ArbG Bochum, Urteil vom 03.09.2020 - 1 Ca 101/20
Fundstelle
openJur 2021, 20193
  • Rkr:
Tenor

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3) Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.090,88 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Inhalt einer dem Kläger erteilten Pensionszusage.

Der 1960 geborene Kläger trat im Oktober 1998 bei der D Business Services GmbH & Co. OHG ein. Infolge verschiedener Betriebsübergänge und Verschmelzungen ging das Arbeitsverhältnis 2007 auf die B D Computer GmbH über, die seit Ende 2009 unter der Bezeichnung der Beklagten firmiert. Der Kläger wurde bei der Beklagten bzw. ihren Vorgängern nach der Vertragsgruppe OFK und damit als leitender Angestellter behandelt. Im Zuge des Übergangs 2007 wurden alle Mitarbeiter dieser Gruppe ab dem 01.10.2007 dem "Kreis der übertariflichen Angestellten" (ÜT-Kreis) zugeordnet. Seitdem war der Kläger kein leitender Angestellter mehr, die ihm zuvor erteilte Handlungsvollmacht wurde entzogen. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden.

Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses im Jahre 1998 wurde dem Kläger eine Zusage über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe der "Bedingungen 1996 für Individuelle Pensionszusagen im Leitungskreis" gemacht. Danach sollte er im Alter von 60 Jahren eine monatliche Pension in Höhe von 2.500,00 DM erhalten. Wörtlich heißt es in dem entsprechenden Schreiben vom 20.05.1998:

"Individuelle Pensionszusage

Sehr geehrter Herr F.,

wir freuen uns, Ihnen mit Wirkung ab 01.10.1998 eine mit Alter 60 erreichbare Pension in Höhe von

monatlich DM 2.500,00

zusagen zu können.

Es gelten die beigefügten Bedingungen 1996 für individuelle Pensionszusagen.

..."

Mit (elektronischem) Rundschreiben vom 24.05.2019 wurden alle Mitarbeiter der Beklagten mit arbeitgeberfinanzierter Altersversorgung darüber informiert, dass im Rahmen einer "Neuordnung der Versorgungswerke in der betrieblichen Altersversorgung (sogenannter Pension Freeze) vom 30.06.2019" eine Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV zur Neuordnung von Versorgungswerken in der betrieblichen Altersversorgung vom 17.04.2019) abgeschlossen worden sei. Dort sei geregelt, dass die betrieblichen Versorgungsleistungen auf dem per 30.06.2019 erreichten Besitzstand eingefroren würden. Dies habe zur Konsequenz, dass die Versorgungsanwartschaften der Berechtigten weder durch zukünftige Dienstjahre noch durch zukünftige Gehaltssteigerungen über das zum 30.06.2019 erreichte Niveau hinaus für die Zukunft ansteigen würde. Hiervon seien durch Betriebszugehörigkeit bis zum 30.06.2019 verdiente Anwartschaften nicht betroffen. Für den Kläger bedeutet das einen erdienten Besitzstand zu diesem Stichtag in Höhe von 1.205,63 €.

Mit seiner am 27.01.2020 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen diese Änderung seiner betrieblichen Altersversorgung.

Der Kläger meint, die mit ihm individuell ausgehandelte Pensionszusage aus 1998 habe bereits kollektivrechtlich nicht abgeändert werden können. Dazu trägt er vor, im Zusammenhang mit seinem Wechsel 1998 von seiner ehemaligen Arbeitgeberin A zur Rechtsvorgängerin der Beklagten seien sowohl seine Vergütung als auch seine Altersversorgung eingehend verhandelt worden. Letztere sollte durch den Arbeitgeberwechsel sich nicht verschlechtern. Insofern seien mit dem Zeugen C. als Vertreter der Vorgängerin der Beklagten unterschiedliche Beträge der Rentenhöhe erläutert worden, wobei man sich letztendlich auf 2.500,-- DM geeinigt habe. Dieser Betrag sei keineswegs arbeitgeberseitig vorgegeben worden, sondern Ergebnis der Verhandlungen gewesen. Selbst wenn sich Herr C. insoweit im Rahmen einer vorgegebenen Bandbreite bewegt haben sollte, was er nicht deutlich gemacht habe, sei die Einigung auf einen Betrag innerhalb dieser Bandbreite das Ergebnis einer individuellen Verhandlung.

Der Verweis auf die "Bedingungen 1996" in der Pensionszusage ändere daran nichts. Dort würden in AGB-Form nähere Regelungen zur Versorgungszusage beschrieben. Kollektive Regelungen aber würden diese nicht darstellen. Die weiteren Versorgungsrichtlinien aus Februar 1997 seien im Übrigen gänzlich unerwähnt geblieben.

Ferner würden kollektivrechtliche Änderungen ohne Beteiligung des Gesamtsprecherausschusses für ihn nicht gelten. Eine Abänderung habe daher auch nicht anhand der GBV "Beitragsorientierte D Altersversorgung SBS" (BSAV SBS) im Jahr 2004 erfolgen können, da diese für ihn als leitenden Angestellten zu dieser Zeit nicht gegolten habe. Der spätere Statuswechsel in 2007 habe ebenso wenig zu einer Geltung früherer Betriebsvereinbarungen führen können. Zumindest sei 2004 in der GBV eine Besitzstandswahrung vorgesehen, die nunmehr missachtet werde. Die damaligen (Neu-)Regelungen seien für ihn keineswegs günstiger gewesen.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die dem Kläger erteilte individuelle Pensionszulage vom 20.05.1998 durch die Gesamtbetriebsvereinbarung zum Übergang in die beitragsorientierte D Altersversorgung SBS (BSAV 585) für Mitarbeiter im ÜT-Kreis (mit Versorgungsanwartschaften nach IP) vom 09. Juni 2004 nicht verändert wurde;

2. festzustellen, dass die dem Kläger erteilte individuelle Pensionszulage vom 20.05.1998 durch die Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuordnung von Versorgungswerken der betrieblichen Altersversorgung vom 17.04.2019 nicht verändert wurde, sondern zu den Bedingungen 1996 für individuelle Pensionszusage unverändert Bestand hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Insofern ist sie der Ansicht, die Versorgungszusage des Klägers sei kollektivrechtlicher Natur gewesen. In diese Zusage sei aufgrund einer massiven wirtschaftlichen Schieflage ihres Unternehmens in gerechtfertigter Weise eingegriffen worden.

Zugrunde gelegen hätten der Zusage mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbarte "Richtlinien für die Individuelle Pensionszusage (IP)" von 1997, deren Anwendung auf leitende Angestellte mit dem Gesamtsprecherausschuss vereinbart worden sei. Die "Bedingungen 1996" seien Bestandteil dieser Richtlinien gewesen. Danach sei versorgungsberechtigten Mitarbeitern eine IP-Zusage zu erteilen, wenn nicht bestimmte Ausschlussgründe vorlagen. Hierzu sei ein standartisiertes Zusageschreiben nebst einem einheitlichen Merkblatt verwendet worden, Art und Voraussetzung der Versorgungsleistungen hätten sich aus den Bedingungen 1996 ergeben.

Abschließende Vorgaben zur Pensionshöhe seien dort nicht enthalten gewesen. Unternehmensintern sei jedoch für leitende Angestellte der Vertragsgruppe OFK eine Bandbreite von (umgerechnet) 1.022,58 € bis 4.652,76 € vorgegeben worden, bei Neueinstellungen üblicherweise in Höhe von 1.278,23 € (= 2.500,-- DM). In diesem Rahmen sei auch dem Kläger gegenüber eine Pension zugesagt und arbeitgeberseitig festgelegt worden. Eine individuelle Verhandlung mit dem Kläger habe es insoweit nicht gegeben.

Zum 01.10.2004 sei die bisherige IP-Versorgung durch die "Beitragsorientierte D Altersversorgung SBS (BSAV SBS) für Mitarbeiter im ÜT-Kreis (mit Versorgungsanwartschaften nach IP)" vom 09.06.2004 abgelöst worden, die durch entsprechende Vereinbarungen mit dem Gesamtsprecherausschuss ebenso für Mitarbeiter des Leitungskreises eingeführt worden sei. Erworbene Besitzstände nach den IP-Richtlinien seien kollektivrechtlich auf der Grundlage der "Regelungen für den Übergang in die BSAV SBS für Mitarbeiter des Leitungskreises" vom 09.06.2004 in die BSAV SBS überführt worden. Dabei sei zusätzlich die Option geschaffen worden, im Leistungsfall eine zusätzliche Kapitalzahlung nach Maßgabe der BSAV SBS in Anspruch nehmen zu können. Insgesamt habe der Übergang zu einer Verbesserung der Versorgungsleistungen für den Kläger geführt, wozu die Beklaget weiter ausführt. Jedenfalls sei ausgeschlossen gewesen, dass es zu einer Verschlechterung kommen könne.

Infolge des Verlustes seines Status als leitender Angestellter im Jahre 2007 habe sich seitdem die Altersversorgung des Klägers nach der GBV BSAV SBS aus 2004 gerichtet, nicht mehr nach der (inhaltsgleichen) entsprechenden Richtlinie für leitende Angestellte. Demgemäß sei das Versorgungskonto des Klägers von da ab nach der GBV fortgeführt worden. Die GBV BSAV SBS sei schließlich 2019 durch die "GBV Pension Freeze" im Rahmen der Neuordnung der Versorgungswerke abgelöst worden. Diese GBV wiederum sei Teil eines umfassenden Sanierungsplans, da sie, die Beklagte, in eine gravierende wirtschaftliche Schieflage geraten sei, wozu die Beklagte näher vorträgt. Insbesondere habe seit Jahren eine bilanzielle Überschuldung vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich beider Anträge unbegründet.

I.

Die Pensionsbedingungen für den Kläger sind rechtswirksam abgeändert worden. Entgegen der Bewertung des Klägers handelt es sich dabei nicht um eine individuell ausgehandelte, sondern vielmehr um eine kollektivrechtlich geregelte Altersversorgung.

1.

Der Kläger kann nicht mit Erfolg damit durchdringen, seine Pensionszusage beruhe auf einer rein individualvertraglichen Vereinbarung. Die Versorgungszusage der Beklagten ist nicht frei und individuell zwischen den Parteien ausgehandelt worden.

a)

Die Anforderungen an ein "Aushandeln einer Vertragsbedingung" (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) behandelt der BGH in ständiger Rechtsprechung streng (vgl. nur BGH 19.03.2019 - XI ZR 9/18; BGH 28.07.2015 - XI ZR 434/14).

Danach ist regelmäßig erforderlich, dass der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene gesetzesfremde Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition des Verhandlungspartners gestellt und ihm Gestaltungsfreiheit eingeräumt wird (vgl. BGH 26.03.2015 - VII ZR 290/14). Dies kann sich etwa in einer Änderung eines vorformulierten Textes niederschlagen, muss es jedoch nicht, soweit der Vertragspartner der Regelung zustimmt (BGH 28.07.2015 - XI ZR 434/14; BGH 22.11.2012 - VII ZR 222/12).

Für die Bewertung kommt es dabei nicht auf das äußere Erscheinungsbild der Bestimmung an, die auf eine Allgemeine Geschäftsbedingung schließen ließe, sondern es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller - auch dem Vertrag vorausgehenden - Umstände heranzuziehen (vgl. BGH 28.07.2015 - XI ZR 434/14).

Eine echte Individualabrede setzt voraus, dass die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind. Der Arbeitgeber muss die vertragliche Regelung ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Arbeitnehmer die reale Möglichkeit eingeräumt haben, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Der Arbeitgeber als Verwender der Vertragsbedingungen muss sich deutlich und ernsthaft dazu bereit erklären, vom Arbeitnehmer gewünschte Änderungen der zu treffenden Vereinbarung vorzunehmen (vgl. BAG 15.09.2009 - 3 AZR 173/08).

Von einer echten Individualabrede ist daher nicht bereits dann auszugehen, wenn ein vorformulierter Mustertext Leerstellen enthält, die bei der Verwendung im Einzelfall auszufüllen sind. Allein der Umstand, dass vorformulierte Vertragsbedingungen bei ihrer Verwendung um bestimmte Angaben ergänzt werden, nimmt der gesamten Vereinbarung nicht ihren Charakter als Allgemeine Vertragsbedingung. Dies gilt selbst dann, wenn die Ergänzung einen wesentlichen Aspekt der Vereinbarung betrifft (BGH 23.08.2016 - 10 VIII ZR 23/16).

b)

Das streitgegenständliche Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 20.05.1998 ist nicht in diesem Sinne ausgehandelt worden. Von der zugesagten Höhe der Pensionszusage als Ausfluss eines Verhandlungsergebnisses vermochte der Kläger das Gericht nicht hinreichend zu überzeugen.

Die damalige Arbeitgeberin hat vielmehr die "individuelle" Pensionszusage des Klägers ganz offensichtlich in ihr allgemeines Versorgungssystem auf der Grundlage der damals geltenden Bedingungen in 1996 eingefügt. Zwar enthielten diese offenbar zunächst noch keine konkreten Angaben zur Höhe der zugesagten Pension. Doch stand diese letztendlich im Ermessen des Arbeitgebers. Der Kläger ist zwar offensichtlich mit seinen Vorstellungen in die Ermessensausübung mit einbezogen worden. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dem Kläger die letztlich verbindliche Pensionshöhe ernsthaft zur Disposition gestellt und ihm insoweit Gestaltungsfreiheit eingeräumt worden ist. Nach Einschätzung des Gerichts ging es bei dem Vorgespräch mit dem Kläger, dass dieser als "Verhandlung" darstellt, um die Berücksichtigung seiner persönlichen Interessen und Vorstellungen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass der Kläger insoweit letztendlich tatsächlich ein konkretes Verhandlungsgleichgewicht hatte. So sind etwa länger andauernde, ausführliche Verhandlungen zwischen den Parteien "auf Augenhöhe", die schließlich zu dem zugesagten Pensionsbetrag geführt haben, nicht erkennbar. Selbst die schnelle Akzeptanz der klägerischen Vorstellung durch seinen damaligen Gesprächspartner kann mehrere Gründe haben und ist für sich genommen keineswegs ein Beleg für ein gemeinsames Verhandlungsergebnis.

Das lässt sich neben der Einbindung in die "Bedingungen 1996 für individuelle Pensionszusagen im Leitungskreis" ebenfalls daran festmachen, dass die Pensionszusage dem Kläger gegenüber einseitig erklärt und erst nach den Vorgesprächen mit dem Kläger abgegeben worden ist. Ein konkreter Einfluss dieser "Vorverhandlungen" auf die letztendlich getätigte Pensionszusage in Form der Niederschrift eines Verhandlungsergebnisses ist nicht erkennbar. Genauso gut kann das Vorgespräch Bestandteil der Ermessensausübung dergestalt gewesen sein, dass ich sich die persönlichen Pensionsvorstellungen des Klägers im Rahmen subjektiven Leistungsbereitschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten bewegten, so dass sich nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Mitarbeiterzufriedenheit die letztendlich erfolgte Zusage mit geäußerten (Wunsch-)Vorstellung des Klägers deckte.

Es sind im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung auch keine sonstigen, dieser Zusage vorausgehenden Umstände ersichtlich, die auf ein gleichberechtigtes Aushandeln der Pensionshöhe schließen lassen.

c)

Die Vernehmung des von dem Kläger benannten Zeugen C. kam in diesem Zusammenhang nicht in Betracht.

Das diesbezügliche tatsächliche Vorbringen des Klägers ist nicht geeignet, ein Aushandeln im oben genannten Sinne darzustellen. Der Kläger trägt insoweit lediglich vor, dass unterschiedliche Beträge der Rentenhöhe erläutert worden seien und dass man sich dann auf 2.500,-- DM geeinigt habe. Letzteres entspricht jedoch bereits lediglich einer subjektiven Bewertung des Klägers. Eine "Erörterung" verschiedener Beträge bestätigt noch nicht, dass der letztlich zugesagte Betrag ernsthaft zur Disposition stand und im Ergebnis (auch) auf der Gestaltungsfreiheit des Klägers beruhte. Insofern sind schon der nähere Ablauf und Inhalt der "Verhandlungen" nicht erkennbar. So bleibt unklar, wer ggf. welche Angebote bzw. Forderungen unterbreitet bzw. aufgestellt hat und welche davon mit welcher Begründung abgelehnt worden sind.

2.

Die betriebliche Altersversorgung des Klägers ist rechtswirksam abgeändert worden.

a)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind verschlechternde Eingriffe und damit Änderungen von Versorgungsregelungen mit kollektivem Bezug an der sogenannten Drei-Stufen-Theorie zu messen. Nach den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz sind danach die an die Rechtfertigung eines Eingriffs zu stellenden Anforderungen umso höher, je stärker in die Rechtsposition des Anwartschaftsberechtigten eingegriffen wird.

aa)

Ein bereits erdienter Anspruch kann nur aus zwingenden Gründen wieder entzogen oder gekürzt werden (1. Stufe). Auf der 2. Stufe werden unter dem Begriff "erdiente Anwartschaftsdynamik" dienstzeitunabhängige Zuwächse (bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen) geschützt. Nachteilige Änderungen sind hier nur aus triftigen Gründen zulässig (z. B. Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens). Lediglich sachlichproportionaler Gründe bedarf es hingegen bei Eingriffen in noch zu erdienende, dienstzeitabhängige Zuwachsraten (3. Stufe; vgl. nur BAG 19.03.2019 - 3 AZR 201/17; BAG 15.01.2013 - 3 AZR 705/10 jeweils m.w.N.).

bb)

Bei mehreren aufeinander folgenden Ablösungen ist jede Ablösung anhand dieser 3-Stufen-Theorie gesondert darauf zu prüfen, ob der mit der Ablösung im Verhältnis zur abgelösten Versorgungsordnung einhergehende Eingriff in die Versorgungsanwartschaften gerechtfertigt ist. Sollte die Prüfung ergeben, dass die erste Ablösung der ursprünglichen Versorgungsordnung unwirksam war, ist bei der Prüfung der nachfolgenden Ablösungen die nicht wirksam abgelöste ursprüngliche Versorgungsordnung zugrunde zu legen, wenn die Auslegung der zu prüfenden nachfolgenden Versorgungsordnung ergibt, dass diese auch die ursprüngliche Versorgungsordnung ersetzen soll. Dabei kann es eine Rolle spielen, ob die ablösende Versorgungsordnung unter Mitwirkung des Betriebsrats oder allein vom Arbeitgeber gestaltet wurde (BAG a.a.O.).

cc)

Eingriffe auf der 3. Stufe müssen lediglich auf einem plausiblen Gesamtkonzept beruhen, zudem stehen den Betriebspartnern eine Einschätzungsprärogative sowie ein Beurteilungsspielraum zu. Doch die Kosteneinsparung aus Sicht eines vernünftigen Unternehmens muss auch in dem konkreten Umfang geboten wie das Einsparvolumen ermittelt worden sein.

aaa)

Dazu bedarf es (lediglich) sachlichproportionaler Gründe. Das sind nachvollziehbare, anerkennenswerte und damit willkürfreie Gründe. Diese können insbesondere auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens beruhen. Beruft sich der Arbeitsgeber auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, müssen die sachlichen Gründe für den Eingriff in die betriebliche Altersversorgung nicht das für einen triftigen Grund und damit einen Eingriff auf der 2. Stufe erforderliche Gewicht erreicht haben. Vielmehr ist entscheidend, ob wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Unternehmer reagieren darf (BAG 10.11.2015 - 3 AZR 395/14).

bbb)

Zur Rechtfertigung von Eingriffen auf der 3. Stufe kommen bereits solche wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Betracht, die noch nicht zu einer konkreten Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens geführt haben. Weder ist eine langfristige Substanzgefährdung erforderlich, noch bedarf es der sachverständigen Feststellung einer insolvenznahen wirtschaftlichen Notlage oder eines ausgewogenen, die Sanierungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans (BAG a.a.O.; BAG 09.12.2014 - 3 AZR 323/13).

ccc)

Auch ein Eingriff (erst) auf der 3. Stufe muss aber verhältnismäßig sein. Das ist gegeben, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter eingreift, als ein vernünftiger Unternehmer dies zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die einzelnen, zur Kosteneinsparung getroffenen Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Vielmehr reicht es aus, dass sich der Eingriff in die betriebliche Altersversorgung in ein auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtetes Gesamtkonzept einpasst und die Ausgestaltung dieses Konzepts plausibel ist (BAG 10.11.2015 - 3 AZR 395/14; BAG 09.12.2014 - 3 AZR 323/13).

ddd)

Den Betriebsparteien steht bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen eine Einschätzungsprärogative zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts haben sie einen Beurteilungsspielraum (BAG a.a.O.).

b)

Im zugrunde liegenden Sachverhalt liegt ein Eingriff in zukünftig erdienbare Anwartschaften und damit auf der 3. Stufe vor.

Die Veränderung der Versorgungszusage des Klägers führt allein dazu, dass dieser nach dem 30.06.2019 keine zukünftigen Zuwachsraten mehr erreichen konnte. Seine bis zu diesem Stichtag erworbenen Anwartschaften wurden auf dem aktuellen Stand eingefroren.

c)

Dieser Eingriff in die Altersversorgung des Klägers ist gerechtfertigt.

Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der ablösenden Betriebsvereinbarung unbestritten in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Bei der Beklagten lag eine bilanzielle Überschuldung vor. Das hat der Kläger auch nicht in Abrede gestellt. Ebenso wenig vermochte er Zweifel an der Proportionalität des Eingriffs in seine Pensionszusage vorzubringen. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Eingriff in die Altersversorgung ist vielmehr Teil eines plausiblen Gesamtsanierungskonzepts.

d)

Der Eingriff beruht auf einer wirksamen kollektivrechtlichen Grundlage.

Die Pensionsbedingungen von 1996 sind im Jahre 2004 durch die BSAV entweder über eine mit dem Gesamtsprecherausschuss vereinbarte Richtlinie oder zumindest im Wege des § 140 BGB über eine Gesamtzusage (vgl. BAG 11.12.2018 - 3 AZR 380/17) abgelöst worden. Aufgrund der enthaltenen Besitzstandswahrung konnte keine Verschlechterung der Altersversorgung des Klägers entstehen, so dass die Ablösung einer Rechtfertigung nicht bedurfte (vgl. BAG 09.12.2014 - 3 AZR 323/13). Maßgeblich ist insoweit der Ablösungszeitpunkt 01.10.2004 (vgl. BAG 19.03.2019 - 3 AZR 369/17).

Infolge seines Statuswechsels in 2007 fiel der Kläger sodann aus dem Geltungsbereich kollektivrechtlicher Regelungen für leitende Angestellte heraus und nunmehr in den normativen und zwingenden Anwendungsbereich der GBV BSAV SBS. Diese wurde schließlich im Jahr 2019 durch GBV Pension Freeze abgelöst, deren Geltung der Kläger hier zu Unrecht in Abrede stellt.

Die Klage war mithin insgesamt abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes ist gem. §§ 46 Abs. 2 Satz 1, 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 1 Satz 1GKG, 3 ZPO in Höhe der 36-fachen monatlichen Differenz zwischen der von dem Kläger begehrten und der letztlich von der Beklagten zugestandenen Pensionshöhe im Urteil festgesetzt worden.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Hamm

Marker Allee 94

59071 Hamm

Fax: 02381 891-283

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1. Rechtsanwälte,

2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

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