht bewiesen, dass sie vor dem Ausscheren geblinkt hat, so dass der Zeuge K hätte vorsichtiger sein müssen. Sie selbst behauptet zwar in ihrer informatorischen Anhörung, dass sie geblinkt hat. Dieser Angabe folgt die Kammer indes nicht, weil die Beklagte zu 2) - wie zuvor dargelegt - bereits im Hinblick auf den Ort der Kollision und den Ablauf die Unwahrheit gesagt hat. Vielmehr ist die Kammer von der Angabe der Zeugin M überzeugt, die glaubhaft angegeben hat, dass der Zeuge K geblinkt, die Beklagte zu 2) aber nicht geblinkt habe. Sie hat nachvollziehbar erklärt, warum sie auf das Blinken geachtet hat. Die übrigen unbeteiligten Zeugen und der Zeuge K konnten keine Angaben zum Blinken des Fahrzeugs der Beklagten zu 2) machen.

(ii) Sonstige weitere Verstöße des Zeugen K haben die Beklagten ebenfalls weder dargelegt, jedenfalls aber nicht bewiesen.

Insbesondere haben sie nicht bewiesen, dass der Zeuge K mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Erlaubt waren auf der Straße 70 km/h, wie aus der beigezogenen Akte 300 Js 212/20 (StA Mönchengladbach) folgt. Dass der Zeuge K schneller als die erlaubte Geschwindigkeit gefahren ist, haben die Beklagten nicht bewiesen. Der Sachverständige kann die Annäherungsgeschwindigkeit auf 55 km/h bis 75 km/h eingrenzen, aber gerade nicht sicher sagen, dass der Zeuge K schneller als die erlaubte Geschwindigkeit gefahren ist, sie also über 70 km/h lag. Der Zeuge K könnte auch nur eine Annäherungsgeschwindigkeit von 55 km/h gehabt haben und hätte sich damit immer noch in dem von dem Sachverständigen genannten Geschwindigkeitskorridor befunden.

(iii) Insbesondere greift kein Anscheinsbeweis zulasten der Klägerin aufgrund des Auffahrens des Zeugen K gegen das Fahrzeug der Beklagten zu 2) ein. Ein Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß gegen Verkehrsvorschriften greift nur dann, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typischerweise dafür spricht, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat. Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis besagt, dass aufgrund des Auffahrens auf ein voranfahrendes Fahrzeug auf ein Verschulden des Auffahrenden zurückgeschlossen werden kann, weil davon auszugehen ist, dass der Auffahrende entweder den vor ihm befindlichen Verkehr nicht mit der notwendigen Aufmerksamkeit beobachtet, den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten oder sein Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit geführt hat, was jeweils für sich einen schuldhaften Pflichtenverstoß darstellt, so dass im Einzelnen nicht differenziert werden muss. Dies kann aber nur dann gelten, wenn die verunfallten Fahrzeuge über eine gewisse Zeit gleichgerichtet in der gleichen Fahrspur hintereinander gefahren sind, da anderenfalls eine Vielzahl anderer Geschehensabläufe denkbar ist, die nicht auf ein Verschulden des Auffahrenden schließen lassen (zum Ganzen: OLG Rostock, Beschluss vom 10. Juli 2015 - 5 U 67/14 -, Rn. 11 - 12, juris). Dies war hier indes nicht der Fall. Es lag - wie bereits dargelegt - schon keine längsachsenparallele Kollision vor, also erst recht keine Konstellation, dass die beiden Fahrzeuge über eine gewisse Zeit gleichgerichtet in der gleichen Fahrspur hintereinander gefahren sind.

(c) Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVO vorzunehmenden Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 2) vor allem gegen § 5 Abs. 4 S. 1 StVO verstoßen hat, wonach derjenige, der zum Überholen ausscheren will, sich so verhalten muss, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Ein Verstoß der Klägerin bzw. des Zeugen K steht nicht fest, weshalb insoweit "lediglich" die Betriebsgefahr des klägerischen Pkw verbleibt und sich die Frage stellt, ob sich die Klägerin diese zu ihren Lasten anrechnen lassen muss oder ob der Verstoß der Beklagten zu 2) so schwer wiegt, dass nur eine vollständige Haftung der Beklagten angemessen ist.

Die Kammer nimmt letzteres an (ebenso in vergleichbaren Konstellationen zum Beispiel: OLG Koblenz Hinweisbeschluss v. 19.6.2020 - 12 U 817/19, BeckRS 2020, 20965, Rn. 19; OLG Rostock, Beschluss vom 10. Juli 2015 - 5 U 67/14 -, juris; KG Berlin, Urteil vom 30. Januar 1995 - 12 U 2820/93 -, juris). Denn der Überholende ist, um den nachfolgenden Verkehr nicht zu gefährden, vor dem Ausscheren zu besonders sorgfältiger Rückschau verpflichtet (OLG Koblenz Hinweisbeschluss v. 19.6.2020 - 12 U 817/19, BeckRS 2020, 20965 Rn. 15; Freymann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kap. 27, StVO § 5, Rn. 173). Es ist äußerste Sorgfalt und damit eine ausreichende vorherige Rückschau geboten, auch und gerade beim Ausscheren aus einer Fahrzeugkolonne (OLG Karlsruhe, Urteil vom 08. Juni 2001 - 10 U 77/01 -, Rn. 19, juris). Hat sich ein Unfall - wie hier (siehe oben) - im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Überholvorgang (vgl. § 5 Abs. 4 StVO) bzw. einem Fahrstreifenwechsel (vgl. § 7 Abs. 5 StVO) ereignet, spricht der Beweis des ersten Anscheins in beiden Fällen für ein Verschulden des Fahrzeugführers (OLG Koblenz Hinweisbeschluss v. 19.6.2020 - 12 U 817/19, BeckRS 2020, 20965 Rn. 17; OLG Rostock, Beschluss vom 10. Juli 2015 - 5 U 67/14 -, Rn. 6, juris; vgl. zum Spurwechsel: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 26. Aufl. 2020, StVO § 7 Rn. 25, 25a m.w.N.), der nicht entkräftet wurde.

b) Hinsichtlich der Schadenspositionen gilt Folgendes:

aa) Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz folgender Schadenspositionen, die die Beklagten ausdrücklich nicht angegriffen (§ 138 Abs. 3 ZPO), sondern der Höhe nach akzeptiert haben.

(i) Selbstbeteiligung Vollkasko 5.000,00 Euro

(ii) Sachverständigenkosten 7.335,28 Euro

(iii) Abschleppkosten 416,50 Euro

(iv) Standgebühr 357,00 Euro

(v) Standgebühr 1.040,66 Euro

(vi) Mietwagenkosten streitig (s.u. cc))

(vii) Wertminderung streitig (s.u. cc))

(viii) Rechtsanwaltskosten für die Vollkaskoabwicklung siehe unter bb)

Diese ihr entstandenen Kosten hat die Klägerin durch Rechnungen/Schreiben (siehe Anlagenordner) nachgewiesen. Die Beträge (i) bis (v) hat die Kammer mit den Anlagen abgeglichen; die Beträge sind zutreffend und wären daher selbst im Bestreitensfalle der Klägerin von der Beklagten zu ersetzen.

bb) Soweit die Klägerin Rechtsanwaltskosten für die Vollkaskoabwicklung geltend macht, sind ihr diese nicht zu erstatten. Denn es ist nach ihrem Vortrag nicht ersichtlich, dass diese erforderlich und zweckmäßig waren.

(1) Zu erstatten sind nur - aus Sicht des Geschädigten - erforderliche und zweckmäßige Rechtsverfolgungskosten (BGH NJW 2017, 3588 Rn. 6 f.). Maßgeblich ist die "verobjektivierte" ex ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person (BGH NJW 2019, 2698 Rn. 6). Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind vom Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen (zum Ganzen: BHHJ/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, BGB § 249 Rn. 368).

Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem eigenen Versicherer (z.B. Kaskoversicherer) zu melden. Anwaltliches Tätigwerden muss aber erforderlich sein. Im Regelfall kann der Geschädigte - hier: die Klägerin - selbst tätig werden (BGH NJW 2012, 2194 Rn. 10; BHHJ/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, BGB § 249 Rn. 368 m.w.N.). Die Leistungsverweigerung durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer lässt keine Rückschlüsse auf das Regulierungsverhalten des mit dem Geschädigten seinerseits vertraglich verbundenen Versicherers zu und vermag nicht die Erstattungsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten zu begründen (BGH NJW 2012, 2194 Rn. 8-10; BHHJ/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, BGB § 249 Rn. 368 m.w.N.).

(2) Hier hat die Klägerin nicht vorgetragen, weshalb die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Regulierung des Vollkaskoschadens mit ihrer eigenen Versicherung erforderlich und zweckmäßig war; insbesondere nicht, dass sich ihre Vollkaskoversicherung geweigert hätte, den Schaden zu begleichen. Im Gegenteil: Aus dem von der Klägerin als Anlage vorgelegten Schreiben ihres Vollkaskoversicherers, der HDI Versicherung AG, vom 02.03.2020 folgt ausdrücklich, dass sie den Schaden übernimmt.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre ohnehin im Verhältnis zum Schädiger, also zu den Beklagten, nur derjenige Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht (BGH NJW 2017, 3527 Rn. 19; BHHJ/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, BGB § 249 Rn. 368), weshalb die Rechtsanwaltskosten insoweit ohnehin niedriger liegen dürften.

cc) Hinsichtlich der beiden einzig verbliebenen streitigen Positionen haben die Beklagten nach Erstattung des Gutachtens des Sachverständigen H diese nicht mehr angegriffen, so dass Folgendes gilt:

(1) Der Sachverständige H hat überzeugend dargelegt, dass die merkantile Wertminderung mindestens 18.000,00 Euro beträgt. Er hat sich dabei mit den verschiedenen Berechnungsmethoden und mit dem Gebrauchtwagenmarkt für vergleichbare Fahrzeuge auseinandergesetzt. Er hat überzeugend dargelegt, dass der Gebrauchtwagenmarkt für Ferrari vergleichsweise empfindlich auf Reparaturen und Instandsetzungsmaßnahmen reagiert. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem klägerischen Pkw um ein Serienfahrzeug des Herstellers Ferrari handelt, welches vergleichsweise häufig zum Kauf angeboten wird. Wie die Recherchen des Sachverständigen ergeben haben, kann die überwiegende Käuferklientel nicht als fachkundig bezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund muss die Klägerin bei einem Verkauf ihres Fahrzeugs insbesondere aufgrund der tief in die Fahrzeugstruktur eingreifenden Instandsetzungsmaßnahmen einen vergleichsweise hohen Kaufanreiz setzen. Der Sachverständige hat deshalb insbesondere unter Berücksichtigung von Alter, Laufleistung und Vorschäden in Form des streitgegenständlichen Schadens einen merkantilen Wertminderung von mindestens 18.000,00 Euro angenommen.

(2) Hinsichtlich der Mietwagenkosten stehen der Klägerin 14.875,00 Euro brutto (= 250,00 Euro x 50 Tages x 1,19) zu. Die von der Klägerin eingeklagte Tagespauschale in Höhe von 250,00 Euro ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht übersetzt. Dies steht fest aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen H. Er hat sich sowohl mit den Mietpreisspiegeln nach "Schwacke" als auch nach "Fraunhofer" auseinandergesetzt. Er hat darüber hinaus eine Marktrecherche durchgeführt, die zum Ergebnis geführt hat, dass die sich aus einer Langzeitmiete berechnenden Tagespauschalen zwischen 250,00 Euro und 799,00 Euro variieren. Das arithmetische Mittel zwischen den angebotenen Fahrzeugen beträgt also 520,57 Euro. Die Preise beinhalten jeweils eine Vollkaskoversicherung sowie die Lieferung des Fahrzeugs.

Die Mietdauer haben die Beklagten zu keinem Zeitpunkt angegriffen; vor allem aber haben sie diese nicht angegriffen, nachdem die Klägerin im Schriftsatz vom 25.02.2021 weitere Ausführungen dazu gemacht. Selbst wenn doch, stünde aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen K, die die Kammer nach Vernehmung aller Zeugen erst abschließend würdigen konnte, fest, dass die Mietdauer vor dem Hintergrund der nicht schneller zu bewerkstelligen Reparatur angemessen ist. Der Zeuge hat dies im Einzelnen ausgeführt (Bl. 47 f. d.A. = S. 7 f. des Protokolls); zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf das Protokoll Bezug genommen. Die Aussage des Zeugen K war insbesondere deshalb glaubhaft, weil er auch Wissenslücken offenbart hat und nicht etwa, obwohl ihm dies ein Leichtes gewesen wäre, Angaben zu Lasten der Beklagten gemacht hat. Er hat beispielsweise angegeben, dass er nicht darauf geachtet habe, ob die Beklagte zu 2) geblinkt habe, es also durchaus sein könne, dass sie geblinkt habe.

2. Der zulässige Feststellungsantrag ist begründet.

Ein Rückstufungsschaden kann, wie geschehen, im Wege der Feststellungklage geltend zu machen (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 448). Höhere Versicherungsprämien oder der Verlust eines Beitragsnachlasses, die durch das schädigende Ereignis verursacht wurden, gehören grundsätzlich zu dem zu ersetzenden Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB (BGH NJW 2006, 2397 Rn. 9).

Es ist festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin Schäden zu ersetzen, die aus der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung bei der Versicherung X aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 30.10.2019 entstanden sind und entstehen werden.

Dies betrifft insbesondere den Anspruch auf die anteilige Freistellung bzgl. der Rückstufung aufgrund der Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung (laut Anlage sind dies für 21 Jahre 7.099,52 Euro).

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, jedoch nur in Höhe von 1.954,46 Euro brutto.

a) Sie kann vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten lediglich aus einem Gegenstandswert von 52.704,06 Euro verlangen ((1.248,00 Euro * 1,3) + 20,00) * 1,19). Es ist - wie bereits dargelegt - nur derjenige Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht, also hier "nur" 52.704,06 (= 47.024,44 Euro zugesprochener Klageantrag zu 1 + 5.679,62 Euro Klageantrag zu 2), nicht aber 107.998,41 Euro (woher die Klägerin diesen Betrag nimmt, bleibt im Übrigen unklar).

b) Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann die Klägerin nicht fordern. Sie kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, Nr. 2300 VV. Dies ist hier - trotz des Vortrags der Klägerseite - nicht ersichtlich.

(1) Die Gebühr ist durch eine Gesamtabwägung aller nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (Schons, in: Hartung/Schons/Enders, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 3. Aufl. 2017, Nr. 2300 VV Rn. 62; Mayer, in: Gerold/Schmidt/Mayer, 23. Aufl. 2017, RVG VV 2300 Rn. 35). Als durchschnittlich schwierig wird die Verkehrsunfallregulierung genannt (OLG München Endurteil v. 16.5.2008 - 10 U 1748/08, BeckRS 2008, 10589; Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 24).

(2) Besondere Umstände, etwa rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die vor diesem Hintergrund dennoch eine höhere Gebühr rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere können diese nicht darin gesehen werden, dass eine Ermittlungsakte mehrfach angefordert werden musste und dem erst verzögert nachgekommen wurde. Warum der Klägervertreter beispielsweise an einer Begutachtung durch einen Privatgutachter der Beklagtenseite teilnehmen musste, erschließt sich der Kammer, die als Baukammer häufig mit Sachverständigengutachten und vor Ort Terminen zu tun hat, an denen sie aber im Regelfall mangels juristischem Nutzen nicht teilnimmt, nicht (dass eine solche Teilnahme aus Anwaltssicht zwingend notwendig ist, vertreten selbst Rechtsanwälte nicht immer - diese haben vielmehr schon gegenüber dem Unterzeichner - im Vieraugengespräch - geäußert, dass sie dies nur wegen ihrer Mandantschaft machen, aber aus juristischer Sicht keinen Sinn an der Teilnahme an einem Begutachtungstermin durch einen Bauschadenssachverständigen vor Ort sehen). Denn bei einer Begutachtung geht es regelmäßig nicht um Rechtsfragen, sondern um tatsächliche Fragen. Wenn der Klägervertreter seiner Mandantin mehr Service als erforderlich bietet und an dem Ortstermin teilnimmt, ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagten dies tragen sollten.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4 S. 1, 709 S. 2 ZPO.

Streitwert: 55.184,50 Euro (Klageantrag zu 1: 49.504,88 Euro; Klageantrag zu 2: 5.679,62 Euro (80 Prozent von 7.099,52 Euro)).